Der Glasgarten von Gadreel_Coco ================================================================================ Kapitel 13: Home sweet home --------------------------- ~ Home sweet home ~ Aya hatte zuerst nur auf den harten, kühlen Ton gehört, die Worte dahinter nicht wirklich verstanden. Nicht wirklich verstehen können, sprachen sie doch das aus, was er sich bewusst und unterbewusst immer gewünscht hatte. Schuldig ließ ihn…gehen? Ein Teil in Aya wagte das zu bezweifeln, glaubte an ein neuerliches Spiel des anderen Mannes, an Spott. Doch der weitaus größere schöpfte Hoffnung aus den Worten des rothaarigen Deutschen. An den Augen, die ihn nicht ansahen. Am Ton des Telepathen. Langsam, beinahe schon vorsichtig setzte er das Glas ab, stand auf. Was, wenn es nur ein Spaß war? Was wenn….Aya erstickte die Zweifel, trat zögernd, zittrig aus der Küche hinaus. Sah die Sachen, sah die offene Tür. Zeichen, dass er gehen konnte. Durfte. Mit wild klopfendem Herzen ging er zur Tür, zog sich nervös zitternd seine Schuhe an. SEINE. Mit denen er jetzt…und ein Mantel. Frei. Aya atmete bemüht ruhig ein. Schluckte seinen allzu großen Kloß hinunter. Frei. Auch wenn der Anlass dazu ihn mehr als erzürnte, hatte er doch sehr wohl die Verletztheit in den Zügen des Deutschen gesehen. Gehört in dessen Worten. Schuldig. Sein Blick fiel zurück zur Küchenzeile, sah den Schwarz dort schweigend sitzen. Eines noch. Eines gab es noch zu tun. Seine Hände schlotterten, immer noch, als er Schritt um Schritt zurücktat. Seine Angst niederkämpfte, doch hier bleiben zu müssen. Aya lauschte seinen gedämpften, bestiefelten Schritten, die ihn schließlich wieder auf die Fliesen führten. Er blieb neben Schuldig stehen, unschlüssig, wie er es sagen sollte. „Eines noch…“, wiederholte er schließlich seine Gedanken und strich dem Schwarz die Ponyfransen aus der Stirn. Platzierte einen kaum fühlbaren Kuss auf die Stirn des Telepathen. Das war die Sache mit den Versprechen…Waren sie nun leichtfertig oder nicht…er hielt sich an sie. Das Versprechen, Schuldig bei seiner Freilassung einen Kuss zu schenken, gegeben, ohne, dass der andere Mann es ernst genommen hatte. Er schon. „Nur mit dem Schwert kann ich nicht dienen“, richtete Aya an Schuldig und sich selbst auf. „Aber den Kuss hast du bekommen…ich halte meine Versprechen.“ Damit drehte er sich um, verließ die Zeile wieder. Durchquerte die Wohnung. Als wenn er noch einmal irgendjemandem einen Kuss versprechen würde. Never. Ever. o~ Schuldigs Innerstes war aufgewühlt, als drohte der Ausbruch eines Vulkans, doch äußerlich wirkte er wie eine unbeteiligte Statue, nur in den grünen, vor Emotionen schillernden Augen konnte man Schuldigs Gefühlswelt erahnen. Doch die verbarg er geschickt, in dem er die Lider etwas senkte, Aya keinen Einblick in sie gestattete. Er hörte das Rascheln der Kleidung, wusste um das Geld, welches in der Seitentasche darauf wartete, von Aya für eine Fahrmöglichkeit benutzt zu werden, hörte die Schritte, wie sie näherkamen. Egal was Aya sagen würde, er wollte es nicht hören, nicht jetzt. Nicht nachdem es scheinbar egal war, dass er sich um Aya sorgte, um irgendjemanden sorgte. Hatte er das je getan? Verwirrt blickte er für Sekunden auf, als Finger seine Haut streiften, und er kurz darauf Lippen auf seiner Stirn fühlte. Doch es ging so schnell vorbei wie es gekommen war und ließ ihn schlimmer zurück als zuvor. "Geh endlich", sagte er mit belegter Stimme, die Rauheit darin vermochte er kaum zu verbergen. Er konnte das alles nicht mehr hören, es war ihm egal welches Versprechen eingelöst wurde, was Aya sagte, nur die Tatsache an sich, dass der Andere ging, schien von immenser Bedeutung. Schuldig stand auf, griff sich seine Zigaretten und setzte sich an die Fensterfront. Aya sah nicht zurück. Tat es wohlweißlich nicht. Hatte er doch die stillen, verletzten Worte des Mannes vernommen. Er wusste, dass es ihn nicht stören sollte, den Schwarz so schwach und so niedergeschlagen zu sehen, besonders jetzt nicht, da er im Aufzug stand und auf dem Weg nach unten war. In die Freiheit. In Gedanken immer noch das hohl widerhallende ‚Geh endlich’. Er war gegangen und eigentlich sollte er sich gut fühlen. Was er auch tat, ohne Frage. Frei sein…war ein Gefühl, das er bisher nie wirklich zu schätzen gewusst hatte. Sich nun aber bewusst wurde, wie schön es doch war, durch den fallenden Schnee zu gehen. Die Kälte um seine Nase zu spüren. Den Wind. Andere Menschen zu sehen. Auch wenn ihn die Lautstärke, mit der sie ihn überholten, regelrecht schmerzte, war er doch nur Schuldigs durchaus angenehme Stille gewohnt. Wenn es nur nicht so ein langer Weg in die Stadt wäre…Aya verzog die kalten Lippen zu einem bitteren Lächeln. Jetzt war er weg. Hoffentlich war Schuldig zufrieden. o~ Der Himmel über der Stadt war mit unterschiedlichen dunklen Grautönen überzogen, die Dunkelheit brach über das Grau schnell herein, als Schuldig weiterhin am Fenster saß und blind dem Einbrechen der Nacht zusah. Sein Kopf lehnte am Rahmen des Fensters, die dritte Zigarette in Folge zerdrückte er gerade im Aschenbecher, der ihm auf dem Fenstersims Gesellschaft leistete. Der Abend kroch in die Stille der Wohnung und legte sich um ihn wie ein Nebelgespinst. Was war nur passiert? Warum ist alles so schnell gegangen? Hatte er es nicht sorgfältig vorbereiten wollen, es ruhig und gelassen, mit einer Spur großkotziger Überlegenheit angehen wollen? Und jetzt? So schnell? War alles weg? Er ließ die Frage für einen Moment offen, konnte sie sich selbst nicht beantworten, oder besser, er wollte es nicht. Die nächste Zigarette wurde von ihm aus der Packung gezogen und das sanfte Glimmen im Dunkeln markierte den Punkt an dem er noch lange saß. Entgegen seines ursprünglichen Vorhabens zu laufen, hatte sich Aya doch auf der Hälfte des Weges für ein Taxi entschieden. Er konnte nicht mehr, geschwächt durch die letzten Tage. Das würde noch heiter werden, auch wenn es ihm sehr entgegen kam, dass Weiß ihn nicht strahlend gesund und wohlauf sah. Denn…sobald sich die ursprüngliche Freude darüber gelegt hatte, wieder frei zu sein, hatte sich die Realität breit gemacht. Wie sollte es von nun an weitergehen? Welche Lügen sollte er Weiß und auch Kritiker auftischen? Die Wahrheit konnte er ihnen wohl kaum unterbreiten. Wo er war? Bei Schwarz. Keine Lüge. Was sie mit ihm gemacht hatten? Wie sollte er darauf antworten? Einen Teil der Wahrheit auslassen? Und seine Schwester gefährden? Aya wusste es nicht…wusste nur, dass er Schuldigs Wohnort, wie auch das, was er über den anderen Mann erfahren hatte, nicht preisgeben würde, auch wenn er Schwarz damit vielleicht in die Hände spielte. Doch das war etwas, das er sich geschworen hatte…schon bei Schuldig. Er würde den anderen Mann nicht so ausliefern. Immer noch völlig in Gedanken versunken wurde ihm bewusst, wie der Fahrer an seinem gewünschten Ziel anhielt. Unweit des Konekos, damit er die letzte Strecke laufen konnte um nicht noch mehr Aufsehen zu erregen. Aya gab dem älteren Mann dankend das Geld und stieg schließlich schweigend aus, machte sich auf den Weg zu Weiß zurück. Beschloss jedoch augenblicklich, jedem seiner Teammitglieder aus dem Weg zu gehen, sollten sie da sein. Was hieß, dass er sich zur Hintertür hinein stahl, einem Einbrecher gleich. Anscheinend hatte er auch Glück damit. Geöffnet war sie, still war es auch. Was jedoch nicht wirklich etwas bedeuten musste. Auch wenn es seine Chancen auf einen unbehelligten Rückzug in sein Zimmer vergrößerte. Er wollte jetzt keine Gesellschaft…er wollte sie einfach nicht. o~ Omi saß im Wohnraum, seinen Laptop auf dem Schoß und surfte - bisweilen ergebnislos im Netz. Die letzten Tage waren furchtbar für sie gewesen, da sie nicht wussten, was mit Aya war, ob er noch lebte, ob sich ihre Hoffnungen und Ahnungen tatsächlich bewahrheiteten, eben dass Aya mit Sicherheit noch am Leben war. Schon allein Schuldigs Auftreten und dessen Worte - die