Der Glasgarten von Gadreel_Coco ================================================================================ Kapitel 166: Dämonen der Vergangenheit -------------------------------------- Dämonen der Vergangenheit Sie kamen in einen Raum der deutlich von dem abwich was das übrige Haus zu bieten hatte. Eine riesige Fensterfront die den Blick in den gleichen Garten bot, den sie auch schon aus dem Krankenzimmer kannten. Eine große Couchlandschaft, ein beeindruckend riesiger Flachbildschirm und eine ausladende Tafel zogen ihre Blicke auf sich. Die moderne Inneneinrichtung konnte sich sehen lassen und war genau nach Schuldigs Geschmack. Den zentralen Punkt bildete ein Feuer, um das die Sitzgelegenheiten arrangiert waren. An der Fensterfront stand Sakura in ein gänzlich anderes Outfit gekleidet, als dass was sie bisher von ihr gewohnt waren. Sie drehte sich um und Schuldig erkannte, dass der Anzug den sie trug inklusive der Krawatte vollkommen in schwarz gehalten war. Sano saß auf einer der Couchen und trug den gleichen Aufzug. Waren sie noch im selben Haus und in der gleichen Zeit? Der Raum war riesig und die moderne Gestaltung einmalig auf diesem Gelände. Selbst die Lampen waren sorgfältig ausgesucht, das Licht präzise eingesetzt. Der Boden bestand aus schwarzen Natursteinfliesen. Ein Ausblick in die nächste Ausgabe von ‚Schöner Wohnen’. Ran war irritiert, Firan ebenso. Schuldig hob beide Augenbrauen vor Erstaunen, über das moderne Ambiente. „Setzt euch bitte, denn es gibt einiges zu besprechen. Gabriel sagte mir, dass du viele Fragen hast und die Zweifel überhand nehmen“, wandte sie sich an Ran. Ran wusste nicht was er antworten sollte. „Sano und ich sind Runner. Wie viele die hier leben.“ Schuldig steuerte sie zu dem Feuer und sie setzten sich Sano gegenüber hin. Firan nahm neben Sano Platz. „Ran, du musst noch viel über unsere Welt lernen, ich dachte ich hätte noch Zeit um dir die Möglichkeit zu geben dich an uns... an mich zu gewöhnen. Du... hättest noch Zeit bis nach der Bestattung aber im Prinzip ist es einerlei wann wir beginnen.“ „Mit was beginnen?“, fragte Ran. Seine Stimme klang rau und deshalb tiefer als sonst. Schuldig seufzte ungehört und lächelte vor sich hin, einfach weil er diese Stimme so sehr liebte. „Mit dem Unterricht. Du solltest wissen woher du kommst, wer du bist und dann kannst du entscheiden wohin dein Weg dich führt.“ Schuldigs Lächeln blätterte ab. Obwohl das Thema ernst war konnte sich Schuldig eine Bemerkung nicht verkneifen, wurde aber von Sakura ausgebremst. „Keine Angst, Gabriel. Du bekommst auch Unterricht. Zumindest in den Grundlagen. Und in Geschichte. Den speziellen Teil der deine Fähigkeiten betrifft kann ich nicht übernehmen.“ Schuldigs Laune sank. „Schule?“ Sano lächelte und Schuldig schickte ihm einen bösen Blick, der nur eins zur Folge hatte: Sanos Lächeln wurde breiter. „Sano du wirst mir dabei helfen“, kündigte Sakura an und Sanos Grinsen erstarb augenblicklich. „Uhm... ja?“, bestätigte er fragend. Was eine umgekehrte Wirkung auf Schuldigs Lächeln hatte, das sofort wieder aufblendete. Er würde Sano für dieses Grinsen das Leben zur Hölle machen als quirliger Schüler... „Sano wird euch in der praktischen Anwendung und in der körperlichen Ertüchtigung unterrichten.“ Sanos Grinsen blendete wieder auf und Schuldigs... erlosch. Shit. Der Typ war nicht ohne im Kampf das konnte man sehen. Er war etwas größer als Ran also seine Größe und brachte sicher mehr Gewicht als Ran auf die Waage – was keine Kunst war. Und er war ein Runner was auch immer das war. „Firan du wirst uns bei dem Unterricht unterstützen.“ „Ich?“, fragte Firan und sah nach hinten zum Fenster wo Sakura stand. „Ja. Du hattest sicher Unterricht im Orden.“ „Das hatte ich, aber...“ „Ich bin mir sicher du machst es gut.“ Firan nickte. „Ich werde es versuchen.“ Wenig später kam Momo rein und brachte ihnen Getränke. Tee und Wasser. Sie stellte zusätzlich ein Glas vor Ran ab und füllte es mit Wasser. Alle anderen bekamen ebenfalls Tee. „Beginnen wir mit Geschichte.“ Momo verließ sie wieder. „Ran, kannst du mir bitte sagen, wenn es dir zu viel wird? Und möchtest du das überhaupt?“ Schuldig sah wie Ran von ihr zu Sano blickte und dann nickte. „Warum die Anzüge?“, fragte er. „Weil es unsere Arbeitskleidung war – früher. Es hilft uns diese Zeit besser zu erfassen und nimmt mir meine jetzige Last etwas ab. Früher war es leichter in manchen Belangen. Außerdem ist es für uns die rituelle Kleidung bei Bestattungen.“ Ran nickte. Und Schuldig vermutete – aufgrund des weniger ehrerbietigen Umgangs den Sano jetzt pflegte, dass die Anzüge eine Begegnung auf Augenhöhe ermöglichten. „Ich wurde 1879 in Morioka geboren. Meine Eltern waren finanziell gut gestellt und lebten ein ruhiges und friedliches Leben. Für mich sah es zumindest so aus. Sie legten sich mit keinem an und hatten auch keinen Ärger. Ihnen gehörten einige Ländereien und sie standen der Regierung nahe. Wie nahe erfuhr ich erst später. Mein Leben verlief ereignislos bis zu einem Tag im Sommer als ich von einem Fest nach Hause kam. Ich hatte mich geärgert, weil mir ein Junge übel mitgespielt hatte. Auf dem Heimweg begann dieser besagte Junge erneut mich zu verspotten und ich wurde wütend. Dann schrie er mich an und beleidigte mich. Er rief Dämonenkind und ich rannte weinend nach Hause. Ich war damals zwölf Jahre alt.“ „Dann sind Sie jetzt... 155 Jahre alt?“, fragte Schuldig – nur um sicher zu gehen. „Ja, das bin ich. Und bevor wir dieses Thema der Zellerneuerung vertiefen möchte ich euch klar machen, dass ihr Kinder seid. In unserer Welt seid ihr noch Kinder und ihr dürft euch die Zeit zum Lernen nehmen.