Der Glasgarten von Gadreel_Coco ================================================================================ Kapitel 25: The Day after ------------------------- ~ The Day after ~ Es dauert lange…endlos lange, bis sich Aya überhaupt erst dieser Geste bewusst wurde. Bis er sich eingestehen konnte, wo er sich befand. In wessen Gesellschaft. Lange, bevor er den weichen Stoff unter seiner Wange fühlte…die besänftigenden Berührungen, die sich so gut anfühlten in diesem Moment. So…tröstend. Lange, bevor er die Scham vor der eigenen Schwäche überwand und seinen Stolz hinter sich ließ. Es mochten Minuten vergangen sein, oder auch Stunden, bis endlich ein Fünkchen Besserung die Züge des langhaarigen Japaners aufhellte. Bis das Zittern nicht mehr ganz so stark…das Schluchzen nicht mehr ganz so haltlos war. "Es ist ...gut, Ran ...ist gut ..." Plötzlich waren Worte da, Erinnerungen an seine Kindheit, Worte, die man sagte um zu beruhigen, um jemanden in Geborgenheit zu hüllen, in Nähe, die Sicherheit schenkte. Seine Hände hielten nicht still, besänftigen, ruhten wieder, und nahmen ihre beschützende Haltung wieder ein. „Ist es nicht“, drang eine außergewöhnlich dünne Stimme aus dem Bündel an roten Haaren und zusammengesunkenen Gliedern zu Schuldig empor. „Es ist nicht gut…sie ist nicht mehr da…ich halte das ohne sie nicht aus. Sie hat mich allein gelassen…sie ist weg…“ Weitere, sonst metertief vergrabene Worte sprudelten an die Oberfläche und gaben Zeuge, wie hilflos Aya doch gegen den Schmerz und den Verlust war, der in ihm tobte. All das hatte er für sich behalten, niemals Schuldig eröffnen wollen, doch es half nichts. Einmal angefangen, hörte er nicht mehr auf zu erzählen, zu reden…das heraus zu lassen, was ihn bedrückte und zu ersticken drohte. Ein Teil in ihm hämmerte verzweifelt gegen dieses Bedürfnis, hieß ihn zu schweigen. Schwäche! Das war es! Unnötige Schwäche! Doch…was brachte Stärke, wenn er an ihr zerbrach? "Ja sie ist weg", bestätigte Schuldig leise. Was hätte er sonst sagen können? Nichtigkeiten, Sinnlosigkeiten, die der Realität nicht entsprachen? No way. Das war nicht er. Während Ran sich vieles von der gequälten und beladenen Seele redete, hatte Schuldig bemerkt, wie er hin und wieder seinen Kopf gedreht hatte, sanfte Berührungen des Schopfes mit seinen Lippen tätigte. Seine Hände spendeten Trost. Er fühlte sich seltsam, konnte es nicht verstehen, was mit ihm geschah, etwas war in ihm gebrochen worden. Etwas schmerzte in ihm. Sie waren beide eins in ihrem Schmerz. Beide eins in ihren entzweigebrochenen Gefühlen, auch wenn die Gründe hierfür völlig verschieden waren. Vielleicht aber auch nicht. Leid erzeugte Leid erzeugte Leid. Wieder und wieder, ein Teufelskreis. Ein Teufelskreis, der so schnell nicht durchbrochen werden konnte. Aya war fort. Schuldig hatte es selbst gesagt. Sie war weg. Wie ein Mantra sagte er es sich immer und immer wieder. Vielleicht…würde es irgendwann einmal bessere Zeiten geben. Vielleicht. Doch jetzt zählten Schmerz und Trauer. Und die sachten Berührungen, die Striche über seinen Rücken. Er war alleine. War er doch, oder? Er weinte sich die Augen aus, schluchzte solange, bis seine Stimmbänder rau waren. Bis er nicht mehr in der Lage war zu reden, weil es körperlich zu sehr schmerzte. Minuten zogen davon, mochten es auch Stunden sein, die er hier verbrachte, bis er seinen Kopf an Schuldigs Schulter vergrub. Die Augen schloss. Vereinzelte rote Haarsträhnen hafteten auf dem nassen, verweinten Gesicht, doch Schuldig beließ sie dort, versteckte eben dieses schutzlose Antlitz an seiner Schulter. Der große Raum war nicht kalt, doch er spürte, wie unbequem diese Haltung langsam wurde. Er wollte jedoch um keinen Preis Ran loslassen, so hangelte er sich lediglich mit einer Hand, die zuvor auf dem Schopf gelegen hatte, nach der Decke, die auf der Couch lag. Mit einem schleifenden Geräusch zog er sie zu sich, breitete sie etwas umständlich über Ran und sich selbst aus und verhielt wieder in der Haltung die er zuvor schon eingenommen hatte, bettete seine Wange an Rans Kopf. Das Beben des Körpers hatte langsam nachgelassen und Ran wurde etwas ruhiger, die Müdigkeit hielt Einzug, ein Tribut, den er an das viele Weinen zollen musste. Und schon wieder wurde Aya eine kleine Annehmlichkeit mehr zuteil, als sie beide von Schuldig in die dicke Decke eingehüllt wurden. Er verkroch sich schier in der weichen Wolle, grub sich tief in ihren Schutz hinein. Nur noch…ein paar Momente. Dann würde er wieder stark sein. Nur noch ein paar…er wollte noch ein wenig weinen, bis er schließlich aufsehen und stark sein konnte. Er hatte es Weiß doch versprochen...stark für sie zu sein und sie daraus zu holen. Sie von Kritiker zu lösen. Er konnte vor Schuldig doch nicht so…schwach sein. Dass ihm ein immer kleiner werdender Teil in sich zurief, dass er genau das nicht zu beweisen brauchte, überhörte er. Er überhörte, dass auch er einmal schwach sein durfte. Dass Schwäche nicht verdammenswürdig war. „Wieso…tust du das für mich?“, nuschelte das eingedeckte Bündel in Schuldigs Richtung. Schuldig durchfuhr ein Schreck, als er die Frage hörte. Was willst du darauf antworten? Was hast du zu antworten? Was kannst du antworten. "Frag ...doch nicht ...solche Sachen", murmelte er in den Haarschopf, liebevoll, als wären sie schon inniger verbunden, als nicht nur seit eben, seit dieser nahen Umarmung. Eine Nähe, die nicht nur körperlich einherging, sondern mit Gesten, mit der Suche nach Schutz, mit der bereitwilligen Gabe des Schutzes, mit einer Nähe auf einer anderen Ebene. „Warum nicht?“, schallte es gedämpft zurück und ein rot umrahmtes, violettes Augenpaar blinzelte unter dem Deckenrand in grüne, ruhige Augen. Nicht, dass Aya diese Antwort mit Biegen und Brechen wollte…nein. Vielleicht wusste er sie schon. Vielleicht wollte er sie aber auch gar nicht wissen. Aya blinzelte gegen ein paar ihm in die Augen hängenden Strähnen an, pustete sie schließlich zur Seite. Wie gleichmäßig laut doch das Herz des Telepathen schlug. Wie kräftig. Eben so, als wäre es der Beweis für gewolltes Leben, für…Energie. Doch die Strähnen wollten nicht so recht, klebten noch in feinen einzelnen Haaren fest, sodass Schuldig sie schließlich mit einem Finger wegwischte, fuhr wieder über die Schläfe und verfolgte dieses Tun, ohne Ran dabei in die Augen zu sehen. Es war wie damals ... damals in dem Keller.... "Damals... hab ich dir die Haare ... auch aus dem Gesicht gestrichen ... weißt du noch? Sie haben dich auch gestört ... wie jetzt.", sagte er leise und sah dann in das fragende Violett. "Vielleicht habe ich Angst vor deiner Frage ... oder vor meiner Antwort?" Er verstummte, lehnte den Kopf an die Couch hinter sich und seufzte unhörbar. Gott, wie furchtbar er sich jetzt fühlte. Als würde ihn gleich etwas verlassen, als wäre das die Ruhe vor dem Sturm. Damals… Ayas Gedanken schweiften müßig schwer zurück. Wann, damals? War es zu Anfang gewesen…was meinte Schuldig? Ihr erstes, erzwungenes Zusammentreffen in dem kalten Keller? Innerlich lächelte er. Kritiker hatten ihnen den Auftrag erteilt, Schuldig gefangen zu nehmen und was kam dabei heraus? Er wurde ihnen abtrünnig und verweilte nun bei ihrem eigentlichen Opfer. Ließ sich selbstsüchtig von ihm trösten. Der Plan war nicht wirklich aufgegangen. Sehnsucht loderte in Aya hoch. Auch wenn er niemals wieder so handeln würde, wie er es da getan hatte, so wünschte er sich die Zeit zurück, in der seine Schwester noch lebte. Vergebens. Alles vergebens. Viel lieber klammerte er sich an die Erinnerung des im Keller Geschehenen. Ekel war es gewesen, den er damals vor genau dieser Berührung empfunden hatte. Ekel war es nun aber nicht mehr. Nein. Schuldig selbst hatte den Ekel vertrieben, auch wenn Aya vorher nicht daran geglaubt hätte. Ihm ihn ausgetrieben, im wahrsten Sinne des Wortes, auch wenn dem Deutschen das sicherlich nicht bewusst war. Dabei durfte er keinem erzählen, dass er Schuldig so einiges verziehen hatte, was in diesen fünf Tagen passiert war. Wie gut doch immer noch die alte Waagschal-Methode funktioniert. Gute Taten gegen böse. Was wog mehr? Hatte am Anfang die Schale mit den bösen Steinen, so er sie denn als solche ansah, Übergewicht und die gute Seite war frei in der Luft gebaumelt, so verhielt es sich im Moment genau anders herum. Eine…amüsante Vorstellung, wenn er noch in der Lage gewesen wäre, sich darüber zu amüsieren. Aya seufzte leise. Er hatte verziehen. Doch konnte er auch annehmen, was Schuldig ihm darbot? Besonders jetzt? War es denn jetzt nicht Verrat an IHR? „Ist sie so schaurig, dass du Angst vor ihr hast…deiner Antwort?