Yohji ihnen im Anschluss an den katastrophalen Einsatz wiedergegeben hatte... Es deutete alles darauf hin, dass Aya lebte, aber wie dünn der Faden war, an dem sein Leben hing, wollten sie sich nicht vorstellen. Kein Hinweis hatte sie zu seinem Verbleib erreicht. Omi blickte auf, als er ein leises Geräusch hörte. "Yohji, bist du schon zurück?", fragte er in die wieder einsetzende Stille hinein, stand jedoch auf, da seine Intuition ihn dazu antrieb. Im Flur angekommen, nahm er die Kühle der Nachtluft wahr und sah auch gleich die Ursache dafür: Aya. "Oh", fiel ihm nur dazu ein und seine Augen wurden größer. "Aya!", rief er erleichtert aus, als hätte ihm jemand erzählt, morgen ginge die Welt doch noch nicht unter. Na das wurde wohl nichts mit dem unerkannten Hochschleichen. Aya seufzte stumm und verfluchte seinen leicht schummrigen Zustand. Etwas mehr hätte er schon essen können…aber da Schuldig ihn ja so zuvorkommend herausgeworfen hatte… Besonders jetzt, da er den Wechsel von klirrender Kälte zu molliger Wärme mitmachte, schien das seinem angeschlagenen Kreislauf nicht wirklich gut zu bekommen. Sein Blick fiel auf Omi, erwiderte diesen mit einem beinahe schon freundlichen, wenn auch abwesenden Lächeln. Anscheinend war für ihren Jüngsten gerade die Sonne aufgegangen…anscheinend hatte er sich Sorgen um ihn gemacht. Das war nichts Neues für Aya, doch nun schien es so positiv nach den letzten Tagen hervorzustechen, dass ihn ein warmes, überwältigend angenehmes Gefühl durchflutete. Wiedersehensfreude. „Hallo Omi“, lächelte er schwach, lehnte sich schwer gegen die Kommode. Wenn der Raum um ihn herum doch endlich aufhören würde, sich zu drehen… "Willst du dich nicht setzen? Warte ich helfe dir...", sprach Omi leise auf Aya ein, als wolle er ihn nicht zu sehr drängen. Es war so unwirklich, dass Aya nun vor ihm stand, wie ein Gespenst oder eher wie ein Geist. Vorsichtig berührte er ihn am Arm, zeigte so an, dass Aya sich auf ihn stützen konnte. "Soll ich Ken rufen? Willst du dich lieber gleich hinlegen?", fragte er besorgt. Er war so froh, dass Aya wieder gesund bei ihnen war, dass er keine sichtbaren größeren Verletzungen hatte, und...er lächelte...wenn auch müde und geschwächt wirkend. Es war egal. Es war wirklich völlig nebensächlich. Er wollte jetzt nicht nach dem ‚Warum’ fragen. Aya fühlte sich unwahrscheinlich wohl in der Gegenwart des Jüngeren, auch wenn er das nicht geglaubt hatte. Die Besorgnis, die der blonde Junge ihm entgegenbrachte, erinnerte ihn mit überwältigender Gewalt daran, dass er zuhause war. Im Koneko. Unter Freunden. Frei. „Ich habe genug gelegen“, murmelte Aya durch das penetrante Rauschen in seinen Ohren und drückte Omis Hand, wusste nicht, wen er damit von seiner Gesundheit überzeugen wollte. Wem er Mut machen wollte, dass er es alleine bis nach oben schaffte. Omi oder doch sich selbst? Er stieß sich von der Kommode ab, kämpfte sich ein paar Schritte vorwärts. Fehler. Ein großer Fehler, wie er Sekunden später feststellte, als sein Kreislauf den ständigen Missbrauch strafte. Ihn als Letztes das Parkett spüren ließ, auf das er aufschlug, als seine Beine unter ihm wegsackten und sein Körper das tat, was anscheinend momentan das Beste für ihn war. Ihn in das völlige Blackout zu schicken. Omi konnte den Sturz, der so schnell kam, nicht mehr vollständig abfangen, ging halb mit zu Boden und sah besorgt auf Aya. Und als hätte jemand diese Besorgnis vernommen, hörte er den Schlüssel im Schloss der Tür. "Yohji?", fragte er hoffnungsvoll, die Stimme leicht überhastet. "Komm schnell, Aya ist wieder da...", seine Augen überflogen die seltsam zusammengewürfelte Kleidung, die Aya trug, die Hände wischten die Haare aus Ayas Gesicht. o~ „Scheiße!“ Kaum war er von seinen abendlichen Ausflügen wieder da, schon erwartete Youji so etwas. Ihr lang vermisster Anführer, bewusstlos am Boden. Bei ihm, Omi, völlig aufgelöst. „Seit wann ist er wieder da?“, fragte er und eilte an die Seite ihres Jüngsten, ließ seinen Blick ebenso über die komische Kleidung des Rotschopfes gleiten. Merkwürdig. Genauso merkwürdig wie dessen Verschwinden, Wegbleiben und Wiederauftauchen. Seine Hände fuhren zu Ayas Puls, fühlten, dass er zwar etwas zu schnell schlug, aber dennoch stetig war. Auch wenn sie sich scheinbar keine Sorgen zu machen brauchten, denn ein minimales Blinzeln kündigte bereits die Wachphase Ayas an. Ein unscharfer Blick, der langsam wieder zu sich kam. Blinzelte. Versuchte, sich zu bewegen. „Geht…schon…“, kam es ebenso verschwommen von den seltsam trockenen Lippen. Youji war es, als klänge das wie eine Entschuldigung. "Grade eben, ich saß auf der Couch und hab ein Geräusch gehört. Ich dachte, ich sehe einen Geist...und so wie er aussieht, ist er nahe dran einer zu werden", murmelte Omi noch abschließend hinzu. Besorgt und in der spärlichen Beleuchtung nur das helle Gesicht Ayas und die Schatten unter den Wangen erkennend, versuchte er dem Anderen aufzuhelfen. Aya grollte leise und blieb für einige Momente einfach nur auf dem Boden sitzen, versuchte, sowohl seine Gedanken, als auch seine Körperkraft wieder soweit herzustellen, dass er aufstehen konnte und nicht Omi oder Youji dafür bemühen musste, die sich in nicht wirklich charmanter Weise über ihn unterhielten. Ein Geist? Er? So schlimm sah er nicht aus. „Es geht schon wieder“, brachte er nun schon lauter hervor und sah Youji in die grünen, besorgten Augen. Wie immer roch der blonde Mann nach Alkohol…wie immer. Er kämpfte sich vorsichtig hoch, stützte sich dabei jedoch noch auf die Schulter ihres Ältesten, der stumm zu ihm hochsah, die evidente Frage jedoch klar in seinen Augen. Wo war er? Wo kam er her? Was war geschehen? Aya hatte keine Antwort darauf. Keine ehrliche. „Schön, wieder hier zu sein“, versuchte er sich mit ein wenig Ablenkung und knöpfte langsam den Mantel auf, lehnte sich mit immer noch zittrigen Beinen an das Treppengeländer. Nahm das wollene, warme Kleidungsstück schließlich ab und hängte es an die Garderobe. Omi blickte auf, den Satz noch nicht so ganz verinnerlicht. "Wir...wir haben uns Sorgen gemacht, Aya", würgte Omi als Antwort heraus und schwieg. Etwas hilflos sah er zu Yohji, der auch nicht viel klüger aus der Wäsche blickte. "Wie...wie ist es dir gegangen? Ich...meine...?", geriet er etwas ins Stocken. Sorgen? Ja…das konnte Aya nachvollziehen. Auch wenn sie es nicht wussten…er hatte sich genauso viele Sorgen um sie gemacht. Ein kurzes, schnell wieder vergessenes Lächeln huschte über seine Züge, als er die beiden, fragend-besorgten Blicke erwiderte. Omis mehr als Youjis. „Wo warst du, Aya?“, zog jedoch die sanfte Stimme des blonden Mannes seine Aufmerksamkeit auf sich und er sah sich einem genau taxierenden Blick gegenüber. Aya wusste in dem Moment genau, was der Andere wahrnahm. Seinen Zustand, seine Kleidung. Er konnte förmlich sehen, wie sich kleine Puzzleteile im Kopf des ehemaligen Privatdetektivs bildeten und sich zu seinem Bild zusammensetzten. Vermutlich kein gutes…aber daran konnte und wollte Aya im Moment auch nichts ändern. „Es ist alles in Ordnung…es ist nichts geschehen“, erwiderte er ausweichend auf ihre Fragen und schüttelte unmerklich den Kopf, stieß sich sacht vom Geländer ab. Er wollte nach oben, wollte sich jetzt noch nicht dieser schwierigen Situation stellen. „Wir reden morgen drüber“, nickte er den Beiden zu und stieg langsam die erste Treppenstufe hinauf. Er musste sich dringend hinlegen…dringend. Omi wollte noch etwas sagen, doch er erkannte, dass es warten musste, bis Aya sich ausgeruht hatte. So nickte er nur. "Soll ich dir noch etwas zu trinken hochbringen?", fragte er dennoch leise. Wollte er denn wissen, wo Aya gewesen war? Warum er so wohlbehalten wieder bei ihnen war? Was es für Probleme für ihren Anführer mitbringen würde, wenn diese Antwort nicht zufriedenstellend für ihre Bosse ausfallen würde? Nein, momentan war es besser, es wurde nichts ausgesprochen. So musste auch nicht