Der Glasgarten von Gadreel_Coco ================================================================================ Kapitel 160: split ------------------ split Schuldig warf den Rest der Zigarette weg, da ihn eine latente Übelkeit erfasst hatte. Das Rauchen machte es tatsächlich nur schlimmer. Er setzte sich wieder hin und massierte sich die Schläfen. Ran musste zusehen wie schlecht es Schuldig ging und wie lange es dauerte bis er sich davon erholte. Damals als er Schuldig aus seinen Gedanken geworfen hatte war es nicht so schlimm gewesen, oder hatte er sich es nur eingeredet um kein schlechtes Gewissen zu haben? Vielleicht standen sie sich damals auch nicht so nahe wie heute. „Willst du etwas einnehmen? Ich habe deine Kapseln mitgenommen für den Fall der Fälle“, bot Ran an um etwas tun zu können, denn Schuldig sah mitgenommen aus. Sein Gesicht war blass und genau diese Blässe brachte dunkle Augenringe hervor. Schuldig sah ihn müde an und nickte. „Ja, ich denke das wäre besser.“ Froh darüber etwas tun zu können beeilte sich Ran und holte aus ihrer Tasche die kleine Dose hervor. Er reichte Schuldig eine Kapsel und die kleine Flasche Wasser. Als Schuldig die Flasche ansetzte und einen Schluck nahm stockte er, stand schnell auf und ging auf die Seite des Wagens, er übergab sich und ging in die Knie. Ran lehnte am Wagen und sah dem Prozess besorgt zu. „Das kommt von diesen beschissenen Zigaretten.“ Nach einer Weile ging er zu Schuldig und half ihm hoch. Schuldig spülte sich den Mund aus und nahm zwei Kapseln mit einem kleinen Schluck Wasser. „Hast du die gegen Übelkeit auch dabei?“, fragte Schuldig mit rauer Stimme. Er ignorierte Rans Worte, da sie lediglich seiner Hilflosigkeit geschuldet waren. Ran nickte und ging zu der Tasche zurück. Er fand die Packung und gab Schuldig eine der Dragees. „Gib mir Zwei davon.“ „Bist du sicher?“ „Ja.“ Ran reichte ihm zwei und Schuldig nahm einen weiteren Schluck aus der Flasche, dann setzte er sich wieder auf den Fahrersitz. „War es... damals auch so schlimm?“ Schuldig sah auf. „Was meinst du?“ „Als ich dich rausgeworfen habe.“ Schuldig lehnte seinen schmerzenden Kopf an die Kopflehne an und lächelte sanft. „Nein. Das weißt du doch“, sagte er milde. Ran sah ihn einfach nur an. „Hör auf dir darüber Gedanken zu machen, Blumenkind.“ „Der Name ist veraltet“, erwiderte Ran immer noch darüber grübelnd wie schlecht es Schuldig tatsächlich ging. „Gut, ich such mir was Neues.“ „Untersteh dich“, sagte Ran nicht wirklich bei der Sache und wischte Schuldig den Schweiß von der Stirn. „Darüber haben wir auch schon gesprochen“, brummte Ran. „Ich versuche nochmal die anderen zu erreichen.“ Schuldig nickte und sah Ran mit halb geöffneten Lidern dabei zu wie dieser versuchte irgendjemanden ans Telefon zu bekommen. Jede Nummer die er wählte war jedoch ein Reinfall. Sie mussten dringend zurückfahren. „Haben wir die Nummer von dieser Kawamori?“ Ran sah frustriert auf und nickte. „Begeisterung sieht anders aus, Ran“, tadelte Schuldig. „Ich will nicht anrufen.“ „Uns bleibt keine Wahl. Vielleicht können sie helfen.“ Ran zuckte mit den Schultern. „Ich weiß, dass du Angst hast, aber ruf an.“ Ran verzog den Mund und suchte die Nummer, die Crawford ihm gegeben hatte. Er wählte und sah Schuldig dabei an. Dieser lächelte nur und Ran hatte das Gefühl eine Prise Stolz darin zu erkennen. Ran rollte mit den Augen und wandte sich ab. „Ja“, meldete sich eine männliche Stimme. „Mit wem spreche ich?“, fragte Ran und wurde nervös. Das war sonst nicht sein Job Kontakte herzustellen. „Von wem haben Sie diese Nummer?“, wollte sein Gesprächspartner wissen. „Von einem Hellseher“, sagte Ran. Wenn die Nummer falsch war dann würde der Angerufene denken, dass er verrückt war und sich einen Scherz erlaubte, falls nicht wüsste er von wem Ran sprach. „Ich brauche Ihren Namen.“ „Abyssinian.“ „Warten Sie, ich verbinde.“ Es dauerte etwas und Ran sah zu Schuldig, der seine Augen geschlossen hielt. „Kawamori“, meldete sich eine weibliche Stimme. „Wir haben in Kürze ein Treffen.“ „Gibt es Schwierigkeiten bei Ihrer Reise?“ Ran zögerte. „Ja, wir müssen zurück. Wir können vorerst nicht kommen.“ „Ich rate davon ab, kommen Sie so schnell es geht.“ Ran schwieg wieder und stellte die Geduld seiner Gesprächspartnerin auf die Probe. „Wissen Sie wo Manx ist?“ „Ihr Standort ist uns nicht bekannt. Wir haben keinen Kontakt.“ „Ich melde mich wieder.“ Ran legte auf. Schuldig sah zu wie Ran das Telefon schnell wegsteckte und durchatmete. „Das war weit weniger ergiebig, als ich es mir erhofft habe.“ Schuldig behielt Ran im Auge, während er aufstand und sich streckte. Die Übelkeit wurde langsam besser. „Sie sagte, dass sie mir davon abrät zurückzufahren und wir so schnell es ging weiterfahren sollten.“ „Das heißt, dass sie wissen was vor sich geht.“ „Zumindest wissen sie, dass etwas vor sich geht und dass es nichts Gutes ist“, pflichtete Ran bei. Schuldig nickte. „Ich versuche es noch einmal und klink mich aus.“ Er hörte wie Ran ansetzte etwas zu sagen und dann doch schwieg. Dann jedoch kam ein leises: „Mach... keinen Scheiß...“ Worte die kaum zu verstehen waren. Schuldig beschäftigte sich bereits gedanklich wieder damit wie er auf dem schnellsten Weg zurückfinden würde, doch ihn ließen diese Worte aufhorchen. Er drehte sich zu Ran um und zog ihn an sich. „Ich pass auf, okay?“ Ran hob ihm das Gesicht entgegen und nickte. Wie immer konnte Schuldig in Rans Gesicht nicht ablesen was er fühlte, nur der Ausdruck in seinen Augen sprach Bände. „Rede mit mir, Ran.“ „Was... wenn sie...wenn sie...“ „Wenn sie sterben?“ Ran sagte nichts, er sah ihn nur an. Mit diesem Blick der voller Angst war und der in Schuldig das Gefühl der Hilflosigkeit auslöste. Er hatte Angst seine Freunde zu verlieren, denn er hatte schon so viel verloren. „Wir wissen noch gar nichts, Ran“, sagte Schuldig beruhigend und vielleicht auch ausweichend. Er hatte die gleichen Befürchtungen. Er fragte sich in diesem Moment woher er diese Ruhe aufbrachte, die er für diese Worte benötigte. Vielleicht war es Rans Blick der ihm dabei half. „Wir brauchen mehr Informationen“, sagte Ran darauf wohl um sich selbst Mut zuzusprechen und um Schuldig aus dieser Situation zu erlösen. Sie wussten beide, dass Schuldig mit dieser Art Verantwortung schlecht umzugehen wusste. Schuldig nickte. Er ließ ihn nur ungern los und wünschte sich mit Ran abzuhauen und alles zurückzulassen was sie band. Das hatte er schon einmal getan mit Brad, Nagi und Jei zusammen und es war nur schlimmer geworden. Wegzulaufen stand also nicht zur Diskussion. „Ich will mich nur umsehen und dieses Mal, ohne dass jemand mich bemerkt.