Der Glasgarten von Gadreel_Coco ================================================================================ Kapitel 42: Wie fängt man mit Süßspeisen Männer ein --------------------------------------------------- ~ Wie fängt man mit Süßspeisen Männer ein ~ Es war beängstigend. Natürlich war es das, war es doch etwas nie Dagewesenes für Omi. Etwas vollkommen Neues, Erschreckendes, aber gleichzeitig auch Faszinierendes. Sehr faszinierend, erinnerte Nagi Omi doch keineswegs an ein Monster oder ein übernatürlich beängstigendes Wesen wie es im Aufzug geschehen war, sondern an eine helle Lichtgestalt, wie er dort floss, wie ihn dieses sanfte Glimmen umspielte. Omi spürte den Wunsch, Abstand zu nehmen in sich, doch ebenso den Wunsch, sich ihm zu nähern und ihn zu berühren, zu erfühlen, was diese Kraft tat. Er richtete sich auf, drückte sich jedoch gleichzeitig zurück in die Lehne. Ambivalent wie seine Gefühle, waren auch seine Handlungen, sein schnell schlagendes Herz, seine vor Aufregung unruhigen Hände. „Und nun?“, fragte er erstaunlich fest in Stimme und Mimik. Nein, er durfte und wollte die Kontrolle nicht verlieren. Doch er wollte ... ja er wollte ... dass Omi ihn so sah. Ihn ganzheitlich erkannte, wie er war und nicht wie er zu sein vorgab, wie er Teile von sich im Verborgenen hielt. Es war befreiend. Deshalb blieb er noch Augenblicke in diesem Zustand, schwebte in dem Gefühl des angenommenen Seins, nur durch die Tatsache, dass er sich frei bewegen konnte, dass er sich nicht verbergen musste. Es war als könne er frei atmen... ... genauso frei, wie Schuldig atmen konnte, seit Ran bei ihm war. "Man ist das kalt", hangelte Schuldig nach dem flachen Gegenstand der ihnen die Tür öffnen sollte und versuchte dabei die Tüte auf seinem Arm nicht fallen zu lassen. „So dünn wie du angezogen bist, kein Wunder“, gemahnte Aya streng und nahm Schuldig die Schlüsselkarte ab, wuchtete seine Tüte derweil auf die Hüfte und öffnete die Tür, betrat schließlich die einladend warme Wohnung… …nur um im nächsten Moment wie versteinert stehen zu bleiben und das sich vor ihm abspielende Schauspiel anzustarren. Was in aller Welt…? "Ja .. du kannst mich ja aufwärmen. War alles Berechnung ....", verteidigte sich Schuldig und trat nach Ran ein, schob diesen etwas weiter, als er sah, was Ran scheinbar daran hinderte sich zu bewegen. Danach schloss er die Tür. "Alles in Ordnung", flüsterte er und küsste Ran auf die Ohrmuschel, bevor er sich an ihm vorbei schob und zu Nagi ging, dessen Körper mitten im Raum über der Couch schwebte. "Nagi ... Nagi", seufzte er mit einem nachsichtigen Grinsen. ‚Hey Kleiner', schoben sich seine Gedanken in Nagis und suchten den Kontakt. Aufgeregte Freude schlug ihm entgegen und Schuldig lachte. Er hatte Nagi noch nie so positiv erlebt. Nicht in seinen Gedanken ... und sonst ... auch nicht. Der Telepath entledigte sich seiner Jacke, warf sie auf den Dreisitzer daneben und schob seine Hände in Nagis Einflussbereich. Sein Haar wurde von der Energie erfasst, ebenso seine Kleidung, die wild aufflatterte. Noch hatte er keinen Kontakt zu ihm. "Was soll die Show, Kleiner? Willst deinen neuen Freund beeindrucken, was?", grinste er. Nagi wandte den Kopf zu ihm und er glitt in seine ausgestreckten Arme. "Will ich nicht", kam es etwas verträumt zurück, obwohl kleine, gemeine Funken in Nagis Augen tanzten. Schuldig konnte deutlich erkennen, dass Nagi seine Fähigkeiten gerne einsetzte und auch bewusst zeigen wollte. Das Gewicht in seinen Armen wurde mehr, je weiter Nagi sich zurücknahm. "So, nicht? Und warum muss ich dich dann hier herunterpflücken?" "Ich hatte es so gewollt, ganz einfach" "Es hat dir Spaß gemacht." Nagi schwieg zu dieser Feststellung, aber Schuldig wusste, dass dem so war. Der Junge hatte Spaß daran, seine Fähigkeiten einzusetzen, sie für harmlose Dinge zu benutzen. Doch dies tat er nie. Omi