Der Glasgarten von Gadreel_Coco ================================================================================ Kapitel 6: Erinnerung --------------------- ~ Erinnerung ~ Bradley Crawford, als großes Orakel genutzt und auch danach in einer angemessenen Art und Weise dafür bezahlt, stimmte dem Auftrag ihres momentanen Arbeitgebers zu und besah sich das Dokument welches er in seiner Linken hielt und mit der Rechten umblätterte. Er saß in seinem großen, bequemen Ledersessel, mit einem Head set ausgerüstet, das für die bequeme Kommunikation garantierte und drehte nach einer Frage seines Gesprächspartners mit einer lässigen Bewegung zu dem Laptop um. Dieser übermittelte ihm, während er noch mit dem Auftraggeber sprach, die Daten des Auftrages. "Wir werden die Störquelle beseitigen, natürlich. Es dürfte keine Schwierigkeiten geben, das Team ist jederzeit einsatzbereit, wie stets", versicherte er souverän und scrollte das Bild um sich die überspielten Daten kurz anzusehen. "Morgen. Ja die Abwicklung wird wie gewohnt mit der nötigen Diskretion vonstatten gehen. Ich melde mich wieder", beendete er das Gespräch und kappte die Verbindung. Er drückte den Knopf der Sprechanlage. "Kommt rein, wir haben die Daten", sagte er und kurz danach ging die Tür auf und drei mehr oder weniger gut gelaunte Männer betraten den Besprechungsraum, der mit einem großen Flachbildmonitor ausgestattet war. Sofort fiel Brads Blick auf Schuldig, der wie immer sein Grinsen präsentierte und sich in einen der Sessel fallen ließ, die um den Tisch aus Mahagoni herum standen. "Keine schwere Sache, aber gut bezahlt, soviel gleich einmal als Einstieg." Er erklärte in kurzen, prägnanten Sätzen den Auftrag, unterstützte seine Anweisungen mit Bildern der Anlage, die sie wegen eines Serums unterwandern sollten und beendete seine Ausführung mit der Angabe der Summe die sie nach erfolgreichem Ausgang des Einsatzes erhalten würden. "Das Risiko wird wie immer zu gleichen Teilen tragen, deshalb gleicher Anteil für alle. Noch Fragen?" Schuldig grinste spöttisch "Wozu soll ich denn da rein? Da bin ich doch völlig unterfordert", sagte er und rollte mit den Augen. "In diesem Fall steht es dir frei mitzumachen. Wir benötigen nicht das gesamte Team, dein Anteil fällt uns anderen in diesem Fall zu, soviel ist klar", sagte Brad und lächelte den Deutschen eiskalt an. Schuldig verzog die Lippen, wie ein Kind, das eine unliebsame Medizin schlucken musste und brummte etwas, das sich wie "Na vor mir aus, dann mach ich eben mit ...", anhörte. "Gut dann hätten wir das auch erklärt, morgen geht's los, seid zwei Stunden vor Einsatzzeit hier vor Ort", wies er sie an und erklärte die Sitzung für beendet. "Nagi, dich brauch ich später noch wegen der Planung, bearbeite die Daten, die wir erhalten haben, ich komme später nach und sehe mir das an." Der Junge nickte und zusammen mit Farfarello verließ er den Raum. Schuldig folgte ihnen und Brad hob die linke Braue als ein Bild vor seinem geistigen Auge vorbeihuschte, als wäre es ein unstetes Flackern, in der Zeit gefangen, als würde sich diese Zukunft erst im Moment formen. "Schuldig. Warte einen Augenblick." Der Deutsche wandte sich um, die Hände bereits lässig in seinen Hosentaschen vergraben, ein dreistes Grinsen aufgelegt mit Schalk in den grünen Augen gewürzt, kam er wieder zurück zum Besprechungstisch, lehnte sich an. "Irgendwelche Spezialaufträge? Hatte in den letzten Tagen richtig Sehnsucht nach einem gepflegten nächtlichen Einsatz gespürt." Crawford stützte die Ellbogen auf die Armlehnen, nachdem er das Mikrophon und den Kopfhörer abgenommen hatte und legte die Fingerspitzen aneinander. "Du warst in den letzten Tagen also nicht sonderlich ausgelastet?" fragte er scheinbar neugierig, doch in ihm bahnte sich bereits eine ungute Vorahnung auf, eine Art Aura, als spürte er zusammen mit der latenten Visualisierung der nahen Zukunft, dass es bald Probleme geben würde. Und zwar hingen diese Probleme eher mit dem grinsenden, von sich selbst mehr als nur überzeugten Deutschen ab, der sich für den Größten zu halten schien im Moment. Zeit, ihm wieder etwas dem Boden unter den Füßen wegzuziehen. "Nö, ausgelastet war ich, hatte einiges zu erledigen, war richtig entspannend", sagte Schuldig und zuckte mit den Schultern. "Ah", nickte Brad und lächelte wieder sein emotionsloses Lächeln. "Und wie kommst du mit dem Rotfuchs zurecht?" fragte er wie nebenbei und stand auf, ging an Schuldig vorbei Richtung Tür. "Rot...fuchs?" Hörte er die unsichere noch von Lachen durchtränkte Stimme. "Ja, der Mann, der Weiß, der in deiner Wohnung liegt, aus welchen Gründen auch immer. Du wollest dich um ihn kümmern, schon ,vergessen'?" Dieser Satz hätte unter normalen Umständen eine Erinnerung an eine unliebsame Hausarbeit sein können, sowie Crawford sie aussprach, etwas spöttisch, etwas scherzend. Doch es war bitterer Ernst. Und das sah er nun in den grünen Iriden, als er sich umdrehte und den entsetzten Blick des anderen einfing. Wie die Erkenntnis in die Augen trat, der Ausdruck sich veränderte, als wäre es ein anderer Mensch. Der Mensch hinter der Schuld. "Wir fahren", sagte Brad. Sie sprachen kein Wort während der Fahrt. Schuldig saß neben ihm, sah mit starrem Blick nach draußen, konnte jedoch das Zittern in der zur Faust geballten Hand nicht vor Brads Augen verbergen. Er verweigerte den Einblick in seine Augen, wich jedem Kontakt dahingehend rigoros aus. Der Schlüssel öffnete die Tür und Brad trat ein, dicht gefolgt von Schuldig, der seine Wohnung wie ein Fremder zu betreten schien, etwas scheu, etwas ängstlich und vor allem zögernd. Brad sagte nichts, ging zielstrebig in das Badezimmer, die Einrichtung so markant aus seiner kurzen, verschwommenen Vision erkennend. Er sah die Kette, die sich auf dem Boden von der Säule und dem Ring im Boden, in Richtung Badezimmer spannte. Sie stand leicht unter Zug. Ohne sich um Schuldig zu kümmern trat er ins Badezimmer ein und fand den darin liegenden Körper des Mannes, an der Wand liegend. Sein Körper zusammengekauert, das Gesicht dem Holzboden zugewandt. Die Gegenwart, die ihm seine Vision offenbart hatte. Der Weiß lag still. Brad ließ sich auf ein Knie hinab, drehte den Mann auf den Rücken, ließ seinen Blick über die Gestalt wandern. Trockene, fahle Haut, rissige Lippen, ein Zittern, das er unter seinen Händen spürte, die sich noch immer um den Oberarm gelegt hatten und den anderen festhielten. Die Lippen waren leicht geöffnet, der Atem hörte sich schwerfällig an. Die Lider flatterten nur leicht, als er den Mann ansprach. Aus dem Augenwinkel erkannte er Schuldig, der zögernd in der Tür stand, wohl nicht wusste was er tun sollte. "Die Schlüssel", befahl er und streckte die Hand bereits verlangend danach aus. `Der Schlüssel`, wiederholte Schuldig in Gedanken für sich, als müsste er noch über den genauen Sinn dieses Gegenstandes nachdenken. Seine Augen konnten sich nicht von dem liegenden Mann losreißen. "Lebt er?", fragte er mit emotionsloser Stimme, die sonst gar nicht ein Teil seines Wesens war. Seine Arme hingen an ihm herab, nutzlos und unfähig sich zu bewegen. Er stand da und sah zu, wie Brad das regelte, wie er immer alles regelte. Sein Blick verlor sich