Der Glasgarten von Gadreel_Coco ================================================================================ Kapitel 19: Unerwünschter Gast ------------------------------ ~ Unerwünschter Gast ~ Schuldig wollte…dass er blieb? Für ihn war es sogar besser, dass er blieb? Ayas Hand fuhr sich zittrig durch seine langen, verfilzten Haare. „Ich habe versucht, dich umzubringen…und war beinahe erfolgreich damit…bedeutet das nichts für dich? Macht uns das nicht zu Feinden?“, fragte er tonlos, den Blick immer noch auf die blaugrünen, stillen, verletzten Augen gerichtet. "Es tut noch weh." War das alles, was er darauf sagen konnte? Mach schon deinen Mund auf, sag was, steh nicht so hilflos da und geb deine Gefühle preis. "Ich wollte nur ...dass du es weißt...nicht vergessen hast, dass wir soweit im Kampf gegangen sind...gehen mussten." Er scheiterte an einem vorsichtigen kleinen Lächeln, denn es sah eher gequält aus, hilflos und verkümmert. "Es sah gerade so aus, als ...wäre es für dich nicht vorhanden, als hättest du vergessen, dass du mir beinahe eine Kugel durch den Kopf geschossen hättest, oder dass du mir ein Zeichen quer über die Brust gesetzt hast. Das ist alles." Er fuhr sich leicht an die Schläfe, fuhr über das schmale Pflaster. "Aber du bist nicht wie ich. Du vergisst nicht." Unwillkürlich fuhr er sich über den Verlauf der Naht auf seiner Brust, die unter seinem Pullover verborgen war, ließ die Hand wieder sinken. "Ich hatte es diesen Moment so gesehen, hatte es nicht ertragen, dass du es als Nichts passiert, halb so wild, gesehen hättest." Er kam langsam auf Aya zu, blieb eine Armlänge vor ihm stehen. „Ich...es tut mir leid...ich ...habe noch nie Trost gespendet, ich bin zu egoistisch um das zu können." Ayas Augen huschten unruhig über die Züge des anderen Mannes, nahmen all ihre Wahrheit in sich auf. Tief in sich konnte es Aya nicht verstehen, dass es Schuldig möglich war, so über das hinweg zu sehen, was sie über Jahre gegeneinander hatten antreten und kämpfen lassen. Doch es war von Anfang an da gewesen…das sah er jetzt. Schuldig HATTE ihm Urlaub gönnen wollen…er hatte auch jetzt nicht aufgegeben, als sie wieder gegeneinander gekämpft hatten. Und Aya…Aya hatte nichts getan als seine Schwester zu beschützen…innerlich aufgerieben zwischen dem Wunsch, sie dazu zu bringen, wieder ihre Augen zu öffnen und der Weigerung, Schuldig aus sinnlosen Gründen zu töten. Er hatte sich für eines entschieden und nichts gewonnen. Gar nichts. Um ein Haar hätte er beide getötet…sowohl seine Schwester als auch den deutschen Telepathen. Er folgte mit seinem Blick den Handbewegungen Schuldigs, konnte sich nur allzu gut vorstellen, wie die Verletzung aussah…Und… „Vergessen habe ich sie nicht…wie könnte ich?“, murmelte er. Trost? Brauchte er wirklich Trost? Ja…denn nichts anderes hatte ihn hierher geführt. Er war nicht zufällig auf dieser Parkbank gelandet. Sein Unterbewusstsein hatte ihm die Entscheidung abgenommen. Entweder, Schuldig tötete ihn oder würde ihm das geben, wozu sein Team nicht in der Lage war: kein Mitleid. Kein Bedauern…doch genau das… "Ja...wie könntest du...?", wiederholte Schuldig blicklos und die Worte verloren sich etwas. Ran war niemand der vergaß...er dagegen schon. "Bleibst ...du?", fragte er vorsichtig, die Stimme fester, der Blick wieder klarer, Sicherheit versprechend blickte er Ran in die von Trauer und Verzweiflung gezeichneten Augen. Und Aya nickte. Ja das würde er. Weil er die Wahl hatte. Weil er nicht zurück zu seinem Team wollte. Weil er keine Perspektive sah. Also würde er bleiben und sehen, was passierte. So könnte er der Verzweiflung und Trauer, die in seinem Inneren wühlte, Tribut zollen und sich gehen lassen. Einfach treiben lassen…niemand, der ihn zwang zu töten, niemand, der ihn verhörte…niemand, der etwas von ihm wollte. Hier konnte er…er sein. Das, was er im Moment darstellte. Schuldig fühlte, wie ein Hochgefühl der Erleichterung in ihm war und es leuchtete etwas in seinen Augen, doch er nickte dazu mit ruhiger Miene, ebenso wie Ran. "Bist du müde?" Er war hundemüde, die Wunde musste neu verbunden werden, denn durch die häufige Bewegung konnte sie nicht ruhen. "Ich würde mich gern hinlegen, ich hab zwar im Krankenhaus geschlafen, aber nicht richtig", erklärte er seine Frage. Vielleicht wollte Ran noch nicht ins Bett, das konnte er handhaben wie er wollte, aber Schuldig fühlte, wie der Schlaf an ihm zerrte. „Hast du Schlaftabletten? Dann…geht es vielleicht…“ Aya seufzte und schaute herüber zum Bett, dann wieder zur Couch, auf der der kleine Bär lag. Ein bitterer Zug legte sich auf seine Lippen, als er das Pflaster auf dem Bauch des Teddys sah. Verletzt…wie sein Besitzer…blutend…wie jeder hier. Aya wischte sich die Tränen von seinen Wangen – vergeblich. Es kamen wieder neue…und noch einmal… "Ich nehm das Zeug nur, wenn’s nicht mehr anders geht, aber ist immer was da." Er trat an Ran vorbei. "Das Zeug macht süchtig, wenn man’s zu häufig und regelmäßig nimmt." Den Mund unwirsch verziehend blickte er Ran an. "Ich geh ins Bad und erneuere den Verband, dauert nicht lang, wenn du willst, kannst du schon mal die Lichter löschen, ich bring dir eine der Tabletten mit." Er lächelte flüchtig und machte sich zügig ins Bad auf. Aya tat genau das…wusste auch nicht, was er sonst machen sollte. Nach und nach ging er schleppend, ohne Ziel die ganze Wohnung ab und knipste die Lichter aus. Alles, bis auf eine kleine Lampe in der Nähe des Bettes, auf das er sich nun nieder gleiten ließ. Zusammen mit dem Bären in der Hand, den er von der Couch mitgenommen hatte. Auch wenn er keine große Hoffnung hegte, schlafen zu können… Sich den weißen Verband begutachend befand Schuldig, dass er ihn nicht wechseln musste, erst wieder nach zwei Tagen, wenn er nicht feucht wurde. Schuldig hätte ihn nicht wechseln müssen, wenn er durch die Badewannenrettungsaktion von vorhin nass geworden wäre. Er putzte sich die Zähne, wusch sich übers Gesicht und kurz über die Stellen, die der Reinigung bedurften, zwecks Wohlgefühl, denn im Krankenhaus hatte er sich nicht duschen können und vereinzelt war noch getrocknetes Blut auf seiner Haut. Vor allem auch unter den Nägel, und im Haar. Das würde warten müssen, beschloss er und fing an sich die Nägel zu schrubben. Nachdem das fleischwasserähnliche Verfärbte im Ausguss davonfloss, trocknete er seine Hände, blickte unterdessen in den neuen Spiegel, den er sich vor Tagen zugelegt hatte. Was für ein seltsamer Tag..., dachte er und verzog den Mund ironisch. Weihnachten...und ihm war ...als übernahm er den Part der Herberge...und was war Aya...das Christkind? Er lachte leise und rollte mit den Augen über den Unfug. Danach warf er das Handtuch in den hölzernen, vergitterten Wäschebehälter und verließ das Bad. Ran saß zusammengesunken auf dem Bett. Schuldig fiel ein, dass er noch die Tablette mitbringen wollte. Er ging noch einmal zurück und holte eine der leichteren Schlaftabletten, die Leuten gut halfen, die sonst nie welche zu sich nahmen. Für ihn waren diese Pillen nichts weiter als Gummibärchen. Sie hatten längst keine Wirkung