“ Er ging auf die Beifahrerseite und setzte sich. Nachdem er die Tür geschlossen und sich angeschnallt hatte schloss er die Augen und klinkte sich aus, er überließ dabei seinen Körper Rans Obhut. Nur vage bekam er mit wie Ran den Wagen startete, wie der Nachrichtensprecher von weiteren explosiven Vorfällen in der Stadt sprach... Er zog sich über die Menschen, von einem zum anderen, zurück nach Tokyo. Dadurch, dass er sich von Mensch zu Mensch hangelte hoffte er diesen ominösen Schild zu umgehen, doch je näher er ihrem Haus kam desto vorsichtiger wurde er. Seine Spione rund um ihr Haus waren in Schlaf versetzt worden. Sie zu wecken würde den Telepathen der sie im Griff hatte aufmerksam auf Schuldig machen, folglich zog er sich von dort zurück. Zumindest wusste er jetzt, dass sie eine Art Netz gespannt hatten. Dass dies möglich war wusste er noch von seinem Lehrer De la Croix. Er hätte damals nicht nur rebellieren, sondern besser aufpassen sollen. Schuldig zog sich weiter zurück und ließ sich in Richtung Klinik treiben. Je näher er kam, desto panischer wurden die Menschen. Sie hatten Angst. Er holte einen aus seiner Panik, übernahm ihn und sah sich um. Weitere Explosionen erhellten und erschütterten die vom Sturm gebeutelte Stadt. Das Hochhaus, in dem die Klinik untergebracht war und Nagi sich aufhalten sollte lag in Trümmern. Zwei Straßenzüge weiter waren Beton, Schutt und Asche verteilt. Der Fall des Gebäudes hatte viele andere mit sich gerissen. Menschen irrten durch die Nacht und suchten Schutz. Schuldig entließ den Menschen und sprang in einen anderen um näher an die Klinik zu gelangen und so vielleicht Nagi finden zu können. In der Klinik war kein lebender Mensch mehr. Nagis Markierung und somit sein Signal waren weg. Es hatte keinen Sinn noch länger zu suchen. Er fand weder Kudou noch Jei und von Nagi und Brad fehlte ebenfalls jede Spur. Keiner war mehr dort oder sie waren tot. Er zog sich zurück und ließ sich an die Oberfläche gleiten. Seine Nachforschungen hatten länger gedauert als erwartet, denn als er die Augen aufschlug sah er durch die Windschutzscheibe die letzten Ausläufer des Sturms, der weiter ins Landesinnere zog und nur noch in abgeschwächter Form vorhanden war. „Explosionen haben die Stadt lahmgelegt. Asamis Gebäude ist eingestürzt. Nagis Signal ist erloschen.“ „Jemand hat das ganze Gebäude gesprengt?“, fragte Ran ungläubig. „So etwas braucht eine lange Vorbereitung“, sagte Ran nachdenklich. Er schaltete das Radio wieder ein. Sie bekamen nur unterbrochen einen Sender herein. Der Sprecher gab Vermutungen über einen terroristischen Anschlag in einigen Teilen der Stadt bekannt. Die Behörden hatten den Ausnahmezustand ausgerufen. „Das riecht verdächtig danach als hätte ein Hellseher einen Alleingang hingelegt. Und es vergeigt.“ Schuldig schwieg und starrte auf die Windschutzscheibe. „Ich weiß nicht. Er hat uns alle aus dem Haus bekommen, das stimmt.“ Schuldig verbat sich Gefühle aufkommen zu lassen. Nagi. Er konnte es nicht zulassen, daran zu glauben, dass ihr Junge tot war. Nagi konnte nicht einfach so sterben. Er war geschwächt gewesen, aber... Von ihnen allen hätte er auf Nagi gewettet. Keiner kam an ihn heran – nur eben jetzt... jetzt war der beste Zeitpunkt dafür gewesen. Schuldig presste die Lippen aufeinander. Hatten sie ihn angegriffen... jetzt in diesem Zustand? Er war doch auf dem Weg der Besserung gewesen. Trotzdem viel zu verletzlich – er war noch ein halbes Kind. „Schneller Ran“, sagte Schuldig und starrte den Sturm an, während Ran aufs Tempo drückte. Sie hingen ihren Gedanken nach, während sie versuchten in die Stadt zu gelangen. Straßensperren mussten von Schuldig geregelt werden, damit sie passieren konnten. Schlussendlich kamen sie in die Gegend in der das Haus stand. Ungefähr im Umkreis von zwei Kilometern bedeutete Schuldig Ran anzuhalten. „Ab hier haben sie die Leute in ihrem Netz. Sie schlafen.“ „Alle?“ „Ja. Keiner dient als Wache. Meine Markierung wurde einfach hinweggefegt.“ Ran fuhr den Wagen an den Rand und stieg aus. „Was heißt das?“ „Was das heißt?“ Schuldig war gerade dabei sich die Halteriemen für die Kukris anzulegen und hielt kurz inne um Ran anzusehen. „Das heißt, dass wir tief in der Scheiße stecken, weil sie vermutlich stärker sind als ich.“ Ran bewaffnete sich mit zwei Handfeuerwaffen, steckte Messer in die Aussparungen seiner Stiefel und nahm seine Klinge zur Hand. „Stärker als du?“ Ran sah zu ihm auf. Schuldig verbarg seine Klingen an seinen unteren Rücken in die Scheiden und verstaute seine Pistolen in den Oberschenkelholstern. „Ja.“ Schuldig schloss den Kofferraum. „Wenn Brad das wusste ist mir jetzt noch klarer, warum wir uns verkrochen haben und er eine Konfrontation immer vermieden hat.“ „Kannst du die Telepathen lokalisieren?“ „Nein, sobald ich es versuche würden sie es bemerken – zumindest gehe ich davon aus.“ Beide trugen sie die Kleidung aus Spinnenseide. Schuldig hatte eine dünne enganliegende Lederkombination darüber gezogen, die er sonst zum Motorradfahren trug. Mehr an Vorbereitung war angesichts ihrer Lage nicht drin. „Hast du das Spinnenzeug an?“, fragte Schuldig Ran. Dieser nickte. „Ja, es ist Nagis Anzug.“ „Der ist viel zu klein für dich und bietet nicht den gleichen Schutz.“ „Er reicht vollkommen aus, ich hab den anderen nicht gefunden.“ Schuldig ersparte sich eine Erwiderung bevor er richtig sauer wurde. Er wollte jetzt keine Diskussion darüber anfangen, sie waren angespannt genug. Endlich fertig sahen sie die Straße hinunter, die an ihrem Ende leicht anstieg und um die Kurve ging. Am Ende dieser langen Kurve stand das Haus. Es war nicht einsehbar. Ran hielt Schwert samt Scheide in einer Hand und beobachtete die Umgebung. Es war gespenstisch. Kein Licht brannte, die meisten Straßenlaternen waren dunkel. Der Sturm in seinen Ausläufern war immer noch stark genug um Windböen mit schwerem Nass über sie niedergehen zu lassen. „Bekommen sie mit wenn wir kommen?“ „Dich nicht. Bei mir bin ich mir nicht sicher.“ „Kannst du dich verbergen?“ „In der Regel schon. Nur weiß ich nicht wie stark sie sind. Ich... habe noch nie gegen viele Telepathen gekämpft“, sagte er zögernd. Ran ging los und Schuldig folgte ihm. „Was war damals? In der Kathedrale?“, fragte Ran als sie die Deckung einer Mauer nutzten um sich erneut einen Überblick zu verschaffen. Einige der verbliebenen Straßenlaternen warfen ihr schummriges Licht auf den Asphalt. „Naja...“ Schuldig wischte sich eine nasse Strähne hinter die Ohren. „Sie waren zu sehr darauf konzentriert ihr Ding durchzuziehen und wir beschäftigten uns mit euch. Einzelne Telepathen sind kein Problem, aber eine Horde? Keine Ahnung was passiert.