“ "Schaurig?", fragte Schuldig, den Kopf noch immer leicht in den Nacken gelegt, die Augen nun öffnend, die Decke des Raumes sehend. "Nein ... vor schaurigen Sachen habe ich meistens ... keine Angst ... meistens. Eher vor den gegenteiligen Sachen." Er war nah dran, das Ganze ins Ironische oder ins Zynische zu ziehen, um sich gegen die Fragen zu schützen. Doch noch ging es, noch fühlte er nicht, dass Ran ihn absichtlich quälen wollte. Aya schwieg, lehnte sich jedoch an Schuldigs Brust, so wie sie hier saßen...er praktisch auf dem Schoß des Deutschen. Zwischen dessen Beinen…ineinander verknotet. Er wusste selbst, dass jedes weitere Anstacheln das Thema in eine Richtung gelenkt hätte, die keinem von ihnen angenehm wäre…zu diesem Zeitpunkt. Er zog die Decke wieder etwas höher und starrte blicklos auf einen entfernten Punkt der Wohnung. Er strich sich mit einer Hand über die tränenfeuchten Wangen und atmete zittrig ein und aus. Wenn er einfach hier sitzen blieb und an nichts dachte…würde der zerreißende Schmerz in seinem Inneren dann schließlich besser werden? Und Schuldig legte seine Hand wieder auf den Rücken, ließ sie ruhig dort liegen. So saßen sie zusammen, bis das helle Grau des Tages dunkler wurde und es zu dämmern begann. Es war nicht mehr allzu lang. Schuldig hatte die Augen geschlossen und genoss die Wärme, die Ruhe, den Geruch, die steten Atemzüge von Ran, die sich anhörten, als hätte er eine Erkältung und sei verschnupft. Kam wohl vom Weinen, huschte eine Überlegung durch Schuldigs steten Strom aus Gedanken. "Hast du ... willst du etwas Trinken, Ran?", fragte er schließlich. „Einen Scotch…einen starken Scotch.“ Nicht nur einen. So viele, dass Aya nicht mehr wusste, wo er war und was ihn bedrückte. Er wollte sich betrinken. Solange, bis er ein völliges Blackout hatte. Ja, das war eine sehr gute Idee. Vielleicht würde dann die Trauer besser werden…vielleicht aber würde sie auch umso stärker zurückkommen. Wer wusste das schon? Aber versuchen konnte er es doch, oder nicht? Brachte es doch nichts, seine Gedanken wieder und wieder um Aya kreisen zu lassen. Um die Wenn und Aber, die in seinem Kopf dröhnten. Schuldig hatte zwar etwas nicht Alkoholisches gemeint, aber im Nachhinein war das gar keine schlechte Idee, schließlich hatte er seinen Vorrat wieder aufgestockt und damit ließ sich einiges wegspülen, was einem das Innere zerfraß. Für den Moment war es eine Lösung. Ja ... für den Moment tat es gut. Selbstvergessen platzierte er auf Rans Haarschopf einen Kuss, löste sich leicht aus der Umarmung, damit er aufstehen konnte und wartete darauf, dass Ran ihn gehen ließ. "Ich hol uns etwas. Willst du dich auf die Couch setzen?" Ja, wollte er. Aya stand langsam auf und gab Schuldig frei. Er ließ sich schweigend auf die Couch fallen, ganz einfach, weil er keine Kraft mehr hatte um sich zu bewegen. Er würde hier bleiben…ruhen und sich auskurieren…irgendwie. Er war Schuldig dankbar dafür, dass dieser für ihn das Leben übernahm, es ihm erleichterte, auch wenn er wusste, dass er früher oder später wieder selbst denken und handeln musste. Doch nicht jetzt. Nicht heute…nicht hier. Schuldig besah sich die Flaschen und hatte das von Ran gewünschte Getränk in der Hand, dazu den Whiskey, den er von ... man mochte es kaum glauben ... Jei vor einiger Zeit geschenkt bekommen hatte. Schottischer Import. Schuldig hatte sich gefragt, woher er ihn hatte. Vermutlich über Crawford bezogen. Mit zwei Gläsern und den Flaschen bewaffnet, kehrte er zu Ran zurück, stellte sie auf dem Couchtisch ab. Und ging dann, um noch die indirekte Beleuchtung einer Stehlampe einzuschalten, die etwas abseits stand und ihr Licht nur dezent zu ihnen fallen ließ. Aya nahm währenddessen die Flasche an sich und öffnete den Verschluss. Er roch an dem starken Tropfen und seufzte innerlich auf. Er kannte diese Sorte. Es war nichts Billiges. Ganz im Gegenteil. Ein sehr gutes Aroma, dafür aber auch sündhaft teuer. Das war purer Alkohol…das war etwas, um schnell zu vergessen, wenn man nur schnell genug und in großen Mengen trank. Er füllte beide Gläser zu gut einem Viertel und wartete, bis Schuldig sich wieder zu ihm setzte. Schuldig setzte sich auf den Dreisitzer auf dem Ran bereits Platz genommen hatte, wollte sich nicht zu weit von dem Mann entfernen, nicht wo sie sich vorhin so nah waren, nicht nachdem er ihn wieder berühren wollte. Er reichte Ran eines der Gläser und nahm seines in die Hand. "Runter damit", toastete er lapidar zu und nahm einen Schluck, ließ den Geschmack nachwirken und lächelte ob der Wärme die ihn durchströmte. Aya begnügte sich jedoch nicht mit einem Schluck, sondern stürzte gleich das ganze Glas hinunter. Es brannte wie immer und trieb ihm die Tränen in die Augen. Wo Schuldig sich erwärmte, explodierte nun Hitze in ihm, ließ den Alkohol schwer in seinen Magen sacken. Er starrte aus dem Fenster, auf die Lichter da draußen. „Ich frage mich…wie es in Zukunft weitergehen soll“, murmelte er schließlich, sah dann erst zurück zu Schuldig. Schon wieder so eine Frage, die Schuldig nicht beantworten konnte. Er zuckte in Ermangelung einer zufrieden stellenden Antwort einfach die Schultern. "Lass es auf dich zukommen, meinst du nicht?", grübelte er trotzdem noch über die Frage nach. Mit einem weichen Gluckern fand mehr Whiskey in Ayas Glas und schimmerte dort in geheimnisvoll dunklem Bernstein. Er studierte die schattierten Augen des Telepathen, ebenso seine minimal beleuchteten Gesichtszüge. Feuer tanzte in den Haaren des anderen Mannes, so als wäre Schuldig der Teufel persönlich. Luzifer…kam der ‚Kosename’ daher, den Farfarello seinem Teammitglied gegeben hatte? „Es wird sich nichts ändern, wenn ich nicht handle. Ich kann nicht ewig hier sitzen und warten, dass ich sie vergesse.“ Ran sah ihn lange an und Schuldig wand sich innerlich vor diesem Blick, der ihn so forschend studierte. Nicht viele normale Menschen - er konnte sie an einer Hand abzählen - kamen ihm so nahe, dass sie ihn länger im Gedächtnis behielten, oder gar sich sein Gesicht einprägen konnten. Es war ungewohnt für ihn, wenn Ran ihn so direkt und interessiert anblickte. "Zum Einen... nein es wird sich nicht ändern, das stimmt, aber alles ist jetzt in Aufruhr und manches legt sich und ordnet sich von alleine, wenn man etwas Zeit investiert." Crawfords Worte waren das, doch das behielt Schuldig besser für sich. "Und zum Zweiten, ‚Vergessen’ kann nicht erzwungen werden, das kommt von alleine. Aber willst du sie denn vergessen, Ran?" Er leerte sein Glas und stellte es auf den Tisch, da Ran die Flasche noch in der Hand hielt. Aya schenkte ihm nach und stellte die Flasche ab, bemühte sich jedoch nicht damit, den Deckel wieder zuzuschrauben. Die Flasche würde sowieso noch schnell genug leer werden. Er nahm einen kleineren Schluck. Sinnierte über die Worte des anderen Mannes. „Es ist ja nicht so, als hätte ich keine Zeit…ich habe anscheinend viel zu viel davon“, erwiderte er schließlich nachdenklich. „Zuviel, um sie zu vergessen, da hast du Recht. Ich kann sie nicht vergessen…dennoch will ich mich nicht daran erinnern, wie sinnlos es war, dass ich Geld für sie….herbei geschafft habe.