mehr auf ihn. Mit einem Glas Wasser, welches er aus der Küche holte, kam er zu Aya, hielt ihm beides hin. "Die wird dir bestimmt zu etwas Schlaf verhelfen", sagte er zuversichtlich und lächelte sanft. Rans Augen waren rot verweint, die Lippen rau und geschwollen. Vermutlich hatte ihn das Weinen angestrengt. Er sah fertig aus. Ayas Augen hoben sich und trafen auf die unscheinbare, weiße Tablette. War das sein Weg in eine traumlose Nacht? Auf Vergessen? Er seufzte leise, pickte sich das Medikament aus Schuldigs Hand und schluckte es zusammen mit dem Wasser. Er hatte keine Erfahrung mit Schlafmitteln, hatte nie wirklich geglaubt, dass sie helfen würden. Hatte er auf der anderen Seite doch schon genug von Barbituraten und deren Nebenwirkungen gehört. Aber war das jetzt nicht alles völlig egal? Resigniert schloss Aya die Augen und legte sich auf das Bett nieder, zog die Decke beinahe gänzlich über sich. Es war nicht so, dass er den Deutschen völlig ausblendete, dass er ihn ignorierte. Er hatte einfach nur nicht die Kraft zu zwischenmenschlichem Kontakt. Alles, was er wollte, war, die Zeit zurückzudrehen und sie zu retten. Mit all seiner Kraft. Wieso….ausgerechnet sie? War es nicht immer er, der von ihnen beiden zuerst sterben sollte? Warum sie. Aya presste seine Lider aufeinander und drückte sein Gesicht in das Kissen. Verzweiflung überrollte ihn zum unzähligsten Male und ließ ihn sich fragen, wie lange er das noch durchmachen musste, bis er….bis er….ja, bis was? Was wollte er? Schuldig blickte ruhig dabei zu wie Ran die Tablette nahm, zog sich danach um und legte sich auf die andere Seite. Das würde keine ruhige Nacht werden, schwante ihm, denn so neben Ran zu liegen, der hoffentlich durch die Tablette schlafen konnte...doch zu wissen, dass es ihm dreckig ging... Nun Schuldig hatte selten Probleme mit dem Schlafen, nur hin und wieder, wenn sein Kopf von der Fülle der Gedanken überquoll, was momentan nicht der Fall war. "Ran...?", sprach er den Anderen noch einmal an. Er musste das noch klären. Es dauerte einen langen…wirklich langen Moment, bis ein leises, durch das Kissen gedämpftes „Ja…“ zu Schuldig hinüberschallte und die Stille des großen Raumes brach. "Soll ich...ich meine, fändest du es ...", er suchte nach einem treffenden Wort... "...ungut... wenn ich jemandem telepathisch Bescheid gebe, dass du hier bist und sie sich keine Sorgen machen müssen?" Er runzelte die Stirn. Er konnte sowas einfach nicht, solche ...zwischenmenschlichen ‚Dinge’ besprechen...so normale Sachen... Aya musste beinahe lächeln über diese bittere Ironie. Keine…Sorgen. Sie müssten sich keine Sorgen machen…Aya wusste, dass es egoistisch war, so zu denken, doch er hatte nicht im Geringsten an sein Team gedacht…tat es auch jetzt nicht. Seine Gedanken fixierten sich wieder und wieder auf Aya, auf die Trauer, die in seinem Inneren tobte wie ein Sturm. Auf Vorwürfe, Wut, bodenlose, tiefe Dunkelheit, die so nah vor ihm wuchtete. „Egal…“, entlockte er seinen Lippen ein minimales Wispern. Es war das Einzige, für das er noch genug Kraft aufbringen konnte. Egal...wiederholte Schuldig und verzog den Mund in einer kleinen Grübelei über die Bedeutung und die Auslegung dieses Wortes. Es hieß soviel wie ‚gleich', oder ‚fünzig-fünfzig'. Hieße das nun, es war ihm fünfzig Prozent zuwider, dass Schuldig sie kontaktierte und fünfzig Prozent begrüßte er es? Konnte er nicht eindeutigere Angaben machen? Nein, Schuldig du Egoist...er ist momentan in einem Zustand...da ist ihm kurz gesagt alles ‚scheißegal’. So lautet die korrekte Bedeutung, maßregelte er sich selbst. "Hmm." Nach dieser wenig aussagekräftigen Antwort schwieg er und schloss die Augen. Kein Gute Nacht, kein Schlaf gut, kein gar nichts. Was sollte er auch sagen? Es würde nicht zutreffen. Aya schwieg ebenso, ließ sich schließlich von der tosenden Stille des Raumes überrollen…sich unter ihr begraben. Er wusste nicht mehr, wie er sich und was er fühlte, so schlecht ging es ihm. Immer und immer wieder tanzten Bilder von Aya in seinem Kopf. Wie er ihr die Ohrringe gekauft hatte, die sie nie tragen würde. Wie sie gemeinsam gelacht hatten. In Cafés…Restaurants…wo sie gerade waren und nach ihren Zukünftigen gesucht hatten. Kitsch pur, doch ihnen beiden war es die liebste Zeit gewesen. Und nun…würde sie nie wieder kommen. Nun hatte sie ihn verlassen… Den Blick in seiner völlig dunklen Umgebung verloren, weinte Aya lautlos. Ließ die Tränen ein weiteres Mal fließen, ohne dass sie ihm ein Quäntchen Linderung verschafften. Nein…solange, bis er tief in die Erinnerung aus glücklichen Tagen dem drogeninduzierten Schlaf zum Opfer fiel. Schuldig ahnte mehr, als dass er hörte wie der Mann neben ihm sich erneut in den Fluss der Verzweiflung ergab, doch leider war dieser Strom nicht Lethe, es war keiner des Vergessens, wie er es wohl eher begrüßt hätte. Schuldig schüttelte den Kopf. Vergessen war nie gut. Ran musste dadurch, nur so ginge es ihm sicher bald etwas besser ... so dachte er. Er hatte noch nie jemanden verloren, der ihm wichtig war...den er ...hmm ja geliebt hatte. Einen geliebten Menschen...verlieren? Geliebter Mensch... So etwas hatte es bei ihm noch nie gegeben. Gut, räumte er ein... es gab da so ein paar seltsame Kerle - drei um genau zu sein - die er auf eine verquere Weise mochte, weil es sich irgendwie so ...eingewöhnt hatte. Aber er stellte sich unter dem Begriff geliebter Mensch doch etwas anderes vor. Hatte er jemals etwas verloren? Bis auf Erinnerungen? Und hatten ihm diese Erinnerungen soviel bedeutet, dass er ihren Verlust bedauerte? Schuldig lag noch eine Zeit wach, bis er den regelmäßigen Atem von Ran hörte und davon eingehüllt, sich zu ihm ins Traumland gesellte. Morgen würde er Balinese kontaktieren. o~ Youji Kudou fuhr sich müde über die stoppeligen Bartfransen, schenkte sich und der Arbeitsfläche unter seiner Tasse gedankenlos Kaffee ein. Aya war nicht da. Seit gestern war er aus dem Krankenhaus nicht wiedergekommen. Der heiße Kaffee tropfte in kleinen, genüsslichen Mengen auf die Küchenfliesen. Das konnte nur bedeuten, dass etwas mit seiner Schwester war, oder dass sie… Nein, Youji war nicht dumm…er konnte sich vorstellen, was passiert sein könnte und das machte ihm Angst. Fujimiya-san hatte das Krankenhaus verlassen, soweit die Auskunft der Schwester. Doch was das bedeutete…er mochte es sich nicht ausmalen…. Mit einem Wohllaut drehte sich Schuldig im Bett und streckte sich ausgiebig. Er hatte hervorragend geschlafen und wollte noch etwas dösen, bevor er aufstand. Etwas in ihm ließ ihn jedoch die Augen einen Spalt weit öffnen und in das Gesicht des rothaarigen Mannes beobachtend blicken, der es ihm - vermutlich im Schlaf - zugewandt hatte. Ran lag auf der Seite, das Gesicht entspannt, aber auch abgezehrt und fahl. Man konnte ihm ansehen, dass er gerade eine schlimme Zeit durchmachte. Das lange Haar war in wilden Wellen verteilt, verdeckte die Hälfte des Gesichtes. Die Wimpern lagen ruhig auf den Wangen. Ran schlief noch fest. Schuldig ließ sich Zeit mit der Betrachtung, als wollte er jede Einzelheit in seinem Gedächtnis abspeichern. Und so war es auch. Er wollte Ran nie wieder vergessen. Nicht mehr so. Nach einiger Zeit, in der er so dalag und dem anderen beim Schlafen zusah - was zugegebenermaßen sehr entspannend war - ließ er seine Gedanken in die des Ex-Schnüfflers der Weiß Killer dringen. ‚Hey Schnüffler...', so die wenig herzliche Begrüßung von Schuldig, in die Gedankenwelt des Weißmitgliedes Als wäre der Kaffee auf dem Boden der Küche noch nicht genug gewesen, verteilte er sich nun auch noch auf die gekachelte Wand der Arbeitsfläche, als Youji anhand des deutlichen Gefahrensignals beinahe die Tasse wegschmiss. „SCHEIßE!