gehandelt werden. Zu trinken… Siedendheiß fiel Aya ein, was er vergessen hatte und was Omi ihm NICHT bringen würde. Er hatte kein Wasser oben. Genauso wenig wie etwas, um das Grollen in seinem Magen zu befriedigen. Auch Schuldigs Schuld. Hätte der andere Mann ihn nicht einen Moment später rauswerfen können? Ein Teil in Aya lachte bitter darüber. Nicht, dass er sich das jemals gewünscht hatte….doch in diesem Moment schien die Mühe, wieder zurück in die Küche zu gehen, ganz einfach zu groß, als dass es sich wirklich lohnen würde. Doch Omi oder Youji darum zu bitten, dass sie ihm etwas brachten? Nie. „Nein…ich hole es mir selbst“, erklärte er und strauchelte einmal mehr an seinem Team vorbei. Er musste sich hinlegen…BALD. Doch zuerst musste er essen. Aya schnaubte innerlich. Schuldig wäre stolz auf ihn, wenn er das sähe. Wenn er sähe, dass seine Vorwürfe haltlos wären. Erschöpft ließ sich Aya auf einen der Küchenstühle sinken, war für einen Moment überrascht, dass sie so tief waren. Wie schnell man sich doch an geänderte Umstände anpassen konnte… Wortlos und unter Youjis wachsamen, aber schweigenden Augen, stand er noch einmal auf und griff in den Kühlschrank, zog sich eines der übrig gebliebenen Sandwiches heraus. Essen. Essen und trinken. Vielleicht gewann er dadurch etwas mehr Kraft. Schweigend folgte Omi dem offensichtlich geschwächten Mann in die Küche, verfolgte mit fragendem Blick die sich ihm bietende Szenerie. Schulterzuckend kreuzte er Yohjis Blickfeld und sah auf dessen Gesicht dieselben Fragen stehen, wie er sie sich selbst wohl auch stellte. Omis Argusaugen hielten alles fest, was ihm auffiel... der relativ unversehrte, aber geschwächte Körper, die gepflegten, nicht fettigen Haare, die saubere, wärmende Kleidung... aber auch die unnatürliche Blässe. Youji beobachtete ihren Jüngsten, sah sie, die Anzeichen des Zweifels in Omis Gesicht. Auch ihm war nicht wirklich entgangen, wie ihr Anführer nach fünf Tagen Verschwinden aussah. Nach fünf Tagen Ungewissheit, ob er noch lebte oder nicht. Der blonde Weiß schüttelte leicht den Kopf und begab sich lautlos in die Küche, auch wenn er es vermutlich besser wissen sollte, Aya gerade hierbei zu stören. Dennoch…er hatte das ungute Gefühl, dass hier etwas überhaupt nicht stimmte. „Hast du nichts zu essen bekommen, Aya?“, hallte seine Stimme durch den schier erdrückend stillen Raum, direkt in die nun auf ihn gerichteten, violetten Augen, die ihn schweigend maßen. „Nicht viel.“ Es war schon mal eine Antwort, wenn auch keine wirklich aufschlussreiche. Aya war also bereit, darüber zu sprechen. Wenigstens ein Anfang. „Dann lass es dir schmecken, ist eine Kudou-Spezialanfertigung!“, lächelte er etwas gezwungen und ließ sich auf einen der Küchenstühle nieder. Sah gleichzeitig auch den Widerwillen, der in Ayas Augen aufstieg, hier bei ihnen zu bleiben. Allerdings wurde er einen Augenblick später betrogen, als eben dieser sich die langen, bereits aus dem Zopf gelösten Haare zurückstrich und sich auf den Stuhl am anderen Ende des Tisches niederließ. Omi lächelte aufmerksam, als er sich auch an den Tisch setzte, wusste nicht so recht, ob er sich nun freuen, oder ob er diese seltsame Stimmung im Raum als unangenehm empfinden sollte. Er konnte es kaum beschreiben, aber hier lag etwas in der Luft, das sehr nach Misstrauen roch und bei allem, was sie zusammenschweißte, das war das Letzte, was er zwischen ihnen wollte. Doch er konnte eine gewisse Tendenz in diese Richtung nicht verleugnen. "Sie haben dir deine Sachen abgenommen, nicht?" wagte er einen kleinen Vorstoß. Jedoch immer noch so, dass Aya eine leichte Antwort wählen konnte, bewusst eine Ausflucht offen hatte. Eine kleine logische Frage, nichts weiter. Aya, der gerade in die hoch gelobte ‚Kudouspezialanfertigung’ biss, brauchte einen Moment, bis er das Sandwich wieder ablegte und auch den letzten Rest dieser zugegebenermaßen leckeren Köstlichkeit hinunterschluckte. Er ließ sich Zeit mit der Antwort, trank vorher noch einen Schluck des Wassers, das ihm mit einem Male so kostbar erschien. „Ja…das haben sie“, nickte er und begegnete Omis Lächeln mit einem völlig offenen Blick. Er wusste, dass es nichts brachte zu lügen. Er wusste, dass er sich dem hier nicht entziehen konnte, nicht, wenn er nicht offenes Misstrauen zwischen sie bringen wollte. „Die Überreste meines Pullovers habt ihr ja gefunden.“ Daran bestand für Aya überhaupt kein Zweifel. Ebensowenig, wie er anzweifelte, dass Youji entgangen war, was genau Schuldig vor ein paar Tagen getragen hatte. Doch Youji hielt sich zurück. Angelte sich nur eine der herumstehenden Saftflaschen und nippte bedächtig daran. Überließ es Omi, Aya in typisch diplomatischer Manier auszufragen. Damit sie wenigstens schon etwas wussten. Omi atmete tief ein, die klaren blauen Augen blickten ruhig Aya an, als sie die Worte formten, die ihn mitunter sehr interessierten und vor allem nicht erst, seit ihr Anführer mit der fremden Kleidung hier ohne sichtbare Verletzungen eingetroffen war. "Wir sind auf Schwarz getroffen...der letzte Auftrag", fügte er flüchtig erklärend hinzu und nickte kurz. "Wir haben uns große Sorgen um dich gemacht...und es war irritierend, als wir deine Lederhose an Schuldigs Körper getragen sehen mussten. Wir gingen davon aus, dass du tot bist, Aya." Er schwieg für einen Moment, wollte Aya nicht unbedingt mit Fragen bombardieren, sondern ihm sowohl Rückzugsmöglichkeiten als auch die Möglichkeit geben sich ihnen zu offenbaren. Es war ihnen also aufgefallen…Aya seufzte innerlich. Dieser verfluchte Telepath hatte keine Gelegenheit ausgelassen, sein Team zu reizen. Aya bedauerte, dass sie sich solche Sorgen um ihn gemacht hatten, doch er konnte im Nachhinein nichts mehr daran ändern. Es war geschehen und nun war er wieder hier. In Sicherheit. Bei Freunden. „Ich weiß…dass er sie getragen hat. Er ließ es sich nicht nehmen, mir nachher das Ergebnis zu präsentieren…gute Arbeit, Youji. Das war meine beste Lederhose…“ Er lächelte im schwachen Versuch eines Witzes, erntete von besagtem Mann jedoch nur eine schwache Spiegelung seiner Geste. „‚Niemand ersetzt Aya so schnell, was würde der Rotschopf nur dazu sagen, wenn er das wüsste?’…das hat er gesagt und Kritikers Ersatz für dich getötet, ohne dass wir etwas tun konnten“, fiel Youji mit der Tür ins Haus. Doch es war keine Frage. Ganz wie Omi auch war es ein Darreichen an Informationen, die keinen zwingenden Charakter hatten. Aya konnte darauf reagieren, musste es aber nicht. Tat es trotzdem. „Ersatz?“, hakte er nach, die Stirn mit einem Male misstrauisch zusammengezogen. Wieso hatten Kritiker schon Ersatz für ihn? Die Frage geisterte wie schweres Blei in seinen Gedanken, machte ihm mit einem Mal deutlich, was er die ganze Zeit befürchtet hatte. Er war ersetzbar, wie jeder andere auch und sie hatten nicht gezögert, dies zu demonstrieren. Er hatte seine Schwester in Gefahr gebracht mit seinem rücksichtslosen Handeln…wenn es nicht schon zu spät war. „Solange, bis du wieder da bist, haben sie uns einen neuen Mann gestellt. Damit wir nicht in der Unterzahl sind…doch das hat nichts zu heißen…“, versuchte ihn Youjis Stimme wieder in die Realität zurückzuholen. Nein…das hatte es für wahr nichts. Aber was, wenn doch? "Ich muss gestehen, ich habe zum ersten Mal wirklich erkannt, dass sie mit uns spielen. Schuldig hat es eindrucksvoll demonstriert. Wäre der sogenannte Ersatz nicht dabei gewesen, hätten wir aller Wahrscheinlichkeit nach keine Verluste davon getragen." Omi kaute gedankenverloren auf der Innenseite seiner Unterlippe. "Er tötete ihn einfach so, ohne ihn in einen Kampf zu verwickeln, ohne die übliche Taktik. Sie spielen mit uns, hätten uns jederzeit töten können, wo und wann sie gewollt hätten", sagte Omi ruhig. "Hast du das auch erfahren Aya, während sie dich festgehalten haben? Die Informationen, die du von dort mitbringst, sind für manche bestimmt von großem Wert", sagte er zweideutig. Kritiker