“ Indem ich getötet habe, setzte er nach, veräußerte das jedoch nicht. Es war genau das gewesen, was Schuldig ihm vorgeworfen hatte. Für Schuldig waren jedoch genau diese Worte, die ihm in dem Satz von Ran gefehlt haben, er wusste genau - auch ohne die Gedanken lesen zu müssen, was Ran sagen wollte. Doch Ran lenkte ein, näherte sich seinen Worten, seinem Vorwurf von damals an. "Wenn du an damals zurückdenkst wie du warst ... und wie du heute bist. Kannst du nicht sagen, dass du stärker bist?" Er hob gleich die Hand, um dem Einwand, der wohl gleich kommen wollte, Einhalt zu gebieten. "Ich meine ... ihr habt gleiches mit gleichem bekämpft. Und die Methode mag zwar nicht jedem schmecken, aber ihr habt oft Schlimmeres verhindert - sieht man es mal von eurer Warte aus. Wenn ich an den Spinner Masafumi denke ... Gott ... es war nicht so, dass wir nicht knapp selbst vor einem Angriff von dieser Familie ausgehend standen. Takatori brauchte uns nicht mehr und wollte uns abservieren. Allesamt größenwahnsinnig, diese Familie, sieht man mal von dem Kleinen ab." Schuldigs Blick fing die Amethyste ein, wollte abwägen ob Ran über das Thema reden konnte. Und sah in ihnen, dass Aya nicht vergessen hatte, warum er so hinter Takatori hergewesen war. „Ich habe sie gehasst...alle, dafür, dass sie mir meine Familie genommen haben. Ich habe sie so sehr gehasst, dass ich alles andere aus den Augen verloren habe. Es gab nur mich, Aya und Takatori. Ich habe Omi dafür verdammt, dass er ein Takatori war…ebenso wie Perser. Sie alle…“ Doch es hatte sich gebessert, Stück für Stück. Wochen und Monate, nachdem er endlich den letzten Streich hatte führen können, der seinen Hassfeind niederstrecken sollte, war ihm endlich bewusst geworden, dass es auch andere Dinge gab. Seine Freunde…ein Leben. Dass er sich nicht still und stumm zurückziehen musste. Er sah zur Seite, sein Blick glitt über den Couchtisch hinab auf den Boden. Es dauerte jedoch seine Zeit, bis er seine Gedanken von vorher fortführte. „Ich bin stärker geworden…im Umgang mit den Anderen. Habe mich von Youji durch sämtliche Clubs in Tokyo schleifen lassen.“ Er lächelte schwach. „Ich habe nicht mehr gehasst…wollte es auch gar nicht mehr.“ Sein Blick fiel auf Schuldig zurück. Und dieser staunte nicht schlecht, ein anzügliches Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus. "Du meinst ... durch wirkliche ALLE Clubs?" Er wackelte etwas mit den Augenbrauen um Ran zu necken und ahnte bereits, dass der Mann nicht so unerfahren und unschuldig vor ihm saß, wie er früher manches Mal vermutet hatte, aufgrund seiner Abneigung auf Berührungen oder seiner Menschenscheu. Aya lächelte etwas. „Ich kann dir nicht sagen, wie oft ich gesehen habe, wie sich jemand auf irgendeiner Bühne hat auspeitschen, vögeln oder quälen hat lassen. Im Gegenzug dazu die Clubs mit Anzugpflicht für die oberen Zehntausend. Ein stetiger Wechsel…wir sind beide Samstags nachher nicht mehr aus dem Bett gekommen, wenn wir Frühschicht hatten. Eine wahre Freude für Ken und Omi.“ Er schweifte mit seinen Gedanken zurück. Schuldig kippte den Inhalt seines nachgeschenkten Glases in einem Zug hinunter, das Grinsen kaum einstellen könnend. Jedoch nicht wegen des Alkohols, der sich nur am Rande in einem wärmenden Gefühl und einer gewissen Entspanntheit bemerkbar machte, schließlich war er einiges gewohnt... Vielmehr lag es an den davongeisternden Gedanken, die sich an seine eigenen Erfahrungen erinnerten und zu dem Tisch am Ende des Raumes spukten. Interessant, Ran, sehr interessant. Um nicht zu sagen geradezu elektrisierend, diese Neuigkeit. In solchen Etablissements hätte er Ran nicht vermutet - zumindest nicht in seiner Freizeit - unterwegs um Spaß zu haben mit dem Blonden. Ein Funkeln trat in seine Augen, glimmte in den Schatten seiner Augen, während er sich nachschenkte, Ran die Flasche fragend hinhielt. "Wart ihr auch im ‚Blind Kiss’?" Aya sah auf die Flasche und schüttelte verneinend den Kopf. Er hatte noch. Er überlegte. Blind Kiss….Blind Kiss…sie waren in so vielen Clubs gewesen. Der rothaarige Japaner runzelte die Stirn. Ja…natürlich waren sie da gewesen. Dieser Clubs war einer der Besten, den sie je besucht hatten. Wunderschöne Frauen und Männer, die verschiedenste Shows aufführten, Playrooms wohin das Auge reichte und sehr viele Möglichkeiten, sich nach allen Regeln der Kunst auszutoben. „Ja“, bestätigte er schließlich auch für den anderen Mann. „Mehrmals sogar…es hat uns Beiden gut gefallen, die Atmosphäre war einfach gut.“ Er nippte an seinem Glas, spürte die Wärme, die nun von seinem Magen aus in seinen gesamten Körper floss. Ahh ... es hat ihm also gefallen, lächelte Schuldig amüsiert in sich hinein, veräußerte sich jedoch nur in einem "Ja… der Club ist gut", und stellte die Flasche wieder ab. Er lehnte sich seitlich an die Rückenlehne, legte seinen Arm darauf. "Der Privatschnüffler ist also auch kein Kostverächter ...", bestätigte er sich selbst und grinste. Das hätte er dem großen Blonden nicht zugetraut ... ebenso wenig wie Ran. Sie waren ihm bisher was sexuelle Praktiken anging immer zu abgehoben vorgekommen, nur das Ziel vor Augen Kritiker zu ‚dienen’, aber nicht ihre eigenen Wünsche und Sehnsüchte erfüllt zu bekommen. Vermutlich war das ihr einziges Feld, in das Kritiker nicht eingriff. „Kostverächter? Youji? Nie gewesen…Er garantiert nicht. Wo ich mich mit zwei Frauen oder Männern in einer Nacht vergnügt habe, hat er es mit vier getrieben. Und das jedes Wochenende…“ Er leerte mit einem weiteren Schluck sein Glas. Schenkte sich halbvoll nach. Trank wieder. „Aber er macht es nicht mehr…jetzt nicht mehr. Keine Ahnung, warum er aufgehört hat.“ Er seufzte. Es war verdammt warm hier… "Irgendwann ist es immer dasselbe, vielleicht deshalb." Schuldig sah die roten Schatten auf dem verweinten Gesicht, sprach sie dem Alkohol zu. Seine Blicke krochen über den in Gedanken versunkenen Mann, beobachteten die Lippen dabei wie sie sich nach dem Trinken kurz aufeinander legten, wie Ran schluckte... Was hielt ihn eigentlich davon ab, dem Mann nicht die Kleider vom Leib zu ziehen, ihn nicht besinnungslos zu küssen... Er nahm einen gierigen Schluck und das Lodern in seinen Augen wurde stärker. ...Und was genau ... war es noch Mal, dass ihn zurückhielt und diesen Mann nicht hier auf der Couch über die Lehne gebeugt zu ficken? Seinen Schwanz tief in diesen schlanken Körper zu versenken, der bereits ihm gehörte. So tief, dass er sich wand, dass er es kaum mehr aushielt und er die rohen Laute des Keuchens ernten konnte... Schuldig riss sich abrupt von diesen Bildern los, schob sie zurück, dorthin wo sie aus den Untiefen seiner dunklen Fantasie empor geschnellt waren, schluckte erneut und biss sich auf die Innenseite der Unterlippe. Es war ja nun nichts Neues, dass Ran ihn scharf machte, schrie er seinen Hormonen zu und auch dem Etwas, was sich in ihm zu regen begann und kurz an die Oberfläche getreten war. „Vielleicht…vielleicht auch nicht. Kommt darauf an, welche Praktiken man sich aussucht.