begriff in diesem Moment, was Ran an Schuldig fand, was er in Schwarz sah. Er begriff, wie menschlich die Beiden doch waren, wie menschlich trotz und gerade wegen ihrer Kraft. Es wärmte ihn, von innen heraus und er lächelte, wandte seinen Blick zu Ran, in dessen Augen er Ähnliches aufkeimen sah. Ja, Ran wusste, was er von Schuldig hatte. Er sagte nichts, wollte diesen Moment nicht stören, wollte dieses Bild noch ein wenig länger genießen, diese liebevolle Zuneigung. Wie schön es doch war, wie beneidenswert. Doch was sagte er…waren sie bei Weiß nicht ähnlich verbunden? Zwar nicht durch ihre Kräften, sondern durch ihre äußeren Umstände? Ja, waren sie! "Runter mit dir, du hast zugenommen, Dicker!", grinste Schuldig neckend und ließ Nagi prompt auf den Dreisitzer neben Omi plumpsen. Nagi, der noch immer leicht verträumt zu ihm aufsah, ließ sich jedoch auf diese Provokation nicht ein. "Soll dies bedeuten, du hast nicht genug Muskelkraft um mich zu tragen?", setzte er entgegen. "Seit wann bist du so frech?", murrte Schuldig und schnaubte. Er kehrte dem Jüngeren den Rücken zu und ging um sich den Einkäufen zu widmen. "Ich sag dir doch! Pass auf, mit wem du dich abgibst. Der Kerl hat einen schlechten Einfluss auf dich!" Omi war zu fasziniert, um wirklich beleidigt zu sein. Nagi sah aus, als wäre er auf Droge, so wie die blassen Wangen sich gerötet hatten, so verträumt und gelöst, wie sein Blick war. Und Omi konnte sich durchaus vorstellen, dass es wie ein Rauschmittel auf den jungen Telekineten wirken musste, seine Kräfte anzuwenden und sich ihnen zu ergeben. „Nach deinem schlechten Einfluss soll Omi noch was beeinflussen können?“, fragte es neben ihm und der junge Weiß sah direkt in Ayas Gesicht, das nur so vor Vergnügen funkelte. „Wie sagt man so schön….da wächst kein Gras mehr!“ Und schon folgte der rothaarige Mann mit einem letzten Blick auf Nagi Schuldig in die Küche und Omi sah nur noch, wie das Hinterteil des Telepathen einen liebevoll klatschenden Klaps erhielt. "Stimmt doch überhaupt nicht! Schlichtweg eine Verleumdung ist das! Du glaubst doch nicht, dass Crawford es zulassen würde, dass Nagi von mir verdorben wird? Da lach ich doch mal kräftig." Was er auch noch lautstark tat, bevor er zu Omi blickte. "Hey Takatori junior, rutsch mal rüber und greif dir die Sachen für deinen Kuchen", ließ er vernehmen und warf Ran den Zucker zu, damit dieser die süße Fracht in den Schrank räumen konnte. „Fick dich, Mastermind“, ertönte es von der Couch und Aya hätte schon am Ton hören können, dass etwas nicht stimmte. Wenn er es nicht auch so gewusst hätte. Er sah Schuldig in die Augen und schüttelte unmerklich den Kopf. Die durch den Spaziergang noch offene Pforte zu seinen Gedanken ließ nun Ayas eigenes Missfallen heraus, das über den Kommentar des Telepathen aufgebrandet war. Der Hass auf Takatori war nicht verschwunden, nein, der Hass auf dieses Monster von einem Mann. Der Hass auf den Mann, der seine Familie auf dem Gewissen hatte. ALLE von ihnen. Aya drehte sich weg und öffnete den Kühlschrank, verstaute schweigend die restlichen Dinge in den Fächern. Ihm entging dabei, dass Omi langsam auf sie zukam, die Miene unleserlich und weit weniger ausgeglichen als zuvor. "Setz dich", sagte Schuldig völlig ernst, aber eindringlich und gab seinen Worten etwas Nachdruck, indem er Omis Geist einen Zug in die Richtung eines der Barhocker gab. Nagi war ihm gefolgt und stand noch außerhalb der Küche, hielt sich mit einer Hand an der Arbeitsplatte. ‚Ran? Diese Made von Mensch ist tot.' Er warf Omi einen langen Blick zu, während er mit verschränkten Armen an der Anrichte ihm gegenüber lehnte. "Irre ich mich oder bist du kein Spross der Familie Takatori?", fragte er ruhig und sah im Augenwinkel, wie Nagi sich versteifte. Er hatte Takatori gefürchtet und gehasst. Schuldig ... wollte nicht, dass Nagi alte Gefühle befielen. Und er