“ „Ich kenne keine älteren PSI“, warf Schuldig ein. „Das ist kein Wunder. In den letzten Jahrzehnten ist unsere Welt rauer geworden und wir sterben üblicherweise eines unnatürlichen Todes. Meist gewaltsam ausgelöst. Frieden gibt es selten, und wenn, dann nur für kurze Zeit.“ „Wie alt waren die Spitzen der Trias?“, fragte Ran, sein Entsetzen über das Wort Dämon mit dieser Frage verbergend. Jei... Jei hatte gesagt... damals... dass... dass er Dämonenaugen hätte. Jei... wie viel hatte er über all das gewusst? Über die Runner? Hatte er überhaupt etwas gewusst? War es nur einfach eine Bemerkung gewesen? Aber hatte Jei je einfach nur so etwas gesagt... ohne tieferen Sinn? Wie stark waren seine Fähigkeiten tatsächlich gewesen? Ran saß dort auf seinem Platz und versuchte seine aufkommende Angst im Zaum zu halten. Ebenso die Wut, über all die Lügen und Geheimnisse, die ihn über alles im Zwielicht gelassen hatten. „Etwas jünger, etwas älter, aber nicht um viel, vielleicht zwei drei Jahre. Ausschlaggebend für ihre rasche äußere Alterung war etwas anderes.“ Ran nahm sich sein Wasser und trank davon, während Schuldig tiefer in die Couch rutschte und sich Popcorn wünschte. Wenn er ganz lieb darum bat, vielleicht bekam er dann welches? Und vielleicht wenn er Firan darum bat... Er blickte kurz zu Ran hinüber, der das Glas so fest umschloss, dass seine Knöchel weiß hervortraten. Hatte er Schmerzen? Schuldig sah hoch und betrachtete sich Rans Haltung und Profil. Ran war... sauer. Und zwar nicht unerheblich. Er versuchte sich zusammenzureißen und sich nichts anmerken zu lassen. Was an dieser Erzählung machte Ran so wütend? Im Speziellen? Schuldig rekapitulierte das zuletzt gesagte, während Sakura weiter erzählte. Oh. Das! Dämon? Schuldig blickte wieder zu Sakura, dann zu Ran. Er schmunzelte. Er mochte Dämonen. Sehr sogar. Schicksalshafte Geister. Aber das würde Ran wohl kaum aufmuntern. Schuldig konzentrierte sich wieder auf die Geschichte und nahm sich vor seinem hauseigenen Dämon die Leviten über Aberglaube und Mystizismus zu halten. „... kam ich also nach Hause. Verärgert, den Tränen erneut nahe und lief in die Küche, wo unsere Haushälterin gerade das Mittagessen zubereitete. Sie sah mich an und sagte ich solle mich setzen. Dann verließ sie die Küche und kam mit meiner Mutter zurück. Mein Vater war zu diesem Zeitpunkt auf einer Reise und wurde erst eine Woche später von uns zurückerwartet.“ Schuldig konzentrierte sich wieder auf die Geschichtsstunde und trauerte insgeheim seinem Popcorn nach. Geschichte war noch nie sein Lieblingsfach gewesen. „Meine Mutter wollte wissen was geschehen ist und ich erklärte es ihr. Sie nahm mich mit und wir gingen ins Schlafzimmer hinauf. Sie stellte mich vor einen Spiegel und ich sah meine roten Augen. Ich war entsetzt und weinte. Dann erklärte sie mir warum dies so war. Ich erfuhr, dass ich spezielle Fähigkeiten hatte und dass alle die hier lebten wie ich waren und wir dies geheim halten mussten. Als ich älter war wünschte mein Vater, dass ich eine Ausbildung begann und ich entschied mich für das schmieden. Nach und nach wurde mir bewusst, dass unsere Familie nichts weiter war als ein kleiner Zusammenschluss von gedungenen Auftragsmördern, die im Auftrag der Regierung handelten. Wir waren gut aufgestellt, sehr gut vernetzt und wir hüteten viele Geheimnisse vieler Menschen mit sehr viel Macht. Dadurch waren wir unantastbar geworden. Jahre später entschied ich mich dazu meiner Familie den Rücken zu kehren, jedoch nicht im Zwist. Ich beschloss die Welt kennen zu lernen. Meine Eltern ließen mich ziehen, denn sie wussten, dass die Zeit gekommen war um, meine eigenen Erfahrungen zu machen.“ Sakura trank einen Schluck Tee hielt aber ihren Blick nach draußen gerichtet. „Ich reiste viel herum und lernte die unterschiedlichsten Menschen kennen. Auch, dass es andere wie mich gab, nur dass sie andere Fähigkeiten hatten. Schließlich begegnete ich einem Mann, der sich Strigo nannte und wir freundeten uns an. Er erkannte die PSI in mir, wusste aber nicht was ich war. Da ich und meine Familie keine große Ahnung von Wissenschaft und Forschung hatten und ich mich selbst immer noch für einen Dämon hielt belächelte ich seine Geschichten eher, als dass ich sie für mich akzeptieren konnte. Er lud mich ein ihn zu begleiten und ich folgte ihm nach Europa. Dort unterhielt er ein Heim für ganz spezielle Kinder. Noch waren es wenige und er gab ihnen lediglich ein Zuhause, damit sie einen geschützten Ort hatten an dem sie leben konnten. In den nächsten Jahren erkannte ich, dass ich nicht alleine war und dass ich ganz bestimmt kein Dämon war. Strigo fand noch andere die seine Ansichten teilten: Malezza, Miller, Tonya, Sheela Ram und Vienno.“ Ran kannte diese Geschichte von Eve aber es hatte einen anderen Beigeschmack wenn es jemand erzählte der dabei gewesen war. Es gab Abweichungen. „Nach und nach wurden wir zu Lehrern und fragten uns wie wir diesen Kindern eine Zukunft bieten konnten. Wie konnten sie mit ihren Fähigkeiten arbeiten und dabei nicht auffallen? Wie konnten sie glücklich mit sich und der Welt werden? Das ist immer noch die zentrale Frage. Ganz davon abgesehen, dass wir in Geldnöten steckten und uns darüber klar werden mussten wie wir das alles ohne die staatlichen Zuschüsse finanzieren sollten. Aufgrund mehrerer Wirtschaftskrisen brachen uns Geldquellen weg und aus privaten Mitteln konnten wir diese Löcher nicht ausreichend stopfen. Zudem drohte ein zweiter Weltkrieg und wir beschlossen in die Staaten zu gehen.“ Schuldig fragte sich wie es wohl damals gewesen sein musste. „Woher kamen die Kinder?