auf dem Rot der Haare, die sich auf den Boden wie eine Blutlache ergossen hatten. Wieder war es geschehen. Warum gerade bei ihm? Brad ließ den Weiß los, stand auf und trat zu Schuldig heran um ihm eine schallende Ohrfeige zu verpassen. "Der Schlüssel, Schuldig", sagte er ruhig und konnte sehen wie Schuldig es völlig kommentarlos hinnahm, den Schlüssel wie in Trance aus seiner Tasche zog, den Blick weiterhin als hätte er ihn nicht geschlagen auf den Mann am Boden geheftet. Zurück tastete er nach dem schnellen Puls des Mannes, griff sich das Handgelenk und öffnete die Edelstahlmanschette mit flinken Bewegungen, ließ sie samt Kette klirrend auf den Boden fallen. Er hob den Mann auf und trug ihn aus dem Raum hinaus. o~ Aya hörte sie nicht, die Geräusche, die um ihn herum an Intensität erlangten. Er hörte gar nichts. Sah nichts ... fühlte alles ... Die Beschwerden seines Körpers vereinnahmten ihn mehr denn je, ließen ihn sich den Tod wünschen. Er wollte, dass es endlich vorbei war. Vielleicht ... wenn er es endlich geschafft und das Zeitliche gesegnet hatte, würde Schuldig wieder kommen ... vor Freude tanzen, dass er es geschafft hatte, ihn umzubringen. Ihn leiden zu lassen. Und ja ... das konnte Aya dem anderen Mann zusprechen. Er hatte gelitten. Er wusste nicht wie lange. Dennoch hatte er gelitten. Es war, als würde er schweben. Als würde endlich Bewegung in seine Gestalt kommen ... doch das war sicherlich nur eine Halluzination. Er flog ... aus seinem Körper hinaus ... aber nein. Das war Schwachsinn. Die Seele trennte sich nicht vom Körper, wenn man starb ... oder? Aya wollte sehen. Wollte wissen, ob es wirklich so war. So verbrauchte er einen großen Teil seiner noch verbliebenen Kraft, um die Augen zu öffnen ... es zu versuchen. Nicht zu scheitern. Doch er sah nichts ... nur dunkel. Nur verschwommen ... Allerdings war es weich ... so weich. Den Mann auf das bequeme Bett ablegend um ihm eine weichere Unterlage als den Boden zukommen zu lassen, richtete sich Brad wieder auf und er suchte Schuldigs Blick. "Du willst immer noch, dass er lebt?" Schuldigs Kopf ruckte von der stillen Betrachtung des halbwachen Mannes hoch und ein flehender Ausdruck trat in die Augen. Verwirrung, Schuld, Scham und Angst. Wie schillernd diese Augen doch waren. Wie ausdrucksstark. Brad wandte den Blick ab. "Ich verstehe. Dann mach dich nützlich. Hol ein Glas Wasser. Und danach ...", Crawford überlegte einen Moment. Was tat man in so einem Fall? "Tee, mach einen Tee, etwas gut verträgliches, geh in die Apotheke, lass dir etwas geben, für jemanden, der lange nichts gegessen hat", schloss er. Schuldig machte sich sofort auf den Weg, hastig warf er die Tür ins Schloss, wenig später wurde sie jedoch wieder aufgeschlossen und der Telepath hetzte in die Küche, füllte schnell ein Glas mit Wasser und brachte es Brad ans Bett, stellte es ab und verschwand ohne ein Wort wieder aus der Wohnung. Ob es gut war ihn jetzt gehen zu lassen, konnte Brad nicht sagen, aber wenn er beschäftigt war, dann würde er weniger nachdenken. Unterdessen entledigte sich Crawford seiner Anzugsjacke, warf sie achtlos auf die andere Seite des Bettes und setzte sich neben den Weiß. Wie hieß er gleich wieder... "Fujimiya, wach auf, los komm," versuchte er es in gutmütigem, aber strengem Ton, der ihm etwas ungewohnt schien. Mit einer ruhigen Handbewegung wischte er dem Weiß die wirren Haarsträhnen aus der Stirn, drehte den Kopf in seine Richtung. Eine unnatürliche Blässe, die von Krankheit, von einem Mangel an Nahrung erzählte, lag auf dem Gesicht. Er tauchte die Finger in das Glas Wasser, führte sie an die Lippen des Mannes und befeuchtete sie, hoffte, dass dies der erste Schritt in eine wachere Phase sein würde. "Es ist alles gut, Rotfuchs, wach auf ... hier ... trink etwas", leise Worte, die er zu dem Liegenden wehen ließ. Da waren Stimmen ... eine Stimme. Sprach sie mit ihm? Über ihn? Aya wusste es nicht ... es interessierte ihn auch nicht. Bestimmt war es Schuldig, der durch seine tosenden Kopfschmerzen über ihn spottete. Aya zitterte, hatte das Gefühl, sein gesamter Körper wäre nur noch ein einziger, monotoner Schmerzball. Er hatte gar nicht gewusst, dass es so schmerzvoll sein konnte zu verhungern ... zu verdursten. Doch. War das... Wasser? Fühlte er es richtig oder war es auch nur wieder eine Fatamorgana? Wirklich Wasser? Er versuchte zu schlucken, scheiterte an dem Schmirgelpapier, das seine Kehle reizte. An seiner Zunge, die nur noch ein lebloser, fleischiger, nutzloser Klumpen zu sein schien. Ihn dennoch die Lippen öffnen ließ ... spröde, ausgetrocknet ... schmerzend wie sie waren. War das sein Magen, der so schmerzte? Sein Unterleib? Seine Blase? Alles zusammen? Ayas Stirn zog sich in gequälte Falten, ließ ihn noch einmal vorsichtig versuchen, seine Augen zu öffnen. Doch da war Licht ... zuviel Licht. Es schmerzte. Wie alles. Es schien, als würde nichts mehr angenehm sein ... doch wie konnte er das auch jetzt noch erwarten? Wie um sich selbst zu quälen, versuchte er es nun ein zweites Mal ... versuchte, seine Augen zu öffnen ... sich auf die Wärmequelle neben sich zu konzentrieren ... war er etwa nicht mehr alleine ... wenn doch nicht nur alles so verschwommen wäre. Wenn er doch nur seine Augen gebrauchen könnte. Aber wenigstens hatte er seine Lippen geöffnet. Wartete auf das erlösende Wasser. Das wahrscheinlich nicht kommen würde, wie ihm eine kleine, todgeweihte Stimme zuflüsterte. Der Amerikaner benetzte wieder die Lippen mit dem Nass, welches er mittels seiner Finger auf die rissige Haut auftropfen ließ. Er wagte es noch nicht, dem Mann das Glas an die Lippen zu setzen, noch war er nicht wach genug. Er tätschelte leicht die fahle Wange, befand die kommende Reaktion jedoch nicht für ausreichend genug. Doch er wusste, dass Fujimiya etwas trinken musste, schnellstmöglich und wenn es nur ein Schluck war. Aber im Liegen, wie sollte er das hinbekommen, ohne dass sich der Andere verschluckte? Seine Knöpfe an den Hemdärmeln öffnend, krempelte er die Ärmel hoch, setzte sich neben den Kopf des Mannes und richtete ihn auf um den Oberkörper an seinen anzulehnen, den Kopf vor sich an seine Brust zu legen. So hatte er sowohl Kinn im Griff als auch die Hand für das Glas Wasser frei. Er saß leicht schräg um den Anderen zu stützen, hatte er einen Arm um ihn geschlungen. So setzte er nun das Glas an, ließ einen kleinen Schluck in den Mund fließen. "Wasser ...Rotfuchs", sagte er ruhig. "Du musst nur schlucken, dann wird es besser." Ayas Körper wie auch er selbst protestierten aufstöhnend, als er in die Höhe gezogen wurde. Zu stark wurden die Krämpfe in vereinzelten Muskelpartien. Zu schwindelig wurde ihm alleine schon von dieser simplen, schlichten Bewegung. Und auch wenn er gleich darauf ruhte ... an etwas warmen - wärmeren als ihm selbst - so begrüßte er den Kontakt nicht. Wohl aber das Wasser. Kühlendes Nass in der Wüste seines Halses. Ein Schluck nur ... dennoch Lockmittel zu mehr. Zu viel mehr ... Er schluckte. Schmerzhaft vorsichtig. Es tat weh ... alleine schon das Auf und Abhüpfen seines Kehlkopfes verursachte ihm Qualen ... dennoch schluckte er. Wollte mehr. Dringend benötigtes Wasser ... mehr davon. Seine