hatte absolut keinen Bedarf danach Ran ... ‚Ich wollte damit keine alten Wunden aufreißen, Ran. Eigentlich hatte ich damit überhaupt keine Absicht erzielen wollen. Ich kenne ihn nur unter diesem Namen. Und vielleicht unter seinem Codenamen. Doch er hätte weniger hochtrabend geklungen.' Noch immer blickte er auf Omi. "Musstest du ihn erwähnen?", kam eine leise Stimme von Nagi, fremd und monoton klingend. "Eine indiskutable und falsch platzierte Äußerung, die deiner Unbedachtheit geschuldet war." ‚Das macht den Schmerz aber nicht leichter. Hat es nie getan’, erwiderte Aya gedanklich, strich Schuldig jedoch liebevoll über den Oberarm. „Es war sicherlich nicht Absicht…“, erwiderte schließlich überraschenderweise Omi, nicht Aya und er zuckte mit den Schultern. „Natürlich bin ich einer. Doch das heißt nicht, dass ich stolz auf diesen Namen bin oder ihn hören möchte. Es gibt Gründe, warum ich mich nicht Takatori Mamoru nenne. Das dürfte dir nicht unbekannt sein. Du bist schließlich auch jemand anderes als Schuldig“, richtete er explizit an den Deutschen. "Bin ich das?", gab dieser hintergründig zurück, platzierte einen sanften Kuss auf Rans Stirn. "Vielleicht war es ja doch Absicht? Was macht euch da alle so sicher?", löste Schuldig sich von Ran, wollte nicht zu weich wirken. Was glaubten die denn alle, wer er war? Ein verweichlichter Waschlappen! Pah. Er nicht. Und was ihn am Meisten ... ja ankotzte.... Ein verächtlicher Blick traf Nagi und er griff sich seine Zigaretten von der Ablage. "Ich gehe auf die Terrasse", sagte er, ging an Nagi vorbei, blieb bei ihm stehen und sah auf ihn herab. Etwas in ihm rührte sich. Wie in Zeitlupe griff er in den zarten Nacken, packte zu und warf Nagi vor Omis Füße. "Wenn du Angst hast wie früher, dann verhalte dich auch wie früher", zischte er und seine Augen brannten vor Wut. Es war ein altes Problem, mit dem Nagi kämpfte. Und wie oft hatte er versucht, dem Jungen das einzuschärfen. Entsetzen kolorierte Omis Blick, als Nagi mit einem dumpfen Aufprall vor ihm landete, sich noch nicht einmal gegen die grobe Behandlung wehrte. Schneller als er selbst denken konnte, war er selbst unten und hatte den jungen Telekineten angefasst, ihn vorsichtig zu sich herumgedreht, während er gleichzeitig wütend zu Schuldig hochfunkelte. „Hast du jetzt völlig den Verstand verloren?“, zischte er wutentbrannt. „Was fällt dir ein, er hat doch nichts getan!“ Auch Aya nahm das mit einem Stirnrunzeln zur Kenntnis. Die Entspannung war flöten und mit ihr die Verbindung zu Schuldig. Er griff den Telepathen am Oberarm, zog ihn zu sich herum. „Hör auf damit, was willst du damit erreichen?“ Schuldig machte sich los und drehte dem Chaos, welches er angestiftet hatte, den Rücken zu. "Ich habe schon erreicht, was ich wollte." Schlendernd und leise lachend ging er davon. "Omi könnte nie ein Takatori sein, mit oder ohne Namen. Dazu fehlt ihm das Streben nach dem Genuss nach Macht über andere", hörte man ihn leise. Ohne zu zögern, oder den Impuls zu dieser Anwandlung, diesem guten Gedanken, den die Takatoris immer empfanden, wenn sie jemanden vor sich knien hatten, jemanden vor sich hatten, der litt .. hatte sich der junge Weiß hinunter zu Nagi begeben und ihm beigestanden. Omi war nicht einmal im Kern ein Takatori. Nagis Ängste vor diesen alten Zeiten, die durch den Namen Takatori wie ein Symbol wirkten traten wieder zu Tage. Und Schuldig mochte den jungen Mann nicht wenn er wieder zu einem willenlosen Werkzeug wurde, wie er früher eines war. Nagi biss sich auf die Innenseite der Unterlippe und verzog den Mund zu einer bitteren Linie. Schuldig hatte Recht. Langsam sah er auf und wurde mit der Nähe von Takatori Mamoru konfrontiert. Er fixierte diese Augen stumm. Warum konnte er nicht wie Schuldig sein? Er hatte sich selbst belogen damals. Als er versuchte, bei Schwarz mitzuhalten, ebenbürtig mit ihnen zu