“, fluchte er laut, als ihm die schwarze Brühe über die Hand lief und verdammt heiß war. ‚Was wird das, Schwarz?’, zischte er in Gedanken ebenso ungehalten, erinnerte sich noch genau an die feindliche Übernahme von vor ein paar Tagen. ‚ Jetzt echauffier dich nicht gleich, Blondschopf. Da will ich hier ein vernünftiges Gespräch führen und ...das ist der Dank! Ich will dir nur helfen', meinte Schuldig jovial und hätte wohl die Nase sehr weit hoch getragen, wenn sie sich gegenübergestellt gewesen wären. ‚Fick dich und lass mich in Ruhe. Ich hab andere Probleme als deine liebestollen Anwandlungen. Und lass Aya in Ruhe, er ist fertig mit dir!’, gab Youji völlig unbeeindruckt zurück und griff nach einem Wischlappen, sah fasziniert zu, wie dieser seine Farbe innerhalb von Sekunden von Weiß zu abartigst braun wechselte. ‚Du bist ja unhöflich' stellte Schuldig mit einem ironischen Unterton fest, nur um dann wieder ernster zu werden. Er wartete etwas ab. ‚ Er ist fertig...da hast du Recht...so sieht er auch aus. Will sagen, dass er bei mir ist und falls es dich interessiert...es geht ihm den Umständen entsprechend.' Schuldig wartete gelassen darauf, dass Balinese ihm erklärte, dass er ihm kein Sterbenswörtchen glauben würde. Doch wie es das Schicksal so wollte, glaubte ihm Youji jedes einzelne Wort. Jedes einzelne, verdammte Wort! ‚Bei dir? Was hast du mit ihm gemacht? Ist das wieder eines deiner Spielchen ja? Willst du Weiß jetzt vorführen, wie sehr du ihn fertig gemacht hast?’, wallte die wütende und äußerst besorgte Antwort durch ihre Verbindung zu Schuldig herüber. Aya bei Schuldig? Fertig? Wieso…? War es dem Deutschen gelungen, ihren Anführer erneut gefangen zu nehmen? Beinah hätte Schuldig mit den Augen gerollt. Es war so sicher wie das Amen in der Kirche, dass Yohji ihm unterstellte, dass er Ran hier her verschleppt und womöglich noch andere Nettigkeiten verübt hatte. ‚ Was ich mit ihm gemacht habe?' Schuldig blieb ruhig. ‚Ihn vor dem Erfrierungstod gerettet. Hört sich vielleicht etwas dramatisch an', spielte er es etwas herunter. ‚... aber das Kätzchen ist mir mehr oder weniger zugelaufen. Es saß auf einer eingeschneiten Bank. Wie lange weiß ich nicht, aber er war eiskalt und die weißen Pfötchen taten ihm weh', säuselte er etwas. ‚Was zur Hölle glaubst du eigentlich, Weiß?', fuhr er jetzt wütend auf. ‚Mir liegt etwas an ihm, also werde ich ihn bestimmt nicht vögeln, während er Rotz und Wasser heult und abwesend vor sich hin starrt. Wer von uns hat eigentlich abartige Gedanken?' Mir liegt etwas an ihm. Schuldig lag etwas an Aya. Nein, das glaubte Youji dem Schwarz nun wirklich nicht. ‚Klar, und weil dir so viel an ihm liegt, verprügelst du ihn. Klasse Sache. Lass dir was Besseres einfallen. Oder nein…lass mich zu ihm und ihn abholen. Oder meinst du etwa, ich will ihn bei dir lassen? Er gehört zu uns….und egal….’ Youji stockte, als die volle Bedeutung von Schuldigs Worten in ihn sackte. Aya geweint? Völlig erfroren…? Wieso? ‚Was ist mit ihm?’ Dem Weiß gingen viele Gedanken durch den Kopf, schwirrten umher wie ein betriebsamer Bienenstock. Schuldig ging nicht auf die ersten Vorwürfe ein. Wie sollte er das groß erklären? ‚Du bist wahrlich schlecht informiert und das als ehemaliger Privatschnüffler....', mokierte sich Schuldig. ‚Seine Schwester ist tot. Zähl eins und eins zusammen und du kommst sicher darauf, warum er ausgerechnet mir zugelaufen ist.' Tief in sich selbst konnte Schuldig diesen Gedanken nicht verdrängen - den Verdacht, dass Ran zu ihm gekommen war, damit Schuldig ihm half...ja...ihm allerdings bei seinem Ableben behilflich war. Ob er seine Nähe gesucht hatte, weil er unterbewusst nach Hilfe geschrieen hatte...wusste Schuldig nicht. Er wünschte es sich, auf eine Art, aber die Realität konnte man sich nicht immer schön wünschen. Scheiße. Ein unangenehmer Schauer durchfuhr Youji, der sich in einer Ganzkörpergänsehaut veräußerte. Aya war tot. Der blonde Weiß schluckte schwer. Wie war das möglich? Sie war doch sicher und auf dem Wege der Besserung gewesen. Wieso…in aller Welt war sie tot? Und was zur Hölle war mit ihrem Bruder? ‚Ein Grund mehr, ihn nicht bei dir zu lassen…wenn er zu dir gekommen ist, um sich von dir töten zu lassen, kommt er vermutlich auf noch dümmere Ideen. Von dir ganz zu schweigen. Nenn mir die Adresse.’ Auch seine gedankliche Stimme war überschwemmt von Sorge um den rothaarigen Mann. Dazu hätte man ihm nicht in die Augen sehen müssen. ‚Werde bloß nicht beleidigend, Schnüffler. Die komischen Ideen hast allesamt du bisher gehabt!' wirkte Schuldig leicht eingeschnappt. Nun gut, er war jetzt nicht der Musterknabe an Tugendhaftigkeit, aber er hatte seine Prinzipien...seine Regeln. ‚Ich will dich hier nicht haben, Weiß. Ihm geht es gut, dass muss dir reichen, wenn er zurück zu euch kommen will, wird er das selbst entscheiden. Er ist alt genug und mündig, klar im Kopf und bei Bewusstsein.' ‚Bei Bewusstsein?’, entkam es Youji bitter. ‚Seine Schwester ist gestorben und die letzten beiden Wochen waren für ihn die Hölle. Er IST nicht bei Bewusstsein, er ist lebensmüde, Schwarz. Es geht ihm nicht GUT…ich will, dass du ihn entweder hier ablieferst oder mich zu ihm bringst. Ich will mit eigenen Augen sehen, WIE gut es ihm geht. Und wage es nicht, mir das anzuschlagen…ICH gehöre zu seinem Team, nicht DU. Dich hat er nur zum Sterben aufgesucht…WIR können ihm helfen.’ Dich hat er zum Sterben aufgesucht. Zum Sterben aufgesucht...nur zum sterben. Wiederholte Schuldig und war für einen Moment wie gelähmt. Es tat weh, das zu hören. Unwillkürlich rollte er sich im Bett etwas mehr zusammen, als wäre ihm kalt, zog die Decke näher. Er wollte nicht, dass einer der Anderen hier einlief. Aber er wusste auch durch die Gedanken des Weißkillers, dass er sich nicht so einfach abwimmeln lassen würde. Und Schuldig wollte das Gespräch nicht abrupt beenden. Er wollte schließlich Rans Zustand nicht als lebensbedrohlich darstellen. 