Augen versuchten, nach der Quelle dieser Wohltat zu suchen, doch sie fanden nichts, nur bestialische Kopfschmerzen ... sie sahen nichts und wenn doch, dann nur verschwommen. Doch eines, ein einziges Detail verschaffte ihm Erleichterung. Er war nicht mehr alleine, es war jemand da. Er musste nicht mehr passiv darauf warten, dass er verhungerte ... jemand kümmerte sich um ihn. Crawford hatte Erfolg gehabt, in dieser Lage konnte der Rotfuchs gut trinken ohne sich zu verschlucken. Seine Hand stützte den Kopf unter dem Kinn und hatte sich etwas an den Halsansatz gelegt, konnte so fühlen, auch wenn er nicht sah, wie das Schlucken dem anderen Mann schwer fiel. Winzige Schlucke rannen in die Kehle hinab und so dauerte es zwar, bis die Menge aus dem Glas ihren Weg in den Körper fand, aber er hatte keine Eile. Nur hin und wieder verlor sich ein Rinnsal am Mundwinkel und lief über den Kiefer hinab. "Du brauchst das Wasser, innen wie außen", sagte Brad und kam sich für einen kurzen Moment seltsam vor, wenn er die Situation etwas distanzierter betrachtete. Er saß hier mit Fujimiya Ran, der einer derer Organisationen angehörte, die ständig ihre Aufträge gefährdeten und sich einmischten. Und das nur weil Schuldig nicht fähig war, auf sein Haustier Acht zu geben. Warum hatte er diesen Mann auch hier bei Schuldig gelassen? Vielleicht weil es eine gute Gelegenheit war, diesem so etwas wie ,Verantwortungsbewusstsein' beizubringen? Brad verzog den Mund unwillig. Dass Schuldig etwas an dem Mann lag, war ihm bereits als Idee in den Sinn gekommen. Aber warum Schuldig sich nun dieser dauerhaften Gefahr aussetzte war ihm nicht klar. Aya versuchte, sich auf die Worte zu konzentrieren, die nun klar und deutlich an sein Ohr drangen. Auch wenn er völlig neben sich war, so funktionierte sein Geruchssinn. Sagte ihm, dass das nicht Schuldig war. Ließ ihn vermuten, dass es jemand anderes war ... doch wer ... Das verloren gegangene Wasser kitzelte sein Kinn, doch er war zu schwach, um dem Abhilfe zu schaffen. Zu schwach, sich auch nur minimalst um sich selbst zu kümmern ... um klar zu denken. Alles, was er wusste war, dass er lebenspendendes Wasser bekommen hatte ... endlich. Dass jemand bei ihm war ... doch hieß das, dass er gerettet war? Dass er nun nicht sterben würde? Er wusste es nicht. "Mehr ..." Ein minimales Flüstern ... eher ein simples Bewegen der Lippen. Das Flehen nach Wasser. Auch wenn es schmerzte, wenn die aufgerissenen und spröden Lippen Feuer an seine Nervenzellen meldeten. Brad folgte dem Wunsch nach mehr und setzte erst ab, als das Glas keinen Tropfen Wasser mehr beinhaltete. Er stellte es auf dem Boden ab, behielt jedoch die Position des Mannes an seinen Körper gelehnt bei, zog die Decke heran und legte sie um den ausgekühlten Mann. "Du bekommst gleich mehr. Verträgst du das Wasser? Ist dir schlecht?", fragte er, als er einen Schlüssel im Türschloss hörte und Schuldig mit einer Papiertüte herein trat. Aya entging dieses Geräusch völlig. Er konzentrierte sich mit Gewalt auf die nahe zu ihm getragenen Worte. War sich bewusst, dass etwas auf seinem Körper landete. Schwer ... warm ... eine Decke? Sollte sie ihn wärmen? Er glaubte nicht an den Erfolg dessen. Befasste sich lieber mit dessen nächsten Worten. Ob ihm schlecht war? "So ... viel ... Schmerz ...", brachte er wispernd wie auch krächzend hervor, antwortete auf die ihm gestellte Frage, ohne sich wirklich darüber bewusst zu sein, mit wem er sprach. Doch es war einfach so schwer, die Übelkeit von den anderen Beschwerden abzugrenzen. " ... und ... übel ..." Ja ... das war es wirklich. Irgendwie ... irgendwo zwischen den Magenkrämpfen. Durch das Näherkommen von Schuldig abgelenkt, hörte Brad nur das Wort ,Schmerz' aus den mühevoll hervorgebrachten Wispern heraus. "Der Schmerz wird nachlassen", sagte er nüchtern. "Je mehr du trinkst desto besser wird es", versicherte er. Schuldig stand vor ihm, die nachdenklich blickenden Augen auf Fujimiya und ihn gerichtet. "Wird er wieder?", fragte er zaghaft und räusperte sich daraufhin "Ich mach den Tee ... oder?" Schuldig war derart unsicher, dass Brad nur nickte. "Mach das." Brad bezweifelte, dass es außer ihm selbst noch jemand je in diesem Gesicht gesehen hatte: Unsicherheit, Zweifel, Angst, Verletzlichkeit oder gar Reue. Er war wie ausgewechselt wenn er in Situationen geriet, mit denen er nicht umgehen konnte und die ihn selbst in dem Maße betrafen, dass es um jemanden ging, an dem ihm etwas lag. Und dann ausgerechnet noch unter diesen Umständen. Schuldig war in der letzten Zeit sehr labil gewesen. Ständige Stimmungsschwankungen, Unkonzentriertheit, eine Gereiztheit, die Brad oft nur mit Gewalt stoppen hatte können. "In ein paar Tagen ist er wieder der Alte", schickte Brad dem Deutschen hinterher, der sich bereits zur Küche begeben hatte um den Tee zuzubereiten. Schuldig wandte den Kopf etwas und nickte stumm. "Kommst du mit ihm zurecht? Ich müsste noch einige Besorgungen machen ... die Einkäufe ... von vor ... ich meine ... sie sind kaputt ... ich sollte etwas neues kaufen", stotterte Schuldig, schien den Faden zu verlieren, starrte vor sich hin, mit seinen Gedanken vermutlich weit weg. "Ja tu das, aber sei vorsichtig, kein unnötiges Risiko", wies Brad ihn scharf an und verlangte nach einem weiteren Glas Wasser. Der Rotfuchs in seinem Arm war noch immer sehr schlapp. Aya lauschte stumm dem Auf- und Abbewegen des Brustkorbs an seiner Seite, während der Andere sprach. Er wusste nicht, mit wem, auch nicht, warum der gerade noch so weiche Ton in eine Härte abglitt, die sein fließender Geist als vage bekannt deklarierte. Ebenso wie die zweite Stimme. Wenn sich seine Gedanken doch in eine Richtung lenken ließen ... aber wie der Rest seines Körpers schienen sie dem allgegenwärtigen Delirium zum Opfer gefallen zu sein. Ließen ihn erschöpft und müde zurück. Er wollte schlafen ... wollte trinken. Wollte nichts. Den verschwommenen, in seinen Ohren gedämpften Lauten lauschend, bettete er seine Stirn hilflos auf den warmen Untergrund, merkte nur nebenbei, wie die Decke trotz aller Bedenken ihre Aufgabe erfüllte. Ihm doch tatsächlich etwas Wärme schenkte. Seine Augen schlossen sich. Schlafen konnte er nicht. Nein ... daran war nicht zu denken. Aber ruhen. Noch ein Glas Tee wollte er dem Rotfuchs geben, danach wäre es sinnvoller, ihm eine kleine Ruhepause zu gönnen. Schuldig brachte es ihm auch gleich und drückte es ihm in die Hand. Brad verkniff sich eine Bemerkung und stellte das Glas vorerst ab. "Zu heiß, gib mir das Wasser", forderte er und richtete den Oberkörper der an ihn lehnte, wieder etwas auf, rollte den Kopf mit einer Hand an die Stirn von Aya gelegt etwas mittiger, sodass er mit seinem Kinn die Haare des Mannes tasten konnte. "Aufwachen Rotfuchs, trink noch etwas", sagte er ruhig. Wieder half er beim Trinken und Schuldig saß daneben und sah ihnen dabei fasziniert und mit schlechtem Gewissen zu. Unwillig stöhnte Aya auf, wurde jedoch gleich durch das angenehm feuchte Wasser besänftigt, das sanft seine Kehle hinunterfloss. Seine Finger bewegten sich, ertasteten die weiche Decke, fanden jedoch nicht genug Kraft, sich zu erheben und das Glas selbst zu halten ... Im Moment wollte