“ Aya nickte leicht. Es war nicht schwer für Schuldig zu erraten, dass der Alkohol langsam seine Wirkung tat. Seine Haltung war entspannter, in sich zusammengesunkener. Er strich seine Haare fahrig aus der Stirn, klemmte die längeren Strähnen hinter seine Ohren. „Je mehr Abwechslung, desto länger kann man das Spiel treiben…Spielzeuge …Fesseln, all das. Auch wenn ich es nie sonderlich Vertrauen erweckend fand, am empfangenden Ende solcher Spielchen zu sein.“ Ein Lächeln huschte über seine Lippen. "Selbst wenn man sich Praktiken auswählt, es wird mit der Zeit langweilig, weil die Personen oft wechseln, sie sind Plattformen, nichts was das Interesse länger fesselt." Schuldig sprach aus Erfahrung. Für ihn war es oft eine Enttäuschung gewesen, denn oft waren die Menschen geistlos und ihre Gedanken abgeschmackt und noch manch anderes schwirrte dort herum. Nur wenig Menschen fesselten ihn und jemand ganz besonders, vielleicht macht dieses Interesse auch die Tatsache aus, dass er Ran nicht lesen konnte. Aber aus anfänglichem Interesse wurde mehr und das spürte Schuldig nun am ganzen Körper, aber vor allem an einer ganz bestimmten Stelle. "Du fandest es nicht Vertrauen erweckend ... aber du hast es genossen?", fragte er mit einem dunklen Lächeln. Seine Hand, die auf der Rückenlehne der Couch lag, bewegte sich nach vorne, schlich sich zu Rans Haaren in Höhe des Nackens. Ein genießerischer Ausdruck hatte sich in die Augen gestohlen, als sie Ran in einige Bilder seiner Fantasie aus der Realität hinüberholten. Aya bemerkte diese Hand zunächst nicht, als er sich seufzend zurücklehnte und auch noch in den Radius eben dieser begab. „Nein…genossen habe ich es nicht. Deswegen war ich auch nicht derjenige, der unten lag…fast nie. Schon gar nicht gefesselt…fast nie gefesselt…ich mag das Gefühl nicht…Allerdings hat es etwas für sich, jemanden so zu sehen…sehr erregend.“ Er nahm einen weiteren Schluck. Einen tiefen Schluck, mit dem er das Glas leerte. Beugte sich schließlich vor und nahm die Flasche ein zweites Mal auf, schüttete Schuldig schwankend noch hinzu. Das Zeug wirkte. Wundervoll. Schuldig grinste, erkannte er doch, wie der Alkohol bei Ran zu wirken begann. Er selbst spürte ihn auch, doch bei ihm war es äußerlich meist kaum zu merken. Die Zeit verstrich etwas bevor er antwortete "Ja, so etwas ist ... mehr als ... erregend.“ Er erwähnte jedoch nicht, dass Ran auch hier in dieser Wohnung in Ketten gelegen hatte, denn diese Gedanken verblassten im Alkoholnebel, der ihn langsam einlullte und Ran zum Jagdziel erkor. Die Hand fand wieder in das rote Haar, grub sich hindurch bis die vorwitzigen Finger den Nacken fanden, ihn sanft bestrichen. Schuldigs Jagdziel schwieg nachdenklich, versank alkoholvernebelt in dem angenehmen Gefühl des leichten Kribbelns ausgelöst durch Schuldigs Finger. Er lehnte sich zurück, in die ihn streichelnde Hand. Er schnurrte sacht. Und noch ein Schluck. Der wievielte…er wusste es nicht. „Aber…es erfordert Vertrauen“, lehrmeisterte er mit Blick auf die Whiskeyflasche. „Ohne Vertrauen ist es sinnlos…aber auch mit Vertrauen kann es passieren, dass man hintergangen wird…vergessen wird.“ Er seufzte. „Das ist dann unschön.“ Schuldig stellte das Glas mit einem Ruck ab, nachdem er es leer getrunken hatte und sein Gesicht fiel etwas zusammen. "Ich wollte dich nicht vergessen!", platzte er reuig heraus. Starrte Ran zerknirscht an. Er bezog Rans Worte sofort auf dessen Erlebnis und schüttelte den Kopf, die Augen zeigten wie sehr es ihm leid tat. Der Alkohol machte ihn weicher, sentimentaler und für solcherlei Angriffe auch verletzlicher. Manchmal jedoch auch unberechenbarer, doch heute nicht, heute hatte er Ran neben sich. „Ich weiß…“, lächelte Aya sanft, sah Schuldig direkt in die Augen. „Aber es hat trotzdem wehgetan…“ Er blinzelte, begriff erst einen Moment später, dass es aufkommende Tränen waren, die er dort zu tilgen versuchte. Er ertränkte sie in einer weiteren Ladung Alkohol. Noch einmal ein halbes Glas. „Ist auch egal…“, murmelte er dann, wollte einlenken. Es tat ja nichts zur Sache…es war vergangen. Wie alles vergangen war, nicht wahr? "Nicht ..." Schuldig rutschte zu Ran ... er war nicht wirklich weit von ihm weg, doch seine Hand lag jetzt warm in dessen Nacken, spielte mit den kürzeren Härchen. "Keine Tränen ... wegen ... mir." Er wollte nicht, dass Ran wegen ihm schon wieder heulte. "Dann doch lieber Wut ... soll ich dich noch etwas ärgern?", grinste er etwas schräg. "Ich trink dir den Rest des Whiskeys weg! HA!" Und schon gluckerte der Rest in Schuldigs Glas und er nahm einen Schluck. Sie versoffen hier den teuren Whiskys als wäre es Limonade. Welch Schande ... grinste er in sich hinein und nahm noch einen kräftigen Schluck. Violette Augen starrten außergewöhnlich geweitet und groß auf Schuldigs noch vom Whiskey glänzende Lippen. In ihnen standen immer noch Überreste der Tränen, doch den schmalen Mund umspielte bereits ein schwaches Lächeln. „Das…ist aber gemein…“, beschwerte er sich mit ruhiger, doch schon ein wenig verschwommener Stimme. „Und was bleibt jetzt für mich? Gar nie nichts…“ Aya beugte sich vor, merkte schon in der Bewegung, dass er nicht mehr hätte aufstehen können so betrunken wie er war. Kein Wunder…eine halbe Flasche von diesem Zeug sollte noch jeden auf die Matte schicken. „Obwohl…“ Seine Hände umfassten herrisch das Kinn des Deutschen und zogen es zu sich. „Einen…Schluck gibt es ja noch….“ Oh ja, da war noch einer. Genau vor ihm. Hier…gerade hier. Seine Lippen fanden die Schuldigs und saugten sich an ihnen fest, während eine forsche Zunge Einlass verlangte. Den letzten Schluck…er wollte den letzten Schluck Whiskey. Fahrig fand das leere Glas seinen Ruheplatz auf dem Glastisch, während sich Schuldigs Hände an Rans Seite festhielten, er den Kontakt herbeigesehnt hatte wie nichts zuvor. Ja, diese Lippen, die so gierig schienen, die Zunge die so beharrlich einen Weg zwischen seine Lippen suchte, die Flüssigkeit darin suchte. Schnell öffnete er die Lippen, verband ihre Münder zu einem gierigen, verschlingenden Kuss. Seine Nervenbahnen schickten ihm die heißesten Impulse, als ihn die Samtigkeit von Rans Zunge, seinen Lippen benebelte, ihn noch heißer machte. Aya trank…im wahrsten Sinne des Wortes von den Lippen des Deutschen. Er ertrank in dem berauschenden Geschmack, der sich ihm hier darbot. Seine Hand spannte um das Kinn, zog es noch ein Stück näher zu sich…näher als es überhaupt noch ging. Er übte Dominanz aus, versuchte es, versuchte mit aller Gewalt, der Leidenschaft in seinem Inneren Tribut zu zollen. Dem Feuer, das in ihm brodelte. Sein Körper verlangte mehr…mehr von dieser Droge, berauscht wie er war durch den Alkohol. Und Schuldig ließ sich ziehen, folgte dem dirigierenden Zug. Seine rechte Hand fand ihren tastenden Weg über Rans Oberteil, suchte sich einen Weg hinunter zu dem Becken und lenkte es etwas zu sich, sodass Ran näher zu ihm kam und er ihn unter sich brachte, als er dem Zug von Rans Hand gänzlich folgte, diesen beharrlich auf den Rücken zurückdrängte. Seine Zunge hatte unterdessen ihr Spiel nicht aufgegeben, leckte sich mit lockenden Strichen über die begehrenswerten Lippen, bevor sie wieder in das feuchte Innere drang, Rans Zunge koste, sie umwarb. Seine Hände wollten überall sein, doch sie hielten Ran in einer Umarmung, streichelten zärtlich, fahrig jedoch, da der Alkohol Tribut forderte. Ayas Beine spreizten sich geschmeidig, als er sich unter Schuldig wieder fand und dem anderen Mann Raum gab, sich auf ihm zu platzieren. Er gab dem schweren, männlichen Gewicht auf sich Raum und Stütze, wusste jedoch schon längst nicht mehr, was er hier tat. Er wusste nur, dass es sich wundervoll anfühlte. Lippen, Hände, alles verschmolz zu einer Bewegung. Seine Haare umflossen ihn, rahmten ihn ein, als er in die Mähne des anderen Mannes griff und diese umfasste. Sich daran