“, fragte Firan. „Waisenkinder oder Kinder die ausgesetzt wurden, oder die ihren Weg zu uns von allein fanden. Wir reisten um die Welt und suchten diese Kinder. Allerdings zwangen wir niemanden mit uns zu kommen und sie konnten jederzeit zurückkehren wenn sie wollten. Es war eine gute Zeit.“ „Wie lange ging das?“ „Ein paar Jahrzehnte ging das gut, bis etwas geschah. Strigo heiratete eine Telepathin, namens Margerite und bekam 1937 ein Kind.“ „Oh man... das Kind der Zerstörung... ich kanns mir schon denken“, brummte Schuldig düster. „Es hätte ja so schön sein können und dann... wurde ein Kind geboren...“, sagte Schuldig mit zynischem Unterton. „Das ist in Filmen immer der Anfang vom Ende.“ Schuldig konnte sehen wie Ran seinen Kopf in seine Richtung drehte und ihn für seine unqualifizierte Meldung böse ansah. Schuldig erwiderte den Blick entschuldigend und zuckte mit den Schultern. Er konnte nichts dafür – solche Assoziationen drängten sich ihm einfach auf. Sakura lachte leise. „Vielleicht. Doch dieses Mal... war es nicht wie in den Filmen - das Kind konnte nichts für die Engstirnigkeit eines Mannes. Und es war ein gutes, sanftmütiges Kind, das für alle Wesen um sich herum Liebe empfand und von allen ebenso geliebt wurde.“ Schuldig sah sie misstrauisch an. „Ja... und dann... ? Das hört sich zu gut an.“ „Es war in der Tat zu gut. Es war ein Junge und ihm wurde der Name Sabin gegeben. Er war arglos und sanft und man konnte ihm nicht lange böse sein. Wenn er etwas ausheckte dann nur Dinge die lustig waren und keinem schadeten.“ Sie verstummte und sagte lange nichts mehr. Dann... „Strigo hatte eines versäumt.“ „Was? Was hat er versäumt?“, fragte Ran, als Sakura wieder nicht weiter sprach. „Ihm zu zeigen was Schmerz ist, ihm zu zeigen was falsch ist und ihn zu lehren, dass nicht alle Menschen um ihn herum gute Menschen waren und sie Dinge aus Angst taten, nicht weil sie böse waren sondern, weil sie Angst hatten. Er hat versäumt ihm das Leben zu zeigen, weil er kein Interesse daran hatte ihn zu erziehen, sondern nur Interesse an dem was er war.“ „Und was war er?“ „Strigo hat es als Scanner bezeichnet, aber das trifft es nicht und er hat nie herausgefunden was Sabin wirklich tat und konnte. Aber er musste eine Ahnung davon besessen haben und verhielt sich oft abweisend Sabin gegenüber. Was Margerite depressiv machte. Sie starb als Sabin vier Jahre alt war. Unter welchen Umständen wussten wir nicht aber Strigo gab dem Kind die Schuld dafür und ignorierte Sabin fortan. Ich hatte den Eindruck er hatte Angst vor ihm. Er propagierte daraufhin, dass Verbindungen zwischen PSI keine guten Folgen mit sich brachten und verbat sie.“ Schuldig konnte ein Stück weit verstehen wie sich dieses Kind gefühlt haben mochte. „Wir schickten die jungen Erwachsenen nach und nach aus, um sie in sozialen Einrichtungen helfen zu lassen. Was dazu führte, dass wir aus aller Welt Anfragen bekamen und so das Projekt langsam aber stetig finanzieren konnten. Zwar versuchten wir uns aus weltpolitischen Dingen herauszuhalten wurden jedoch dennoch oft damit konfrontiert. In dieser Zeit und lange Jahre danach liefen die Kinder immer häufiger Gefahr von anderen PSI angegriffen zu werden. Diese waren oft stärker oder auch etwas gerissener, als unsere Kinder. Wir beschlossen sie auf ihren Aufträgen zu beschützen. Ich reiste zurück nach Morioka und bat meine Eltern um ihre Mithilfe. Über die Jahre hinweg wussten sie was ich tat und betrachteten es als sinnvoll. Sie sandten mir Frauen und Männer mit zurück die uns dabei helfen sollten die Kinder zu schützen. Es waren Runner. Sheela war zwar kein Runner, sie schickte jedoch ihre eigenen Leute und begann mit der Suche nach Runnern. Sie schienen am Besten dafür geeignet um gegen andere PSI zu kämpfen. Martín aus Deutschland und der Tonya-Clan aus Südamerika verfuhren ebenso. Wir begannen sie auszubilden und nannten sie Guards und Guardians, je nach ihrem Aufgabenspektrum und dem PSI den sie beschützen sollten. Strigo wusste davon nichts. Da wir ahnten, dass er es als unnötige Maßnahme einstufen würde, hielten wir es geheim und operierten im Verborgenen. Er hatte seine Meinung dazu in vielen Gesprächen deutlich geäußert. „Ich dachte, dass ihr diese Schutzmaßnahmen erst ergriffen habt, als eure Kinder von SZ, also von Miller, Malezza und Vienna entführt werden sollten“, hakte Ran nach. „Nein. Angriffe fanden bereits vorher statt. Und SZ war lange Jahre eher ein Verbündeter, denn ein Feind von Strigos Institut. Später jedoch änderte sich dies.“ „Was ist mit Strigo passiert?“, fragte Schuldig. „Er starb.“ „Im Kreis seiner Lieben wie in Eves Unterlagen beschrieben?“, fragte Ran. „In der Tat, so war es gewesen. Wobei ich wenig Liebe für diesen sturen alten Mann übrig hatte, nachdem er sein eigenes Kind derart im Stich gelassen hatte.“ „Stimmt es, dass die Schule zerstört und die Kinder getötet wurden?“, fragte Schuldig, da er andere Informationen hatte. „Ja, es fand ein Angriff statt und es starben Menschen. Diejenigen, die auf ihren Einsätzen waren blieben verschont. Einige überlebten, dennoch waren es an diesem Tag über 69 Menschen die ihr Leben verloren. „Wer hat sie angegriffen?“ „Das war fünf Jahre nach Strigos Tod 1987 und es war SZ. Sie wollten die Schule übernehmen und die Leitung der Schule weigerten sich. Es kam wohl zum Kampf.“ „Sie waren nicht dort?“, fragte Schuldig. „Nein.“ Sakura schwieg einen Moment. „Ich hatte keinen Kontakt mehr zur Schule.“ „Warum?“, fragte Ran. „Weil ich mich um andere Dinge kümmern musste.“ Alle schwiegen und dachten über das bisher Erzählte nach. Das meiste stimmte mit dem überein was sie bisher über diese Vergangenheit gewusst hatten. Bis auf... „Und was war mit Sabin? Wo war er?