er sich auch lieber gehen lassen ... fließen lassen. Den Schmerz vergessen, der, so kam es ihm vor, nie enden würde. Ihm war nicht bewusst, dass Schuldig neben ihnen saß. Auch nicht, dass Crawford ihn hielt. Er schwebte in seiner Luftblase aus Isolation ... aus Einsamkeit. Machte sich keine Gedanken um menschliche Nähe. Brad kam sich wie ein Puppendoktor vor, der für Schuldig das kaputte Spielzeug wieder ganz machte. So einfach war es zwar nicht, denn Schuldig wusste genau, dass der Weiß kein Spielzeug war, sondern echt, doch das änderte an dem Fakt nichts, dass er nicht wusste wie man mit einem Menschen umging. Wie auch? Er hatte es nie gelernt, hatte sich ein eigenes Schema zurechtgelegt wie man den Umgang bewerkstelligen könnte und zwar indem man sie benutzt. Brad pflegte dies ebenso zu handhaben, aber er kannte den Unterschied im Gegensatz zu Schuldig. Nachdem dieses Glas ebenfalls von dem Mann geleert worden war, erhob sich Schuldig und ging wieder in die Küche, nahm sich die Autoschlüssel und verließ die Wohnung wieder. Es schien als könne er die Situation nicht aushalten. Brads Lippen verzogen sich zu einem kalten Lächeln. Mal sehen, wie er dem entgegenwirken konnte. Wenige Zeit später kam Schuldig zurück und hatte einige Tüten in der Hand, stellte sie auf der Ablage in der Küche ab. "Ich geh nochmal und kauf ein paar Sachen ein ...", murmelte er als er zu Crawford kam "Ich glaub Sushi mag er jetzt nicht ... oder?" Brad hob die Augenbrauen "Nein, Gemüse wäre jetzt gut, Hühnchen. Besorg das Zeug und reiß dich etwas zusammen Schuldig, du gehst nicht zum ersten Mal einkaufen." Durch eben diese Blase drang nun ein Wort. Sushi. Essen. Aya gab einen unwilligen Laut von sich. Kein Essen ... er hatte keinen Hunger. Er wollte einfach nur, dass diese Krämpfe aufhörten ... kein Essen. "Nein ...", murmelte er angestrengt, pausierte für einen Moment. Versuchte, seinen allzu schnellen Puls unter Kontrolle zu bekommen. Was ihm verständlicherweise nicht wirklich gelang. Seine Augen öffneten sich wieder, erwarteten schon beinahe, einen Teller voller Essen vor sich zu sehen. Doch zu verschwommen war alles, als dass er genau hätte erkennen können, was sich vor ihm abspielte. Zu schwindelig war ihm noch immer. "Keinen ... Hunger ..." Gott, er brauchte all seine neu erworbene Kraft für diese beiden Worte. Dennoch war es ihm das wert, verspürte er doch eine tiefe Abneigung dagegen, Nahrung zu sich zu nehmen. Brad sagte nichts dazu. Der Mann würde etwas essen, aber dazu musste erst einmal die Suppe her. Als nächstes öffnete sich die Tür erneut und Schuldig trug einen kleinen Bonsai herein, ging damit zielstrebig zu einer breiten Fensterbank und stellte ihn darauf ab. "Wo hast du die Sachen aus der Apotheke?" fragte er Schuldig, bevor der wieder verschwinden konnte und starrte noch immer auf den Bonsai. Was zur Hölle ... wollte Schuldig damit? "Ja, der Tee beruhigt den Magen und es ist noch einer dabei, der den Appetit anregen soll. Aber nicht zuviel sonst kommt dir alles wieder entgegen", sagte Schuldig nachdenklich und verlor sich wieder in dem Anblick den Brad und Fujimiya boten. "Gut, geh ich mach den Rest hier, aber beeil dich, ich hab heute nicht den ganzen Tag Zeit." o~ Aya versuchte unwillkürlich, seine Decke nach oben zu ziehen. Es war wieder kälter geworden hier im Raum. Er öffnete langsam seine Augen, stellte fest, dass sie sich nach Momenten der Ruhe scheinbar wieder besser gebrauchen ließen, als zuvor. Zumindest sah er schärfer als zuvor ... lauschte den geschäftigen Geräuschen, die scheinbar aus weiter Ferne an sein Ohr drangen. Was auch immer es war ... es wurde übertönt durch den beißenden Geruch von Essen, der die Übelkeit in ihm um einiges stiegen ließ. Essen ... wie widerwärtig. Er wollte nicht. Er wollte bloß, dass diese Qualen aufhörten ... Er hatte gedöst. Wie lange das war, seitdem er auf das Bett niedergelegt wurde, wusste er nicht. Es war auch nicht wichtig. Nicht, wenn er sich wie jetzt den Umständen entsprechend wacher fühlte. Nein ... verbundener mit der Realität ... nicht mehr ganz so fern. Nicht mehr ganz so isoliert ... aber wenn nur dieser ekelerregende Geruch nicht wäre ... Schuldig saß am Tresen in der Küche und beäugte die fertige Suppe die Brad gezaubert hatte. Er hatte ja selbst schon Hunger aber in Anbetracht der Umstände wollte er nichts essen, keinen Bissen konnte er hinunterwürgen. Nicht um viel. Er kam sich verdammt schlecht vor. So hatte er sich ... naja wenn er sich schon einmal so gefühlt hatte, dann wusste er nicht mehr, wann das war. Brad füllte in eine Schale klare Suppe ohne eine Einlage hinein, stellte sie zusammen mit einer Serviette auf ein Tablett. Dazu stellte er noch ein Glas des Tees, welcher den Appetit anregen sollte. "Erst der Tee, dann die Suppe", ordnete der Amerikaner an und sah Schuldig auffordernd an. "Wie?" fragte Schuldig und richtete sich mit größerer werdenden Augen auf. "Ich?" Brad nickte mit eisigem Lächeln. "Ja, du!" Er griff sich das Tablett und ging zu dem Schlafenden, der noch immer genau in der selben Haltung im Bett lag, wie Brad ihn abgelegt hatte. "Los, ab ins Bett", wies er Schuldig an, der mit zweifelnder Miene dem Befehl Folge leistete. Er setzte sich ins Bett und blickte schon fast ängstlich auf den Rotfuchs. Eben dieser ekelhafte Geruch wurde intensiver, als er hörte, wie sich ihm Schritte näherten. Wie sich jemand ins Bett setzte. Aya konnte nicht sehen, wer es war, dennoch zog sich seine Stirn in misstrauische Falten. Er kannte diesen Geruch. Er wusste, dass er Abneigung gegen diesen Geruch hegte. Er wusste, gegen wen er Abneigung hegte. Schuldig ..., hallte es zunächst unwirksam hohl durch seine Gedanken. Formte sich dann zu einem Bild. Auch wenn er den anderen Mann äußerlich immer noch nicht erkannte, so erinnerte er sich. An dessen Tat. Er hatte ihn hier gelassen. Zum Verhungern. Er hatte ihn entführt ... Hass wellte noch von ihm unerkannt hoch. Brad sah Schuldigs ängstlichen Blick und seufzte innerlich. So konnte das nie klappen. Aya würde ihm höchstens das Essen wieder entgegenspucken, falls er mitbekam, wer es ihm ,verkaufen' wollte. "Setz dich an die Kante, ich mach das", sagte er und konnte im gleichen Augenblick sehen, wie erleichtert Schuldig war. Das würde schwierig werden ... Er verschob seine Bedenken und widmete sich dem Rotfuchs. "Trink noch etwas", sagte er wieder mit ruhiger Stimme, ohne eine Forderung mitklingen zu lassen. "Kannst du dich aufsetzen?" Da war sie wieder ... die Stimme. Wasser. Es würde Wasser bedeuten ... neues, frisches Wasser. Doch dazu musste er sich aufsetzen ... Aya schauderte innerlich vor der Anstrengung, die damit unweigerlich folgen würde. Den Schmerzen in seinen Muskeln. Er fürchtete, dass die Muskelkrämpfe, in den letzten Augenblicken vereinzelt und nicht mehr so stark wie auf dem kalten Steinboden, nun wieder an Intensität zunehmen würden ... und dennoch leistete er Folge. Spannte seine Oberarmmuskeln an, stemmte sich versuchsweise in die Höhe. Zitterte unter der Anstrengung. Drohte wieder einzuknicken. Es war zuviel gewesen ... durch die plötzliche Bewegung wurde ihm schwindelig. Schwindelig und schlecht, wie ihm sein Magen meldete. Diesen