festhielt, während Schuldig ihm Luft raubte. Während er IHM das lebenswichtige Elixier stahl. Auch seine Hände begaben sich auf Wanderschaft, verweilten unter dem Hemd des Telepathen auf dessen Rücken, dessen Hüfte. Schuldig genoss die streichelnden Berührungen der warmen, schier glühenden Hände, wurde von dem Ansturm an Sinneseindrücken überrollt, als er sich zwischen Rans Beine gleiten ließ, ihr beider Unterleiber sich berührten. Sonst driftete er meist in die Gedankenwelt des Anderen ab, doch dieses Mal musste er seinen Körper zur Gänze wahrnehmen, erlag den Eindrücken fast, als er Ran in ein heftiges Zungenspiel verwickelte. Seine rechte Hand schob sich zu Rans Nacken hoch, barg ihn in der großen Hand, während die andere Ran leicht von der Couch hob, als er sein Gewicht zur Seite verlagerte, Ran an sich hob um ihn am ganzen Körper zu spüren, um ihn zu vereinnahmen. Keuchend löste er sich von diesen Lippen, leckte wieder darüber, die Augen dazwischen in die von Ran brennend, die ihm verschleiert erschienen, die Lider zur Hälfte geschlossen, dennoch wachsam dahinter, denn die Hände waren nicht untätig. Aya schauderte. Das war besser als jede Droge auf der Welt…besser als jeder Rausch, dem er verfallen war. Er bog seinen Kopf nach hinten, verlangte…forderte mehr Aufmerksamkeit. Diesig wie er war schloss er die Augen, damit sich die Welt um ihn herum nicht mehr drehte, auch wenn dieses schwerelose Gefühl einfach wundervoll war. Als würde er treiben. Sich treiben lassen im Meer von Wärme und schaurig schönen Impulsen, die seine Synapsen in Brand setzten und nicht zu löschen vermochten. Und Schuldig gab Ran diese Aufmerksamkeit, folgte der stummen Aufforderung, zeichnete mit seinen Lippen einen Weg über den Hals die Kinnlinie entlang, knabberte sanft an der samtenen Haut, unter dem Ohr, wo Kiefer und Halsansatz sich trafen. Geräuschvoll sog er Rans Duft ein, ließ einen genießerischen Laut hören, bevor sich seine Zunge an Rans Ohr gütlich tat, die feine Ohrmuschel nachfuhr, leckte, reizte. Seine Hand hatte längst den Rücken verlassen, massierte den bedeckten Hintern. "Hmm", raunte er ... "Du liegst so verdammt gut in der Hand." Er presste Ran wieder an sich. Ein feines, genießerisches Lächeln umspielte Ayas Lippen, als er, immer noch mit geschlossenen Augen jede einzelne Berührung seine Sinne fluten ließ. Er war nicht alleine…nicht zu diesem Zeitpunkt. Hier war keine Kälte, keine Trauer…hier war fließendes Wohlbehagen, ja vielleicht auch Glück. Er ließ sich fallen…treiben, lauschte den Reaktionen seines Körpers. Ließ sich wiegen im sanften Takt der Leidenschaft. Ganz vorsichtig…so langsam. So behutsam… Schuldig küsste sich die Kinnlinie, durch die Flut an Haaren nach vorne zum Kinn, blies einige der roten Flechten beiseite und hauchte eine zarte Berührung auf die leicht geöffneten Lippen. Seine Hand kroch ihren bekannten Weg hinauf zum Nacken, hielt diesen sanft. Leise schmunzelnd legte er seinen Kopf auf Rans Schulter als er die Atemzüge vernahm, die geschlossenen Lider, den ruhigen Körper, der sich ihm vertrauensvoll in die Arme gelegt hatte. Er lauschte auf den Herzschlag. Einfach eingeschlafen. Ein leises Kichern kroch in ihm herauf und er schloss die Augen, streichelte Ran noch eine kleine Weile weiter, lag noch eine Zeit so da, bevor er sich nach einer halben Stunde vielleicht von ihm löste, den Schlafenden behutsam niederlegte. Unsicher hielt er sich an der Couch fest als er aufstand. Seine Arme schoben sich unter Rans schlafenden Körper und hoben ihn hoch. Er war zwar nicht mehr ganz fit und der Alkohol feierte rauschende Feste in seiner Blutbahn ... mit Auslagerung in seinem Kopf, doch irgendwie würde er sie beide schon in den sicheren Hafen steuern. So peilte er doch relativ sicheren Schrittes das Bett an, nahm die Hürde der beiden Stufen problemlos und legte Ran auf seine Seite ab, sich hinter diesen legend und die Decke über sie beide ziehend. Seine Arme fanden, die von Ran und legten sich um ihn, sein Kopf ruhte in dessen Nacken. Es brauchte nicht viel und er war eingeschlafen. o~ Dass rein optische Reize auch durchaus schmerzen konnten, erfuhr Aya, sobald er die Augen öffnete und feststellte, dass die Sonne es wahrlich nicht gut mit ihm meinte, so wie sie ihm direkt ins Gesicht schien. Er grollte, stöhnte auf und vergrub sein Gesicht wieder in den weichen Kissen. Wohlweislich ließ er erst einmal langsam das Geschehene in seinen Verstand sacken. Den gestrigen, schrecklichen Tag. Den Abend, den sie gleich noch mal womit verbracht hatten? Saufen. Richtig. Sie hatten diesen überaus süffigen Whiskey getrunken. Ayas Lippen teilten sich für ein zweites Stöhnen. Das erklärte einiges. Seine Kopfschmerzen. Die Übelkeit. Die um ihn geschlungenen, ihn in Besitz nehmenden Arme. Das sanfte Schnarchen, das seinen Nacken kitzelte. Doch Aya hatte keine Ahnung, wie sie hier in dieses Bett gekommen waren. Das Letzte, woran er sich erinnerte, war, dass sie auf dem Sofa gesessen hatten… …und dann? Nichts. Dann war er hier aufgewacht. Anscheinend hatten sie noch geredet und er war irgendwann eingeschlafen. Ein völliges Blackout…nicht das Erste seiner Art. Ausgerechnet hier. Ausgerechnet. Und Schuldig konnte natürlich die Gelegenheit nicht ziehen lassen und ihn als menschliches Seitenschläferkissen gebrauchen, so wie er sein Bein um ihn geschlungen hatte. Zu schade nur, dass Ayas Blase dem so ganz und gar nicht zugeneigt war. Der rothaarige Mann entwirrte und wand sich langsam und vorsichtig aus dem Klammergriff des hinter ihm liegenden Telepathen, bevor er auf unsicheren Beinen aufstand. Mehr zum Bad wankte als ging. Sich dabei Kopf und Magen hielt. Wenig später fand er sich über der Toilettenschüssel hängend wieder und ließ sich den gesamten gespeicherten Alkoholvorrat des gestrigen Abends noch einmal mit bitterer Magensäure versetzt durch den Kopf gehen. Geschah ihm recht…passte es doch zu seiner momentanen Stimmung…zu seiner Trauer. Wenig später regte sich auch der feurige Haarschopf und die Hände tasteten etwas vor sich, fanden jedoch nichts, bevor die Lider sich hoben und empört das Fehlen der Wärmequelle bemerkten. Ein flaues Gefühl lag wie ein Stein in seinem Magen und sein Kopf pochte hintergründig, was ihn die Stirn etwas zusammenziehen ließ. "Steh auf", befahl er sich selbst knurrend und schwang auch gleich die Beine aus dem Bett. Sofort fiel sein Blick auf die entfernte Badezimmertür. Mit zerzaustem Schopf blieb er zunächst sitzen, rieb sich über die Augen. "Oh man, ich brauch eine Dusche", stöhnte er leise. "Sonst werde ich heute nie mehr wach." Wie spät war es eigentlich? Ein Blick auf die Uhr sagte ihm, dass Mittag schon durch war. Auch recht, befand er und erhob sich. Er ging in Richtung Küche und sein Blick fiel auf die Couch, die Whiskeyflasche. Er nahm sie auf und verräumte sie, öffnete das Fenster um zu lüften, frische Luft herein zu lassen und den Geruch zu vertreiben, der noch etwas in diesem Bereich haftete. Sein Blick glitt wieder zur angelehnten Badtür und er seufzte. Er müsste sich schon sehr täuschen, wenn da gestern nicht doch etwas zwischen ihnen gelaufen war. Aber so wie er in kompletter Kleidung hier stand, sah es nicht so aus, aber... Er war sich nicht sicher. Ob Ran etwas erwähnen würde? Das Thema auf später verschiebend begab er sich in die Küche, machte für sie beide Tee und Kaffee. Als dies erledigt war, ging er zum Badezimmer, klopfte an. "Brauchst du Hilfe, Ran? Alles klar?" Ayas Hand landete nun schon zum dritten Mal auf dem Knopf der Spülung, ließen ihn für einen Moment die Worte des Telepathen vergessen. Wann war das denn endlich vorbei? Soviel hatte er nun auch nicht getrunken, dass er