“ Ran nickte und ging wieder voraus. Sie schlichen sich von Haus zu Haus, bis sie Kudous und Jeis Motorräder passierten. Ran machte Schuldig darauf aufmerksam. Der Schild schien schwächer als zuvor, aber immer noch vorhanden. Dann sahen sie das Haus, es lag im Dunkeln. Sie umrundeten es zügig und kamen auf die Rückseite. Der große Garten lag verlassen da, die Scheiben des Poolhauses lagen zersplittert auf dem Boden. Sie waren von innen nach außen gedrückt worden. Ein Mann lag inmitten der Scherben. Er trug einen Mantel in hellem Grau. Ein rotes Kreuz prangte auf seinem Rücken, der ihnen zugewandt lag. Im Inneren des Hauses brannte Licht. Nicht im Poolhaus. Die Vorhänge wurden nach draußen gezerrt und blähten sich im Wind. Ran erhob sich aus dem Schatten und sprang von der Mauer, die das Gelände umgab auf den Boden. Bäume schützten sie immer noch vor Blicken. Dann traten sie auf offenes Gelände. Sie hatten noch ungefähr fünfzig Meter bis zum Haus, doch schon traten Stiefel auf das darunter liegende Glas und ließen es knirschen. Ihre Anwesenheit war bemerkt worden. Aus dem Haus traten mehrere Männer und Frauen. Sie gingen ein paar Schritte auf sie zu und blieben dann stehen. Ran zählte neun Personen. Minutenlang standen beide Parteien im Regen und starrten sich an. Ihre Gesichter waren wie Schuldigs und Rans in der Zwischenzeit klatschnass geworden. Ran und Schuldig lösten sich aus ihrer eigenen Beobachtung und machten einige Schritte auf sie zu bevor sie inne hielten. „Machst du die Eröffnung?“, fragte Ran düster. „Ja“, erwiderte Schuldig langsam. „Sonst stehen wir morgen noch hier.“ Schuldig lächelte entspannt. „Wer seid ihr?“, fragte Schuldig. „Rosenkreuz“, antwortete eine der beiden Frauen. „Schwer zu übersehen“, murmelte Schuldig. „Und was wollt ihr?“, schloss er ungeduldig an. „Dich.“ „Was ganz Originelles“, sagte Ran und Schuldig musste ihm beipflichten. „Und dann schickt der Orden euch Witzfiguren?“ Schuldig fand es tatsächlich amüsant und lachte auf. Aus dem Augenwinkel bemerkte er wie Ran kurz zu ihm sah. „Habt ihr euch mit eurem Boss angelegt und er wollte euch auf diese Art aus dem Weg räumen?“ „Du bist unreif und dumm wenn du glaubst uns überlegen zu sein“, sagte eine Frau ruhig. Schuldig schnaubte amüsiert. „Wo sind unsere Leute?“ „Der Empath hat sich widersetzt. Der nichtbefähigte der ihn begleitete unterstützte dies. Er ist ebenfalls tot“, erwiderte die Frau sachlich. Schuldigs Lächeln wurde tiefer. Sie blufften – ebenso wie er. Sie konnten nicht tot sein. Jei konnte nicht tot sein. Und er selbst hatte keine Ahnung was es bedeutete gegen Mitglieder des Rosenkreuz-Ordens zu kämpfen. „Und wie kommt ihr zu der Annahme ich würde freiwillig mit euch gehen?“, fragte Schuldig in diesem speziellen amüsierten Tonfall, den Ran nur zu gut kannte. Er näherte sich der Kante, die ihn in diesen Zustand fallen ließ der den Teil seiner Persönlichkeit verschlang, den Ran liebte. Und Ran konnte ihn jetzt nicht davor bewahren. Er glaubte nicht, dass Jei und Yohji tot sein sollten. Er hörte das kratzige Lachen, das von Schuldig kam, Ran wagte jedoch keinen Blick mehr hinüber. Schuldigs ganze Präsenz hatte sich verändert. Etwas lauerte in ihm und Ran fürchtete dieses Etwas. Es bahnte sich seinen Weg nach draußen. Ran spürte es und er hatte erkannt wie sich Schuldigs Bewegungen änderten. Heute konnte er den Unterschied erkennen, früher war es für ihn einfach Schuldigs gesamtes Wesen gewesen, heute wusste er, dass es nur ein Teil davon war. Schuldig spürte ein Lachen in sich hochkriechen, ein Gefühl das begleitet wurde von Etwas das wütend war. Er spürte dieses fürchterliche Kratzen und Reiben, das gierig nach ihren Gedanken lechzte, das nach draußen wollte. Er rieb sich am Hals, es juckte plötzlich fürchterlich, während er grinsend die Rosenkreuzer ins Visier nahm. Schuldig bemerkte es und ließ seine Hand sinken. Das war nicht gut, er drohte die Kontrolle zu verlieren. „Ran?“, sagte er deshalb warnend. Ran nickte. „Ich weiß. Konzentrier dich.“ Ran wusste, dass sie hier die besten Chancen hatten, wenn Schuldigs dunkle Seite die Oberhand gewann. Am Besten funktionierte dies, wenn er den nötigen Anreiz bekam. „Du willst mich doch beschützen, oder nicht?“ Schuldig fühlte, wie etwas in ihm jubilierte. Er versuchte es zu ignorieren, was schwer wurde anhand von Rans Worten. Denn ihm fiel gerade auf... „Triggerst du mich gerade?“ „Vielleicht...“, erwiderte Ran ruhig. Schuldig sah aus dem Augenwinkel wie Ran das Schwert mit dem Daumen leicht aus der Scheide schob, damit er es leichter ziehen konnte. „Knall sie einfach ab, Ran. Sie stehen auf ihre kleinen Schwerter und Dolche, auf ihre Peitschen und Nadeln. Sie kämpfen anders und du kannst sie mit einem Schuss überraschen.“ „Sie haben einen Telekineten, das wird auf Dauer nichts nützen“, erwiderte Ran besonnen. „Haben sie?“ Schuldig richtete seine Aufmerksamkeit nicht nur auf die Telepathen, sondern auch auf einen Mann, der sich etwas im Abseits hielt. Er hatte sich Raum verschafft um seine Mitstreiter nicht zu gefährden. Seine Hände hielt er vor sich, die Finger waren aufgefächert, als würde er eine unsichtbare Kugel halten. Er begann seine Energie zu konzentrieren, wie Nagi es früher gemacht hatte, als er jünger war. „Willst du nicht den Hellseher beschützen?“, fragte einer der Männer und Schuldig blinzelte irritiert. Sie störten sein Gespräch mit Ran. Er nahm sie wieder in Augenschein. „Der Hellseher will nicht beschützt werden“, sagte Schuldig und ein dreckiges Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus. Er ließ sich in eine Emotion fallen, die er sonst unterdrückte. Dieses Mal brauchte er sie, diese Wut, diese Gier, diese Hoffnungslosigkeit... die sie bei allen anderen und ihm selbst zurückließ. Er richtete seinen telepathischen Blick auf die Personen die vor ihm standen. Die Fäden, die sich nach ihm ausstreckten, die ihm entgegensprießten und die der Abtastung seiner Schilde dienten schleuderte er zurück zu ihnen. Das war eine andere Art von Gefecht das ihm gänzlich unbekannt war. Er hatte noch nie gegen eine große Anzahl Telepathen gekämpft, oder gegen andere PSI auf diese Weise. Er konnte sie telepathisch nicht übernehmen, er versuchte es auf eine andere Art, wie wusste er nicht genau. Es war eher so, dass er seine negativen Gefühle mobilisierte... Er dachte an Ran, wie sie ihm durch ihren Angriff die Chance genommen hatten ein Leben abseits des Kampfes zu führen. Für einen Moment schloss er die Augen, fokussierte sich und fühlte in sein eigenes Scheitern hinein Ran nicht beschützen zu können. Vor seiner Welt. „Kümmere dich zunächst um den Telekineten. Er ist nicht so stark wie Nagi, kann aber trotzdem Schaden anrichten. Die Scheiben sind nicht von alleine so sauber aus den Rahmen geschossen.