Versuch unterstützend, half Brad Fujimiya wieder und nahm die Position im Rücken des Rotfuchses wieder ein. Schuldig saß noch immer an der Bettkante und sah ihm dabei zu. Das Gesicht zu einer ausdruckslosen Maske geworden. Die Augen blanke Spiegel, die nichts von der Aufruhr im Inneren des Mannes verrieten. Mit einer geübten Handbewegung angelte er sich sowohl Serviette als auch das Glas Tee. Er legte die Serviette neben sich, das Glas Tee setzte er an die zitternden Lippen an. "Ist dir übel?" fragte er. "Es wird besser wenn dein Magen voller ist." Aya antwortete nicht, hielt er doch nichts von dem Vorschlag. Trinken ... ja. Aber essen wollte er nicht. Die Übelkeit würde irgendwann schon verschwinden, dazu musste er nichts essen. Eher im Gegenteil. Er war sich sicher, dass er sich übergeben würde, nähme er auch nur einen Bissen zu sich. Oder wahlweise irgendetwas dieser schrecklich riechenden Substanz. Lieber ließ er sich nun gegen die weiche Unterlage gleiten, öffnete seine Lippen, als er Glas an ihnen spürte. Es war kein Wasser, soviel konnte er alleine schon durch den Geruch sagen. Doch es war auch nichts festes. Kein Stück, dass er kauen musste ... dass sich widerwärtig in seinem Mund anfühlen würde...nur reine, erlösende Flüssigkeit. Brad setzte nach einer Weile die vergangen war das Glas wieder ab und ließ sich die klare Brühe geben. Die ebenfalls in ein Glas gefüllt war. "Versuch mal das, ist gut und kräftigt dich etwas. Du brauchst das Rotfuchs." Der Amerikaner ließ bewusst den Namen des Mannes weg, wollte ihn nicht aus seiner Konzentration reißen, indem sich der Mann vielleicht selbst besann, sein Trotz oder womöglich sein Stolz zurückkehrten und ihm verbaten, die flüssige Kost anzunehmen. Was weder Crawford noch Aya wussten, war, dass das Orakel den Namen des Weiß gar nicht erst hätten nennen müssen. Denn Aya roch nun, was er vorher als widerlich befunden hatte, in seiner Nähe, wusste, dass sie ihn zum Essen bringen wollten ... Dieser ekelhafte Geruch ... kam genau hiervon. Er presste seine Lippen zusammen, schloss vor Abscheu die Augen, wandte den Kopf zur anderen Seite. Nein... er wollte nicht. Ihm war schlecht von diesem Geruch ... richtig übel. Der Tee war in Ordnung gewesen ... doch das? Nein ... um nichts in der Welt würde er das hinunterwürgen. Für einen Augenblick wusste Brad nicht, wie er auf diese Weigerung reagieren sollte. Er saß da und sah zu, wie der Kopf sich unwillig wegdrehte. Und genau in dieser Sekunde als Aya den Kopf wegdrehte kam er sich wie ein Vater vor, der seinem Kind eine grausig schmeckende Medizin verabreichen musste. Ein Lachen vibrierte in ihm heran und er konnte es nicht mehr aufhalten. "Der kleine Weiß Leader hat also keine Lust, die Suppe zu essen?", lachte er leise. Er hielt Aya mit einem Arm leicht fest, unterstützte ihn lediglich damit dieser sich in der Position halten konnte. Dabei entging ihm der erstaunte Ausdruck der auf Schuldigs Gesicht lag. "Gut ... dann machen wir einen Deal." Noch immer war ihm, als müsste er lachen und ein dunkler Rest dieses Gefühls schwang in seiner Stimme mit "Du trinkst das halbe Glas aus und dafür bekommst du ein ganzes Glas mit dem angenehmeren Tee. Wie wär's?" Aya öffnete seine Augen, als er fühlte, wie seine bisher ruhige Stütze gutmütig lachte. Er vernahm die Worte, das Versprechen auf Tee. Das Amüsement in der Stimme. Vielleicht ... vielleicht wäre es wirklich besser, wenn er dem Vorschlag folgte. Zumindest hätte er dann etwas von dem Tee, der, wenn er Glück hatte, den ekelhaften Geschmack der Substanz überdecken würde. Anscheinend übernahm nun auch noch sein Körper das Regiment, als sich sein Kopf zurückdrehte, sich wieder an die vor ihm liegende Brust bettete. Zeichen dafür, dass er dem ... Deal zustimmte. Dass er den verdächtigen Namen Weiß gehört hatte, fiel ihm erst jetzt auf. Erregte jedoch nicht das Misstrauen in ihm, das es normalerweise herbeiführen sollte. Es war ihm egal ... wie alles. Alles außer dem Durst. Brad ließ diese Einwilligung unkommentiert und half beim Trinken der Suppe. Irgendwie brachte ihm diese Aufgabe so etwas wie Ruhe mit sich. Sein Terminkalender sagte ihm zwar, dass er keinerlei Zeit dafür haben dürfte, hier zu sitzen und Schuldigs Rotfuchs wieder heil zu machen, doch seine Vision dagegen belohnte ihn damit, dass er in weiterer Zukunft den Lohn ernten würde: Die Ruhe. Schuldig würde ihn nicht mehr nerven, würde ausgeglichener sein, die telepathischen Nebenwirkungen würden sich minimieren. Warum es ausgerechnet mit dieser Situation zusammenhing, wusste Brad nicht. In seiner Vision hatte er Aya nicht mehr hier in diesen Räumen gesehen. Erneut setzte er die Suppe ab, ließ den Mann schlucken und hielt sich genau an die Vorgabe, nur ein halbes Glas der Suppe. Aya schauderte nicht nur innerlich. Die Brühe schmeckte noch scheußlicher, als sie roch. So war er auch äußerst dankbar, als seine Stütze sie schließlich wieder absetzte. Ihn vor dem schrecklichen Geruch bewahrte. Er öffnete erneut seine Augen, ließ sie umherschweifen, sein Gesicht immer noch vor Ekel verzogen. War das widerlich gewesen ... "Tee ..." Er musste diesen beängstigenden Geschmack loswerden ... ganz schnell, auch wenn - was er aber nicht der Suppe zuschreiben wollte - seine Augen von Mal zu Mal wieder klarer sahen. Nicht mehr ganz so verschwommen. Wie gut. Seine Hand ruhte auf dem festen Stoff einer Hose, strich tastend über die strenge Oberfläche. Suchte Bewegung. Suchte Ablenkung. `Es schmeckt ihm nicht`, gab Schuldig die Reaktion auf Ayas Gesicht Brad wieder. Brad sah auf und sah, wie Schuldig minimal lächelte. `Wenn du später auch so ein Gesicht ziehst, dann kill ich dich, meine Suppen werden gefälligst gegessen`, schickte er in Gedanken gleich zu dem Deutschen zurück und lächelte eisig über Ayas Kopf hinweg. In der Zwischenzeit nahm er den Tee auf, registrierte die umtriebige Hand auf seinem Oberschenkel. Er entließ den Mann etwas aus seiner Unterstützung und legte seine Hand über die Andere, brachte sie so zum Ruhen. Um seine Idee in die Tat umzusetzen musste er einmal umgreifen und gab Aya so das Glas selbst in die unruhige Hand. "Versuch es selbst", sagte er und hob die Hand mit dem Glas etwas. Für einen minimalen Moment hatte Aya ernstliche Probleme, dem Vorschlag zu folgen. Seine Glieder zitterten, er war schwach. Dennoch würde er sich nicht der Niederlage hingeben und alleine daran scheitern. Er hob das Glas zusammen mit der fremden Hand an seine Lippen. Kippte es vorsichtig und trank. Langsam und genüsslich. Solange, bis ihm sein Magen empört meldete, dass er nicht mehr konnte. Aber wenigstens war nun dieser ... schreckliche Geschmack weg. Wenigstens das. Jetzt konnte er wieder dösen ... angesichts des Schlafmangels der letzten Tage ein tiefer Wunsch in seinem Inneren. Über die Schmerzen hinwegsehen zu können und zu schlafen. Ungeachtet seiner Umgebung. Brad nahm dem Mann das - bis auf einen kleinen Rest - leere Glas wieder fort und entließ ihn aus seiner Gegenwart, half ihm sich hinzulegen. Schuldig war bereits aufgestanden und folgte Brad in die Küche um den Mann schlafen zu lassen. Auch wenn Ran die Suppe nicht schmeckte, Schuldig fand sie nach einem drohenden Blick von Brad einfach nur köstlich. Obwohl er den Blick gar nicht gebraucht hätte, Brad konnte ausgezeichnet kochen. Schuldig kam nur viel zu selten in den Genuss. Wiederholt erwischte er sich selbst, wie er zum Bett hinüber sah, in dem das Blumenkind schlief. `Ich wollte das nicht`, sprach er in Brads Gedanken. `Lass uns später darüber sprechen, ich muss nochmal zurück, den Plan mit Nagi besprechen, damit er die Daten ausarbeiten kann `, antwortete dieser ihm und sah zu Schuldig, der ihm dabei zusah, wie er das Geschirr in den Spüler einräumte. Er saß auf der Ablage und hatte die Arme missmutig verschränkt. `Und was ist, wenn er aufwacht und du bist nicht da?