wird mit Sicherheit bald auf dem Plan stehen, grübelte Omi. Besser sie hielten zusammen und stimmten ihre Informationen miteinander ab, bevor Unstimmigkeiten Aya unnötige Probleme auf den Hals hetzten. Seine etwas naiv gesagten Worte sollten jedoch genau das ausdrücken. Dass sie darauf hofften, dass Aya ihnen erzählte, wo er gewesen war und weshalb er nicht wie ein ehemaliger Gefangener der sadistischen Schwarzgruppierung aussah. Auch wenn Aya erleichtert war, Youji die Frage nach seiner Hose – die sich immer noch im Besitz des Telepathen befand – nicht beantworten zu müssen. Schuldig hatte sie ihm abgenommen…das stimmte. Mehr oder minder freiwillig, denn Aya hatte sie nach seinem ersten Bad in der Wohnung des Deutschen einfach achtlos auf der Bank liegen lassen, wo sie dann auf mysteriöse Weise in den Kleiderschrank des Schwarz gekommen war. Dennoch rettete ihn das nicht vor weiteren, unangenehmen Fragen, die den eigentlichen Kern der Sache trafen. Informationen, mit denen sie Schwarz angreifen konnten. Nein, die konnte er nicht geben. Sie würden das gegnerische Team auf dem Feld besiegen, nicht mit solch unfairen Mitteln, wie es Kritiker gedacht hatte. „Informationen?“, lächelte Aya nachdenklich und sah Omi kopfschüttelnd in die erwartungsvollen, blauen Augen. „Nichts, was Kritiker verwerten kann. Es interessiert sie sicherlich nicht, wie widerlich Schuldigs Duschgel riecht. Oder wie schlecht es sich auf seiner Matratze schläft. Es gibt nichts, was uns weiterhelfen kann.“ So. Da hatte er die Entscheidung getroffen. Ob das ein Fehler war, wusste er nicht, doch er hatte einen Schwur getätigt…wenn auch nur sich selbst gegenüber. Nein, gerade sich selbst gegenüber. Und er würde dieses Versprechen einhalten. Völlig in seinen momentanen Gedanken versunken, griff Aya nach dem Glas Wasser und ließ die klare Flüssigkeit in kleinen, genießerischen Schlucken seine Kehle hinunter rinnen. Sein Blick streifte nur nebenbei seine zerschnittenen und immer noch grün-gelblichen Stellen an seinen Knöcheln. Überbleibsel einer unnötigen Eskapade. Omis Augenbrauen wanderten bei den Worten Duschgel und Matratze in Richtung Haaransatz. Sie sollten eher durch Begriffe wie: Kellerboden und Folter ersetzt werden, seiner Meinung nach, denn sie würden besser in sein Gesamtbild von Schwarz passen. "Sie haben dir nichts getan, Aya?", fragte er nun rundheraus ohne versteckte Fragen. Er wollte Klarheit. Sie hatten Aya gefangengenommen, ohne von ihm etwas herauszupressen? Ohne ihn zu verletzen? "Kann Schuldig ...ich meine...", druckste er herum, und musste einen Moment selbst über seine Frage nachsinnen. Omi wurde also direkt…erwartete von ihm offene, nicht ausweichende Antworten. Als wenn das so einfach wäre. „Sie haben mir nichts getan. Nichts körperliches, nein. Es ist nichts passiert.“ „Und warum sind dann deine Hände zerschnitten?“, schaltete sich nun auch Youji ein, ließ in Aya ein immer größeres Gefühl der Bedrängung aufkeimen. Er fühlte sich durch ihre Fragen ins Kreuzverhör genommen, auch wenn er wusste, dass sie Antworten verdient hatten. „Ich habe einen Spiegel zerschlagen“, erwiderte Aya, als wäre es das Normalste der Welt und hob seinen Blick zu seinem älteren Gegenüber, machte damit gleichzeitig auch deutlich, dass er sich nicht weiter zu diesem Thema auslassen würde. „Was kann Schuldig?“, wandte er sich zurück und mit abruptem Themenwechsel an den blonden Jungen und nippte ein weiteres Mal von dem kühlen Nass. Omi kaute erneut auf seiner Lippe herum. "Kann er dich abhören? Ich meine... wenn du bei ihm warst...bestünde doch die Möglichkeit einer Manipulation von seiner Seite aus, oder?", fragte er vorsichtig. Ihm widerstrebte es Aya auszuhorchen, aber Omi wollte Klarheit, er hasste nichts so sehr wie Zweifel, denn davon hatten sie in ihrem Leben bereits zu viele mit sich herumzutragen. Die darauffolgende, kurze Stille wurde nur durch Ayas amüsiertes, spontanes Lachen durchbrochen. Stimmt…Omi wusste nicht, dass er natürliche Schilde hatte, die ihn für Schuldig unerreichbar machten. In jeglicher Hinsicht. „Das kann er nicht. Er kann meine Gedanken nicht lesen“, brachte er dunkel amüsiert hervor. „Es ist wahrscheinlicher, dass er deine oder Youjis liest, als dass er auch nur in die Nähe von meinen kommt. Mach dir da keine Sorgen.“ Was wäre es doch schrecklich geworden, wenn Schuldig ihm selbst diese Privatsphäre genommen hätte. Doch nein…was auch immer es war, das den Telepathen blockte, er dankte es ihm aus vollem Herzen. "Oh", sagte Omi wenig ergiebig darauf und blickte zu Yohji. "Konnte er das schon immer nicht?", wurde er nun doch neugierig. „Ja“, erwiderte Aya knapp und widmete sich für die nächsten stummen Augenblicke dem Rest des köstlichen Sandwiches. Sein Magen dankte es ihm…sogar so sehr, dass lautes, freudiges Verdauungsgurgeln eben diese Stille durchbrach. Ein weiterer Schluck und er stand deutlich gestärkt auf, stellte beides in die Spüle, sowohl Teller als auch Glas. Nahm sich eine der Wasserflaschen und wandte sich zurück an die beiden Weiß, die ihn immer noch erwartend ansahen. „Habt ihr noch Fragen?“ "Ähm...", meinte Omi und rutschte auf seinem Stuhl etwas unwohl herum. "Wenn du so fragst...ja haben wir...oder ich... Dann haben sie dich einfach so wieder laufen gelassen?", fragte er etwas irritiert. "Es sieht danach aus, Aya. Was wollten sie denn dann von dir?", fragte er, das offene Gesicht in Sorgenfalten gelegt. Ja genau, warum haben sie Aya so lange festgehalten. Wofür? Das alles bereitete ihm viel größere Sorgen als anfangs angenommen. Das klang alles unlogisch. Aya lehnte sich seufzend an den Tresen, suchte in diesem für einen Moment Unterstützung, die er dringend brauchte. Er war zwar…satt, den Umständen entsprechend, dennoch hieß das noch lange nicht, dass er sich gut fühlte. Ganz im Gegenteil. Er war müde, erschöpft, fertig und wollte nur ins Bett, um sich dort die nächsten Stunden auzukurieren und das zu verarbeiten, was er die letzten Tage erlebt und erfahren hatte. Und dieses Kreuzverhör tat dem garantiert nicht gut. „Sie haben mich in einer der verlassenen Industriehallen ausgesetzt, ja. Ich habe keine Ahnung, was sie von mir wollten, es hat mir niemand unter die Nase gerieben, Omi…“ …nein, er hatte dieses Wissen eher zufällig in seinen Erfahrungsschatz gebracht. Ohne, dass es Schuldig und Crawford wirklich beabsichtigt hatten. Das war keine Lüge. Wirklich nicht. Ganz im Gegensatz zur Industriehalle. „Ich habe nicht viel erfahren dort. Oder würdest du dein ganzes Leben vor deinem Feind ausbreiten, Omi?“ Nein…würde ihr Jüngster nicht, doch Schuldig, selbstsicher und offen wie er war, hatte das getan. Mit Vertrauen darauf, dass Aya zu stolz war, um eben dieses gegen ihn einzusetzen. "Nein, würde ich nicht, Aya", gab Omi zu. "Versteh bitte, dass wir Fragen haben, wir wollen dich ja nicht aushorchen, sondern nur verstehen, was geschehen ist", sagte er kleinlaut und warf Yohji einen unsicheren Blick zu. „Schon gut, Omi“, beruhigte Aya an Youjis Stelle ihren Kleinen und tat ein paar Schritte gen Ausgang. „Ich würde genauso reagieren…doch wenn ich keine Antworten habe, habe ich sie nicht. Wenn ich nichts weiß, kann ich euch nichts sagen. Und nun entschuldigt mich. Ich bin müde…“ Mit einem knappen Nicken zu ihrem Ältesten und einem kurzen Haarewuscheln für Omi machte er sich nun endgültig auf in sein Zimmer. Und was für ein Gefühl war es, sich in die heimischen Federn fallen lassen zu können. Ein warmes, weiches, bequemes Bett. SEIN Bett. Er…alleine. Mit freier Entscheidungskraft, was er tat und wohin er ging. Endlich wieder, nach fünf Tagen. Aya entledigte sich seiner Sachen, ließ sie ungeachtet der beinahe peniblen Ordnung in seinem Raum achtlos auf den Boden fallen und stieg schließlich nackt wie er war in die Federn. Vergrub sich tief unter ihnen und schloss die Augen. o~ Währenddessen sortierte Omi seine Haare wieder nachdenklich, hörte allerdings damit auf, als er einsehen musste, dass es ohnehin zwecklos war. "Meinst du, er ist lediglich zu müde um mehr zu sagen?", fragte er in die eingetretene Stille nachdem Aya gegangen war. „Nein.