“ Er spürte diesen immensen Druck in sich, dieses kränkliche Gefühl des Versagens, den Menschen den er liebte nicht vor diesem Weg bewahren zu können. Dann... ließ er seinen Zorn fahren. Ran hörte wie sie keuchten und einen Schritt zurück machten. Einer ging bereits auf die Knie. Schuldig ging einen Schritt voran. Eine der beiden anwesenden Frauen trat einen Schritt zur Seite und er sah wie sie ihn ins Auge fasste. Ein Netz kam auf ihn zu. Er ließ zu, dass es sich um ihn legte und zerstörte es dann. Einfach nur weil er ihr zeigen wollte, dass er nicht umsonst seine Klappe aufgerissen hatte. Schuldig richtete seinen Zorn auf dieses Netz aus und warf sich hinein. Es zerbarst, dann legte er nach und drang durch ihre Schilde wie ein heißes Messer durch kalte Butter. Er zerfetzte sie bis sie mit leerem Blick zu Boden glitt. „Greif sie an, ich beschäftige alle. Töte sie. Warte mit der anderen Frau bis zuletzt, sie trägt das Netz das die Leute in ihrem Schlaf hält“, sagte Schuldig und Ran kam seine Stimme vor, als wäre er weit weg. Ran gab seine Zustimmung und zog seine Pistole. Er feuerte zwei Mal bevor ihn ein Angriff von den Füßen riss. Seine Waffe wurde weggeschleudert. Er rappelte sich auf und rannte auf die Männer zu, die versuchten ihrerseits ihre Klingen zu ziehen, was schwierig wurde, weil Schuldig sie mental zu stark beschäftigte. Ran musste den Telekineten aus dem Weg räumen. Er sah den überraschten Ausdruck auf dem Gesicht des Mannes, während sich Ran weiter annäherte. „Blockiert ihn!“, rief er aus. Ran grinste. Damit hatten sie nicht gerechnet. Sie kamen mental nicht an ihn heran. Schuldig riss an den stärkeren Schilden, unterband dann ihre Handlungen. Er sah zu Ran hin, sah dessen konzentrierte Stärke, dessen ruhige Kampfweise. Er kämpfte mit dem Telekineten. Schuldig wollte ihm helfen war aber seinerseits zu sehr mit den anderen beschäftigt. Trotzdem griff er mental den Telekineten an, damit Ran eine reale Chance hatte seinen Angriffen auszuweichen und eine Lücke in seiner Deckung zu finden. Sie hatten Ran wieder in den Kampf gezwungen und er selbst mit seiner Hartnäckigkeit ihn an sich zu ziehen hatte den Startschuss dafür gegeben. Schuldig schrie vor Zorn auf. „‚Ihr seid NICHTS!’“, schrie er ihnen verbal und telepathisch entgegen. Er hörte ihre kollektive Antwort – sie hatten Schmerzen. Schuldigs Blick wurde grimmig. Er hatte dies noch nie gemacht und fühlte sich wie ein Kind mit zu vielen Spielzeugen, die er nicht kannte. Noch nie hatte er Schilde so plastisch in seinem Geist vor Augen gehabt. Sie schimmerten wunderschön. Schuldig grinste. Nicht schön genug für ihn. Er hatte kein Konzept und spürte wie ihn dieser enorme Energieaufwand ermüdete. Er testete, drückte und riss an ihren Schilden herum wie ein wütendes Wesen. Dieses Vorgehen zehrte an ihm und es wurde schwierig die Oberhand zu behalten, da er zunehmend die Kontrolle über sich selbst verlor. Er durfte sie nicht verlieren, denn noch war dieses Match nicht entschieden. Wenn er hier versagte dann war Ran Rosenkreuz ausgeliefert und wenn er die Vernunft fahren ließ musste Ran sich mit diesem Etwas in ihm herumschlagen, das er hasste. Zwei von ihnen beschäftigten sich mit Ran, oder eher er mit ihnen, denn sie konnten ihm nicht wirklich etwas entgegensetzen. Er war zu schnell. Er hatte es mit zwei starken Schwertkämpfern zu tun. Schuldig sah wie eine Klinge Ran traf aber abgefälscht wurde – vermutlich von der Spinnenseide und er eine seitliche Drehung in einem Sprung machte um der Klinge die Wucht zu nehmen. Ran. Er musste ihn schützen. Ran konnte mit ihm umgehen wenn er komisch wurde. Besser als wenn er Ran verlor. Vier Netze flogen auf ihn zu. Er durfte nicht zulassen, dass Ran... dass Ran allein war. Seine Konzentration ließ kurz nach, er verlor den Fokus und prallte gegen einen Schild, als sie sich verbündet hatten. Das ging auch? Er taumelte zurück. Er musste hier gewinnen... Er sah wie Ran durch die Luft flog, am Kopf getroffen wurde und zu Boden ging. ... verzeih mir... Schuldig entfernte sich mental und ließ sich fallen. Ja, so war das viel besser. Er atmete tief durch und öffnete seine Augen. Sie kamen auf ihn zu und er zog seine Kukris und kam ihnen mit einen freudigen Lächeln auf den Lippen entgegen. Während er das tat ließ er ihre Schilde auf sich zukommen, sie legten sich um ihn doch sie kümmerten ihn nicht, er wusste, dass sie ihn nicht beeinflussen konnten. Ihre Netze glitten in seinen Schild und wurden von ihm absorbiert. Sie wichen etwas zurück und Entsetzen machte sich auf ihren Mienen breit. Er nutzte ihre Verwirrung aus, griff seinerseits mit seinen Klingen an, doch ihm wurde nur halbherzige Gegenwehr entgegengebracht. Zu groß war ihre Verwirrung, zu groß ihre plötzlich aufgetretene Furcht vor ihm. Er verleibte sich ihre Schilde ein und sie verschwanden ins Nichts. Darunter war auch die Netzträgerin gewesen. Warum nicht gleich so... Schuldig sah zu wie Ran sich auf die Seite drehte und noch während er auf ihn zuging erhob er sich mühsam um dann ins Haus zu gehen. Er folgte ihm nicht, sondern richtete seine mentale Aufmerksamkeit auf die Umgebung. Noch mehr dieser Telepathen, die meinten es mit ihm aufnehmen zu können. Sollten sie kommen. Die Angst und den Unglauben in ihren Augen zu sehen war ihm eine Genugtuung. Schuldig spürte einen Druck hinter seiner Schädeldecke, er drehte sich langsam um, das Kinn gesenkt und die Umgebung lauernd im Auge behaltend. Seine Augen hatten inzwischen eine tiefblaue Färbung angenommen. Seine Sicht hatte sich verändert, eine metaphysische Ebene war hinzu gekommen, ein Bild über dem Bild, das ihm zeigte wie sich Signaturen näherten, denn deren telepathische Verbindungen waren für ihn klar in der Umgebung auszumachen. Er griff sich eine dieser Verbindungen heraus und unterbrach sie, sofort brandete ein Angriff heran, den er zurückschlug. „Es kommen noch mehr“, sagte er leise und grinste. Er legte den Kopf in den Nacken und sein Gesicht dem Regen entgegen. Der Himmel war schwarz und die Fäden die er entließ und die auf ihn prasselten fühlten sich spitz und kalt an. „Honey? Wir kriegen Besuch.