` Ungläubig blickte Brad in das unsichere Blaugrün, welches ihm etwas verzweifelt entgegensah. `Du hättest die Chance gehabt ihn töten zu können. Du hast sie ausgeschlagen, wiederholt. Jetzt ist es zu spät. Trag die Konsequenz und jammer nicht herum', war alles was er dazu sagte. "Ich bin in drei Stunden wieder da." o~ Aya döste unruhig. Auch wenn die Magenkrämpfe nicht mehr ganz so brachial waren wie noch vor Stunden ... oder waren es Minuten, er wusste es nicht, so konnte er doch nicht richtig ruhen. Immer wieder kam er zu sich, wurde abrupt in die Welt der Wachen geschleudert. Er versuchte wieder und wieder, dem zu entgehen. Sich zum Ruhen zu zwingen, scheiterte jedoch schließlich an der Halsstarrigkeit seines Körpers, die ihn schlussendlich wach und erschöpft zurückließ. Er öffnete frustriert seine Augen, sah, was ihm vorher nicht vergönnt war. Seine Umgebung. In relativ klaren und sich nicht bewegenden Umrissen. Mal sehen, ob das auch so blieb, wenn er sich nun in eine sitzende Position quälte. Ihm war nicht mehr nach Liegen ... Auch wenn es verdammt wehtat. Ihn leise aufstöhnen ließ. Schuldigs Kopf fuhr alarmiert herum, als er aus dem Bad wieder herauskam und das leise Stöhnen vernahm. Unschlüssig stand er da und wusste nicht was er tun sollte, außer wie angewurzelt in der Gegend herumzustehen und dem Bemühen des anderen zuzusehen, wie er versuchte sich aufzusetzen. Sollte er hingehen? Was sollte er sagen? Wie geht's dir? Ja klar, was auch sonst? Wie geht's dir, nachdem ich dich beinahe verhungern hätte lassen? Gute Idee, klasse Sache. So machst du es. Und am Besten nimmst du dir sofort eine Schaufel für dein Grab mit, dann erledigst du die Vorarbeit besser gleich selber noch mit, dann geht dein Abschlachten auch noch schneller....`, ätzte er in Gedanken vor sich hin. Trotzdem trugen ihn seine Beine während dieser Gedanken zum Bett, in dem Ran lag. Wie Brad gesagt hatte, töten konnte er ihn nicht, wollte er nicht, wollte noch nicht einmal daran denken und nun hatte er das Problem. "Willst du nochmal etwas zu trinken? ... ich meine ..." verstummte er schlussendlich als er näher getreten war, jedoch noch ordentlich Abstand hielt. Seine Miene war unleserlich. Ayas Blick fuhr herum zu der allzu bekannten Stimme. Schuldig. Wut schäumte in ihm hoch. Wut. Hass. Unglauben. Sein Kiefer presste sich eisern aufeinander. Was wagte der Andere ihn zu fragen? Ob er etwas trinken wollte? Fehlte nur noch, dass Schuldig sich nach seinem Befinden erkundigte. DAS wäre wirklich noch die Krönung gewesen. Er ignorierte den Mann für einen Moment, als er sich vollends in eine sitzende Position hochkämpfte, sich mit beiden Armen abstützen musste. Was schon beinahe zuviel für seinen vernachlässigten Körper war. Erst jetzt wieder konzentrierte er sich auf den Mann vor sich. Bedachte ihn mit einem Blick aus Wut ... Hass. Was auch immer noch in ihm tobte. "Warum willst du das wissen?", brachte er stockend hervor. Leise. Erschöpft. Gnadenlos verurteilend. "Damit du dich daran ergötzen kannst?" "Nein, damit ich dir etwas holen kann", sagte Schuldig ruhig. Er versuchte seine Schuldgefühle außen vorzulassen, wich jedoch dem direkten Blickkontakt aus, sah stattdessen an Ayas Haarschopf vorbei. "Ist ja nicht mehr viel da, das Glas ist bald leer ... ich könnte noch einmal nen frischen Tee machen." Er sagte sonst weiter nichts, stand mit hängenden Armen da und verlor sich wieder in dem Anblick des satten Rottons von Ayas Haaren. Aya lachte leise ... ließ das Geräusch jedoch sehr schnell verebben, als ihm bewusst wurde, wie sehr es schmerzte. "Welch Fürsorge ... nach zwei Tagen gar nichts. Wie schade, dass dein kleines Experiment misslungen ist und ich noch lebe", ätzte er weiter. Er wollte verletzen ... wollte dem anderen Mann Schmerz zufügen. Gerade weil er dessen Haltung sah ... dessen abgewandten Blick. Was dachte Schuldig sich? Dass er mit ihm umspringen konnte, wie mit einem Haustier? Schlimmer noch? Schuldigs Muskeln spannten sich als er seine Faust ballte, die Nägel in die Handinnenfläche bohrte und das Gefühl der Schuld zu betäuben. "Willst du nun etwas?" fragte er müde. Experiment? Ja, das stimmte wohl, doch nicht Ran war eins, sondern er selbst. Wie konnte er dem Anderen erklären, warum er heute erst zurückgekommen war? Er konnte es nicht. Oder vielmehr durfte er es nicht. Es war zu gefährlich, es Ran, dem Anführer von Weiß, zu sagen. Brad würde ihm dafür eine Kugel durch den Kopf jagen. Er musste den Mund halten, wie sollte er sich sonst rechtfertigen? Am besten den Mann in dem Glauben lassen, er wäre das Arschloch, dass Ran in ihm sah. Warum sollte er es abstreiten? Es war im Prinzip nicht wichtig, was Ran in ihm sah.... Die Gedanken spulten sich weiter in ihm ab, versuchten so, den Schmerz im Inneren abzutöten, doch wie schon immer waren seine Augen die Verräter seiner Gedanken. Er wandte sich ab und ging in zur Küche. Ob er nun etwas wollte? Aya spuckte innerlich auf die Frage. Stimmt ... es war ja nicht wichtig, was er sagte. Es war ja nicht wichtig, was er hiervon hielt. Schuldig hatte seinen Spaß gehabt, zu warten, bis er ihn soweit geschwächt hatte, dass er noch nicht einmal mehr alleine aufstehen konnte, wie er es jetzt versuchte und scheiterte. Sein Körper zitterte. Vor Anstrengung, vor Wut. Vor Hass. Wie ein Mantra wiederholten sich seine Gefühle, drehten sich abwärts in einer nie endenden Spirale. Außer sich vor Zorn griff er blind nach dem Glas, schleuderte es in Richtung Küche, sah, wie es auf dem Boden zerschellte. Hatte er doch nicht mehr genug Kraft um es dorthin zu bekommen, wo er es haben wollte. Keine Kraft mehr, sich aufrecht zu erhalten. Seine Arme knickten ein und er fiel auf das Bett zurück, keuchte erschöpft. Seine Kehle brannte. Gereizt durch die unnötigen Anstrengungen, ließ sie ihn trocken raspeln. Schmerzen, die er gerade vergessen glaubte, erschwerten ihm nun wieder das Atmen. Doch gerade durch seinen eigenen Schmerz wurde ihm der in den Augen des Telepathen bewusst. Was schmerzte den Schwarz denn? Etwa, ihn so zu sehen. Dass er nicht lachte! Was auch immer es war, es verdiente seine Verachtung. Schuldig erschrak sich etwas und hielt kurz inne, als er das Geräusch und die Ursache dafür registrierte. Er drehte sich jedoch nicht danach um, ging weiter und setzte neues Teewasser auf. Er musste sich ablenken, sich auf die Aufgabe konzentrieren ... aber nicht zu sehr, mahnte er sich und blickte von seiner Tätigkeit auf um mit Ayas auf dem Bett zusammengesunkenen Gestalt konfrontiert zu