“, fragte Schuldig. „Sabin“, sagte Sakura und sie lächelte. Dieses Lächeln wirkte traurig auf Schuldig. „Er hatte in Strigos Institut viele und keine Freunde. Er war wie ein Licht in der Finsternis. Kontakt zu ihm zu haben war erfüllend und ließ einem das Herz aufgehen. Aber er hatte keine engen Freunde, schien sich daran jedoch nicht zu stören. Bis...“ „... irgendwie macht mir dieses bis... immer etwas Angst“, unterbrach Schuldig und rutschte wieder mehr in das Sofa hinein. Wo war das Popcorn wenn es spannend wurde? Und wo das Kissen, an dem er sich festhalten und wo die Decke, unter der er sich verkriechen konnte? Ran warf ihm einen bösen Blick zu und Schuldig zuckte erneut verteidigend mit den Schultern. „Im Institut bekamen wir hin und wieder Zuwachs und ein Jahr zuvor waren es ein paar Kinder und ein paar Jugendliche gewesen die zu uns kamen. Unter anderem ein junger Mann mit Namen Aidan Mc Kinley. Das war... ich glaube 1951. Er war schüchtern und verschlossen – wie alle die zu uns kamen und erst einige Zeit später erkannten, dass sie nicht allein waren. Einige wurden aufmüpfig aber schlussendlich ehrfürchtig was ihr Ich anbelangte. Aidan war nicht wirklich einzustufen und Strigo tat sich schwer damit. Am ehesten war Aidan mit mir zu vergleichen. Strigo benannte uns als Schildwahrer. Er hatte damals noch keine Begriffe dafür. Die zunehmend dilettantische Herangehensweise an die Studien führte zu einer Diskussion innerhalb seines Lehrerstabes. Malezza, Miller und Vienno kritisierten zunehmend seine Methoden und sagten, dass es den Kindern nicht viel bringen würde, wenn sie ihre Fähigkeiten nicht exakt erforschen könnten. Sie verließen uns und wollten ihre eigene Schule gründen.“ „Wussten sie von den Runnern oder den Beschützern?“, fragte Ran. „Nicht, dass ich wüsste, aber es könnte sein, dass sie es dennoch erfahren haben. Tonya, Martìn, Sheela und ich kamen schnell überein es geheim zu halten, weil wir nicht sicher waren, ob es funktionierte.“ „Eve erzählte, dass ihren Recherchen nach, der Bruch erst kam, als Strigo bereits verstorben war“, meinte Ran. „Nein. Es gab zuvor bereits Unmut über seine Methoden und die Drei verließen uns als Strigo noch lebte. Sie gingen nicht im Zwist.“ Ran nickte. „Zurück zu Sabin. Ein paar Jahre vergingen und alles schien gut zu verlaufen. Sabin wurde älter und im Alter von siebzehn Jahren bemerkte ich, dass er sich charakterlich kaum verändert hatte. Er war immer noch der Sonnenschein den ich kannte. Was war er nur? Ich liebte ihn wie einen jüngeren Bruder und verstand die Abneigung nicht die Strigo ihm entgegenbrachte. Sabin schien das wenig zu kümmern. Aidan dagegen hatte zunehmend Probleme mit seinen Mitschülern. Sie hänselten ihn und erfanden immer neue Späße um ihn zu ärgern. „Was war mit ihm?“, fragte Schuldig. „Er war etwas Besonderes. Und das auf zwei Arten. Zum einen besaß er weibliche und männliche Geschlechtsmerkmale, ein Umstand den Viele nicht verstanden. Er wollte als Junge bezeichnet werden und war aber so hübsch wie ein Mädchen. Zum anderen war er wie ich ein Runner. Ich war ein Lehrer und musste keine Fähigkeiten vorweisen, er als Schüler bei seinen Mitschülern schon. Sie verstanden zwar, dass seine Fähigkeit darin bestand, sehr gute Schilde zu besitzen... jedoch zeigten sich manchmal auch Telepathie, Empathie oder auch Telekinese. Das war merkwürdig und ließ ihn im Abseits stehen.“ „Warum war dann klar, dass er ein Runner war?“, fragte Ran. „Wegen der herausragenden Schilde. Kein anderer PSI besitzt diese Art von Schildmatrix.“ Sie machte eine Pause als von Momo ein paar Snacks hereingebracht wurden und wartete bis sie wieder verschwunden war. Schuldig bediente sich schnell, bevor die Geschichte noch hässlicher wurde. Leider war kein Popcorn dabei, aber in der Not... „Aidan hatte es nicht leicht und Sabin bekam dies immer mehr mit.“ „Haben sie sich angefreundet?“ „Nein. Sabin beobachtete ihn auf seine Weise und Aidan war beschäftigt damit sich zurückzuziehen. Er war einsam. Ich kann mich noch gut an diese Winternacht im Jahr 1954 erinnern. Ich erwachte, denn etwas griff meine Schilde an. Wie eine Druckwelle, die mit zunehmendem Abstand zum Auslöser immer schwächer wurde. Meine Räume lagen relativ nahe an den Wirtschaftsgebäuden und ich schreckte auf. Als ich nach draußen – auf den Ursprung zulief - sah ich wie das Tor zur Scheune offenstand und als ich eintrat stand Sabin mit hassverzerrtem Gesicht über einem Dutzend toter Jugendlicher. Aidan lag in der Mitte, blutend und nicht ansprechbar. Seine Augen wirkten leer. Jetzt war etwas passiert, dass Sabin nie hatte erfassen können, nie begreifen konnte und das ihn so schwer getroffen hatte, das ihn bis tief in sein Inneres verletzt hatte.“ „Was genau war passiert?“, fragte Firan. „Sie hatten Aidan aus seinem Schlafzimmer gezogen und ihn übel zugerichtet. Sabin war durch etwas aufgewacht und ist dem nachgegangen. Als er Aidan dort liegen gesehen hat...“ „...brannten ihm die Sicherungen durch“, schloss Schuldig. „Warum haben die Kinder oder Jugendlichen sich so verhalten?“, fragte Ran und Sakura wandte sich ihnen wieder zu. In der Zwischenzeit wurde es langsam dunkler draußen. Schuldig musste an Jei denken – an den von ihm ausgelösten Berserkerzustand. „Aidan hatte die spezielle Gabe Fähigkeiten anderer zu übernehmen. Sie Jemandem wegzunehmen. Seine Primärfähigkeit. Er hat es nicht verstanden und instinktiv gehandelt. Ein Umstand der zuvor schon in verschiedenen Situationen zum Tragen gekommen war. Wir, die Lehrer und Ausbilder haben davon jedoch nie etwas mitbekommen. Diejenigen Jugendlichen, die es betroffen hatte vermuteten wohl, dass Aidan absichtlich gehandelt hatte und über die lange Zeit hinweg hatte sich Wut und Hass aufgestaut. Dieser entlud sich schließlich in der besagten Nacht.