“ Vier Individuen waren nicht unweit des Hauses. Ihre Annäherung war etwas ins Stocken geraten nach Schuldigs Willkommensgruß. Schuldig folgte Ran hinein und wollte es durchqueren - weil hier ganz bestimmt niemand mehr war. Das Haus war leer. „Wo treibst du dich denn schon wieder herum. Draußen ist der ganze Spaß“, sagte Schuldig nachsichtig. Er hielt bereits nach einigen Schritten im Poolhaus inne und wandte sich nach links um. Vom Flur aus drang Licht ins Poolhaus und dadurch waren die beiden Männer gut zu erkennen. Kudou saß an der Wand, das Kinn auf der Brust ruhend. Unterhalb seines Kinns war alles in Blut getränkt. Über ihm prangte in blutigen Lettern: Schöne Grüße von Gula. Jei lag unweit daneben. Seine Kehle war durchtrennt worden. Bei der geringen Menge an Blut neben ihm war er nicht hier gestorben. Sie hatten sie hier zur Schau gestellt. Ran musste die ganze Zeit hier gestanden haben. Als Schuldig ihn erreicht ging ein Ruck durch ihn und er rief Kudous Namen. Schuldig tastete beide Männer telepathisch ab. Leere Hüllen. Keine Schilde mehr. Er legte den Kopf schief, sein Lächeln blätterte ab und seine Augen erfassten die Szene, es setzte jedoch kein Begreifen bei ihm ein. Was wollte Ran hier? Hier gab es nichts mehr. Er wurde aus seiner Betrachtung gerissen, als ein Geräusch seine Aufmerksamkeit einforderte. Rans Schwert kam auf dem Boden auf und er begann auf Kudou zuzugehen. Wieder rief er Kudous Namen. Langsam kniete sich Ran neben ihn und streckte seine Hände nach ihm aus. Selbst von hier aus konnte Schuldig sehen wie sehr sie zitterten. Dann zog Ran ihn an sich. Kudous Kopf fiel dabei leicht in den Nacken. Sein Mund war voller geronnenem Blut. Rans darauffolgender Schrei begann leise und dunkel und wurde zu etwas Lautem, anklagend und zornig. Er presste den Mann an sich und schrie seine Verzweiflung hinaus. In Schuldigs Ohren begann es zu Rauschen, ein hoher Ton klang daraus hervor und Rans Schreie verblassten. Er rieb sich über die Ohren, behielt Ran im Blick dessen hilfesuchende Augen ihn erfassten. Rans Gesicht war eine Maske der Verzweiflung und er hatte sie schon in der Vergangenheit gesehen. Sie hatte eine zerstörerische Wirkung auf Schuldig. Schuldig schüttelte den Kopf, riss seine Hände von seinen Ohren und trat einen Schritt zurück. Und noch einen, bis er wieder an der Terrassentür angekommen war. Er blinzelte. Das Rauschen hörte nicht auf, es wurde stärker. Schuldig sah sich um, Rosenkreuz kamen näher. Warum tat Ran das? Ran gehörte ihm! Warum ging er zu diesen Toten? Gequälte Laute drangen plötzlich wieder an sein Gehör und er wandte sich ab. Er sah in die Dunkelheit hinaus, sein Blick sank und traf auf die funkelnden, scharfen Glassplitter auf dem Boden. Ran. Es musste aufhören. Es dauerte schon zu lange. Diese Glassplitter kannte er. Er ging in die Hocke und nahm eine Handvoll der glitzernden Bruchstücke auf. Feiner Staub zwischen den Splittern. Er hatte sie gespürt. Unter seiner Haut. Er schüttelte einmal den Kopf. Er spürte sie jetzt noch. Sie stachen und brannten mit jeder Bewegung die er machte. Schnell zog er sich die Handschuhe aus doch seine Hände waren unversehrt. Narben. Winzige helle Striche auf seiner Haut. Die Handschuhe fielen achtlos zu Boden. Seine Hände begannen zu zittern, er schwankte und brach mit den Knien in die Glasscherben. Noch immer hörte er Ran. Schuldig verzog das Gesicht zu einer wütenden Grimasse. Er atmete schwer und keuchte. Ran schwächte ihn. Schuldig riss den Mund zu einem Schrei auf und ballte seine schmerzenden Hände zu Fäusten zusammen. Die Glassplitter, die noch immer unter seiner Haut waren wurden wieder lebendig und bohrten sich tiefer in ihn hinein. Hör auf! Hör auf! „Hör auf!“ Er schrie so verzweifelt, dass ihm seine Stimme versagte. „Hör auf!“ Seine Stimme war nur mehr ein Krächzen. Dann hörte er Schritte auf dem Glas, es knirschte und knackte wie es in ihm tat, als könnte dieses Glas widerspiegeln wie sehr seine Hände schmerzten. Er wandte sich mit vor sich gehaltenen offenen Händen um. Ran stand umrahmt von wehenden Vorhängen in der Tür. Er sah auf ihn herunter bar jeder Miene. Doch die violetten Augen sahen auf ihn herab und in diesem Moment glaubte Schuldig Abscheu darin zu lesen. Reglos stand Ran vor ihm und Schuldig fühlte sich so verzweifelt, so im Chaos, dass er diesen Blick nicht ertrug. „Du gehörst mir, MIR ALLEIN!“, schrie er diesem Blick trotzig entgegen. „Sie sind tot. Sie brauchen dich nicht!“ „Du schon?“, fragte Ran und seine Stimme war so leise und so schwer, dass Schuldig nicht gleich eine Antwort fand. Dieser Blick war so gleisend in seiner vernichtenden Kraft. Schuldig schüttelte den Kopf. Er sah wieder auf die Glassplitter und seine Hände, dann führte er seine Handflächen auf den Boden. Es musste Glas darauf sein, wenn es schmerzte als wäre Glas darauf. Das Glas gehörte dort hin. Es musste dort sein. „Nein“, hörte er und sah auf. Ran war zu ihm gekommen und kniete vor ihm. Er hielt seine Hände fest und Schuldig sah auf. „DU... du ziehst die Toten mir vor!“, warf er Ran vor. Er sah in seine Augen. Und Ran erwiderte nichts, er sah ihn lediglich an. „Hilf mir“, sagte Ran dann leise. Schuldig wusste im ersten Moment nicht was er mit diesen Worten anfangen sollte. Hatte Ran das schon einmal zu ihm gesagt? War er verletzt? Kam er deshalb zu ihm? „Kommst du zu mir weil die Toten dir nicht helfen können?!“, warf er ihm zornig entgegen. Aber er wurde unsicher, er spürte wie etwas in ihm zu ziehen begann. Er atmete schneller weil er das Gefühl bekam zu ersticken. Ran nahm seine Hände und schob sie um ihn herum in den Mantel hinein und zog sich an Schuldig heran. Er legte seine Wange an dessen Schulter und verharrte so, auch wenn Schuldig ihn nicht aktiv umarmte. „Bitte, bleib bei mir“, sagte Ran und schloss die Augen zur Hälfte. Tränen quollen daraus hervor. Schuldig spannte sich an, er wollte ihn von sich stoßen, da bemerkte er wie sich mehrere Gestalten näherten. Rosenkreuz war angekommen. Er zog Ran fest an sich und wandte den Kopf in die Richtung der Neuankömmlinge. „Ich gehöre dir“, hörte Schuldig und seine Augen wurden größer. JA!, jubelte es in ihm. NEIN, das war nicht richtig. So war es nie gewesen! Es war falsch. Etwas ordnete sich wieder in ihm und er fühlte wie die zähe Dunkelheit, die ihn beherrscht hatte zurück an ihren ursprünglichen Ort glitt. Es fühlte sich an, als würden die losen Teile sich wieder zu einem großen verständlichen Ganzen verbinden. Das was zuvor chaotisch schien ordnete sich jetzt. Noch nie zuvor hatte er dieses Gefühl verspürt, dieses Zusammensetzen von Etwas, dass zuvor zerrissen gewesen war. Alles schmerzte... Es schmerzte ihn, weil er plötzlich verstand was vorgefallen war. Und dieses Verstehen war viel zu schnell gekommen. Sie waren tot. Er verzog das Gesicht in einer Grimasse des Schmerzes und der Trauer, dann warf er den Kopf in den Nacken und schrie seine Verzweiflung aus sich heraus. Er zerschmetterte die Schilde der Rosenkreuzer und atmete hörbar auf, als sein Kopf nach vorne auf Rans Schulter fiel. „Sag das nicht... Ran... sag das nicht...