'Ich gebe dir die Adresse eines Platzes in der Nähe. Ich werde dich abholen und du kannst dich davon überzeugen, dass er freiwillig hier ist. Er kann gehen, wohin er will, ich halte ihn nicht auf. Wenn er mit dir gehen will dann kann er das tun. Ich stelle als Bedingung, dass ich dir die Augen verbinde, außer du willst, dass ich dir die Erinnerung an den Weg nehme. Es wäre eine Option.' Doch überrascht über die Bereitschaft des anderen Mannes, ihn zu sich zu holen, konnte Youji nichts anderes tun als nicken. ‚Gib mir die Adresse. Ich bin sofort da. Ich wähle allerdings die Augenbinde…ich will nicht, dass du in meinen Gedanken herumpfuschst’, erwiderte er schließlich und strich sich durch die Haare. Er brannte darauf, zu Aya zu gelangen und das so schnell wie möglich. All seine Sorge galt dem rothaarigen Mann und dessen Zustand. Schuldig gab ihm die Adresse und kehrte wieder zurück, fühlte die Wärme der Decke...und wie etwas anderes sein Gesicht streifte. Er blinzelte etwas und war konfrontiert mit Ayas Gesicht, welches näher bei ihm war, als vorhin noch. Vermutlich hatte er sich gedreht und war dadurch näher gekommen. Er lag jetzt auf dem Bauch, das Gesicht Schuldig zugewandt, die Lippen entspannt, kein bitterer Zug lag darum. Der Atem streifte Schuldigs Gesicht, so nah lag er. Schuldig kaute auf der Innenseite seiner Lippe herum. ‚Du suchst die Nähe deines Henkers, was?', quälte er sich selbst mit diesen Worten. o~ Youji verschränkte zitternd die Arme vor seiner Brust und ließ seinen Blick ungeduldig über die geschäftige Straße gleiten. Autolärm, wohin er hörte, Menschen, wohin er sah. Und das sollte Weihnachten sein…hier war nichts von gemütlicher Beschaulichkeit zu sehen…das hier war das unpersönliche, hektische Tokyo. In dem er auf den feindlichen Telepathen wartete. Verkehrte Welt, durch und durch. Er wusste, dass er sich Sorgen machen sollte, dass es eine Falle war. Dass Schwarz etwas im Schilde führte, das sich seiner Kenntnis entzog. Dennoch…glaubte er dem Deutschen alles, was dieser gesagt hatte. Ayas Schwester, sie war tot. Youji konnte sich ausmalen, was das für Aya bedeutete und er wollte bei seinem Freund sein und ihm Beistand leisten. Er traute Schuldig in diesem Punkt nicht, hatte er doch nur zu gut in Erinnerung, wie schrecklich Aya ausgesehen hatte, als sie ihn gefunden hatten. Nein…das war das Werk von Schwarz. Ebenso wie diese verdammte Entführung! Er trat von einem Fuß auf den anderen, vergrub seine Nase in den wollenen, weichen Schal und pustete durch die dicke Wolle dichte, weiße Wolken in den winterlich verhangenen Himmel, aus dem nun einzelne, kleine Schneeflocken entkamen. Ran schlief noch, als sich Schuldig aufmachte, die Tür leise ins Schloss zog und seinen Wagen holte. Wenn Crawford wüsste, was er hier schon wieder veranstaltete, er würde vermutlich vorbeikommen und ihm noch mal eine reinhauen, wie schon einmal geschehen. Oder er wusste es und seit der letzten Aktion, die Schuldig gebracht hatte, als er Brad gehöriges Schädeldröhnen beschert hatte, hielt er sich aus seinen Sachen heraus. Schuldig verzog den Mund etwas unwillig. Er war sich nicht sicher, ob er das unbedingt wollte. Eine Stunde später fuhr er in die Straße, deren Adresse er Yohji genannt hatte. Er drosselte sein Tempo und rollte neben den Jüngeren, der in abweisender Haltung wartete. Für ein paar Momente starrte Youji in den teuren, luxuriösen Sportwagen, der augenscheinlich Schuldig gehörte. Da war er, der verhasste Telepath. Feind aller Tage. Momentan jedoch derjenige, der wusste, wo sich Aya aufhielt. Youji atmete tief ein und öffnete resolut die Autotür. Erwiderte den Blick der blau-grünen Augen zunächst wortlos. Schuldig sah ja sehr ausgeruht aus, dafür, dass er einen in Tränen aufgelösten Aya gefunden hatte. „Wurde auch Zeit“, brachte er halbherzig hervor und ließ sich in den Sitz gleiten, fühlte sich dabei höchst unwohl. Wer hätte das denn auch nicht? "Tja, schnell bin ich... aber Flügel sind mir noch keine gewachsen, dumm was?", giftete er zurück, ein arrogantes Lächeln aufgesetzt. Viele, die mit ihm eine Begegnung gehabt hatten, behaupteten später, er wäre so schnell wie der Wind, oder wie ein Schatten, kaum zu bemerken. In Kämpfen fiel das besonders auf, dass sogar jemand ihm Teleportationskräfte angedichtet hatte. Vielleicht war er deshalb bei Kritiker so begehrt. Es lag aber vielmehr daran, dass er die Wahrnehmung in den Köpfen veränderte, wenn er Kontakte zu anderen hatte, so war er oft nur ein Nebelgespinnst, da, aber doch wieder nicht und schnell vergessen. Er lenkte den Wagen in eine der Seitengassen und zog eine Augenbinde hervor. "Wenn ich mitbekomme, dass du linst, ist es gelaufen, klar? Dann ist sicher, dass ich dir die Erinnerung an den Weg nehme." Youji schnallte sich an und griff wortlos nach der Augenbinde. Legte sie sich über die Augen und zurrte sie sich an seinem Hinterkopf fest. „Keine Sorge, Schwarz, ich stehe nicht auf Betrug. Und schon gar nicht darauf, dass du in meinen Gedanken David Copperfield spielst“, giftete er und lehnte sich steif zurück. Wie komisch…im Auto seines Feindes. Komischer Geruch. „Was weißt du über Ayas Tod?“ Schuldig hielt den Blick auf die Straße gerichtet. "Nichts." Seine schlichte Erwiderung begleitete ein lässiges Schulterzucken. Der Andere sollte sich nur davon überzeugen wie es Ran ging und dann sollte er wieder einen Abflug machen. Mehr nicht. Den Rest der Fahrt verbrachten sie beide in grollendem Schweigen. Wie denn auch sonst? Sie hatten sich ganz einfach nichts zu sagen. Sie waren eine Zweckgemeinschaft, wenn auch eine höchst skurrile und sich nicht wirklich leiden könnende. Doch das war Youji im Moment völlig egal. Angespannt wartete er, bis sie standen und Schuldig den Wagen verließ, nahm sich dann erst die Augenbinde ab, folgte dem Deutschen. So…da waren sie also. Im Aufzug, wurde Schuldig richtig bewusst, dass er nun einen Feind in seine Wohnung führte, in seine geheiligten Hallen. Zum ersten Mal war ihm, als müsste er aus der Haut fahren und sich gleichzeitig ein Versteck suchen. Obwohl er sich jederzeit verteidigen konnte, hasste er es, diesen Mann hierher geführt zu haben. Den Gedanken daran, dass er dessen Anführer hier gerne hatte und dieses Gefühl des Versteckens bei Ran nie dagewesen war, vergaß er nicht, es machte die Sache aber auch nicht leichter. Er ging voran, als sie das letzte Stockwerk erreicht hatten, öffnete die Tür und ließ den Mann eintreten. "Rechts hinten ist der Schlafbereich, ich vermute er schläft noch.“ So sehr Youji auch zu seinem Freund wollte, so intensiv ließ er jetzt seinen Blick durch die abgedunkelte Wohnung des Telepathen gleiten. Das hier war…Luxus. Viel Raum, sehr stilvoll und teuer. Geld schwitzte hier aus allen Poren...doch was erwartete er? Schwarz verdiente sicherlich um Längen mehr als sie. Er zuckte mit den Schultern. Das hatte ihn nicht zu interessieren. Aya war derjenige, dem seine Aufmerksamkeit gelten sollte. Youji folgte Schuldigs ‚Wegbeschreibung’ und sah ihn. Friedlich schlafend, auf dem Bauch, nur erhellt durch eine kleine Lampe in der Nähe dieses ausufernden Bettes. Auf dem ZWEI Decken lagen. Der blonde Weiß schauderte leicht. Irgendwie konnte er sich so ganz und gar nicht vorstellen, dass Aya wirklich – unter welchen Umständen auch immer – allen Ernstes mit dem Deutschen in einem Bett schlafen würde. Wie schrecklich bleich Aya aussah. Völlig fertig, auch jetzt noch. Youji ging lautlos in die Hocke, betrachtete seinen Freund für ein paar Momente. Strich schließlich leicht die ins Gesicht gefallenen Strähnen zurück. „Was machst du nur für Sachen…“, murmelte er leise. Schuldig