“ „Strigo hat meiner Ansicht nach auf ganzer Linie versagt“, sagte Schuldig. „Dem kann ich nur zustimmen“, pflichtete Sakura bei. „Dann hat er in dieser Nacht was? Den Reaper aktiviert?“, fragte Schuldig. „Ja, zum ersten Mal.“ „Strigo hat ihn daraufhin aus der Gemeinschaft ausgeschlossen. Sabin verließ uns.“ „Wohin ist er gegangen?“, fragte Firan und schien über diese Geschichte bedrückt zu sein. Schuldig konnte es an seiner Stimme hören. Er machte sich Sorgen um Sabin. „Das wussten wir nicht. Bevor ich mit ihm sprechen konnte war er verschwunden.“ Eine Weile schwieg sie und Schuldig sah zu Sano der ebenso nachdenklich vor sich hinbrütete und dabei ins Feuer blickte. „Aidan brauchte lange um sich von seinen Verletzungen zu erholen. Er äußerte immer wieder, dass er mit dem Gedanken spielte wegzugehen. Strigo wollte ihn davon überzeugen zu bleiben, doch er hatte keinen Erfolg. Ein halbes Jahr nachdem Sabin weggegangen war machte sich auch Aidan auf uns zu verlassen. Ich ging mit ihm. Er hatte beschlossen Sabin zu suchen. Wir brauchten drei Jahre bis wir ihn gefunden hatten.“ „Wo war er?“ Sakura kam zu ihnen und setzte sich zwischen Firan und Sano. „Er sprach nicht darüber, aber er sah heruntergekommen aus und lebte auf der Straße.“ „Wie habt ihr ihn gefunden?“, fragte Ran. „Nach anfänglichen Schwierigkeiten uns über die geeignete Methode zur Suche zu einigen fanden wir ihn über unsere Fähigkeiten. Ich weitete meinen Schild zum ersten Mal auf einen großen Bereich aus und suchte darin nach einer Anomalie. Anhand der Informationen die wir zusammentrugen vermuteten wir, dass Sabins Signatur sofort auffallen müsste. So grasten wir Länder und Städte ab bis wir ihn schließlich in Berlin fanden. Wir lebten einige Jahre zusammen und verdingten uns zwischendurch als Kuriere und als Spione. Wir arbeiteten für viele Länder und häuften eine Menge Geld an. Bis SZ an uns herantraten. Miller lud uns ein dem Orden beizutreten. Wir waren dem zu diesem Zeitpunkt nicht abgeneigt und schlossen uns ihnen an. Es war ein gutes Leben. Wir konnten unsere Fähigkeiten erforschen und fühlten uns angekommen.“ „Ihre Familie hielt den Kontakt zu Strigo aufrecht, nachdem sie gegangen waren?“, fragte Schuldig. „Ja. Ich hielt weiterhin Kontakt zu meiner Familie und Strigo.“ „Streng genommen waren sie also bei SZ?“ „Ja. Das war 1979. Drei Jahre später starb Strigo und weitere fünf Jahre später 1987 fanden wir heraus, dass der Orden Neuankömmlinge „anwarb“ indem er sie entführte und ihnen keine Wahl mehr ließ. Sie rekrutierten sie gegen ihren Willen. Es war nur vereinzelt passiert aber es entsetzte Sabin und er wollte gehen. Was plötzlich nicht mehr möglich schien. Miller und Malezza wollten ihn dort behalten. Vienna hielt sich raus. Es war das gleiche Jahr als SZ Strigos Akademie ZSS in den Staaten angriff.“ „Sie wollten ihn... behalten?“, sagte Schuldig. „Ja. Sie sagten uns, dass wir gehen könnten aber er bleiben müsse, er sei zu gefährlich für die Öffentlichkeit, um ihn draußen herum laufen zu lassen. Sie sperrten ihn ein. Es war eine gefährliche Situation“, sagte sie und zum ersten Mal sah sie zu Sano hinüber. „Wir erfuhren erst später, dass es die Akademie nicht mehr gab.“ „Wieso ließen sie euch gehen? Ihr hattet schließlich mächtige Fähigkeiten.“ „Nun, das lag daran, dass Malezza und Miller mich als gleichwertig ansahen und dass sie ohnehin nicht an meinen Schilden vorbeikamen. Aidan und ich hatten zum damaligen Zeitpunkt nicht die Fähigkeit unsere Schilde bewusst zu senken. Malezza und Miller sahen in uns keine Gefahr für die Menschen, für die Öffentlichkeit wenn ihr so wollt. Und sie wussten immer noch nicht wo sie uns einstufen sollten. Sie hatten kein großes Interesse an uns.“ „Was passierte dann?“, fragte Ran. „Wir gingen.“ „Ihr habt ihn dort zurückgelassen?“, fragte Schuldig irritiert. „Ja, weil wir wussten, wenn wir dem nicht zustimmen würden und uns nicht einsichtig zeigten, dann würden wir keinen Kontakt mehr zu ihm bekommen. Also gingen wir wie Freunde, die die gute Absicht verstanden und wollten wieder zurückkehren.“ „Ihr habt ihn dort allein gelassen?“, hakte Schuldig noch einmal nach. „Ja. Das haben wir. Er war wütend und fühlte sich von uns im Stich gelassen.“ „Wie lange war er dort?“, fragte Ran. „Zwei Jahre, in denen wir ihn häufig besuchten und einen Weg ausarbeiteten, um ihn zu befreien. Zeitweise hatten wir den Eindruck, dass er nicht wegwollte, dann wieder war er sehr wütend auf uns. In der Zwischenzeit arbeiteten wir für SZ als Dienstleister, damit wir stets einen Zugang zu Sabin hatten. SZ hatte in dieser Zeit die Akademie angegriffen. Wir äußerten keinen Unmut darüber um unseren Zugang zu Sabin nicht zu gefährden.“ Schuldig blickte zu Sano, dessen Blick in die Vergangenheit gerichtet schien. Kannten sich die beiden bereits aus dieser Zeit? „Dummerweise war Sabin nicht untätig gewesen – er zettelte einen Aufstand an und brach schließlich unter Zuhilfenahme einiger hochrangiger PSI aus. Thomas Straud hatte ihm damals dabei geholfen.“ Schuldig sah zu Ran hinüber. „Dieser Straud und mein Vater waren also Best Buddies?“, fragte Schuldig und Entsetzen hatte seine Stimme ergriffen. „Das weiß ich nicht“, sagte Sakura. „Wir wurden beauftragt mit ein paar anderen Sabin zu suchen und ihn zurückzubringen.“ „Was passierte mit den Unterstützern dieses Aufstandes?