“, flüsterte er. Er hielt die Augen geschlossen und erkannte das Band zwischen ihnen wie es in einem hellen Meer schimmerte. Es war so gleisend hell, dass er nicht hinsehen konnte. Wo war dieses Wehrhafte hin, das ihn härter, ihn unberechenbarer, ihn gierig und ohne Gnade, ohne Moral werden ließ? Warum fühlte sich alles in ihm in diesen Momenten so chaotisch an? So ohne Halt und Sicherung? „Ran?“, flüsterte er mit unsicherer und viel zu brüchiger Stimme. Ran war sein Halt. „Ich bin hier“, erwiderte Ran müde und ohne Vorwurf. Schuldig spürte an seinen Händen plötzlich warme klebrige Nässe. Das konnte nur eines sein. Er zog seine Hand zwischen ihnen hervor und hob sie hinter Rans Rücken um sie anzusehen. Sie war wie befürchtet voller Blut. „Scheiße“, rief er zittrig aus. Er löste sich etwas von Ran, hob mit seiner blutigen Hand Rans Kiefer an und sah ihm in die müden Augen. „Ran, du blutest.“ Dieser sah ihn nur müde und ausgezehrt an. „Ich weiß.“ „Hast du das Spinnenzeug doch nicht an?“ Rans Kopf wurde nur von Schuldigs Hand gehalten, er drohte ihm zu entgleiten. Schuldig rutschte zur Seite, stützte Rans Oberkörper, nahm ihn unter den Kniekehlen und stemmte ihn hoch. „Das... zweiteilige... von Nagi... es engt weniger ein... ich dachte es würde reichen“, sagte Ran fahrig. „... hab ich doch gesagt.“ Schuldig eilte nach drinnen und ging mit ihm rasch nach unten in den Keller. „Klar hast du das und ich fange jetzt nicht an dir einen Vortrag zu halten, auch wenn du einen dringend nötig hast.“ Im Keller angekommen brachte er Ran in ihren Waffenraum und legte ihn auf einen der Tische ab. Ran sah ihm dabei zu wie er die Regale durchsuchte. „Das... obere Teil muss hochgerutscht sein. Die Verbindungsträger zum unteren... sie wurden vielleicht getroffen...“ „Ja, vielleicht“, bestätigte Schuldig Ruhe vortäuschend wo er keine empfand. „Wieso fehlt hier die Hälfte, verdammt!“, fluchte er dann ungehalten, riss einen der Koffer hervor, knallte ihn auf das Sideboard und fegte die dort liegenden Handfeuerwaffen vom Board. Dann schob er Rans Mantel zur Seite und erkannte die Wunde an der Flanke. Sie war tief und klaffte. Er drehte ihn zur Seite. „Ran, bleib bei mir, hast du verstanden?“ „Ich bin da“, kam benommen zurück. „Bist du auch da?“, fragte er dann und Schuldig hielt inne. „Ja“, er sah zu Ran. Er war kalkweiß im Gesicht. „Ich bin wieder da.“ Er schälte ihn zur Hälfte aus dem Mantel und drehte ihn auf die andere Seite bis das Teil auf den Boden fiel. Dann würgte Ran und spuckte Galle auf den Boden. „Schlecht“, kam gequält hervor und Rans Bewegungen waren stark verlangsamt. „Was du nicht sagst...“, witzelte Schuldig trocken. Während er ein Flies aufriss und die Wunde damit auskleidete um Druck auf die Blutung auszuüben blendete er Rans Zittern und seinen dumpfen Schrei aus. „Gleich vorbei“, sagte Schuldig und arbeitete schnell weiter. „Dein Kreislauf...“ Er ging zum Koffer zurück holte sich zwei Kanülen und zog sich Rans Arm heran. Er staute und schob eine große Kanüle in Rans Ellenbeuge. Die andere versenkte er weiter unten am Unterarm. Er fixierte sie und hing sofort zwei Beutel mit Elektrolytlösung an. Er brach die Fertigspritzen mit den Notfallmedikamenten nacheinander auf und spritzte sie der Reihe nach hinein. Sie hatten für diese Fälle immer die Gleiche Vorgehensweise gelernt. „Das wird jetzt wehtun, Ran.“ Er spritzte Ran noch ein starkes Schmerzmittel bevor er zum nächsten Schritt weiterging. Über das Flies welches er eingelegt hatte schüttete einen Wundkleber, danach riss er weitere sterile Tücher auf um die Wunde weiter zu tamponieren. „Mach.“ Die Blutung schien weniger zu werden, doch das war nur ein Aufschub, das wusste er. Darüber klebte er festes Tape. Ran war schweißgebadet. Schuldig drehte die Infusionsgeschwindigkeit beider Infusionen schneller. „Bin gleich wieder da. Ich seh schnell ob der Van noch da ist.“ „Geh.“ „Bleib liegen!“ „Sicher.“ Als er rausging sah er aus dem Augenwinkel etwas Helles. Er sah hin und vermisste die Tür am Ende des Ganges. Dort bildete eine Wand den Abschluss des Flurs. Sie war in derselben Farbe gestrichen wie der Flur und sah aus als gehörte sie dorthin. „Was soll das“, fragte er sich selbst. Er ging näher und besah sich die Ecken. Sie schloss nicht ganz eben ab, ein winziger Spalt war zu sehen, hätte man diesen übermalt wäre er kaum aufgefallen. Es fiel nur dann auf, wenn man sich die Ecken von oben bis unten genauer betrachtete. Schuldig sah sich um, er fand jedoch nichts Auffälliges. Er ging ein paar Schritte zurück und sah sich nochmal um. Als sein Blick auf die Fliesen zu seinen Füßen fiel erkannte er eine Fliese, deren umrandete Fugen etwas brüchig waren. Er zog eine Klinge und hob die Fliese an, es ging leichter als gedacht. Darunter kam ein Tableau hervor. Er öffnete die Abdeckung und ein Zahlenfeld erschien. Er gab den Hauscode ein, weil etwas anderes ihm nicht einfiel. Und tatschlich, ein Rucken ging durch die Wand und sie glitt zur Seite in die Wand hinein. Die Tür kam zum Vorschein und ein Schlüssel steckte. Schuldig ging hin und drehte den Schlüssel, die Tür öffnend. Er blickt in die Mündung einer 9mm, die sofort herunter genommen wurde, als der Mann ihn erkannte. Schuldig starrte Asugawa an. „Er hat dich eingesperrt“, sagte Schuldig etwas verwundert als Finn nichts erwiderte. Er sah ihn nur aus großen Augen an. „Er hat mich betäubt und mich hier eingesperrt.“ „Und er hat dir das Serum gegeben. Ich nehme nicht an, dass du es selbst warst?“ „Nein...“ „Warum?“, fragte sich Schuldig, noch nicht ganz er selbst. Er spürte, wie seine Gefühle zurückgehalten wurden. „Was ist passiert? Ist er abgehauen?“ „Sie haben Brad. Kudou und Jei sind tot.“ „Was? Wer hat ihn?“ Finn sah Schuldig entsetzt an. Finn wollte an Schuldig vorbei, dieser packte ihn am Hals und drängte ihn an die Wand. „Du hattest es in der Hand. Du hast ihn zu lange gewähren lassen.“ Finn sah Schuldig mit großen Augen an. „Was ist los mit dir?“ „Glaubst du es ist einfach Telepathen zu töten?“ Finn sah ihn entgeistert an. „Nein, das glaube ich nicht. Rosenkreuz?“ „Du hättest es verhindern können.“ „Ja, das hatte er mit einkalkuliert, oder warum glaubst du sperrt er mich hier ein?“ Das schien Schuldig auch so zu sehen, er ließ ihn los. „Geht das wieder weg?“ „Was?