“ Ein deutliches, desillusionierendes Nein drang über Youjis Lippen. Keine Lüge, nur die Wahrheit. Doch zu welchem Zweck? Niemand von ihnen konnte das sich vor ihnen aufgetane Problem alleine bewältigen. Auch und besonders nicht Aya, der von all dem scheinbar gänzlich unbeeindruckt war. Doch Youji glaubte es dem rothaarigen Mann nicht, dass da nichts passiert war. „Schwarz sind nicht die Typen von Menschen, die ihre Gefangenen gut behandeln. Das tun sie nicht. Wie hat er sich denn verhalten, als du ihn das erste Mal wieder gesehen hast?“ Omi stand auf und ging ein paar Schritte in der Küche umher, als könne er so besser nachdenken. "Meinst du, als er zur Hintertür hereingeschlichen ist als wolle er das Haus plündern?", fragte er leicht ironisch. Youji hob zweifelnd die Augenbraue. „Er hat sich nicht offen gezeigt? Wollte er gleich nach oben verschwinden, um alleine in seinem Zimmer zu brüten? Wie war denn seine Haltung? Sein Gang? Hat er sich erschrocken, als er dich gesehen hat? Was ist dir an ihm aufgefallen?“ Sich wieder zu Yohji umdrehend, fasste Omi diesen ins Auge. "Wie jemand, der etwas zu verbergen hat, genauso ist er hier hereingeschlichen." Omi machte eine kurze Pause, setzte sich wieder an den Tisch, Yohji gegenüber. "Ich saß auf der Couch und hörte plötzlich ein Geräusch. Erst dachte ich, du wärst wieder da, aber als ich der Sache auf den Grund ging, war’s Aya, der sich vergeblich leise durch den Flur quälte. Er war sichtlich müde und geschwächt, murmelte etwas von ‚er habe genug gelegen’, als ich ihm vorschlug sich hinzusetzen. Es war ihm nicht recht, dass ich ihn gesehen habe und gar ihm helfen wollte. Letzteres ist nichts Neues bei ihm. Vermutlich hätte er sich still und heimlich hinauf in sein Zimmer gestohlen und für sich allein geblieben, bis er morgen früh von dort oben zu uns heruntergekommen wäre, wie wenn diese Entführung nicht stattgefunden hätte. Was bildet er sich überhaupt ein!" Zornig biss Omi die Kiefer zusammen und stierte vor sich hin. Ihn verletzte das Verhalten von Aya, weil er sich ihnen nicht mitteilte, weil er nicht wirklich bei ihnen war, sondern einsam für sich lebte. Der blonde Mann runzelte bedenklich die Stirn. Er konnte die Wut ihres Jüngsten durchaus verstehen, auch seine Zweifel, dennoch wollte er Aya nicht falscher Dinge bezichtigen. Es kam ihm wie…Verrat vor. Aya war gerade hier, nach fünf Tagen Abwesenheit und hatte weiß Gott was erlebt. „Halt dich zurück, Omi, du weißt nicht, was sie ihm angetan haben, dass er so reagiert. Vielleicht hat er mehr zu verarbeiten, als wir momentan wissen und er uns Glauben macht. Urteile nicht vorschnell“, wies er ihren Jüngsten zurecht, doch wütend ob der allzu sorglosen Verwünschung. „Es kann genauso sein, dass sie ihn zu etwas gezwungen haben, für das er sich uns gegenüber schämt. Wer weiß, mit welchen Mitteln sie sich ihn gefügig gemacht haben...und wieviel er verraten hat. Was denkst du, hat er mit ‚er habe genug gelegen’ gemeint? Das klingt schon seltsam…wie die Sache mit Schuldigs Bett. Was denkst du darüber?“ "Ich urteile nicht, Yohji", seufzte Omi niedergeschlagen. "Es ist nur..., ich habe ihn da stehen gesehen und wollte ihm helfen und er ...fast als wollte er mich abweisen...", sagte er unbestimmt und verstummte für einen Moment um seine Gedanken zu ordnen. Aya stand für ihn am Nächsten. Er hatte ihn akzeptiert und es schmerzte ihn nun einmal, wenn er von dieser Person abgewiesen wurde. Das zu verstehen war nicht leicht, vor allem wenn er mit dem Herzen dachte und nicht mit seinem Verstand. "Keine Ahnung, was er damit gemeint hat, vielleicht haben sie ihn an ein Bett gefesselt ...und...", fing er an und sein Kopf ruckte zu Yohjis, ihre Blicke kreuzten sich. "Du meinst doch... du meinst doch nicht, dieser Telepath hat sich an Aya vergangen?", sprach er seinen plötzlichen Gedanken schreckensbleich aus. "Ich meine...falls...", stockte er. "...dann verstehe ich sein Verhalten..." Youji seufzte ebenso ratlos. „Ich weiß es nicht…ich kann es dir nicht sagen. Aya scheint mir nicht…vergewaltigt, doch das heißt nichts. Wer weiß, inwieweit er es in sich vergraben, er es vielleicht auch verdrängt hat. Doch wir können nur mutmaßen, solange, bis er uns Fakten gibt…ansonsten verrennen wir uns vielleicht noch in einem Verdacht, der sich nachher als falsch entpuppt. Ich glaube schon, dass sie ihn irgendwie gefesselt haben…aber gleich so etwas? Nein…“ Auch wenn er versuchte, Omi zu beruhigen, so war sich Youji seiner selbst nicht wirklich sicher. Was, wenn Schwarz sich tatsächlich mit ihrem Anführer vergnügt hatten? Doch war das ein Grund, nichts zu sagen? Alles zu verschweigen? Oder war gerade das der Grund, warum er nichts sagte? „Würdest du dich denn von uns bemuttern lassen, wenn du fünf Tage lang in der Gegenwart deiner Feinde verbracht hast?“ Omi starrte an Yohji vorbei, die Augen wirkten wie blank polierte Spiegel, bargen seine Gefühle in seinem Innern. "Nein, ich würde mich nicht ‚bemuttern’ lassen", gab er leise und tonlos zurück. Er wollte nicht weiter über das Thema sprechen, welches ihn nur wieder an seine eigenen Erfahrungen hinsichtlich solcher Ereignisse erinnerte. Schweigen war besser, auch wenn ihn dieses Schweigen auch in die Vergessenheit gestürzt hatte. Youji sah, dass er einen Fehler gemacht hatte, in dem Moment, als Omi all seine sonstige Fröhlichkeit verlor. Er seufzte. Natürlich…das hatte er mit der größtmöglichen Präzision ja wieder einmal wunderbar erledigt. Über sich selbst den Kopf schüttelnd stand er auf und trat hinter Omi, legte diesem freundschaftlich warm die Arme um den schmächtigen, starren Körper. Wuschelte wie auch Aya zuvor schon durch die blonden Haare. „Du hast uns…Omi. Wir sind deine Familie und wir bemuttern dich…auch ohne, dass du es willst“, lächelte er versöhnlich und drückte ihn an sich. Versuchte, ein wenig der Trauer wieder gut zu machen, die er in diesem Jungen hervorgerufen hatte. „Vergiss das, was geschehen ist, wir sind die Gegenwart und werden die Zukunft sein. Niemand anderes.“ Vergessen? Natürlich, das hatte er getan. Ein kleines nachsichtiges Lächeln legte sich über Omis Gesichtszüge. Omi wollte nicht mehr vergessen. Er wollte sich erinnern, auch wenn es schwer viel. Aber er brauchte diese Erinnerungen um stark zu sein, um daraus seine Kraft und Stärke zu beziehen. Vergessenheit brachte nur Schwäche. "Ist schon gut, Yohji. Ich weiß, dass ihr für mich da seid, ist gleich wieder vorbei. Nur ein kurzer Moment", wiegelte er schwach lächelnd ab und berührte Yohjis Hand, die ihn immer noch festhielt. Es tat gut die Nähe zu spüren, die ihm ehrlich sagte, dass er erwünscht und gewollt war. "Er wird uns bestimmt sagen, was geschehen ist, wenn er es für den richtigen Zeitpunkt hält, oder?" sagte er mehr als er fragte und sah zu Yohji auf. „Natürlich wird er das. Wenn er es für sich selbst verwerten konnte, dann wird er garantiert mit uns reden, da bin ich mir sicher.