sich hier vor der Toilettenschüssel häuslich einrichten konnte. Oder? Das war die große Frage. Das Mysterium des heutigen Morgens. „Mir geht’s bestens…könnte nicht besser sein“, gab er zurück und holte tief Luft. Wenn er jetzt aufstand, konnte er sich förmlich sicher sein, dass es wieder von vorne losging. Lieber blieb er da sitzen und machte es sich hier in dem unangenehm kalten Bad gemütlich. Vorsichtig robbte er rückwärts und lehnte sich an die Wand. Schloss die Augen. Vielleicht konnte er irgendwann in der nächsten Stunde eine Dusche nehmen. Oder ein Bad. Oder irgendetwas, um diesen scheußlichen Geruch loszuwerden…dieses Unwohlsein. Ach wie schön war es doch, sich über Nichtigkeiten zu echauffieren…und das im Hinterkopf lauernde Dunkel für einen Moment beiseite zu schieben. Schuldig stieß sanft an die Tür und öffnete sie langsam, lugte ins Bad hinein. "Oh man", sagte er nur das gequälte Gesicht kommentierend, die zerwühlten Haare, die verquollenen Augen. "Du siehst nicht gut aus, Blumenkind", murmelte er ernst. "Ich hab was für dich, das hilft etwas." Er verließ das Badezimmer wieder, wühlte in der Küche um eine auflösbare Kopfschmerztablette hervorzuzaubern, danach kamen noch andere geheime Ingredienzien hinzu, etwas um die überschüssige Magensäure zu neutralisieren, und ein paar Vitamine. Mit diesem Cocktail ging er zu Ran, hielt ihm das Glas hin. "Komm, runter damit, dann geht's dir besser, hilft wirklich", sagte er aufmunternd, doch sein besorgter Blick lag auf dem eingesunkenen Mann. Aya war dankbar für die Hilfe des anscheinend katererprobten Telepathen, auch wenn er das Glas in dessen Hand misstrauisch beäugte. Es sah aus, als würde es wirklich helfen, sprich: nicht wirklich ansprechend in seiner trüben, farblosen Form. Doch er nahm es dankend an und nippte. Schauderte. Das schmeckte so ganz und gar…scheußlich. Aber mehr als helfen konnte es nicht. Langsam, Stück für Stück leerte er das gesamte Glas und setzte es schließlich zitternd auf den Boden. Lehnte seinen Kopf zurück und sah Schuldig in die aufmerksamen, grünen Augen. „Und dir…wie geht es dir?“, fragte er krächzend. Schuldig griff sich einen Haargummi, kämmte seine Haare mit den Fingern grob durch und fasste sie locker im Nacken zusammen, er mochte es nicht wenn die Kopfhaut zu sehr schmerzte, weil er seine Haare zu streng zusammenband. "Besser als dir, wie es scheint. Ich hab uns Tee und Kaffee gemacht. Wenn du willst können wir später eine Kleinigkeit frühstücken." Aya schüttelte stumm den Kopf, bereute diese Bewegung jedoch einen Augenblick später. Er hielt sich besagten Schädel und brummte missmutig. Vielleicht…vielleicht wurde es ja schließlich besser. Aber jetzt im Moment war das Wort frühstücken ein rotes Tuch für ihn, das nur eines bedeutete. Wieder über der Toilette zu hängen. „Ich glaube…ein Tee reicht…oder erstmal gar nichts“, murmelte er. Den Mund zu einem schmalen, mitleidigen Lächeln verzogen ging Schuldig wieder aus dem Bad hinaus. In der Küche schenkte er sich einen Kaffee ein, griff sich seine Zigaretten und setzte sich ans offene Fenster, die Sonne auf seinem Gesicht genießend, legte er den Kopf in den Nacken. Es dauerte schließlich eine geschlagene Stunde, bis sich Aya hoch und aus dem Bad traute. In die Küche taumelte, wo er einen gemütlich mit seiner Zeitung beschäftigten Deutschen vorfand. Aya ließ sich vorsichtig auf den Barhocker gegenüber gleiten und musste durchaus eingestehen, dass dieser Cocktail geholfen hatte. Sein Magen war nicht mehr so in Aufruhr wie zuvor… ebenso wenig wie seine Kopfschmerzen so tosend waren. „Haben wir die Flasche leer gemacht?“, fragte er schließlich und runzelte nachdenklich die Stirn. Wenn ja, wunderte ihn nichts mehr. Seit Youji mit ihm auf Sauftouren gegangen war, vertrug er zwar mehr…aber immer noch nicht VIEL. Schuldig blickte auf, ihn hatte nur die Sportseite interessiert, der Ausgang des gestrigen Motorradrennens. "Ja, haben wir. Schneller als wohl vorgenommen. Kannst dich ja bei Gelegenheit bei Jei bedanken." Ein kleines Grinsen lag auf den Lippen, als er an seinem Kaffee nippte. „Werde ich…“, erwiderte Aya nicht minder erstaunt. „Wenn ich weiß, wer Jei ist. Eine Liebschaft von dir?“ Er zog sich den Rest der Zeitung zu sich heran, ließ seinen Blick recht lustlos über die Schlagzeilen schweifen. Wann hatte er das letzte Mal in Ruhe seine Morgenzeitung durchgeblättert? Die Zeitung ganz zu Ran schiebend, stand Schuldig auf. "Kannst du ganz haben, ich lese sie normalerweise nicht, wollte nur wegen dem Rennen nachsehen." Er schenkte sich Kaffee nach und wühlte kurz im Kühlschrank um sich einige Früchte herauszuholen. Er hatte Lust auf frisch gepressten Fruchtsaft. "Jei ... Farfarello eben", sagte er leichthin mit einem Grinsen, den Mixer hervorholend. Aya schüttelte vorsichtig seinen lädierten Kopf. Na da hatte er sich ja ein schönes Fettnäpfchen ausgesucht. Farfarello eben…er hätte es sich schließlich auch nicht denken können… „Echter, irischer Whiskey also“, bestätigte er und lenkte so von seinem Fauxpas ab, vergrub sich anschließend in die vor ihm liegende Zeitung. Als wenn sie das schon jahrelang so machen würden...morgens, schoss es ihm durch den Kopf. Friedliches Beisammensein. Frühstück. Zeitung lesen… "Genau. Ein edles Tröpfchen ...", ... für einen edlen Mann ... schloss er grinsend in Gedanken und meinte damit Ran, der jedoch etwas zerzaust und wenig edel da saß. Nun die Verpackung war heute nicht so gut, das stimmte, aber ihn interessierte ja nicht die Verpackung ... sondern die leicht bittere Edelschokolade darin... "Magst du Schokokekse?", fragte er plötzlich, die Augen darauf hin gleich rollend. Musste er auch gleich von seiner Assoziation auf Aussprache umleiten? Lautlos seufzend fing er an die Früchte zu schälen. „Wenn du welche da hast“…dann würde Aya es vorsichtig versuchen. Nahm er sich vor, denn sein Magen verlangte mittlerweile doch lautstark revoltierend nach Nahrung, nach Arbeit. Hatte er doch gestern Morgen das Letzte gegessen. Gestern an dem unseligen Tag… Sein Blick glitt nach draußen, hinein in die sonnige Landschaft. Für ein paar Momente war es ihm gelungen, ihn zu vergessen, den Schmerz, der in ihm tobte. Für ein paar lange, befreite Momente. Doch nun war er wieder da. Überschwemmend wie er nur sein konnte. Der Mixer zerhexelte die Fruchtstücke und Schuldig beäugte das Ergebnis akribisch, bevor er es in einen Krug gab und den gläsernen Krug auf den Tresen stellte. "Willst du auch?" Aya blinzelte und zog sich mit einem Ruck zurück in die Gegenwart. „Lieber Tee“, verneinte er und warf einen Blick auf den ansprechenden Fruchtcocktail. Der Fruchtsaft sah schon irgendwo attraktiv aus, das konnte er nicht anders sagen. Allerdings wollte er seinen Magen nicht wirklich überstrapazieren. Er seufzte, versuchte noch einmal die Erinnerung an den gestrigen Abend aufleben zu lassen. Er scheiterte jedoch wieder an dem Nichts, das sich ihm ab ihrem Gespräch auf der Couch in den Weg stellte. "Okay." Schuldig zog die Kekse aus dem Schrank und setzte erneut Wasser für Rans Tee auf. Er nahm wieder Platz und sein Blick fiel auf Rans ... zerknautschte Kleidung, bevor er sich über seinen Saft hermachte. "Willst du heute einkaufen gehen? Abends?" Er stand wieder auf als das Wasser fertig war und brachte Ran seinen Tee in der Kanne mit, stellte die Teeschale daneben. „Warum einkaufen?