“ fragte Schuldig irritiert. „Das dort“, zeigte Finn auf Schuldigs Augen. Dieser zuckte nur mit den Schultern, weil er nicht wusste was Asugawa damit meinte. Finn folgte Schuldig nach oben. Schuldig gab ihm einen Wink ins Poolhaus zu gehen, während er selbst in Richtung der Garagen abbog. Im Poolhaus angekommen sah er die Zerstörung. Kudou lag dort auf dem Rücken, Jei daneben. Finn spürte wie Entsetzen und Unglaube sich seiner bemächtigen wollten. Er lehnte sich an die Wand und sah die Nachricht über den Beiden an der Wand. Gula. Finn schloss die Augen. Brad hatte gesagt, dass ihn das einholen würde. Nur hatte nicht er die Konsequenzen zu tragen. Yohji und Jei hatten dafür gebüßt. Mit ihrem Leben. Er hob den Kopf und starre auf den Schriftzug. Dann ging er hinüber zu den Vorhängen, riss zwei herunter und deckte die beiden damit zu. Er wandte sich ab und ging wieder hinunter in den Keller. Schuldig schloss gerade einige Geräte an Ran an und sah auf einen Handgroßen Monitor. „Kann ich helfen?“ Finn sah dass Fujimiya die Augen geschlossen hatte. „Er ist stabil im Moment. Wir müssen los.“ Finn ging näher und sah Schuldig an. Dessen Bewegungen waren so anders und seine Augen waren eine opake Mischung aus Grün und viel Blau. So Blau, dass seine Bindehaut nur noch zu erahnen war. Das Weiße darin war nur noch in einer hellen Blauvariante vorhanden. „Wir müssen gehen“, sagte Schuldig erneut. „Wir sollten Naoe abholen. Wir müssen zu meinem Vater.“ „Dort ist niemand mehr der lebt. Sie müssen die Klinik über Gula gefunden haben.“ Während Schuldig zusammenpackte gab er Finn weiter was sie wussten. Schuldig beugte sich zu Ran hinunter und strich ihm die verschwitzten Strähnen aus der Stirn. „Wir sind gleich wieder da. Ich belade den Van. Mach keine Dummheiten.“ „Wollte ich auch sagen“, nuschelte Ran und öffnete die Augen einen Spalt. „Mach ich nicht.“ Schuldig ging voran und Finn folgte ihm einen letzten Blick auf Ran werfend. Finn fühlte sich wie betäubt, betrogen und verraten. Er war hier gewesen, ganz nah, während all das geschehen war. Warum hatte Brad ihn hier eingesperrt? Ihn ausgesperrt von all dem Morden? Er war doch hier der Mörder. Sie beluden den Van und gingen dann mit zwei großen Säcken ins Poolhaus zurück. Sie begannen Jei in einen Leichensack zu packen und Finns Hände zitterten. Das hatte er schon einmal getan. Es kam ihm so unwirklich vor. „Wir nehmen sie mit.“ „Wo wollt ihr hin?“ „Nach Morioka, so war der ursprüngliche Plan.“ „Muss er nicht in ein Krankenhaus?“ „Nicht hier in dieser Stadt.“ Schuldig hielt inne. „Wir müssen verschwinden. Ich weiß nicht wer noch alles hinter uns her ist, ich kann hier niemandem trauen.“ „Schafft er es bis Morioka?“ „Wenn nicht fahre ich in eine andere Stadt. Hier ist es zu gefährlich.“ Schuldig sah Finn an. „Du gehst nicht mit“, resümierte dieser. „Nein“, sagte Finn. Sie gingen in den Keller zurück und räumten alles was Schuldig und Ran benötigen können in den Van, dann holte Schuldig Ran. Er legte den kleinen Monitor samt den Infusionen auf seinen Bauch und packte Rans Hände darauf. „Festhalten, Ran.“ Dann nahm er ihn von dem Tisch und brachte ihn hinauf in den Van. Sie hatten ihm zuvor ein kleines bequemes Lager gerichtet. „Ich werde Brad suchen“, sagte Finn und brachte die Infusionen an einem Klettverschluss an der Decke des Vans an. „Irgendjemand in dieser verfluchten Stadt steckt mit diesen Rosenkreuzern unter einer Decke. Ich werde ihn über diesen Jemand finden.“ „Wenn du es herausgefunden hast, kontaktiere mich. Du hast meine Nummer.“ Finn nickte. „Wenn du etwas über Nagi herausfindest...“, fing Schuldig an wurde aber sogleich von Finn unterbrochen. „Du glaubst nicht, dass er tot ist?“ „Ich glaube es erst wenn ich seine Leiche vor mir habe.“ Sie verschlossen den Raum im Keller wieder. Finn hatte sich genommen was er aus dem Waffenarsenal brauchte. Schuldig drückte ihm den Schlüssel für seinen Sportwagen in die Hand. „Ein Kratzer und ich finde dich und lass dich diesen Kratzer spüren.“ „Ich kenn ein gutes Lager dafür. Soll ich den Fuhrpark dorthin bringen?“ „Wenn du dir das antun willst?“ „Ich brauche ein Motorrad.“ „Zwei stehen in einer Seitenstraße. Die Schlüssel stecken.“ Finn nickte. Er hatte viel zu tun. „Wer räumt das auf?“ „Darum kümmere ich mich auf dem Weg.“ Schuldig ließ den Van an. „Ich kann das erledigen“, bot Finn an. „Nicht so gründlich und...“, Schuldig atmete tief ein und lehnte sich etwas zurück. Er sah Finn wieder an. „Es ist meine Pflicht, jetzt da Brad nicht da ist.“ Finn nickte und trat vom Van zurück. Schuldig fuhr los und Finn sah ihnen nach, bis der Van nicht mehr zu sehen war. Gula. Sein Fehler. Jei und Kudou hatten seine Fehler mit ihrem Leben bezahlt. Brad, Nagi, Omi und sein Vater ebenso. Wo waren sie? Sie alle hatten dafür bezahlt, auf welche Weise auch immer. Kiguchi... was soll ich tun? Finn ging wieder zurück. Schuldig hatte in einem Punkt recht. Er hatte es schleifen lassen im Glauben daran bei Schwarz er selbst sein zu können. Diesen Funken Hoffnung auf ein anderes Leben wurde zunichte gemacht. Chiyo hatte ihn aufgegeben, wohl im Glauben daran, dass er sich selbst für den Hellseher aufgegeben hatte. Aber so war es nicht! Es gab ihn noch und er wollte bei Brad sein. Er ließ die Steinchen durch seine Faust rieseln und erhob sich dann um ins Haus zurückzukehren. Zunächst ging er ins Badezimmer, setzte sich und begann damit sich die Schläfen abzurasieren. Auf beiden Seiten. Den Rest seines Kopfhaares flocht er sich eng an die Kopfhaut bis in den Nacken. Er erhob sich und ging in den Keller zurück, dort holte er sich seine Tasche und ging wieder ins Badezimmer. Er schminkte sich seine Augen dunkel. Er trug bereits bequem anliegende Lederbekleidung und seine weichen Stiefel. Danach ging er ins Schlafzimmer hinüber und sah sich um. Brads Brille und seine Armbanduhr lagen dort auf dem Tisch. Warum trug er sie nicht? Benutzte er seine Kontaktlinsen? Er nahm die Sachen an sich und verstaute sie in seiner Tasche. Die Armbanduhr legte er an. Er zog seinen Ärmel darüber und stülpte die dünnen Stoffbändchen um seine Mittelfinger. Dann gurtete er seine beiden Klingen an seinen Rücken. Er warf einige Lebensmittel und eine Flasche Wasser in eine Tasche. Brad hatte ihm seinen Anzug aus Spinnenseide hinterlassen, diesen hatte er bereits angezogen. Er zog die Kapuze über seinen Kopf und schlüpfte in dünne Handschuhe. Abschließend blickte er in den Spiegel und ein düsteres Gesicht sah ihm entgegen. Kiguchi, Kudou und Jei waren tot. Weil er nicht mehr das sein wollte wozu er gemacht worden war. Zögerlich war er gewesen, verletzlich, verzagt. Er war verspielt gewesen, selbstverliebt, er war nachlässig geworden. Er war ängstlich gewesen. Nun waren sie tot. Brad in der Hand eines sadistischen, machthungrigen Mannes, Naoe, ein verletzliches, noch halbes Kind verschollen oder ebenso tot. Seinem Vater und Hisoka erging es wohl nicht besser. Er wusste auch schon wo er anfangen würde... o Wenig später hielt Schuldig in der Seitenstraße eines Klubs an. Eine lange Warteschlange hatte sich davor gebildet. Er strebte den Eingang an, ließ sich von den Türstehern durchwinken und ging zu einem der Bartender auf dem oberen Stockwerk. „Ist Siri da?