“ Auch wenn das weiter von der Wahrheit entfernt war, als es Youji lieb war. Er hatte den Verdacht, dass Aya das Geschehene einfach totschweigen würde, wenn sie ihm nicht auf die Finger klopften. Doch dafür waren Freunde ja da und genau das würden sie auch tun. Damit sie ihm helfen konnten, wenn es notwendig war. Sie waren eine Familie und nichts würde diesen Bund zerstören…das ließ Youji nicht zu. Ihre Aufgabe als Mörder machte sie einsam. Freunde außerhalb gab es nicht. Da war es doch umso wichtiger, dass sie sich hier drinnen Beistand zupflichteten, wo es nur ging. Sich stützten und zueinander hielten. „Es wird alles gut werden…“ o~ ...ein Satz der Omi am nächsten Tag noch in den Ohren nachklang, als sie beim Mittagsessen saßen und der Platz von Aya verwaist war. Er war noch in seinem Zimmer und würde sich so hoffte Omi bald einfinden. "Meinst du, wir sollen ihm etwas hochbringen?", fragte Omi nach einer Weile etwas unsicher und blickte Ken fragend an. "Ist aber wohl besser, wir lassen ihm den Freiraum, nicht?" Omi schwieg wieder, als er Schritte auf den Treppen hörte und innerlich keimte Freude in ihm auf. Aya kam und er aß mit ihnen. Warum er sich so freute, konnte er nicht sagen, er hatte nur das Gefühl gehabt, dass Aya nicht mehr zurückkehren würde, die Angst saß ihm ...ja ihnen allen noch tief im Nacken. Aya konnte nicht wirklich von sich behaupten, ausgeschlafen zu sein, als er sich schließlich nach unten begab. Er hatte zwar Stein und Bein über elf Stunden geschlafen, doch das hieß noch lange nicht, dass das reichte. Die letzten Tage waren einfach zu viel gewesen…und wenn er ehrlich war, gestand er sich ein, dass er vor dem Einschlafen mehr und mehr befürchtet hatte, dass Schuldig doch zurückkommen und ihn dieser Idylle entreißen würde. Auch wenn sie trügerisch war, was er selbst wusste. Essensgeruch drängte sich ihm entgegen, als er frisch geduscht und angezogen die heimische Küche betrat, in der sich ganz Weiß versammelt hatte und in der ihn sämtliche Augenpaare freudig oder auch fragend empfingen. Ein schwaches Lächeln umspielte seine Lippen, als er endgültig die Küche betrat und einen Guten Morgen wünschte, bevor ihm auffiel, dass es weit nach Mittag war. Ein Fauxpas, den er so gehen ließ, wie er gekommen war. Schweigend. Lieber nahm sich Aya etwas von dem kunstvoll zusammen gekochten Eintopf aus Überresten der vorherigen Tage und setzte sich zu seinem Team an den Tisch. Nahm durchaus unwohl mit der Situation mit dem Rücken zur Tür Platz, ihm gegenüber Youji und Omi, an seiner Seite Ken, der – anscheinend durch die beiden Anderen informiert – zum Glück keine Fragen stellte. „Gut geschlafen?“, brummte es ihm gewohnt entgegen. Youji hasste seine Morgenschichten, das wusste Aya. Und war auch dementsprechend dankbar, dass dieser ihn hatte ausschlafen lassen. Er nickte lediglich und widmete sich zunächst schweigend seinem Essen. „Gab es viel zu tun, während ich weg war?“, fragte er dann und sah auf, in die Runde. Kam sich mit einem Male wie ein Fremdkörper vor. Er war zulange weg gewesen…das verunsicherte ihn. Hatten sie ihn jetzt aus ihrer Gemeinschaft ausgestoßen? "Wir hatten einen Einsatz und die üblichen Lieferungen sind eingetroffen. Wir haben auf dich gewartet, wegen den Bestellungen der neuen Rosensorte...", murmelte Omi und grinste leicht schräg. Schön dämlich kam er sich vor. Vor Tagen hatten sie dagestanden mit dem Bestellzettel, samt dem Katalog und auf Ayas Handschrift gestarrt. Ja, er wollte die Bestellung tätigen und nun...wer sollte diesen ungeliebten Job übernehmen, wenn nicht ihr Boss? So hatten sie ihm die Auswahl überlassen, mit der stillen und aber auch beständigen Hoffnung Aya würde ihnen wohl erhalten bleiben. "Die Formulare liegen auf dem Tisch im Büro", wies Omi auf Arbeit hin, die Aya nachzuholen hatte. Nein…sie hatten ihn nicht ausgestoßen. Das sah Aya jetzt, als er Omis freundlichen Blick erwiderte. Sie hatten darauf gewartet, dass er zurückkam, auch wenn es nur dafür war, eine unliebsame Bestellung zu tätigen. Der rothaarige Mann strich sich ein paar der noch leicht nassen Strähnen zurück und lächelte amüsiert. „Wird erledigt“, bestätigte er Omis säuerlichen Gesichtsausdruck und nahm einen weiteren Löffel des Eintopfes. Wie hatte Schuldig ihn genannt? Blumenkind…und Crawford Rotfuchs. Namen, die mehr als passend auf ihn zutrafen, wie er im Nachhinein zähneknirschend feststellen musste. Und schon wieder die Beiden…das Duo infernale. Schrecklich. Wieso konnte er selbst hier nicht loslassen? „Ich kümmere mich nach dem Essen darum“, versicherte er noch einmal und wollte seinen Blick ein weiteres Mal senken, bevor er merkte, dass Youji ihn eingehender betrachtete. „Wolltest du nicht deine Haare abschneiden?“, tönte es auch eine Sekunde später zu ihm und ließ ihn innerlich aufstöhnen. Wie erklärte er DAS nun wieder? Dass er einen Deal mit Schuldig hatte? Ja natürlich…einen Deal, auf den der andere Mann wahrscheinlich einen Dreck gab, so wie er sich zuletzt benommen hatte. Nein, Schuldig wusste es nicht zu schätzen, wenn er Versprechen einhielt. Aya lächelte innerlich. Erleichtert…grimmig. „Ja…wollte ich. Heute noch.“ "Ich finde du solltest deine Haare nicht schneiden, sie stehen dir doch sehr gut, Aya!" entgegnete Omi etwas schnell. Sich selbst etwas über die Tatsache wundernd, dass er überhaupt etwas gesagt hatte. Ayas Haare waren wunderbar und insgeheim hatte er es schrecklich gefunden, dass Aya sie abschneiden wollte. Es aber laut auszusprechen, wäre ihm bisher nie in den Sinn gekommen. Warum also jetzt? Vermutlich weil er so froh darüber war, dass Aya jetzt wieder bei ihnen war. Verlustängste, nannte sich das sicher, dachte er bei sich und nickte innerlich. Anderorts jedoch war man wesentlich weniger gut gestimmt. Schuldig starrte in den Tag hinaus, hielt das Wasserglas noch in der Hand, völlig in das Gespräch vertieft, welches er durch die Gedanken eines gewissen Weißmitgliedes verfolgt hatte. Sehr alarmierende Dinge, die er da vernehmen musste! Aya wollte sich die Haare abschneiden! Er wagte es doch tatsächlich, ihren Pakt nicht ernst zu nehmen. Klirrend fiel das Glas auf die Theke, jedoch ohne zu zerbrechen, dafür war es nicht teuer genug, es rollte lediglich einmal um die eigene Achse und blieb schlussendlich liegen. Er wollte nur ‚mal schnell’ nach dem Rechten sehen. Und was musste er da gleich zu Anfang mitbekommen? Aya warf ihren Handel einfach so dahin, als wäre es nichts! Schuldig klinkte sich kurz aus, brauchte etwas, bis er wieder zurück in die Realität kam. Jedoch nur um sich auf die Couch zu legen und sich vorsichtig wieder in die Gedanken eines Weiß einzuklinken... Aya runzelte für einen Moment verwirrt die Stirn, als er Omis hastigen Einwand vernahm. Angesichts der Tatsache, dass noch kein Weiß irgendetwas zu seinen Haaren gesagt hatte, eine erstaunliche Bemerkung. Sehr erstaunlich sogar. Der rothaarige Mann tat dies jedoch letztendlich mit einem Achselzucken ab und griff zu der Wasserflasche, um sich auch ein Glas des kostbaren Nass einzuschenken. „Wieso haben Schwarz diese Aufgabe nicht für dich übernommen?“, fragte Youji in die darauffolgende Stille hinein und fixierte Aya mit ruhigen, unnachgiebigen Blick. Bemerkte dessen Zögern. Natürlich war es klar, dass Aya bei dieser Antwort zögerte. Er hatte schließlich auch ein Dutzend der feinen verwaisten, roten Strähnen gesehen, die auf dem kalten Steinboden der Lagerhalle gelegen hatten. Alle – so hatte er schließlich festgestellt – gleichlang abgeschnitten, nicht ausgefranst. Ein Messer, vermutlich das gleiche, das auch Ayas Pullover zerfetzt hatte. „Sie wollten es nicht“, lautete schließlich die unbefriedigende Antwort auf seine Frage, die ihn über die weiteren Vorgänge im völligen Unklaren ließ. „Warum?“ „Ich weiß es nicht.“ Eine deutliche, finite Abfuhr, die nach Youjis Geschmack nicht der Wahrheit entsprach. "Wieso sollten sie seine Haare abschneiden, Yohji?“, fragte Omi ehrlich neugierig wie der Ex-Schnüffler auf diese abwegige Idee kam. Klar, Schwarz wollten Aya mit Sicherheit demütigen. Aber wieso kam Yohji gerade da drauf. Die Haare waren tatsächlich von ihnen dort gefunden worden, aber es war vielleicht nur eine zufällige Begebenheit gewesen, dass Schwarz Aya zufällig die Haare abgeschnitten hatten, als sie ihm den Pullover zerrissen hatten. „Es sah zu gleichmäßig aus“, wiederholte Youji seine Gedanken und legte sie offen für alle hier Anwesenden dar. „Als wenn das Messer angesetzt wurde und dabei ein paar Strähnen durchgeschnitten hat. Dann jedoch Abstand davon genommen wurde. War es nicht so, Aya?