werden. Unwillig verzog er das Gesicht. Brad hatte gesagt, dass er schon wieder werden würde. Und was dann? Er musste ihn schlussendlich gehen lassen, was sollte er auch mit ihm hier? Warum hatte er ihn überhaupt hierher gebracht? Völliger Schwachsinn war das von ihm gewesen. Mit einem kleinen Sprung setzte er sich auf die Ablage und wartete auf das fertig gekochte Teewasser. Aber wenn er ihn gehen lassen würde ... dann würden sich ihre Konfrontationen verschärfen und vielleicht war er sogar gezwungen, Ran zu töten. Oder ihn wieder festzuhalten. Wie sollten sie aus diesem Kreis herauskommen? Er musste mit Brad reden. Aya wartete. Darauf, dass der Schmerz nachließ. Darauf, dass er wieder normal atmen konnte. Darauf, dass der Durst verschwand. Doch das würde er nicht tun ... hatte es auch in den zwei Tagen nicht getan. Sein Körper lechzte nach Flüssigkeit und das letzte Erreichbare hatte er gerade nutzlos verschwendet. Wie dumm er doch war ... wie dumm. Der rothaarige Weiß konnte sich nicht bewegen, nicht einmal, wenn ihm jemand Tod angedroht hätte. Dann schon gar nicht. Nein ... dann hätte er sich freiwillig erschießen lassen. Sein Körper zitterte vor Anstrengung, vor Zorn. Vor erzwungener Hilflosigkeit. Was auch immer das andere Mann damit bezweckte, ihn so dermaßen zu schwächen. Schuldig fragte sich gerade wie er die Zeit bis Brad wieder da war überbrücken sollte ... Nach einem erneuten Blick in Richtung Bett ließ er sich von der Ablage gleiten und machte sich daran den Tee für Aya zuzubereiten. Seine Bewegungen waren langsam und bedächtig, als zögere er die erneute Annäherung an den anderen Mann hinaus. o~ Es brachte ihm wohl ganz und gar nichts, hier hasserfüllte Löcher in die Luft zu starren. Nichts außer weiteren, bitteren Frust. Vielleicht konnte er seinen Durst ignorieren, wenn er die Augen schließen würde. Wenn er versuchte zu schlafen. Er lachte innerlich. Schlafen. Ja genau. Da konnte er auch gleich sterben. Dennoch folgte Aya dem Vorschlag seines Verstandes und tauchte sich selbst in unruhige Schwärze. Ließ die Geräusche im Hintergrund Geräusche sein. Was konnte Schuldig schon noch mehr tun, als er es jetzt schon getan hatte? Er brauchte nicht misstrauisch zu sein ... Er atmete ruhig und gleichmäßig, döste trotz Übelkeit und Schmerz vor sich hin ... glitt immer wieder in leichten Schlaf. Die Schale mit dem Tee in der Hand ging Schuldig in die Hocke und stellte das Warmgetränk auf das Tablett, welches neben dem Bett stand, ab. Aya schien eingeschlafen zu sein, stellte Schuldig gerade fest, als er sich vor das Bett setzte und den gelösten Ausdruck in dem blassen Gesicht registrierte. Hin und wieder bewegten sich jedoch die trockenen Lippen etwas, benetzte die Zunge sie unbewusst. "Du schläfst wohl doch nicht so tief, was?", wisperte Schuldig mehr zu sich selbst als zu Aya. Er wusste nicht mehr wie lange er dagesessen und den schlafenden Mann dabei beobachtet hatte, wie er sich manchmal regte, ein- und ausatmete oder leise Geräusche von sich gab. Die roten Haare lagen wirr über dem Rücken und einige der Strähnen hatten sich über die Wange gelegt. Schuldig war schon versucht, die Strähnen zu berühren sie dem Schlafenden aus dem Gesicht zu streichen, doch er hielt in der Bewegung inne. Besser nicht. Bei seinem Glück würde Aya bei dieser Aktion aufwachen und den zornigen Blick wollte er jetzt nicht ertragen. Er würde wieder nicht wissen, was er diesen hassenden Augen entgegensetzen sollte. Hass? Nach einer Weile ließ er den Kopf seitlich auf das Bett sinken und schloss die Augen. Aya lag nur wenig entfernt von ihm und er hoffte, dass dieser nicht so bald aufwachen würde. Er genoss diese Ruhe. So saß er im Schneidersitz vor dem Bett, seine Wange in Brusthöhe Ayas auf die Matratze gebettet und hing seinen Gedanken nach. Nicht mehr lange und Brad wäre wieder da und der konnte augenscheinlich wesentlich besser mit dem Mann umgehen. o~ Durst. Das Erste, was er wahrnahm, als er aufwachte, war schrecklicher, quälender Durst. Der untermalt wurde von dem leisen Klacken der Tür. Anscheinend war Schuldig wieder gegangen ... etwas, das Aya offen gestanden Angst einjagte. Wollte der andere Mann ihn nun komplett verdursten lassen? Er öffnete seine Augen, schauderte unwillkürlich. Dann musste er eben aufstehen ... Doch noch bevor Aya sein irrwitziges Vorhaben wirklich in die Tat umsetzen konnte, fiel sein Blick auf die frisch aufgefüllte Teeschale vor dem Bett. Wie sie dort hingekommen war ... Aya konnte es sich denken, auch wenn ein Teil über diese Erkenntnis spottete. Was seinen Durst nicht im Geringsten störte. Mühsam beugte er sich hinunter, nahm die die Schüssel auf und trank. Setzte erst ab, als er sie völlig geleert hatte. Es tat ... gut. Sehr gut sogar. Die Schüssel neben sich auf das Bett stellend, ließ er sich rücklings zurückfallen, starrte schweigend an die hohe Decke. Weigerte sich, auch nur irgendeinen Gedanken zuzulassen. Schuldig saß auf der Couch, weit weg vom Bett. Als er bemerkt hatte, wie Aya wach wurde, hatte er es vorgezogen sich einen anderen Platz zu suchen. Er hörte, wie Aya die Schale aufnahm und hoffte insgeheim, dass diese nicht den selben Weg wie das Glas nehmen würde, sondern leer getrunken wurde. Doch er hörte nicht das Zerschellen auf dem Boden, sondern nach einigen Minuten der Stille einen Schlüssel in der Tür, der das Ankommen von Brad ankündigte. `Endlich`, schickte er in die Gedanken von Crawford. `Und wie lief es?`, fragte dieser auch gleich. `Frag nicht. Ich dachte schon ich müsste neues Geschirr kaufen`, grinste Schuldig etwas und drehte sich auf der Couch um den Amerikaner ins Gesicht zu sehen. Doch dieses war ausdruckslos und bot wenig Erkenntnisse was die Stimmungslage des Mannes anbetraf. `Hat er etwas getrunken?` `Ja, hat er ... gerade eben. Wie lief es bei euch?` `Alles geklärt. Wir brauchen dich aber trotzdem, da es trotz des vorhergehenden Berichtes keine größere Bewachung geben sollte, jedoch eine vorhanden ist. Und zwar seit vorgestern. Es scheint als hätte jemand Wind davon bekommen.` `Oh shit` `Das heißt, du musst mit.` Schuldig ließ sich zurückgleiten und nickte. `Klar.` Aya zählte insgeheim die Kerben in der weißen Decke. Verzählte sich bei der zehnten. Seine Augen hatten immer noch nicht ihre alte Schärfe zurück, doch was erwartete er? Er konnte froh sein, wieder zu sich gekommen zu sein ... froh sein, dass der Durst sich verringert hatte. Seine Finger fuhren rastlos über den stofflichen Untergrund. Beschrieben kleine Kreise. Auch wenn Aya das Gefühl hatte, dass nun zwei Personen anwesend waren, scherte er sich nicht darum ... wer sollte auch schon da sein? Was sollte das auch schon für Gefahren für ihn beherbergen? Er schloss müde seine Augen, drehte sich auf die Seite. Weg vom Raum. Schuldig konnte etwas erleben, wenn er wieder bei Kräften war. Er würde dem anderen Mann das Leben zur Hölle machen. Darauf konnte der Schwarz Gift nehmen. Und wenn es sein musste, würde Aya darauf schwören. `Schläft er wieder?`, fragte Brad Schuldig und trat näher, legte die Schlüssel seines Wagens auf den niedrigen Tisch und blickte fragend auf ihn hinab. `Vermutlich, frag mich nicht. Ich geh so schnell nicht mehr in seine Nähe.