“, fragte Ran. „Sie wurden diszipliniert und einige von ihnen ihres Postens enthoben. Soweit mir bekannt war wurde Straud degradiert und nach Südamerika versetzt. Dort hatte er jahrelang die Führung des Standortes in Südamerika inne. „Und Nagi geriet dort in seinen Einflussbereich“, sagte Schuldig mit düsterer Miene. „Das weißt du besser als ich, Gabriel“, pflichtete Sakura bei. „Sicher ist, dass er sich nach diesem Vorfall verändert hatte. Ich kannte ihn als pflichtbewussten und gerechtigkeitsliebenden Mann. Er war damals bereits ehrgeizig, jedoch ging er immer den richtigen Weg und übervorteilte niemanden.“ Sie verstummte und atmete tief durch. „Ich habe Straud als aufstrebenden jungen Mann kennengelernt, nicht als das Scheusal, als dass er jetzt von sich reden macht“, sagte sie dann. „Ja, aufstrebend ist er sicher...“, brummte Schuldig. „Fandet ihr ihn bald?“, fragte Ran. „Sabin?“, fragte Sakura und nickte dann langsam. „Ja, das taten wir. Wir tricksten unsere Begleiter aus und fanden ihn alleine. Er hatte sich verändert. Etwas Düsteres lauerte unter der Oberfläche, dennoch war der alte Sabin noch da. Wir verschwanden zusammen vom Radar der Trias und tauchten unter. Finanziell waren wir durch meine Familie abgesichert und wir hatten Methoden um uns vor der Trias zu verstecken. Nach und nach erkannten wir, dass Sabin noch der war den wir liebten, aber etwas quälte ihn, etwas trieb ihn um. Selbst Aim – so nannte sich Aidan in der Zwischenzeit bekam keinen Kontakt zu ihm in diese Richtung. Er war jedoch der Einzige den Sabin an sich heran ließ. Aim konnte alles von ihm verlangen, alles von ihm fordern.“ Sakura lachte leise. „Aim konnte ihn auch maßregeln, ohne dass Sabin dem widersprach. Das war bei mir anders. Wir lieferten uns lautstarke Meinungsverschiedenheiten und im Kampf waren wir uns ebenbürtig. Bei Aim verlor Sabin stets.“ „Sie hatten eine Beziehung?“, fragte Ran. „Ich denke schon, aber es war nicht offensichtlich. Sie waren nach außen hin gute Freunde und beteuerten dies auch, jedoch war ich immer der Meinung, dass sie tiefer verbunden waren als sie es zugeben wollten. Schlussendlich kann ich es nicht sagen.“ „Das ist traurig“, sagte Firan leise. Sakura sah ihn nachdenklich an. „Nun, während der Zeit in der wir zu dritt umherzogen und nie lange an einem Ort blieben erforschten wir unsere Fähigkeiten weiter und trugen erneut die Informationen zusammen, die die Forschungen bei SZ über Sabin ergeben hatten und kamen darauf, dass er weit mehr als ein Telepath war. Wir erfanden den Namen Soulwhisperer. Doch Sabin zog sich vor uns zurück, bis zu dem Punkt an dem er uns mitteilte, dass er uns verlassen würde. 16 Jahre waren wir eine kleine Familie und plötzlich sollte sich alles ändern. Ich kann immer noch Aims Gesichtsausdruck vor mir sehen. Ich dachte er würde zerbrechen. Zum ersten Mal sah ich Gefühle auf seinem Gesicht die Sabin betrafen. Er hielt ihn nicht auf. 2005 verließ Sabin uns. Wir konnten jedoch seinen Weg verfolgen, denn Aim und Sabin waren längst auf einer Ebene verbunden, die ich nie erreichen würde. Er wusste stets wie es ihm ging und später erfuhren wir, dass Sabin das gewollt hatte. Er hatte sich nie von Aim oder mir abgewandt. Ein Jahr später sahen wir nach ihm. Er war mit einer Frau zusammen. Ihr Name war Katharina Villard und sie war schwanger von Sabin. Er blieb bei ihr, bis das Kind ein Jahr alt war, dann verließ er sie. Er kam zu uns zurück, sprach aber kaum über seine Motive. Weder warum er gegangen war noch warum er die Frau und das Kind zurückgelassen hatte. Aim war verschlossen mir gegenüber, verhielt sich Sabin gegenüber jedoch wie früher. Kurz darauf – es mochten ein paar Wochen gewesen sein – tauchte plötzlich SZ erneut auf und es kam nach anfänglichen Gesprächen – die nicht sehr positiv verlaufen waren – zu einem Kampf. SZ griffen uns an und forderten, dass Sabin zurück zu ihnen kommen sollte. Er wollte nicht und ich vermutete damals, dass es einen bestimmten Grund dafür geben musste, er wollte es nicht sagen und die Abgesandten von SZ umschifften dieses Thema. Plötzlich war er zu wichtig, als dass er sich nicht im Orden einbrachte. Seine Verantwortung der Welt und der PSI gegenüber zu groß. Dann als er nicht wollte, kehrten sie zu ihrem vorherigen Vorwand zurück und erklärten erneut wie gefährlich er war. Das brachte das Fass zum überlaufen. Sabin tötete die Abgesandten und wir versuchten das Chaos irgendwie einzudämmen. Was nicht wirklich gelang. Wir waren plötzlich auf der Flucht und wurden gejagt. Mehrere Scharmützel später in denen viele starben kontaktierte mich ein Ratsmitglied und hielt mich inständig dazu an umzudenken. In der Zwischenzeit hatte sich Sabin in eine Art Blutrausch gesteigert. Er ließ sich nur mehr durch Aims Einwirken beruhigen. Er kam nicht mehr zur Ruhe und eines Tages griff er Aim an weil er glaubte dieser würde ihn alleine lassen. Was für ein Irrglaube! Aim hätte sich für ihn oder von ihm töten lassen. Sabin war fanatisch und hatte sich im Hass gegen den Orden verloren. Wir konnten ihm nicht mehr helfen. Aim fiel es schwer dies einzusehen – schwerer als mir. Er war selbst für uns gefährlich geworden und wir wussten nicht woran es lag, was dies ausgelöst hatte, oder ob es natürlich für seine Profession war und er einfach instabil wurde, wie Strigo es prophezeit hatte. Strigo selbst hatte mir in einem früheren Gespräch gesagt, dass er seinen Sohn für einen Fehler gehalten hatte.“ Schuldig wurde zunehmend wütend über das was er hier hörte. „Ich traf mich mit dem Rat – ohne Sabins Wissen – und wir besprachen das weitere Vorgehen. Ich informierte Aim und wir hintergingen Sabin, tricksten ihn aus und betäubten ihn – er war so ahnungslos und trotz seiner immensen Wut vertraute er uns immer noch.