“ Und alles, was Aya tun konnte, war zu nicken und Youjis Bericht zu bestätigen. Er konnte jetzt nicht lügen, nicht seinem Team gegenüber, auch wenn er genau das getan hatte. Doch Schuldigs Bündnis mit ihm ging hier niemanden etwas an, besonders dann nicht, wenn diese langen Zotteln spätestens heute der Friseurschere zum Opfer fallen würden. „Sie wollten mich vermutlich ärgern“, lachte er leise und ließ den Blick in die Ferne streifen. Etwas Wahrheit schadete ja nicht. „Zwischen Schuldig und mir ist dieses Thema aufgekommen...und nachher, als Farfarello sie mit dem Pullover abschneiden wollte, hat er ihn davon abgehalten.“ Omi sah auf beim letzten Satz, stand auf um sich etwas zu trinken zu holen. Bestimmt drückte sein Gesicht Argwohn aus, wie ihm in den Sinn kam. Er sollte Aya jetzt nicht zusätzlich damit belasten, dass er spürte, dass da noch einiges mehr lauerte. Er musste seine Bedenken in sich verbergen. Mit einem milden Lächeln trat er wieder an den Tisch setzte sich und nahm einen Schluck Wasser. "Ärgern?" fragte er leichthin. "Ein wenig harmlos ausgedrückt für Schwarz, meinst du nicht, Aya?" Wieder lächelte Omi, doch ihm schien es eine Farce. In seinem Innern fühlte sich nicht wirklich etwas nach einem Lächeln an. Aber er hatte lange dafür geübt, dass es sogar seine Augen erreichte, auch wenn es noch so schmerzte. Seit wann tat er dies bei Aya? Seit wann, nahm er an Aya würde dies nicht durchschauen? Omis Blick richtete sich wieder seinem Essen zu. „Nein, Omi. Genau das Richtige in diesem Fall“, sagte Aya geradewegs durch dieses Lächeln und fixierte den Jüngeren plötzlich ernst. Diese Antwort galt ihm…nur ihm. „Das Orakel und Farfarello dachten anscheinend, dass es mich besonders schmerzen würde, wenn sie mir die Haare abschneiden. Dem war nur nicht so. Deswegen sind sie dran geblieben. Keine Sorge, Omi. Es ist nichts weiter passiert.“ Aya ließ seinen Blick in die Runde vor sich streifen. Eines hatte er eben gerade begriffen. Er durfte nicht kneifen, nicht vor ihren Fragen fliehen, wenn er nicht wollte, dass sie ihm misstrauten und ihn schließlich aus ihrer Gemeinschaft ausstießen. Er musste ehrlich sein. Leider. Auch bei der nächsten Frage. Youji, dieses Mal und wieder dieser durchbohrende, alles wissende Blick. „Wie sieht denn Schuldigs Wohnung aus, Aya? Was hast du denn die fünf Tage gemacht?“ Der rothaarige Weiß seufzte. „Geschlafen, gegessen, geschlafen…mich gelangweilt. Gelesen.“ Die erste Frage hatte er einfach überhört…so war es am Besten für sie alle. Erleichterung breitet sich in dem jüngsten Weiß Mitglied aus, als Aya diesen ernsten Blick direkt an ihn wandte. Es noch immer schaffte durch diesen Blick Stärke auszudrücken und diese weiterzugeben. Omi blickte ihn einen Moment länger als nötig an, stellte das Lächeln ein und nickte leicht. Ja, sie hatten ihm scheinbar nichts wirklich schlimmes angetan, dieser Blick sagte es Omi. Zufrieden zumindest sich dieser Tatsache bewusst aß er weiter. "Das klingt ja wie Urlaub", mischte sich nun auch Ken ein und hob eine Braue, die Lippen skeptisch verzogen. "Wollten sie vielleicht Lösegeld von Kritiker und Birman und Manx haben uns nur nichts über diese Forderung erzählt?", mutmaßte er ins Blaue, selbst nicht so ganz von seiner Idee überzeugt. „Ja…Urlaub.“ Mit Fastenkur und anschließender Beautyfarm. Genau. Aya konnte sich ein schwaches, bitteres Lächeln nicht verkneifen. Es war kein Urlaub gewesen, auch wenn Schuldig genau das beabsichtigt hatte. Auf seine ganz bestimmte, verquere Art und Weise. Apropos Schuldig… „Nein…Lösegeld haben sie nicht gefordert, dafür haben sie selbst zuviel Geld.“ Aya schüttelte entschieden den Kopf und erhob sich schließlich. Zeit, an Schuldig zu denken. „Wenn ihr mich entschuldigt, ich gehe zum Frisör. Haare abschneiden.“ Daran hätte Ken auch selbst denken können, schimpfte er sich selbst einen Trottel und ein zarter Rotschimmer legte sich auf seine Wangen. Er senkte den Kopf etwas, sodass die Haare seine Augen verbargen und widmete sich seinem Essen. Oh Gott, wie blöd war er eigentlich? Warum zur Hölle konnte er in manchen Fällen nicht einfach den Mund halten, sondern vor lauter ‚Ich will helfen’ musste er etwas Unüberlegtes sagen. Aya war nun mal ihr Sorgenkind, auch wenn es weder offiziell war, oder gar zwischen ihnen eine Unterredung darüber gegeben hätte. Es war schlicht so. Und das nicht nur seit dessen Entführung. Er war für sie da, so wollten sie es ihm vergelten, indem sie sich um ihn sorgten. Du Idiot, fluchte Ken in sich hinein und schwieg. Warum konnte er nicht so scharfsinnig wie Yohji sein? Sein leidenschaftliches Engagement für bestimmte Dinge machte sich leider auch oft in Teamangelegenheiten bemerkbar - was nicht immer von Vorteil war. "Bis später, Aya, lass dir Zeit, eine schöne Kopfmassage tut wahre Wunder." Omi lächelte und sah Aya nach. Er sollte sich eine erholende Massage gönnen. Aya nickte, runzelte aber noch im Hinausgehen die Stirn. Omi war durchaus…seltsam in Bezug auf seine Haare, seit er wieder da war. Aber gut, vielleicht wurde er auch einfach nur paranoid. Das war vermutlich alles. Vor allen Dingen alles Schuldigs Schuld. Diesem verdammten Telepathen. Er kuschelte sich tief in seinen hauseigenen Mantel und wanderte langsam durch die Straßen Tokyos, missbrauchte diese Zeit für sich alleine, um seine Gedanken zu ordnen. Früher oder später würden Kritiker bei ihnen vor der Tür stehen und wissen wollen, was in diesen Tagen geschehen war. Und was er ihnen dann sagen würde, war ganz sicher nicht zu ihrer Zufriedenheit, konnte und wollte er ihnen doch weder Details über Schuldigs Wohnort noch seine Schwäche liefern. Das war etwas, das alleine zwischen ihnen beiden stand. Vielmehr ihnen dreien, ihm, Schuldig und Crawford. So sehr es Aya auch störte, so deutlich war er sich bewusst, dass es eben Crawford war, dem er sein Leben zu verdanken hatte. Er hatte Schuldig darauf gestoßen, dass er noch dort in der Wohnung war, als dieser vergessen hatte. Es war Crawfords Stimme gewesen, die ihn langsam aus seinen Schmerzen hervorgelockt hatte. Ihm Wasser, Tee und eine durchaus eklig schmeckende Suppe gegeben hatte. Aya hasste es, dankbar sein zu müssen…besonders Menschen gegenüber, die es nicht verdient hatten. Aber gut. Ein Kreuz mehr... Schuldig riss sich von seiner Betrachtung der Zimmerdecke los und setzte sich ruckartig auf. Fast hätte er gelacht bei dieser Aktion, wirkte sie doch wie Graf Dracula nach einem langen Tag, wenn die Nacht anbrach und er sich aufmachte um holden Jungfrauen die Kehlen aufzuschlitzen. Ein ähnlich vorfreudiges Lächeln breitete sich auf Schuldigs Gesicht aus, als er zur Tür lief, seine Schuhe anzog und hastig nach Haustür- und Autoschlüsseln griff. Nein, dieses Lächeln hätte selbst Dracula eine verkniffene, unsichere Erwiderung entlockt. In Gedanken schon halb zur Tür hinaus, eilte er ins Badezimmer, sah sich suchend um. Und schon war er wieder draußen, als er das Gesuchte in seinen Händen wusste. Danach ging’s noch zum Kleiderschrank, kurz darin gewühlt, bis sich etwas Weiches in seinen Fingern verfing. Ein kurzer Kontrollblick ob er auch nichts vergessen hatte und die Tür fiel krachend ins Schloss. Das Lächeln wollte sich kaum abstellen lassen, als er seinen Wagen in halsbrecherischem Tempo durch die Stadt jagte. Ganz im Gegenteil. Am Ziel angekommen, seinen Wagen parkend, hätte besagter Graf Dracula Angst bekommen. Dankbar war Aya aber jetzt vor allen Dingen für die leicht parfümierte, warme Luft, die ihm aus dem Friseursalon entgegenschlug. Endlich aus dieser verdammten Kälte raus, das war alles, was er sich wünschte und bekommen hatte. Ihm verheißungsvoll weihnachtlich entgegenschlug. Er musste zugeben…es war einer der teureren Friseure aus Tokyo, ein moderner, heller Laden in klassisch-puristischen Interieur, den Aya genau deswegen in sein Herz geschlossen hatte. Und natürlich wegen der kompetenten Bedienung. Die ihm beinahe sofort schon einen Platz auf einem der Friseurstühle anwies. Einmal waschen, schneiden, legen bitte. Wird gemacht. Danke. Das übliche Prozedere, dem sich Aya nun ergab und seinen Kopf samt