“ Der Bartender sah ihn an, runzelte dann die Stirn, nickte aber schließlich bedächtig. „Hinten.“ Schuldig wusste dies bereits, aber er wollte der Frau die Chance geben sich auf ihn vorzubereiten. Er trat auf eine Tür zu, die von zwei Männern bewacht wurde. Sie sahen seine Augen an und einer von ihnen öffnete ihm die Tür. Siri war eine Frau Mitte Vierzig und ihr Geschäft war einfach: Sie räumte auf was andere hinterlassen hatten. Sie saß hinter einem wuchtigen Schreibtisch und war allein. Ihre Brille hing an einer Perlenkette auf ihrer Brust. Als er hereinkam und die Tür wieder geschlossen wurde erhob sie sich und setzte sich die Brille auf die Nase. „Mr. Schuldig.“ Sie mimte die erstaunte, was Schuldig ihr durchgehen ließ. „Ich habe einen Auftrag für sie.“ „Wie schnell?“, fragte sie und nahm ihr Pad. „Wie schnell sind sie?“ „Wir haben heute Nacht bereits zwei Aufträge. Morgen früh um sieben können wir loslegen.“ „Das würde zu viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen.“ „Eine Eilbestellung?“ „Ja.“ „Das macht einen Aufschlag von zehn Prozent.“ „Kein Problem.“ „Welcher Umfang?“ „Ein Haus plus Grundstück, 21 Gäste.“ „Renovierung und Instandhaltung inklusive?“ „Ja.“ „Zeitrahmen?“ „So lange sie brauchen, es soll nur gründlich sein.“ „Natürlich. Das wird es.“ „Ein paar Tage werden wir veranschlagen. Selbstverständlich müsste ich vor Ort sein um eine genaue Zeitangabe zu machen.“ „Sicher.“ Er drang in ihren Geist ein und zeigte es ihr. Sie keuchte und brach halb zusammen. Er ließ sie auf ihren Stuhl sinken und sie sah ihn entsetzt an. „Vier Tage, Mr. Schuldig“, sagte sie und Schuldig musste zugeben sie hatte sich schnell gefangen. „Verschließen sie das Haus. Die Schutzmaßnahmen sind ausgeschaltet. Der übliche Tarif? Er reichte ihr den Schlüssel.“ „Natürlich. Hinzu kommen die zehn Prozent. Mr Crawford war stets ein geschätzter Kunde.“ „Wir beginnen sobald die Transaktion abgeschlossen ist.“ Schuldig nickte und zog sein Handy heraus. Er veranlasste die Summe von fast einer halben Million Dollar und sie ging zu ihrem Rechner. Ein paar Minuten später nickte sie. „Wir sind im Geschäft, Mr. Schuldig.“ Er wandte sich zur Tür. „Weshalb ist er nicht hier?“ „Er ist unpässlich.“ „Verstehe. Gehört er zu den Gästen?“ „Nein, er ist keiner der Gäste.“ Sie nickte. „Sie mögen ihn.“ Resultierte Schuldig. „Er hat mir einmal sehr geholfen, als ich dabei war einen Fehler zu machen der mir mein Leben und das Leben meiner Kinder gekostet hätte.“ „Sie haben auf ihn gehört.“ „Ja.“ „Haben Sie ihn gefragt warum er das tut?“ „Ja. Er sagte, dass er mich irgendwann brauchen würde. Danach stieg ich in dieses Geschäft ein.“ Schuldig nickte und verließ den Klub. Er kehrte zum Wagen zurück. Er ging nach hinten zu Ran und in die Hocke. Sein Gesicht war blass, das dunkelrote Haar verdeckte die halbe Gesichtshälfte und Schuldig strich ihm das Haar zur Seite. Haarsträhnen wickelten sich um seine Finger und er löste seine Hand daraus. Die dunklen langen Strähnen blieben daran hängen und lösten sich aus dem Zopf. Ran stöhnte vor Schmerz. „Es brennt“, sagte er und öffnete die Augen einen Spalt. Schuldig tastete sanft die Kopfhaut ab und fand noch eine Verletzung. „Ran?“, fragte Schuldig wenig zuversichtlich. „Ich bin da“, versicherte dieser mit müder Stimme. Schuldig wischte sich die Hand an einem Tuch ab und nahm ein neues um Ran den Schweiß vom Gesicht zu nehmen. Er ging wieder nach vorne um den Motor anzulassen. Mit dem schnellen aber regelmäßigen Piepen des Monitors fuhr er los. Die Fahrt dauerte lange und Schuldig war überwiegend damit beschäftigt ihre Absicherung zu gewährleisten. Rans Zustand hatte sich zwar nicht verschlechtert aber Schuldig war klar, dass es die vielen Infusionen waren die seinen Kreislauf stabilisierten. Er musste oft anhalten. Die Liege war bereits trotz der Kompression der Wunde mit Blut getränkt. Jedes Mal dauerte es länger bis Ran die Augen öffnete. Dann endlich kamen die Stadtschilder von Morioka in Sicht. Er hielt noch einmal. Ran war nicht mehr zu wecken. Schuldig spürte die Hilflosigkeit, die Verzweiflung in sich. Er riss sich zusammen. Ran war so still. Nur noch zwanzig Minuten. Durch das Navigationsgerät geleitet fuhr er durch die schlafende Stadt und hielt schließlich vor einem riesigen Tor an. Er ließ seine Gedanken über das Areal dahinter gleiten und fand ein Bollwerk an Abwehr. Hier waren sie offensichtlich richtig. Er stieg aus und sah sich um. Das Tor war nicht abgesperrt wie er durch öffnen des Riegels feststellen konnte. Er öffnete es ganz und stieg wieder ein um hindurchzufahren. Eine lange Auffahrt durch einen Zedernwald später kam er mitten auf einen Platz der von Häusern umringt war. Er hielt an. Es lag alles im Dunkeln, nur die nächtlichen Himmelskörper warfen ihr kaltes Licht auf den Platz. Er ging nach hinten in den Van steckte die Kabel ab und packte die Infusionen auf Ran um ihn nach draußen zu bringen. Plötzlich spürte er einen solch immensen Druck in seine Gedanken, dass er auf ein Knie brach. Er versuchte dagegen zu halten, bemerkte aber fast zeitgleich, dass er zu langsam und ausgezehrt für einen erneuten Kampf war. Mehrere Individuen kamen auf sie kreisförmig zu. Schuldig hörte wie jemand rief, dass sie aufhören sollten, dass er aufhören sollte. Wieder zerfaserte etwas in ihm, dieses dunkle Etwas zerriss das Ganze und teilte es in viele Splitter. In seinem Kopf wurde es chaotisch. Er brauchte Halt, aber sein Halt... lag in seinen Armen und starb. Er konnte nicht aufhören, er musste Ran beschützen. Nichts zählte mehr. Ran starb, er musste ihn retten. Um jeden Preis. Er ließ Ran nach unten auf den Boden gleiten, seine Hände waren plötzlich leer. Ran war weg, er war ihm genommen worden. Und dann zerfiel das Chaos. Es brach in sich zusammen und tauchte seine Gedanken in helles gleisendes Licht, in eine unerträgliche Helligkeit, die ihn umfing und in die er hineinfiel. Fortsetzung folgt... Vielen Dank! Gadreel Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)