“, fragte Aya über die Zeitung hinweg und legte sie schließlich beiseite. Sie hatten doch vorgestern schon alles besorgt… was brauchten sie denn noch? Noch mehr Alkohol? Danke nein…die nächsten Tage nicht mehr. Und wenn, dann nur noch in Maßen und nicht mehr bis zur völligen Besinnungslosigkeit. Er schenkte sich etwas Tee ein und schnupperte an der wohlriechenden Flüssigkeit. Wundervoll. "Neue Kleidung? Ein paar Klamotten?", lächelte Schuldig um Begeisterung heischend und wackelte mit den Brauen. "Wir müssen nicht, war nur so eine Frage", lenkte er seine Aufmerksamkeit scheinbar wieder auf die Aussicht. Wollten doch mal sehen, ob er Ran nicht doch von seinen unscheinbaren Klamottentrieb wegbekam. Er konnte sich den Japaner in vielen Kleidungsstücken vorstellen, vor allem denen, die etwas knapper geschnitten waren, oder... Seine Gedanken glitten in nicht jungendfreie Gefilde und ein Glitzern erschien wieder in seinen Augen. Aya sah diesen Ausdruck nur zu genau. Kannte ihn. Kannte die Mimik der spielerischen Großkatze, wenn sie ein interessantes, neues Objekt gefunden hatte. Schon alleine das machte ihn misstrauisch für den Vorschlag des Deutschen. Er seufzte leise, dachte an den Kleiderschrank im Koneko. Dort hätte er durchaus massig Dinge zum Anziehen gehabt, doch er konnte nicht zurück…nicht jetzt. Jetzt hatte er nur das Nötigste bei, was im Chaos der vergangenen Tage nicht wirklich viel war. „Ich habe kein Geld dazu…Kritiker haben mein Konto sperren lassen“, erwiderte er schließlich und presste die Kiefer eisern aufeinander. Das Letzte, was er hatte bezahlen können, war die Beerdigung seiner Schwester. Dann hatte Omi ihm die Nachricht überbracht, dass er das Konto nicht mehr nutzen konnte, da das Geld im Nichts verschwunden war, selbst Omi es auch nicht zurückholen konnte. Ebenso wenig, wie ihm neues besorgen, da auch er von Kritiker überwacht wurde. Schuldig wollte sich nicht so schnell abwimmeln lassen. "Ich leihe dir das Geld, wo ist das Problem? Du zahlst es mir zurück sobald du kannst." Er nickte ernst, nahm einen Schluck Kaffee. "Bei Crawford würde ich nichts leihen, der hat zu hohe Zinssätze", lachte er um die Stimmung etwas aufzulockern. Geschenktes Geld würde Ran sicher nicht annehmen, vor allem wenn man bedachte, mit welcher Arbeit Schuldig es verdiente, doch geliehen vielleicht schon. Aya überdachte das für ein paar lange Momente. Ja, was wäre dabei, wenn er sich Geld lieh? Die einzige Angst, die er dabei hatte, war die, dass er es mit Diensten zurückzahlen musste, denen er sich momentan nicht gewachsen fühlte. Er wollte niemanden umbringen…sich nicht so erpressen lassen, so wie es Kritiker mit ihm getan hatten. Was bedeutete, dass er sich sobald es möglich war, eine Arbeit suchte, auch wenn es nur unten am Hafen war…oder in einer anderen Stadt, besser noch in einem anderen Land. Dort, wo Kritiker ihn nicht vermuteten. Er nickte. Gab zögernd sein Einverständnis. „Crawfords Zinssätze kann ich mir durchaus vorstellen“, lächelte er schließlich, versuchte seine Unsicherheit zu überspielen. Schuldig hatte die Augen ins Visier seiner Beobachtung genommen, hatte darin die Angst aufflackern gesehen, hörte es selbst in dem Zögern noch nachhallen. Ran vermutete also, dass er das Geld mit einem Zinssatz in Naturalien der besonderen Art zurückzahlen musste - vermutlich mit einer sexuellen Dienstleistung... Abrupt stand Schuldig auf, sich diesem Umstand bewusst und nahm als Tarnung seine Zigaretten. "Ich geh eine rauchen", sagte er und lächelte fadenscheinig. Es schmerzte ihn ... dass Ran dachte er müsste es mit Sex zurückzahlen. Es brannte wie die Hölle in ihm. "Zahlst es mir eben zurück wenn’s geht, kannst mir ja einen Kuchen backen oder so...", murmelte er und ging zur Terrassentür um sie aufzumachen und um nach draußen zu gehen. Tief sog er die frische klare Luft ein, fuhr sich über das Gesicht. Wie auch Schuldig vor ihm, gelang es Aya immer besser, in den offenen Zügen des Deutschen zu lesen. So sah er auch die Angst und die Flucht, welche den anderen Mann ergriffen, die der seinen doch so ähnelten. Er runzelte seine Stirn – einmal mehr - und stand schließlich ebenfalls auf. Es half nichts, wenn dieser Missklang zwischen ihnen nicht gelöst wurde. Dieses Missverständnis. Er stand auf, folgte Schuldig hin zur Terrasse und lehnte sich gegen das Geländer. „Was ist los?“, fragte er mit einem Blick auf das Profil des Deutschen. Welches sich nun abwandte um einen Moment zu überlegen. Er nahm einen tiefen Zug und ließ den Rest des Inhalierten entweichen. "Es ... ist nichts", sagte er ausweichend, aber eine Spur zu schnell. Das merkte er auch selbst, so drehte er sich um lehnte sich ans kalte Geländer. "Ich will nichts von dir, ok? Nichts, was du nicht willst!", fuhr er etwas harscher auf, die Angst darin nur in den Augen zu sehen. "Wenn der Schnüffler auch glaubt ich könnte so etwas ..." Er fuhr sich durch die Haare, "Dann nervt mich das auch ... aber ... ich will nicht, dass du so etwas denkst, ja?" „Was soll ich…?“, fragte Aya verwirrt nach, unterbrach sich selbst dann aber. Youji…natürlich konnte er sich vorstellen, was Youji Schuldig vorgeworfen hatte. Natürlich wusste er, was Schuldig jetzt Angst machte. Auch er hatte es dem Telepathen schon einmal untergestellt, als er es noch nicht besser wusste. Und nun war eben das noch einmal geschehen, wenn auch unbeabsichtigt. Er hatte an Mord gedacht und Schuldig an Sex. Das, was Aya nicht einmal im Traum in den Sinn gekommen war. Aya lächelte, schüttelte versöhnlich den Kopf. „Das habe ich auch nicht angenommen. Ich habe dir nicht unterstellt, dass du das Geld in Naturalien zurück haben möchtest. Du weißt das, ich weiß das und Youji kann es sich denken. Er hat einfach nur voreilige Schlüsse gezogen…das war alles.“ Schuldigs Gesicht fiel etwas in sich zusammen. Gott, war er ein Idiot. Er wandte sich wieder ab, zerdrückte seine Zigarette, die noch glimmte und nur zur Hälfte aufgeraucht war. Der kurze brennende Schmerz sollte ihm helfen solche Dummheiten nicht noch einmal auszusprechen. So etwas kam davon wenn man die Gedanken nicht lesen konnte. Dann stand man als Dummkopf da. "Entschuldige. Ich ... bin ein Idiot", sagte er leise. Warum hatte es gleich so wehgetan, als er das bei Ran vermutet hatte, warum fühlte er sich jetzt zwar erleichtert, aber bloßgestellt? „Nein bist du nicht“, verneinte Aya ernst. „Weißt du noch…dass ich es dir auch vorgeworfen habe?“ Er schüttelte wiederum den Kopf. Sah mit Horror, wie Schuldig seine Zigarette ausdrückte…mit seinen Fingern. Doch als er eingreifen wollte, war es auch schon zu spät und die Zigarette nahm ihren Abschied in Richtung Abgrund. „Wie solltest du da auch etwas anderes von mir denken?“ Schuldig war kalt aber er wollte noch nicht hinein gehen, sich umdrehen, wollte sich diesen Augen jetzt nicht stellen müssen. "Ich hätte es mir denken müssen, dass du was anderes meinst. Wärst du sonst hier, wenn du glaubst, ich könnte so etwas in Erwägung ziehen?" Er stützte die Arme wieder auf die Umrandung, schloss die Augen für einen langen Augenblick. „Nein...so masochistisch bin selbst ich nicht. Außerdem scheinst du mir nicht der richtige Typ für derlei Gefallen“, lächelte er und drehte sich ebenso zur Stadt hin, lehnte Schulter an Schulter mit dem anderen Mann dort. Damit es nicht ganz so kalt war. Ihnen beiden nicht. Er stieß weiße Wölkchen in die sonnige Luft. Es war ein neuer Tag…es war hell und freundlich. Es zeigte ihm, dass er nicht nur Trauer in sich barg. Und das würde er sich zunutze machen…weiter ausbauen, mit aller Macht. Er sah immer noch die positiven Seiten des Lebens. Immer noch. So masochistisch war also ‚selbst’ Ran nicht. Schuldig wandte das Gesicht Ran zu, genoss die Berührung der Schulter an seiner. Ein amüsiertes Lächeln legte sich auf die frechen Lippen. "Dann gehen wir also einkaufen?", wollte er noch einmal wissen, versöhnt mit sich selbst. Aya sah das Lächeln und ahnte, dass er etwas Falsches gesagt hatte. Doch gut…wie sollte er das jetzt noch rückgängig machen? „Ja, machen wir. Nach dem Frühstück, was hältst du davon?