“ Sie schüttelte den Kopf und nahm einen Schluck Tee. „Wir brachten ihn zurück zu SZ. Sie schafften es ihn ein, zwei Jahre unter Kontrolle halten. Er hatte die Bindung zu Aim nicht gelöst, sie aber auch nicht mehr genährt. Sie drohte zu verblassen und Aim litt Qualen in dieser Zeit. Ich kümmerte mich um Aim, aber es war schwierig. Dann hörten wir von SZ er wäre wieder ausgebrochen und verschwunden. Wir schlossen uns einer erneuten Suche nicht mehr an. Zwei Jahre später wurde er wieder aufgegriffen zusammen mit einer Frau. Über sie waren sie an ihn herangekommen und mit ihr als Geisel hatten sie ihn eingefangen. Das Kind fehlte. Der Rat bat uns erneut um Hilfe. Aim stimmte zu und wir bauten ein Gefängnis für ihn. Wir wussten uns nicht anders zu helfen als dass wir dies taten. So konnte er nicht frei herumlaufen. Er war geschwächt und seine Ausstrahlung düster und feindselig. Wir befürchteten einen erneuten Amoklauf. Später erfuhren wir warum das Ganze so gekommen war. Seither ist er in diesem Gefängnis. Zwischendurch begehrte er immer wieder auf, doch es dämmte sich wieder ein. SZ griffen dich auf und jede Gegenwehr erlosch zu diesem Zeitpunkt in ihm. Er rebellierte nicht mehr und hielt sich zurück. Ich kehrte dem Orden komplett den Rücken zu und glaubte, dass Sabin in der Zwischenzeit gestorben war. Aim wollte in seiner Nähe bleiben. Der Reaper in Sabin hätte es nicht geduldet eingesperrt zu sein, er wäre die Wände hochgegangen und hätte sich dabei aufgerieben. Erst vor wenigen Tagen erfuhr ich, dass er lebt und ich erfuhr, dass deine Mutter Kontakt zu ihm hat. Den einzigen den er zulässt in seinem Gefängnis. Er hätte bestimmt leicht ausbrechen können, auf die eine oder andere Weise, doch seit sie dich hatten erlosch in ihm jeder Wille. Er tat gar nichts mehr. Er hat seinen Lebenswillen verloren. Vor ein paar Tagen erfuhr ich, dass SZ ihn nicht töteten weil er nicht mehr gefährlich war und ich frage mich warum. Noch habe ich keine Bestätigung aber ich vermute, dass Aim den Reaper in sich aufgenommen hat. Aim trägt seither diese Fähigkeit in sich und sie zerstört ihn mit Sicherheit langsam.“ „Dann wird sie mich auch zerstören?“, fragte Schuldig. „Nein. Irgendetwas muss Sabin damals zutiefst verstört haben, sonst wäre das nicht passiert. Niemals. Etwas hat ihn grundlegend verändert. Ich weiß nicht was. Ohne Aim, mich und den Schlüssel kann man das Gefängnis nicht öffnen.“ „Wo ist dieser Aim jetzt?“ „Hier. Er ist ein Judge geworden. Ich weiß nicht warum er bei SZ geblieben ist – ich vermute es war die Nähe zu Sabin, die ihn dazu verleitet hat. Er konnte ihn nicht aufgeben, deshalb hat er vermutlich den Reaper genommen um ihn vor SZ die Gefährlichkeit zu nehmen. Der Schild gestattet nur deiner Mutter zu ihm zu gehen. Ich kann nur vermuten, dass Aim akzeptiert hat, dass Sabin deine Mutter wählte und nicht ihn. SZ ließen ihn in Ruhe, schafften dich aber möglichst weit weg und quälten ihn damit, dass Kitamura dir zusetzte. Das kann ich mir gut vorstellen – ihre Art der Rache an deinem Vater. Durch das Gefängnis jedoch kamen sie nicht an ihn und seine Fähigkeiten heran aber sie hatten auch Angst vor ihm und dem was er trotzdem tun könnte. Er hasste sie mit allem was er war. Er hätte sie damals alle vernichtet. Schon allein dafür was sie dir angetan hatten. Ich kann noch nicht einmal sagen ob sie es deinem Vater gesagt haben. Aber ich weiß, dass du ihr Druckmittel warst um ihn ruhig zu halten. Vermutlich bis sie einen Weg gefunden hatten ihn für ihre Zwecke einzuspannen. Sie waren alt, ihre Zeit abgelaufen, ihre Energie über die Jahre aufgebraucht. Sie mussten sich etwas einfallen lassen um die Konvertierung zu stabilisieren und um deinem Vater etwas entgegen zu setzen. Denn genau wussten sie es nicht ob er noch immer so gefährlich war wie noch vor ein paar Jahren. Er wirkte nicht mehr so. Kein Wunder wenn Aim den Reaper trug.“ „Kann man diese Fähigkeit wieder rückübertragen?“, fragte Ran und seine Stimme klang müde. Sakura nickte. „Ja, aber Aim wird zerstört sein. Verliert er diese Fähigkeit wird viel von ihm selbst verloren gehen. Ich wüsste nicht, wie man das reparieren könnte.“ „Mein Vater? Könnte er das nicht tun?“ „Das weiß ich nicht. Ich weiß nicht wie er sich entwickelt hat. Was er denkt und was er fühlt. Ich frage mich immer noch wie er zulassen konnte, dass Aim ihm diese Fähigkeit nimmt. Er hat ihm einen Teil seiner Persönlichkeit genommen und sie seiner eigenen hinzugefügt. Es wird ihn zerstören.“ „Kann das jeder Runner?“ „Nein, Aim ist der einzige den ich bisher getroffen habe, der es konnte. Es ist auch nicht von Vorteil sich dabei selbst zu zerstören. Ich vermute mittlerweile eine Art Selbstgeiselung von Aim weil er Sabin hintergangen hat und daran beteiligt war ihn einzusperren. Aim bestraft sich selbst.“ „Eine furchtbare Geschichte“, sagte Ran und Schuldig wusste nicht was er denken oder sagen sollte. Er fühlte sich wie betäubt. Und er hatte keine Lust mehr auf Popcorn. Er wollte eigentlich nur hier raus. Er wurde unruhig und setzte sich auf. Sein Blick ging ins Feuer. Stille hatte sich um ihn herum ausgebreitet und ihm fiel erst auf, dass er geistig abwesend war als der Name Aim erneut fiel. „...Aim war niemand der jemals jemanden Schaden zufügen wollte. Er ist... oder war es sehr friedliebend. Dein Vater hingegen sehr gerechtigkeitsliebend. Ungerechtigkeit ertrug er schlecht und er konnte sie auch nicht wirklich aushalten oder akzeptieren. Dinge geschehen zu lassen weil die Welt so war, diese Sichtweise war für ihn nie eine Option gewesen. Er wollte die Welt stets zum Guten verändern. Und dann geschah etwas und er konnte damit nicht umgehen. Das Gefühl der Hilflosigkeit ist schwierig für jemandem mit so viel Macht.