Haaren in das Waschbecken bettete und die Agen schloss. Völlige Entspannung…zu beruhigend mediterraner Musik. Schuldig sah sich um. Die Gegend, in die er gefahren war, war seine Kragenweite. Noble Geschäfte, schmucke Läden. Einen dieser Läden betrat er und sah sich um. Sein erklärtes Ziel schon vor Augen, arrangierte er das Nötige. Mittels Telepathie, die er großflächig einsetzte um ungestört zu Werke gehen zu können, ließ er die Arbeitenden weitermachen, während er den Mitarbeiter manipulierte, der sich dem Objekt seiner Begierde angenommen hatte. Doch zuvor brauchte er noch etwas Vorbereitung. "Ist Ihnen die Temperatur so angenehm?" fragte der Mann neben Schuldig, mit ruhiger Stimme und Schuldig ließ den Mann hinter sich auf einen Stuhl setzen. Er dagegen ließ das Wasser vorsichtig auf die rote Haarflut in dem Waschbecken laufen, wartete gespannt darauf, dass Aya etwas sagte. Schuldig beobachtete ihn genau, stets darauf gefasst, dass Aya die Augen öffnete, was momentan noch nicht günstig wäre. Doch die Wimpern lagen auf den Wangen, die Hände entspannt auf den Seitenlehnen. Alles an Aya wirkte so, als wolle er sich im Glauben, der Mann hinter ihm würde schon das Richtige tun, zurücklehnen und sich entspannen. Nun, der Mann, der Ayas Haare in den Händen hielt, hatte auf jeden Fall vor, das Richtige zu tun! „Wundervoll“, murmelte Aya und ein kurzes Lächeln huschte über seine Lippen. Er ruckelte sich leicht in seinem Sitz zurecht und wartete völlig entspannt auf die Hände, die ihn verwöhnen würden. Seine allzu empfindliche Kopfhaut. Und wenn es Aya weder vor seinem Team noch vor Schuldig jemals zugegeben hatte, so war die einzige Berührung, die er von Fremden ausnahmslos duldete, eine Kopfhautmassage, die ihm Schauer um Schauer durch den Körper schickte. Vorsichtig um Ayas Stirn nicht mit Wasser zu benetzen, fuhren seine Finger über den Haaransatz, strichen durch das volle Haar, das sich langsam mit Wasser vollsog, schwerer wurde. Schuldig faszinierte das dunkle Blutrot, welches die Haare nun angenommen hatten. Den Wasserstrahl auch unter das Haar haltend um das feine Nackenhaar zu nässen strich er wiederholt über den Stirnansatz, verlor den Hautkontakt nicht. Erst als das Haar wirklich nass war, begann er das Shampoo aufzutragen, das er von zu hause mitgenommen hatte. Er verteilte eine großzügige Menge in seinen Händen, verteilte es im Haar und begann mit sanftem Druck eine kleine Massage, wechselte jedoch auch ab und kraulte zwischendurch das Haar im Nacken. Sichtlich dies genießend Aya so vor sich zu haben, unwissend und in seinen Händen, war fast schon berauschend. Er musste sich zurücknehmen, damit er nichts sagte, damit er nicht die Wange des Weiß Killers berührte. So genoss er die völlige Entspannung, die er Aya bescherte, zu sehen. Oh ja…dieser Mann verstand sein Handwerk…das konnte Aya mit gutem Gewissen bejahen. Diesen Könner einfach mit zu sich nach Hause nehmen…zum Haare waschen. Jeden Tag wieder. Nein, davon konnte Aya nicht genug bekommen. Wäre er zuhause gewesen, hätte er sich das Schnurren sicherlich nicht so verkniffen, wie er es jetzt tat. Jetzt musste er sich auf das simple Lächeln auf seinen Lippen beschränken. Er schnupperte leise. Welch Zufall…sie hatten eben SEIN Shampoo. Sehr schön….wirklich exklusiv. Aya spürte, wie nach und nach auch die restliche Anspannung aus seinen Gliedern wich. Sein Team, Kritiker, die Angst, dass Schuldig noch einmal auftauchte und es sich anders überlegt hatte…alles war ad acta gelegt und existierte in einer kleinen, dick ummantelten Blase weit in den Tiefen seines Bewusstseins. Fernab von der momentanen Entspannung. Schuldigs Augen funkelten, als sie sahen, wie Aya in seinen Händen zu formbarem Wachs wurde. Das hätte doch was, wenn Schuldig das öfter tun konnte. Er wusch das Haar aus, nahm den Schaum von dem Haaransatz, strich sanft über die Haut, wie zufällig. Aber Schuldig machte nichts zufällig. Erneut gab er etwas von dem Shampoo auf die Haare, wusch es ein zweites Mal, ließ sich dabei Zeit und übte wieder sanften Druck mit den Fingerspitzen auf die Kopfhaut aus. Währenddessen ließ er mittels seiner Gedankenkontrolle den Friseur der noch immer auf dem Stuhl schräg hinter ihm saß, herantreten und Aya sagen, dass er gleich noch eine Haarkur auftragen würde. Danach war er wieder entlassen und durfte sich wieder setzen. Das Lächeln, das sich auf Ayas Gesicht ausbreitete, speicherte Schuldig sofort ab. Wer wusste schon, wann er dieses Ereignis wieder einmal sehen würde. Vermutlich war es eine einmalige Sache gewesen. Wie eine Knospe, die nur einmal in ihrem Leben ihre Blütenblätter entfaltet und danach nie wieder.... Hin und wieder verirrten sich Schuldigs Fingerkuppen zur feinen Rundung der Ohrmuschel, entfernten sanft den Haarschaum, strichen ebenso zart über die Kopfhaut dahinter, jedoch nie so, dass Aya misstrauisch werden konnte. Das war definitiv ohne jeglichen Zweifel zu gut… Die letzten Tage der sträflichen Vernachlässigung forderten nun ihren Tribut und ließen Aya immer wieder sacht, beinahe unmerklich schaudern. Es war, als zögen sich die Stimulationen der Nervenzellen seiner Kopfhaut bis tief hinunter in die Zehen und von dort aus wieder nach oben. Einem endlosen Kreislauf gleich, der ihn als willenlosen, zu Zucker gewordenen Krieger zurückließ. In diesem Moment hätte ihn nichts stören können…in diesem Moment wäre ihm alles egal gewesen, Hauptsache, diese Hände hörten nicht auf damit, ihm solches Wohlbehagen zu bereiten. Verbunden mit den Gerüchen der aufgetragenen Kur eine Stimulation der besonderen Art, die Aya vor Augen führte, dass auch er seinen Instinkten nicht widerstehen konnte. Den natürlichen Empfindungen, die ihn prickelnd erregt zurückließen. Während die Kur ihre Wirkung entfaltete, begann Schuldig nun die wirkliche Kopfmassage, verstärkte minimal den Druck auf die Kopfhaut, griff unter das Haar und nahm Ayas Kopf in seine Handflächen, massierte den Nacken, den unteren Teil des Hinterhaupts. Seine Finger waren weit aufgefächert als eine Hand sich löste, die andere Ayas Kopf leicht anhob um den Nacken besser zu erreichen. Die Gefahr bestand darin, dass Aya die Augen öffnete und Schuldig im Spiegel erkennen konnte. Schuldig war bereit das Risiko einzugehen, schließlich wollte er hier gute Arbeit leisten, sagte er sich selbst und grinste dabei. Den Friseur schickte er weg, er brauchte ihn nicht mehr. Wenn Aya ihn sehen würde, dann musste Schuldig das nun in Kauf nehmen. Es war kein Problem für ihn, ihre Anwesenheit in den Köpfen der Kunden und der Friseure zu löschen. Die Kur wirkte ein und Schuldig wusch erneut die Haare aus, bis er sicher war, dass sämtliche Reste aus der blutroten nassen Seide entfernt waren. Er ließ Aya kurz liegen, griff sich ein eingerolltes Handtuch aus einem Regal und wickelte es um Ayas Stirn und Haare. Der Turban, wurde von seinen Händen gehalten und Ayas Kopf etwas aufgerichtet, damit die ungewohnte Haltung nicht schmerzte beim Aufrichten. Schuldig schob das bewegliche Becken weg und stellte sich hinter Aya, noch hatte er nicht die Augen geöffnet, sodass Schuldig das Haar kurz mit dem Handtuch ausdrückte. Den Turban abnahm und die Nässe etwas aus dem Haar nahm, bevor er neben sich einen Kamm erblickte. "Sie sind also zum Spitzenschneiden gekommen?", fragte er samtig, wartete gierig darauf, dass sich die Lider hoben, die schwer über den Augen lagen. Scheinbar hatte Schuldig ganze Arbeit geleistet. Aya lächelte sanft. Noch…noch wollte er seine Lider nicht öffnen. Viel zu schnell war es in seinen Augen vorbei gewesen…dieses herrliche Gefühl, das auch jetzt noch in seinem Blut prickelte. „Nein…“, erwiderte er schließlich und hob den Kopf, öffnete langsam seine Augen. Gewöhnte sich dabei erst langsam an die Helligkeit des Raumes. „Ich bin wegen eines Komplettschn- “ Stille. Fortsetzung folgt... Danke fürs Lesen! Coco & Gadreel Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)