“, fragte er und sah zur Seite, direkt in die Augen des Deutschen. Die je nach Stimmung in einer anderen Farbe zwischen grün und blau zu schimmern schienen. "Also Frühstücken willst du jetzt doch?", lachte Schuldig und setzte sich in Bewegung um die Terrasse zu verlassen. "Können wir nach dem Frühstück machen", nickte er und freute sich bereits. Vielleicht konnten sie unterwegs noch etwas Essen gehen. „Ich nicht…aber du doch sicherlich“, lachte Aya und folgte dem anderen Mann in die Wohnung. Ja…er fühlte sich bereit für eine wundervoll warme Dusche. Aya wandte sich in Richtung Bad und fröstelte nachträglich. Und wie es Winter war…kalt, klar und sonnig. Trotzdem aber verschneit. Die Terrassentür schließend wandte sich Schuldig zu Ran um, der sich Richtung Bad begab. "Willst du wirklich nichts? Nur ne Kleinigkeit? Oder isst du was von den Ständen?" Er überlegte es sich gerade selbst, ob ihn die kleinen Köstlichkeiten die angeboten wurden nicht selbst anlockten. Ran war noch immer so schmal, und richtig aufgepäppelt war er auch noch nicht. "Hmm", huschte kurz ein Gefühl von samtig weicher Haut durch ihn, von Rippenbögen die seine Hand umschmeichelt hatte. War zwischen ihnen gestern doch etwas gelaufen? Mit nachdenklich zusammengezogenen Brauen machte er das Bett. Die Hand schon an der Bambustür, sah Aya zurück und ließ seinen Blick zur Bett machenden Besorgnis des anderen Mannes gleiten. Das Thema hatten sie schon einmal gehabt und daraufhin hatte ihn Schuldig aus seiner Wohnung geworfen. Denn genau das war es gewesen. Ein Rausschmiss. Nicht, dass sich Aya im Nachhinein darüber beschweren würde, war er doch froh gewesen… Vergangene Tage. Nichts als Erinnerungen. „Eine Kleinigkeit an den Ständen…wie wäre es damit?“, schlug er vor und hob bedeutungsvoll eine Augenbraue. Schuldig ließ sich aufs Bett plumpsen und nickte. "Ja, dann esse ich jetzt auch nichts", grinste er vor Freude. "Das Zeug is eh leckerer." Er stand auf und durchquerte den großen Wohnraum Ran zuzwinkernd und frech grinsend, weil er sich freute, dass der andere nicht gänzlich aufs Essen verzichtete. Das machte gute Laune, jubelte er innerlich und räumte die Küche auf. Für einen Moment verwirrt, sah Aya Schuldig lächelnd nach und lauschte dem laut-fröhlichen Gerumpel in der Küche. Er hatte doch tatsächlich Schuldig eine Freude damit gemacht, dass er… Er schüttelte den Kopf, betrat das Bad und schloss die Tür hinter sich. Er duschte sich mit angenehm heißem Wasser ab, immer noch verwundert über die Tatsache, dass es ausgerechnet das Essen war, was Schuldig erfreuen konnte. Ein leises Summen stahl sich für einen Moment über seine Lippen, endete jedoch mit der Dusche. Kurze Zeit später stand er, fertig und gut eingepackt in warmen Wintersachen am Eingang der Tür und lehnte sich gegen den Rahmen. Kaum die Zeit für eine ausgedehnte Morgentoilette findend, sparte sich Schuldig die Rasur, zugunsten einer kurzen Wäsche und beeilte sich um in seine Kleidung zu kommen, denn Ran schien schon fertig zu sein. Schuldigs Haare waren zwar gekämmt, doch die dicken wilden Strähnen hatten ein Eigenleben, dem er bisher in seinem Leben noch nicht Herr geworden war. Was auch Aya sah, als er Schuldigs Anblick habhaft wurde. Dank der trockenen Kälte schienen sich tausend kleine Fühler aus der roten Mähne emporzurecken und den Tag zu erkunden, so wie sie Schuldig wie einen Heiligenschein umrahmtem. Es ließ Aya kopfschüttelnd lächeln und am letzten Schluck seines Tees nippen. Sie gingen einkaufen…sie taten es wirklich. „Fertig? Oder willst du erst noch deine Antennen einfahren?“, lachte er mit vorgehaltener Hand, in seinen Augen tanzendes Amüsement. Schuldig gab sich unschuldig und zeigte mit dem Finger seitlich auf seinen Haarschopf. "Heee, damit übertrage ich die telepathischen Wellen!", behauptete er ... doch er grummelte darauf hin nur und verzog die Lippen gequält um das Bad anzuvisieren. Eine schnelle Kur würde das Problem lösen. Schallendes Gelächter antwortete ihm. Schamlos gab sich Aya eben diesem hin und lehnte sich Halt suchend an den Tresen. Soso…Übertragung von telepathischen Wellen. Brzzz. Hier spricht Schuldig…Crawford, kannst du mich hören? Brzzz. Ja, alles in Ordnung, der Empfang ist gut…kein Rauschen. Brzzz. Es wollte einfach nicht abbrechen, das Lachen…wollte einfach nicht aufhören. Jetzt schon gar nicht. Vielleicht auch, weil er lachen wollte. Lachen und nicht weinen. In seiner Tätigkeit innehaltend und zufrieden mit seinen Haaren sah Schuldig auf als er dieses befreite laute Lachen hörte. Er lachte sich selbst im Spiegel zu. "Na ...also geht doch!" Wer hätte gedacht, dass er dieses Lachen einen Tag nach der Beerdigung schon wieder hören würde? Er nicht. Es ließ ihn stutzig werden, ließ ihn daran denken wie schnell wohl dies Verdrängte was Ran mit dem Lachen aussperrte schnell und heftig zurückkommen würde. Aber was nutzte es sich darüber jetzt schon zu Sorgen? Er mochte es, wenn Ran befreit war, von all seinen Ketten, die ihn banden. Und trotzdem eine der schwereren Ketten weg war, so fesselten den Mann noch viele andere… In seinem Bauch kribbelte es und er trat mit einem warmen Lächeln aus dem Bad heraus, ging zu Ran. "Du wusstest wohl nicht wie das funktioniert, was?", stachelte er das Lachen noch mehr an, labte sich an der Gestalt, ihrer Ausdrucksfähigkeit, und dem Lachen. Und was für einen Erfolg Schuldig damit hatte. Ein Blick auf den Telepathen und Aya war schon wieder nicht mehr ansprechbar, so sehr musste er lachen. Er hatte Tränen in den Augen, doch dieses eine Mal von der Gewalt, mit der die Laute der Freude aus ihm heraus brachen. „Ach…so“, keuchte er schließlich. „Und die drei grauen Haare links oben sind dann für dein Team, habe ich Recht?“ Er schüttelte den Kopf, wischte sich die Tränen aus den Augenwinkeln. Graue Haare? Schuldig zuckte mit den Schultern, ihm machten graue Haare nichts aus, es kam nicht selten vor bei PSI-Akteuren. Sehr sicher konnte es sogar vorkommen, dass er unter bestimmten extremen Umständen komplett ergraute Haare bekam. Aber das musste er Ran ja nicht auf die Nase binden. Dass er vielleicht in drei Jahren langes graues Haar hatte oder Ansätze davon falls er es mit seinen Fähigkeiten zu bunt trieb. "Grau? Die sollten doch eigentlich schwarz sein, die Drei", grübelte er gespielt nach und richtete die Augen nach oben. „Je nachdem, wie sehr sie dich ärgern, grau oder sogar weiß“, widersprach Aya mit Mühe um einen ernsten Ton bemüht. „Und von mir kommt dann sicherlich auch noch eines dazu“, schloss er lächelnd und stieß sich ab. Eine Unruhe hatte von ihm Besitz ergriffen, sobald sie festgelegt hatten, dass sie einkaufen würden. Nicht wegen des Einkaufens an sich, nein. Er wollte nach draußen, sich bewegen, das hatte er in den letzten Minuten gemerkt. Raus aus der zwar weitläufigen, aber dennoch begrenzten Wohnung. An die frische Luft. "Hast du heimlich Forschungen betrieben, während ich geschlafen habe?", grinste Schuldig und verstand das Signal von Ran, machte sich zur Tür auf, griff sich nebenbei seinen Mantel und die Schlüssel. Zog sich die Schuhe an. „Aber natürlich…ich habe mir jedes Haar genauestens angeschaut und es auf seine Farbintensität überprüft“, erwiderte er schmunzelnd und tat es Schuldig gleich, warf sich Mantel und Schal über. Schlüpfte in seine Stiefel und verließ mit dem anderen Mann die Wohnung. Ging mit ihm hinunter zu dessen Wagen. Mal sehen, mit was sie wieder kamen. Vielen Dank fürs Lesen! Fortsetzung folgt… Coco & Gadreel Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)