` "Hast du Angst vor ihm?" fragte Brad interessiert mit einem herausfordernden Blitzen in den Augen, das sowohl Amüsement als auch Erstaunen aussagte. Schuldig kommentierte diese Frage mit einem empörten Schnauben und zog die Beine auf die Couch. Trotz preschte in ihm heran. "Red keinen Scheiß, Bradley", gab er hinterhältig grinsend zurück, wusste er doch, wie wenig Gefallen Brad an der vollen Aussprache seines Namens fand. Vor allem wenn man die erste und letzte Silbe extrem in die Länge zog, wie Schuldig es gerne tat, wenn Brad ihm auf die Nerven fiel. "Und warum meidest du seine Gegenwart dann?", ließ der Andere nicht locker. Er lehnte sich an die Fensterbank an und verschränkte die Arme. Schuldig blickte in die wissenden Augen und hasste Brad in diesem Moment. Warum sollte er es jetzt laut aussprechen? Brad wusste doch genau um seine Probleme. "Willst du, dass er es mitbekommt, oder was soll das jetzt?", gab er missgelaunt zurück. "Ich frage mich ... ob nicht du willst, dass er es `mitbekommt`", wiederholte Brad in etwa den Wortlaut von Schuldig. "Was interessiert dich das?", knurrte Schuldig und warf Brad einen finsteren Blick zu. Der Amerikaner ließ sich dadurch nicht beirren, antwortete eisig: "Komm mir nicht auf die Tour, Schuldig!" Brad löste sich aus seiner Haltung und ging zum Küchenbereich hinüber. Schuldig hörte, wie er sich etwas zu trinken einschenkte. Währenddessen wurde Schuldig klar, dass es langsam Abend wurde, es dämmerte bereits. "Er wird mir nicht glauben ... und wenn schon, was macht es für einen Unterschied? Gar keinen", sagte er verhalten in Richtung Küche. "Außerdem ... geht es im Prinzip nicht um ihn." Brad kam wieder, zwei Gläser auf dem Tisch abstellend und eine Flasche Weißwein in der Hand. "Nein, geht es nicht. Aber du hast dir das Vögelchen ins Nest geholt und nun musst du sehen wie du es groß bekommst." "Netter Vergleich", murrte Schuldig und sah Brad dabei zu wie er den Wein kostete. "Nur leider wird das Vögelchen nie fliegen können, weil ich ihm die Flügelchen stutzen werde ... willst du diesen Vergleich in diese Richtung weiterführen?" fragte er leicht gehässig. "Mach mich nicht dafür verantwortlich, dass er noch lebt. Das ist allein deine Schuld." o~ Der Wein gluckerte aus der Flasche in die Gläser und Brad reichte ihm ein Glas. Sie schwiegen eine Weile. "Warum ist es gerade jetzt passiert?" wollte Brad wissen, als er sich seines Jacketts entledigt hatte, sich ihm gegenübersetzte. Schuldig zuckte nur mit den Schultern. "Es war alles etwas viel in den letzten Tagen, hast mich ja nicht umsonst in diesen Laden zum ,Urlaub' machen gesteckt ... danke auch schön", ätzte er. "Und dann trieb mich dieser Weiß auch noch ständig von einem Hoch ins nächste Tief. Er hat einfach nicht locker gelassen und dabei war das alles so unwichtig. Ich wollte einfach nur schlafen, mich ausruhen, damit ich wieder etwas runterkommen konnte", sagte er vertieft in seine Gedanken. "Ich wäre beinah ausgetickt, Brad. Es hat nicht mehr viel gefehlt. Frag mich nicht, wieso ich die Kontrolle wiedererlangt habe. Sie war auf jeden Fall wieder da. Ich brauchte einfach Ruhe. Und der Auslöser für den ganzen Stress ..." "...den hast du verdrängt", beendete Brad den Satz für Schuldig. "Ja. Ich bin aufgestanden, wollte etwas einkaufen, hab ihn auch gefragt, was er haben wollte und bin dann losgefahren. Aber vorher haben wir uns wieder gezofft und ich war zwar fit, aber trotzdem ... irgendwie durchs Einkaufen, dann noch ne Verabredung ... ja und ich war dann noch zwei Tage bei Freunden ... naja die nächsten zwei Tage war ich nicht mehr hier. Kommt ja nicht so selten vor", schloss er. "Hast du alles eingekauft? Die Einkäufe hätten dich daran erinnern müssen." Schuldig nahm einen Schluck von seinem Wein. "Nein haben sie nicht, ich war zunächst so extrem wütend auf ihn, dass ich noch während dem Einkaufen ständig über seine Ansichten über seine Worte nachgedacht habe, aber nicht über ihn als Person. Mir ist entfallen, wer er ist, wo er ist und warum er dort ist. Du kennst das ja ... ich hab die Gedanken auf mich einströmen lassen, während ich unterwegs war und das hat so gut getan. Ich habe in den Köpfen der Leute gewühlt. Es hat mich abgelenkt und sie fordern immer sehr viel Platz ein und ich wollte ihn aus meinem Kopf haben. Ihn und seine Denkweise, deshalb ist er in Vergessenheit geraten." Schuldig nahm noch einen Schluck und spülte damit die letzte Worte hinunter. Wie oft hatte er das schon erlebt? Zu oft. "Er bringt dich ins Schleudern." sagte Brad ruhig. "Ja, er putscht mich auf und beruhigt mich gleichzeitig." o~ Da hatte er die Erklärung auf seine Fragen. Schuldig hatte sich zwei Tage nicht blicken lassen, weil er ihn vergessen hatte. Aya betrachtete in aller Ruhe seine mit der Decke spielenden Finger. Vergessen. Was für eine beschissene Ausrede. Nein ... was für ein beschissener Grund, denn anscheinend war das die Wahrheit. Die Wut, die er gerade wieder kontrollieren konnte, hatte ihn nun um ein Vielfaches überschwemmt. Er war also ein Vögelchen, dem man die Flügel stutzen würde? Dass er nicht lachte. Das hatte sich Schuldig wohl so gedacht ... ihn so vom ihm abhängig zu machen. Er mochte wetten, dass der Deutschen das in vollen Zügen genoss. Ihn hier zu sehen ... abhängig. Schwach. Aber gebrochen? Nein. Insgeheim beglückwünschte Aya Schuldig zu seiner weisen Entscheidung, sich nicht in seiner Nähe sehen zu lassen ... besonders nicht, nachdem er nun Wort für Wort der Unterhaltung zwischen Crawford und dem rothaarigen Mann lauschen konnte. Machten sie das extra? Sollte er zuhören? Oder dachten sie, dass er schlief ... nun ja. Da würden sie sich täuschen. Auch wenn er nicht vorhatte, die beiden Männer über diesen Umstand aufzuklären. Sollten sie nur weiterreden. Sollten sie es ihm nur immer leichter machen, Hass zu empfinden. Wenngleich er sich nun aber zur Ruhe zwang. Einatmen. Ausatmen. Einatmen. Ausatmen. Er ließ die blutigen Gewaltfantasien passieren, die in seinen Geist einströmten, es ihm schmackhaft machten, dafür zu sorgen, dass er wieder auf die Beine kam ... möglichst SCHNELL dafür zu sorgen. Dem Deutschen zu zeigen, dass er sich kein Vögelchen ins Haus geholt hatte. Dass er es sich nicht so einfach vorstellen konnte, ihn hier gefangen zu halten und auszublenden, sobald es ihm unangenehm wurde. Er war kein Gegenstand, so sehr sich Schuldig das auch zu wünschen schien. o~ Keiner der Beiden interessierte sich momentan für den geschwächten Japaner. Trotzdem er mit zum Thema gehörte, umgingen Crawford und Schuldig die Tatsache, dass der Mann anwesend war und ihnen vielleicht zuhören konnte. "Wenn man es genau bedenkt, hat er es noch gut getroffen", sagte Brad nach einer Weile. "In seinen Augen nicht", grinste Schuldig etwas schräg. "Er ist überheblich und arrogant. Und er weiß nicht zu schätzen, wie gut es ihm hier geht, im Vergleich zur Gesellschaft von Farfarello, dem Tod, oder einem Verkauf in die gehobenen Bordelle. Ein Punkt, der immer noch als Option aussteht wie du weißt", bot Brad ihm nachdenklich an und ihre Blicke trafen sich. Fortsetzung folgt ... Vielen Dank fürs Mitlesen! Coco&Gadreel Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)