“ „Meine Mutter ist bei ihm?“, fragte Schuldig die dringlichste Frage für ihn verbalisierend. „Ich denke. Sie wollte erst vor ein paar Tagen einen Kontakt herstellen um mich um Hilfe zu bitten.“ „Bei was?“, fragte Schuldig härter im Tonfall als er vorgehabt hatte. „Um deinen Vater zu befreien.“ Er schnaubte, stand auf und verließ den Raum. Das reichte ihm. Er brauchte frische Luft. Dringend. Er fühlte sich betroffen. Von dieser Geschichte um Menschen, die er für nicht mehr existent gehalten hatte und die sich um ihn augenscheinlich nicht geschert hatten. Und jetzt kam heraus, dass sie viel aufgegeben hatten um ihn zu schützen und dass sie noch lebten. Er hatte plötzlich die Möglichkeit sie kennen zu lernen. Er stürzte fast hinaus und begann immer schneller zu werden. Er rannte über den Kies, zwischen den Bäumen hindurch bis er nicht mehr wusste wo er war. Sein Atem kam ihm stoßweise über die Lippen und er keuchte, stützte sich schlussendlich mit den Händen auf den Knien ab und schüttelte den Kopf. Ein heiserer Schrei entlud sich aus ihm und ließ ihn schließlich kraftlos mit seinen Knien auf den harten Boden brechen. o Ran war von Schuldigs überraschtem Aufbruch aus seinen Gedanken gerissen worden und sah ihm nun besorgt nach. Er erhob sich mühsam und wurde schließlich von Sakura gebremst, die plötzlich neben ihm aufgetaucht war. Er spürte ihre Hand auf seiner Schulter. Ran sah der Tür zu wie sie zufiel und er hatte das Gefühl Schuldig flüchtete vor ihm. „Er braucht etwas Zeit.“ „Zeit wofür?“, fragte Ran vorwurfsvoll und wischte ihre Hand von seiner Schulter um Schuldig zu folgen. „Er hat Angst dich zu verlieren.“ „Das ist Unsinn“, sagte Ran und tastete sich das Sofa entlang bis er es zwischen sich und Sakura gebracht hatte. War es wirklich Unsinn? Nur kurz zuvor hatte er selbst Zweifel an ihrer beider Gefühle gehegt und jetzt? „Er hat gerade gehört was mit seinem Vater ist und selbst ähnliche Veränderungen gespürt.“ „Er kann damit umgehen“, sagte Ran mit mühsam unterdrückter Wut. Schuldig war stärker als sein Vater. Er würde es schaffen. „Du auch?“, fragte Sakura. „Ich?“, fauchte Ran und wandte sich ihr zu. Er sah von Firan, der in der Zwischenzeit weinte, zu Sano, der besorgt auf ihn blickte zu Sakura die ihn bar jeder Miene ansah. „Ich habe verhindert, dass er sich selbst einsperrt. Weil es falsch ist. Immer gewesen ist. Ihr hättet das nicht tun dürfen“, sagte er als wisse er etwas, dass die anderen nicht wussten. Was dieser Aim und Sakura nicht gewusst hatten. Dabei... hatte er keine Ahnung. Von gar nichts. Er wusste nur, dass Schuldig... er würde es nicht ertragen eingesperrt zu sein. Er würde es nicht ertragen Schuldig eingesperrt zu sehen und zu wissen, dass es das Beste für alle war. Niemals. Er hätte es nicht gekonnt... wie Aim oder Sakura. Und das schürte die Wut in ihm. Er hätte Schuldig nicht... niemals... Seine Gedanken glitten zurück in die Wohnung, die Schuldig bewohnt hatte als er ihn kennengelernt hatte. An diesen unsäglichen Raum der Stille, an die verschließbaren Fenster, an die Schublade voll mit Pillen. All das brauchte Schuldig nicht mehr. Wegen ihm? Warum? „Er hat sich selbst eingesperrt?“, hörte er Sakura fragen. Ran schüttelte den Kopf. Er wollte nicht darüber sprechen. Nicht mit ihnen. Das ging niemanden etwas an. Nur Schuldig und ihn. Ran wurde sauer und verließ ebenso den Raum. Er hangelte sich die Wände entlang und setzte einen Schritt vor den anderen. Wo war Schuldig hingerannt? So aufgewühlt wie er war... o Sakura blickte ihrem Enkel mit einem berechnenden Lächeln nach. Firan wischte sich die Tränen ab und atmete tief durch. Er beobachtete wie Sano neben sie trat. „Und?“ „Läuft“, sagte Sakura und Firan wunderte sich über die veränderte Stimmung. Sakura schien zuvor noch sehr einfühlsam und betroffen auf ihren Enkel eingewirkt zu haben. Jetzt jedoch schien sie zufrieden zu sein mit ... sich selbst. „Er ist schlauer als ich dachte“, sagte Sano und nahm sich ein paar Reiscracker um sie in seinen Mund rieseln zu lassen. „Vorsicht, du sprichst von meinem Enkel“, sagte sie scherzhaft tadelnd und stürzte den Tee hinunter, den sie sich eingeschenkt hatte. „Ich meine ja nur... er hat erkannt wie der Hase läuft.“ „Nun, ja... er macht es instinktiv. Ein hervorragender Guardian. Ich bin stolz auf ihn“, pflichtete Sakura bei und Firan fragte sich ob die beiden noch wussten, dass er anwesend war und Ohren hatte die gut funktionierten. Er räusperte sich und beide hielten in ihrem Tun inne. Der Eine stoppte mit zurückgelegtem Kopf die Aufnahme der Reiscracker, die andere hielt mitten in der Bewegung inne sich einen zweiten Tee einzuverleiben. Sakura hob die Brauen, offenbar hatten sie ihn vergessen. „Ah, Firan. Möchtest du mal nach den Beiden sehen?“ Firan nickte eilig und trat geschwind aber nicht zu auffällig den Rückzug an. „Sieh zu, Firan, dass die beiden bis 19.00 Uhr fertig machen, ja?“ Er nickte und verließ den Raum. Draußen atmete er auf und schüttelte grübelnd den Kopf. Sehr seltsam. Die beiden hatten sich benommen wie Kinder die etwas ausheckten oder ... ausgeheckt hatten und unter einer Decke steckten. Das war alles so traurig und machte ihm zu schaffen. Gabriel hatte sich selbst eingesperrt? Und Ran hatte ihn davon abgehalten? Sie hatten viel hinter sich. Ihre Bindung war sicher sehr stark. o Fortsetzung folgt... Vielen Dank! Gadreel Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)