zog seinen Mantel aus, und tigerte zur Couch, lehnte sich an die Rückseite und blickte mit Argusaugen auf das Tun seines Gastes. Die Arme hatte er vor der Brust verschränkt und die Augen waren auf jede Aktion des Weißmitgliedes fixiert. Nach einigen Minuten kam er sich selbst etwas ...paranoid...oder doch fast schon lauernd vor. Er beschloss etwas zu machen. Vermutlich wollte der Blonde mit Ran reden. Schuldig stromerte zur Küche, kochte sich einen Kaffee, danach ging er wieder zum Fenster. Gut...scheinbar war er nervös...warum auch immer.... Youjis Blick blieb für ein paar lange Momente an dem langsam blasser werdenden Hämatom am Kiefer des rothaarigen Mannes hängen, bevor er nach oben wanderte und über die frische Beule strich, die Ayas Schläfe verunzierte. Auch Schwarz. Und da sollte er den anderen Mann hier lassen? Hier bei dem Menschen, der ihm eben dieses zugefügt hatte? Wie konnte er denn sicher sein, dass Schuldig Ayas Schwäche nicht ausnutzte? Wie in den verdammten fünf Tagen, die dieser anscheinend genau hier gefangen gewesen war. Der blonde Weiß erhob sich langsam. Besser, Aya noch etwas schlafen zu lassen…besser, ihm Ruhe zu gönnen, wenn er sie wirklich brauchte. Dafür würde jemand anderes jetzt keine Ruhe bekommen. Schuldig war ihm ein paar Antworten…schuldig. Ja. Das war er. Er drehte sich um, taxierte den fernen Rücken ihres Gegners wütend und setzte sich in Bewegung. „Ich will mit dir reden. Über Aya“, setzte er an und stellte sich neben Schuldig. Schuldig zeigte keine Regung. "Schieß los." Er ging in die Küche und schenkte sich einen Kaffee ein. Wenn das hier ein Verhör ...in seiner eigenen Wohnung werden würde, dann wenigstens mit dem Luxus eines heißen Getränks. Er hatte nicht vor, dem Anderen einen anzubieten. Und Youji hatte nicht vor, einen zu trinken. „Fangen wir von vorne an. Ihr habt ihn entführt. Warum?“ Das war die Gelegenheit um sich ein eigenes Bild von der Situation zu machen und zu entscheiden, ob Schuldig wirklich so harmlos war, wie er sich gab. Der Kaffee tat gut und Schuldig überlegte sich seine Antwort genau, nachdem er zu dem Schluss gekommen war, dass es am Besten wäre, er würde mit dem Blondschopf reden. Da führte kein Weg dran vorbei...wenn er Ran in seiner Nähe wissen wollte. "Wir machen keine Gefangenen. Ran ...Aya wäre laut unserer Regeln getötet worden. Ich wollte ihn nicht tot sehen. Crawford ging auf den Deal ein: Entweder er bleibt bei mir, oder er wird getötet." Ran? Youji zischte innerlich, dass sich der Schwarz herausnahm, den Anführer von Weiß bei dem Namen zu nennen, der selbst ihnen verwehrt war. Äußerlich jedoch blieb er völlig ruhig, auch wenn das keinen großen Unterschied machte. Schwarz machten also keine Gefangenen und dennoch lebte Aya. Interessant. „Und was hast du dann getan? Du hast ihn sicherlich nicht aus reiner Nächstenliebe bei dir gefangen gehalten?“ "Getan?" Was sollte er schon groß getan haben. "Es gab keinen besonderen Zweck für seinen Aufenthalt hier, nur dass er lebte. Ich wollte ihn nicht Farfarello überlassen, der ihn töten sollte. Er kam mit hierher und ich musste mir überlegen, was weiter geschehen sollte. Ich hatte keinen Plan, keine Absicht. Es war eine spontane Entscheidung. Du kennst doch sowas...sicherlich?!", sagte er mit leiser Ironie. „Nein…Spontaneität ist mir völlig fremd“, gab Youji nicht minder trocken zurück. Nur dass sich seine Spontaneität nicht auf das Wohl anderer Menschen ausweitete. „Du hast ihn fast verhungern lassen. War das auch eine deiner spontanen Eingebungen?“, fragte er und sah Schuldig fest in dessen Augen. Wut wallte angesichts dieses….Wissens in ihm hoch. „Ihn angekettet verhungern lassen…schlimmer als ein Tier.“ Um Schuldigs Brust schien ein Schraubstock zu sein, der in diesem Moment kontinuierlich enger wurde. "Du bewegst dich auf sehr dünnem Eis, Blondie. Ich an deiner Stelle würde jetzt langsam die Klappe halten, mir bewusst werden, dass du auf meinem Terrain bist und ich zufällig auch noch hier bin. Wenn du morgen nicht als sabbelnder Idiot in einer Klinik landen willst, wo du dein Breichen vorgesetzt bekommst, dann erzähl mir du nicht wie ich mit einem Feind umzugehen habe, der vorher kurz davor war mir mein Gehirn auf dem Silbertablett euren Bossen auszuliefern." Er wurde etwas leiser, jedoch auch drohender. "Redest du hier von Skrupel? Gewissen? Moral? Anstand? Oder um was geht es hier? Um was ging es als ihr mich entführt habt, um mich bei wachem Zustand zu operieren? Um was ging es Kritiker da?" zischte er nun mehr, die Augen schmal und die Wut förmlich auf der Zunge tragend. Bodenlose Wut stahl sich in Youjis Züge. „Wie du mit ihm umzugehen hast?“, hakte er ebenso leise nach. „Nachdem er versucht hat, seiner Arbeit nachzugehen? Du hast es mit Absicht getan…“, er lachte höhnisch. „…und er erzählt mir noch, dass du einen Grund dafür hättest, dabei hast du es einfach aus purer Freude getan…um ihn zu bestrafen.“ Die Wut in Youji kochte über und er presste die Fäuste an seine Seiten, um den anderen Mann nicht zu schlagen. Nein…er würde nicht herausfordern, dass der Telepath seine verdammte Drohung wahrnahm. Doch, dass er Aya hier lassen würde, hatte sich jetzt erledigt. Schuldig war und blieb ein Sadist. „Keinem…absolut keinem von uns, war diese Mission auch nur in Ansätzen angenehm. Wir stehen nicht darauf, Versuchskaninchen an Kritiker auszuliefern. Glaub mir, ich hätte dich lieber mit meinen eigenen Händen getötet, als du wie auf dem Präsentierteller vor uns lagst. Ein schnelles Ende und einen Irren weniger. Doch nein…im Gegensatz zu euch müssen wir uns an Befehle halten und verfügen nicht über ach so tolle Kräfte. Die Wahl hieß: du oder wir. Und für wen entscheiden wir uns da wohl?“ Seine Augen funkelten böse, abgrundtief dunkel vor Wut. „Wovon ich rede, hat nichts mit Skrupel, Gewissen oder Moral zu tun. Du hast ihn soweit fertig gemacht, dass er vermutlich irgendeine kranke Dankbarkeit entwickelt hat, dass IRGENDJEMAND da war, der ihn doch nicht verhungern lässt. Und ich habe mich schon gewundert, warum er so über dich gesprochen hat.“ Youji schnaubte verächtlich, fühlte im Inneren jedoch nichts als Horror. Das war die Wahrheit...die volle Wahrheit. „Du hast ihn so fertig gemacht, dass er daran zerbrochen ist. Das ist so krank. Das ist so typisch Schwarz. Und was versprichst du dir jetzt? Dass er…verblendet wie er ist…mit dir in die Kiste steigt?“ Schuldigs Zorn der in den letzten Minuten zu brodeln begonnen hat, wallte jetzt auf und seine Atmung wurde tiefer, angewidert verzog er die Lippen zu einem gemeinen Lächeln. "Du redest, als ob du dabei gewesen wärst! Du redest hier auf, als wenn du wüsstest wie ich mich gefühlt habe, als ich ihn dort liegen sehen habe." Er ging näher auf Yohji zu. "Natürlich war er froh", sagte er lauernd "dass IRGENDJEMAND ihn gefunden hat, es war ihm scheißegal, wer es war, das ist mir klar und wäre es mir möglich gewesen, dass es zu dieser Situation kommt ....es zu umgehen, hätte ich es getan. Stell dir einmal vor…", er kam noch näher bis er seine Augen in die Grünen des Anderen bohrte. "...ich war es nicht mal, der ihn gefunden hat, die Dankbarkeit hat er wenn er sie denn entwickelt hat, nicht für mich entwickelt." Er lächelte, doch das Lächeln war etwas angeschlagen, wirkte gezwungen. "Ich bin immer noch der böse Bube bei ihm, Blondschopf, deshalb kam er ja hierher um sich von mir töten zu lassen, schon vergessen? Oder was glaubst du, weshalb er hier her kam? Wie du so schön sagst... ‚um mit mir in die Kiste zu steigen?’ Dass ich nicht lache." Er ging einen Schritt zurück. "Glaub was du willst, ich habe nicht vor eure Meinung über mich zu revidieren. Es ist zwecklos und bringt nur Probleme mit sich, wenn man einen von euch zu nah an sich heran lässt. Es gibt Gründe für viele Dinge die hier geschehen sind, von denen du keine Ahnung hast. Er kennt sie, aber dir werde ich sie nicht auf die Nase binden." „Ich will sie auch gar nicht hören…es reicht mir, dass du in seiner Nähe bist“, knurrte Youji unversöhnlich, kam aber im Gleichzug nicht umhin, über die Worte des Telepathen nachzudenken. Seine Vorwürfe schienen zumindest teilweise entkräftet, auch wenn das seinen Beschluss, Aya mitzunehmen nicht kippte. Es vermutlich auch nie tun würde. Er stierte in die ähnlich grünen Augen des Deutschen vor sich und verschränkte abwehrend seine Arme. Anscheinend legte Schuldig nicht den geringsten Wert darauf, Aya zu besteigen…oder – was er aus der wohlversteckten Reue des Telepathen ersehen konnte – ihn verletzten wollte, was das ausradierte, was ihm am Logischsten erschien. Hatten doch sowohl Omi als auch er selbst den Verdacht gehegt, dass hier mehr passiert war, als sie wussten und uf den ersten Blick gesehen hatten. Aber wozu sollte Schuldig ihn anlügen? „Er hat dir das also einfach so verziehen? Und was ist danach passiert?“, fragte er schließlich. Schuldig lachte freudlos auf. "Ja, sicher...verziehen", sagte er zynisch. "Er hat sich wieder etwas erholt und danach ließ ich ihn gehen. Fertig. Ende der Geschichte. Mehr gab es da nicht", log er, oder vielmehr ließ er die Details aus. Warum sollte er erzählen, wie mühselig es war, Ran das Essen einzutrichtern, ihn wieder und wieder zu animieren, etwas zu trinken. Und doch hatte es geklappt. Aber er hatte nicht vor, sein Seelenleben dem Schnüffler aufzutischen. Und er wollte ihm auch nicht erzählen, dass Crawford maßgeblich daran beteiligt war, dass Ran noch lebte oder besser nicht in einem Krankenhaus lag. Natürlich ließ Schuldig etwas in seinen Erzählungen aus, das konnte sich Youji an fünf Fingern abzählen. Doch nachzuhaken brachte nichts. Er kannte nun beide Versionen…doch in beiden waren Lücken, die durchaus Auffälligkeiten aufwiesen…die anscheinend aber jedem anderen verborgen blieben. „Und warum lässt er sich dann von dir und Crawford einfach so zusammenschlagen? Warum läuft er dir dann noch nach? Wie erklärst du mir das?“, fragte er blonde Weiß und sah eindringlich in die Augen des anderen Mannes, hatte er doch noch gut die farbenfrohen Hämatome seines langhaarigen Freundes in Erinnerung. Die Scham in dessen Blick, als er im Auto zu sich gekommen war. All das machte Youji wütend…sehr sogar. Schuldig schnaubte. "Findest du es nicht etwas anmaßend zu behaupten, er hätte sich ‚einfach so’ zusammenschlagen lassen?", knurrte er. "Bist du schon einmal auf die Idee gekommen, dass sie ihn observieren, du Held? Ich wollte nicht, dass er in Gefahr ist, nur weil ich ihn habe laufen lassen", lenkte er äußerlich ruhiger aber innerlich nicht minder aufgewühlter hinzu. Ihn regte es auf, dass der Blonde hier war und all diese Fragen stellte. "Ich wusste, wenn ich ihn laufen lasse, würde es zu Problemen kommen, und zwar meine ich nicht mich damit", warf er dem Mann neben sich einen warnenden Blick zu. "Aber ich musste ihn gehen lassen, das war mir auch klar. Ich wollte ihn nicht ewig hier festhalten. Und vergiss bitte nicht, dass ich meinen Boss im Nacken hatte und unsere Regeln habe ich auch gebrochen." Schuldigs Augen verengten sich verärgert. "Als wir gekämpft haben, habe ich einen Spion von Kritiker bemerkt, der per Funk Rans Erfolg oder Misserfolg über mein Ableben berichten sollte. Sollte er als Verräter gestempelt werden, Weiß? Willst du das? Nein. Also dann... ich ließ es so aussehen, als hätten wir ihn besiegt und der Spion sah, dass er keine Chance gegen uns hatte. Es war für mich die einzige Möglichkeit die Situation zu retten. Für ihn und für mich." Schuldig schwieg für einen Moment. "Es ist nicht leicht, seinen Hass zu ertragen, aber er ist nur hier um sich von mir zu seiner Schwester befördern zu lassen", grinste er etwas schräg, den Blonden dabei direkt ansehend. "Keine Angst, mehr ist es nicht." Youji schwieg. Das hier war Wahrheit…keine Lüge. Schuldig hatte keinen Grund ihn anzulügen, wie er es nun sah. Das musste er erst einmal verdauen. Schwarz nicht so böse, wie er bisher gedacht hatte? Gott, das war so kitschig. Schuldig hatte also eine kleine Vorliebe für ihren Anführer…und Youji wusste nicht, ob Aya dem gänzlich abgeneigt war. Vor diesen unseligen fünf Tagen hätte er die Frage klar und deutlich mit nein beantworten könnten. Doch nun war er sich nicht mehr so sicher. Denn irgendetwas zog die beiden Männer an, die sich sonst wie Feuer und Wasser verhalten hatten. Aya wollte sterben…das hatte er in den Raum geworfen, weil er es vermutete. Doch er hoffte inständig, dass dem nicht so war. Was jedoch die Frage aufwarf, wie Aya über den Telepathen dachte, der so überraschend menschlich schien. So, wie ihn Youji nie wahrgenommen hatte. War doch das Feindbild des ruchlosen, teuflischen Sadisten viel ergiebiger gewesen, was seinen Hass anbelangte. „Und was wirst du tun, wenn er dich darum bittet?“, fragte er schließlich. „Ihm seinen Wunsch erfüllen?“ "Meinst du nicht auch, ich hätte genug Gelegenheiten gehabt um genau das zu tun? " Seine Stimme war ruhig aber angespannt. Wenn der Typ nicht bald aufhörte mit seinen Fragen sprang er ihm noch an die Kehle. „Ich kann deine Gedanken nicht lesen, falls du das vergessen hast“, gab Youji mit einem zynischen Lächeln zurück. „Ich habe keinen Anhaltspunkt dafür, dass du letzten Endes nicht doch austickst und ihn verletzt…“ Er drehte sich weg, zurück zum Raum hin und erstarrte. Erschreckte sich anhand der Gestalt, die unweit von ihnen stand, völlig still, mit hängenden Schultern und einem…Teddy in der linken Hand. Das Gesicht bleich und eingefallen, die Augen rotgerändert. Youji hatte Mühe, in dieser hilflosen Gestalt den starken, rothaarigen Japaner zu erkennen, der mit Wut kämpfte und sein Schwert führte. Er hatte Mühe, etwas zu sagen. Konnte es für ein paar lange Momente nicht. "Ich...", wollte Schuldig gerade dazu ansetzen um zu bestätigen, dass er selbst auch keinen Anhaltspunkt hatte... als Yohji verstummte und sich umdrehte, danach etwas erstarrte wie es auf Schuldig den Eindruck erweckte. Er folgte der Bewegung und stellte wenig erstaunt fest, dass Ran aufgestanden war. Nur wie lange er dort gestanden hatte, war Schuldig nicht klar, er hatte ihn nicht bemerkt. "Morgen, Ran", grüßte er und blickte Ran ruhig und fest in die Augen. Er sah nicht mehr ganz so aufgelöst wie gestern aus, wirkte minimal erholter. Youjis Blick ruckte für einen Moment zurück zu Schuldig, fragte sich, woher in aller Welt sich dieser das Recht herausnahm, Aya bei seinem richtigen Namen zu nennen. So vertraut mit ihm zu sein. Dann jedoch konzentrierte er sich auf das wirklich Wichtige und trat einen Schritt auf Aya zu. Noch einen…einen dritten, bis er einen schweigenden Blick in die verzweifelten, zu ihm emporschauenden Augen sehen konnte. „Hey…“, entkam es ihm sanft, als er eine der störenden, roten Strähnen aus dem Gesicht strich, seine Aufmerksamkeit mit niemand anderem als Aya teilte. „Youji…“ Ein minimales Flüstern nur. Gerade laut genug, dass auch Schuldig es hören konnte. Die bisher trockenen Augen füllten sich, zerrissen innerlich Youjis Glauben, dass alles nicht so schlimm war. Aya war…fertig. Er litt…grausam. Schuldig senkte den Blick minimal, wandte sich ruhig wieder um und blickte hinaus. Er brauchte einige Minuten um alles zu verdauen. Das wurde ihm langsam alles zu stressig. Viel zu viele Menschen in seiner trauten Umgebung, viel zu viel Krach, zuviel Gefühl und zuviel, womit er sich beschäftigen musste...ja musste, weil er selbst zu viel zu verlieren hatte. Mittlerweile. Schuldig nahm seine Tasse wieder auf, die er kurz zuvor auf der Fensterbank abgestellt hatte und ging zur Küche hinüber setzte sich auf einen Barhocker und trank schweigend seinen in der Zwischenzeit lauwarmen Kaffee, den Blick hinaus gerichtet. Sein Haar war offen und er strich es sich aus dem Gesicht, als es sich wie ein Vorhang davor schieben wollte. Nichts da. Vielleicht sollte er auch mal darüber nachdenken es schneiden zu lassen, dachte er grimmig. Er hatte schlechte Laune. Er wollte nicht, dass Aya bei dem Weiß dort stand und ihn womöglich umarmte. Aber mit Genugtuung hatte er gesehen, dass der Teddy an Aya haftete wie festgenäht. Dabei fiel ihm das Bild ein, das noch immer auf der Theke lag und er griff es sich, blickte es an und drehte auf seine Rückseite, legte es etwas abseits und nahm wieder einen Schluck seines Getränks. Youji konnte dieser Verzweiflung nicht mehr länger standhalten und schloss den kleineren Mann in seine Arme, verbarg dessen Tränen vor der Außenwelt…vor Schuldig. Er wollte nicht, dass der Schwarz ihren Anführer so schwach sah, auch wenn ihm irgendetwas sagte, dass es dafür schon zu spät war. Dennoch…Aya gehörte in seine Obhut, nicht in die des Deutschen. Er würde sich um den trauernden Mann kümmern und ihn wieder auf die Beine stellen. Nur er. Niemand anderes. „Es wird alles gut…“, murmelte er in den zitternden Schopf und strich sanft darüber. „Ich bin bei dir…du bist nicht alleine…wir sind bei dir. Du kannst dich auf uns stützen…dich auf uns verlassen.“ Doch nichts antwortete ihm, nur stumme, traurige Schluchzer. Ein ihm verborgenes Gesicht. Youji zögerte, hatte noch nie zuvor den Namen des anderen Mannes ohne dessen Einverständnis benutzt…dennoch erschien es ihm nun als unnötige Quälerei, ihn beim Namen seiner toten Schwester zu nennen. „Ran…lass uns nach Hause gehen. Komm…ich bring dich zurück ins Koneko“, sagte er schließlich und erntete endlich die erwünschte Reaktion, die jedoch nicht ganz so ausfiel, wie er es sich gedacht hatte. Der blutrote Schopf hob sich und gab schrecklichen Einblick auf einen fertigen Mann. Einen Mann, der nun seinen Kopf schüttelte und ihn bittend ansah. Als wenn er Verständnis brauchte. „Nein…Youji…ich will nicht zurück…noch nicht…“, wehte eine leise, tränendurchtränkte Stimme an seine Ohren, ließ sein Herz für einen Schlag aussetzen. „Aber warum?“, setzte er an, verstummte jedoch. Es brachte gar nichts, wenn er den jüngeren Mann bedrängte. Nicht jetzt. „Ich…werde…wiederkommen…nur nicht jetzt…“, gab Aya die einzige Erklärung, zu der er fähig war. Schuldig hatte gerade den letzten Schluck seines Kaffees in sich geschüttet, als er das Gespräch hörte...die letzten Worte von Ran hörte. Vorsichtig stellte er die Tasse wieder hin, schloss für einen Augenblick die Augen und stand dann auf ohne seinen Blick auf die beiden zu lenken und schenkte sich nach. Er wusste nicht, was es ihm bedeutete, aber er fühlte Genugtuung, dass er von Aya selbst gehört hatte, dass er nicht gehen wollte. Warum auch immer. Vielleicht aus dem gleichen Grund warum er hierher gekommen war? Schuldig setzte sich wieder, griff sich wieder seine Tasse und folgte dem Gespräch aus einigem Abstand. Doch er hatte eher das Gefühl als stände er mittendrin - symbolisch gesehen. Youji glaubte es nicht…konnte es nicht und hatte brachiale Angst, dass Aya etwas passierte. Er WOLLTE den anderen Mann nicht hier lassen, nicht ausgerechnet bei Schuldig, egal wie gut dessen Absichten auch sein mochten. „Ich möchte dich aber nicht alleine lassen…Ran. Ich hab Angst um dich“, gab er ehrlich zu und strich dem rothaarigen Mann über die tränennasse Wange. Erntete dafür ein mattes Kopfschütteln. „Ich…kann nicht für sie arbeiten…nicht jetzt. Kritiker werden mich dazu zwingen…ich kann es nicht…ich komme zurück, wenn es wieder…geht…“ Mehr als alles andere erleichterte Youji das eben Gesagte, verdeutlichte es ihm doch, dass Aya noch Lebenswillen in sich trug. Denn Kritiker würden ihn liquidieren lassen, wenn er sich weigerte zu kämpfen, dessen war er sich sicher. Er nickte, wiederholte seine Berührung. „Wenn es das ist, was du willst…Ran…dann werde ich dir nicht im Wege stehen…Aber sei vorsichtig und nehme dich vor bösen, freilaufen Telepathen in Acht. Ich habe gehört, sie sollen manchmal gefährlich sein.“ Besagter Mann spiegelte seine Bewegung und sah zu ihm hoch, ein klein wenig Erleichterung in seinen Augen ob der humorvollen, jedoch ernst gemeinten Warnung. Sogar ein kleines kurzes Lächeln hatte Youji auf den Lippen des rothaarigen Mannes sehen können. Ganz kurz nur. „Soll ich dir noch Gesellschaft leisten? Noch hier bleiben?“, fragte er schließlich und erntete dafür ein minimales Kopfschütteln. „Nein…aber sag den anderen…dass sie sich keine Sorgen machen müssen…bitte. Besonders Omi…“ Neue Tränen verließen Ayas Augen, als er an die Enttäuschung dachte, die er in den Augen ihres Jüngsten gesehen hatte. Er wollte nicht, dass sein Team ihn hasste. Er wollte es ganz einfach nicht… „Werde ich machen…“, erwiderte der größere Weiß ruhig und schloss Aya ein weiteres Mal in die Arme, drückte einen freundschaftlichen Kuss auf die rote Flut. Wiegte ihn ein paar Momente sacht. „Aber du versprichst mir, dass du dir von dem Mistkerl da nichts gefallen lässt, in Ordnung?“, murmelte er und meinte Schuldig damit, der sich anscheinend irgendwo in die Küche zurückgezogen hatte. Schuldig vermied es sich umzudrehen, er fühlte sich nicht gut. Ganz und gar nicht. Aber warum konnte er nicht sagen, er sollte schließlich jubeln, dass Aya noch bei ihm blieb. Weshalb der Mann noch bei ihm bleiben wollte, war ihm nicht ganz klar. Einige Ideen hatte er - schöne und unschöne, realistische und träumerische. Schuldig war jedoch jemand, der zu den Realisten gehörte. Ob die Option eines Selbstmordes durch seine Hand noch zur Debatte stand? Wieder kreisten seine Gedanken darum. Aya nickte mit einem bitteren Lächeln auf den Lippen. Was konnte Schuldig ihm noch groß antun? Es war schon das Schlimmste passiert, was geschehen konnte. Aya war tot…und würde nicht zurückkommen. Nie mehr. Sie würde nie mehr ihre Augen aufschlagen… Er wandte seinen Blick ab, fühlte sich mit einem Male wieder zurückgeworfen in den gestrigen Tag. Wollte sich einfach nur verkriechen und nie wieder auftauchen...egal, was auch passierte. Er fühlte sich klein, unsäglich schwach und verletzt…allein. Nicht mehr in der Lage dazu, sich aufrecht zu halten. Was jetzt auch Youji sah, als er ihn sanft unter seinen Armen fasste und zur Couch führte, ihn darauf niederdrückte und einen Blick auf den merkwürdig alten Bären warf. Ayas war das nicht, das stand außer Frage. Schuldigs? Natürlich, Aya hatte ihm davon erzählt, nach dem Frisörbesuch… Youji seufzte leise, fühlte einen gehörigen Stich von Eifersucht in seiner Brust. Er konnte verstehen, warum Aya alleine sein wollte, doch was er nicht verstehen konnte, war, dass dieser sich in die Gegenwart des Deutschen begab. Stumm sah er zu, wie Aya seine Beine mit auf die Couch zog und die Arme darum schlang. Ein letztes Mal strich er seinem Freund über die wirren Strähnen und nickte ihm beruhigend zu. „Ich bin immer bei dir…okay, Ran? Wenn du mich brauchst, bin ich da.“ Damit wandte er seinen Blick ab, gab Aya die Einsamkeit, die dieser anscheinend zu brauchen schien. Ging zu Schuldig, der sich immer noch in der Küche herumtrieb. „Er möchte jetzt alleine sein…“, setzte er an. „…und auch wenn ich es nicht begrüße, werde ich euch beide jetzt verlassen. Aber lass dir noch einmal gesagt sein…solltest du ihm irgendetwas tun, wird niemand mehr seine schützende Hand über dich halten…und DANN werden Kritiker ihre reine Freude damit haben, dich Stück für Stück auseinander zu nehmen, haben wir uns verstanden?“ Gefährlich leise…beinahe schon zu freundlich. Schuldig konnte sich ein spöttisches kleines Hochziehen der Augenbraue nicht verkneifen ob dieser dramatischen Drohung, von der er sich kaum vorstellen konnte, wie der Blonde das anstellen wollte. Aber er verstand die Sorge um seinen Freund und auch die obligatorische Drohung die aufgrund dieser Sorge zwangsläufig folgen musste. ‚Niemand hält seine schützende Hand über mich...' gab er Yohji zu verstehen, ...zumindest Aya nicht...' fügte er noch an und dachte kurz an Crawford. ‚Los, ich fahr dich, damit ich endlich meine Ruhe habe, Schnüffler', wandte sich Schuldig erneut an Yohji in Gedanken, ließ ein schräges Lächeln seine Worte begleiten, als er einen flüchtigen Blick auf die traurige Gestalt auf dem Sofa warf. Schnell blickte er wieder zu dem Blonden und stand auf und mit den Worten "Bin gleich wieder da, ich fahr ihn schnell...", führte er Yohji wieder aus der Wohnung hinaus. Der blonde Mann musste ebenso traurig lächeln, als sein Blick auf Aya durch die Eingangstür versperrt wurde. Ein ungutes, dunkles Gefühl zurückließ. Was, wenn er just zu diesem Zeitpunkt die falsche Entscheidung getroffen hatte? Ein bitterer Zug stahl sich auf seine Lippen. ‚Aya hält nicht seine Hand über dich? Er weiß, wo du wohnst…er hätte dir schon längst Kritiker auf den Hals hetzen können, wenn er es wollte. Aber nein…irgendetwas muss ihm anscheinend an dir gefallen’, gab er automatisch in Gedanken zurück und trat aus dem Aufzug heraus, hin zum Wagen. Wie kalt es ihm doch vorkam, wie trostlos, Weihnachten ohne Aya zu verbringen. Es würde die Hölle werden, ihren beiden Jüngsten zu verklickern, dass Ayas Schwester tot war und er selbst die nächste Zeit nicht mehr wiederkommen würde. Er seufzte leise. Die dümmsten Bauern ernteten die dicksten Kartoffeln. Durch irgendetwas musste Schuldig ja das Privileg verdient haben…auch wenn ihm schleierhaft war, was er getan hatte. Schuldig antwortete etwas verspätet: ‚Insofern hast du Recht. Aber es ist seine Ehre, die ihn davon abhält, keine wirkliche Sympathie mit dem ‚Teufel’, glaub mir'. Er lächelte stygisch und warf Yohji einen zynischen Blick zu. Trotzdem fragte sich Schuldig nach wie vor, warum Aya gerade zu ihm gekommen war. Er kam zu keiner vernünftigen Lösung und er wischte die zermürbenden Gedanken beiseite. Sie stiegen in den Wagen und die übliche Prozedur des Augenverbindends folgte. Hast du eine Ahnung, dachte Youji mit reichlicher Verspätung mehr zu sich als zu Schuldig und wartete blind ab, dass der andere Mann ihn wieder in der Nähe des Konekos absetzte. „Ich möchte, dass du mich über Ayas Zustand auf dem Laufenden hältst“, sagte er in die Stille hinein und wandte seinen Kopf zur Seiter, auch wenn er den Telepathen nicht sehen konnte. „Das ist das Mindeste, was du tun kannst.“ Schuldig nickte kommentarlos, tastete während der Fahrt die nähere Umgebung ab um sie ohne etwaige Beobachter zu wissen, vor allem als er in der Nähe des Blumenladens anhielt. "Er wird wissen, wenn ich dich informiere, ich habe nicht vor etwas ohne sein Einverständnis in dieser Richtung zu tun, nur weil ihr auf dem Laufenden gehalten werden wollt", sagte er ernst. "Es ist niemand von Kritiker in der Nähe, erst in unmittelbarer Umgebung eures Ladens würde ich vorsichtig sein, der Fensterputzer, auf der anderen Seite ist ein Agent." Sobald sie standen, nahm Youji sich die Augenbinde ab. „So ist es auch gedacht. Ich möchte ihn nicht hintergehen, dafür achte ich ihn viel zu sehr“, gab er zurück und warf einen Blick aus dem Fenster. Gurtete sich langsam ab. Schon wieder Kritiker…wie er diesen Namen hasste. Wie er diese Agenten hasste, die sich um ihr Haus herumtrieben. „Wenn du weißt, dass sich da einer rumtreibt, wieso tötest du ihn dann nicht?“, lächelte er Schuldig simpel ins Gesicht und stieg aus, ließ die Tür hinter sich zufallen. Stapfte durch den Schnee davon. "Sehe ich aus wie ein Wohltäter?", knurrte Schuldig und wendete den Wagen. "...mach mir nicht an jeder Made die Finger schmutzig...", grollte er weiter während er nach Hause fuhr. Wenn er schon mal unterwegs war, konnte er gleich noch einkaufen. So stellte er den Wagen ab und kaufte noch einige Dinge, die ...sie ...beide...vielleicht brauchen konnten. Wie das klang... beide...., Schuldig ließ sich das Wort öfters durch den Kopf gehen, während er sich durch die Menschen schob und nicht nur Lebensmittel kaufte, sondern ganz alltägliche Utensilien, wie eine Zahnbürste oder ähnliches. Oh Gott, wie lange wollte Aya denn bleiben? Brauchte er dann nicht auch noch andere Kleidung? Und was noch? Etwas hilflos stand Schuldig wieder vor seinem Wagen als er die Tüten verstaut hatte. Ach was..., winkte er in Gedanken ab und stieg in den Wagen um nun wirklich zurück nach Hause zu fahren. ...erst einmal konnte Ran seine Sachen mitbenutzen und später...ja...später sollten sie einkaufen gehen. Oder Ran alleine, je nachdem... Wahnsinn...wie sich die Dinge verändern konnte…und so plötzlich, dass er kaum hinterher kam. Wenig später öffnete er die Wohnung und trat samt der Tüten auf seinem Arm ein. Ran saß immer noch auf der Couch, eingerollt. Vielen Dank fürs Lesen! Coco & Gadreel Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)