sein, obwohl er so jung gewesen war. Noch immer der Jüngste. Er hatte seinen eigenen Weg gefunden. Aya starrte Schuldig wütend hinterher. Dieses manipulative… Er griff den nächsten Gegenstand, der bei ihm war und schleuderte dem verdammten Telepathen mit Präzision den nassen Spüllappen an den Hinterkopf, wo er mit einem lauten Klatschen sein Ziel erreichte. Erst dann atmete Aya tief ein. Natürlich, Schuldig hatte es nur gut gemeint, hatte den beiden nur etwas verdeutlichen wollen. DENNOCH. Auch er beugte sich zu dem dunkelhaarigen Jungen hinunter und streckte ihm eine Hand entgegen, hatte er doch das unbestimmte Gefühl, etwas von Schuldig Grobheit wiedergutmachen zu müssen. „Kannst du aufstehen?“, fragte er und wechselte einen Blick mit Omi, in dessen Augen sich Erstaunen und Erkenntnis widerspiegelten. Ja, Omi wusste. Er hatte auch schon vorher gewusst, dass er kein Takatori war, auch wenn er dieser Familie angehörte. Und es nun noch einmal bestätigt zu bekommen… Schuldig zuckte zusammen und drehte den Kopf dreist und deutlich dreckig grinsend zu Ran, nahm den Waschlappen vom Boden auf, wo er nach seinem Treffen gelandet war und verkündete mit einem unheilvollen Blick bitterböse Rache. Danach verschwand er im hinteren dunklen Bereich der Wohnung und hinaus auf die Terrasse. Nagi fühlte sich unwohl, denn diese unerwünschte Aufmerksamkeit machte ihn verlegen und vor allem unsicher. Die Worte von Schuldig hingen immer noch in der Luft und er konnte den Blick kaum von dem jungen Takatori lösen. Ja, er war einer von ihnen, aber er verhielt sich anders. Seine Augen waren anders. Aber war es nicht auch so, dass diese Augen lügen konnten? Hatte er es nicht selbst beobachtet? Genau daran konnte er es feststellen. Er war einer von ihnen. Aber er verbarg seine Trauer hinter dieser Lüge, nicht seine Perversität, seine Gier. "Ja, es geht, Schuldigs Methoden erscheinen etwas unorthodox", sagte er leise. Er fühlte sich zu diesem Takatori hingezogen. Mit seltsamem Gefühl im Bauch wurde ihm die Berührung durch diesen immer noch überdeutlich bewusst. Aya hatte Schuldigs Grinsen sehr geflissentlich übersehen und sah nun mit einem Lächeln, wie Nagi einschlug und er ihn hochziehen konnte. Der Junge war leicht, in seinen Augen zu leicht. „Backt ihr beiden den Kuchen, ich werde mich um Schuldig kümmern“, unheilte er dunkel und vielversprechend. Und ob er sich um den Telepathen kümmern würde. SO würde Schuldig nicht davon kommen, nicht bei ihm. Oh nein. Nein nein. Er streifte durch die Wohnung, zur Terrasse, wo er den Übeltäter vermutete. Der wohlweißlich wissend, dass seine Einladung angenommen werden würde, mit einer Handvoll Schnee aufwartete. Schließlich war die Terrasse nicht überdacht und es lag noch gefallener Schnee zu genüge herum um sich zu rächen. Die Terrasse lag wie der übrige Teil der Wohnung bis auf die Sitzgruppe und die Küchenzeile in Dunkelheit und Schuldig war nur durch das Aufglimmen seiner Zigarette in der Dunkelheit auszumachen. Dem Rothaarigen nachblickend stand Nagi immer noch sehr dicht an Omi und trat nun einen Schritt weiter in die Küche hinein. Er fühlte sich fehlplatziert und die Erkenntnis von vor wenigen Minuten ließ ihn den Blickkontakt mit Omi meiden. "Wie soll ich dir helfen?" Omi grübelte für einen Moment und nannte Nagi dann alle Mengen der Zutaten, die dieser dann vorsorglich schon mal abteilen konnte, damit Omi schließlich nichts weiter machen musste, als sie kunstvoll ineinander zu verrühren und zu hoffen, dass das Ergebnis auch schmeckte. Aya dagegen trat auf den Balkon und nahm Schuldig einzig als den gewünschten, roten Punkt wahr. „Elender Dramatiker“, murrte er, bevor er zu dem Deutschen aufschloss. Schuldig opferte zu Gunsten einer höheren Aufgabe seine Zigarette, an der er kaum gezogen hatte, als er Ran auf die Terrasse kommen sah. Langsam enthüllte er den weißen Schnee in seiner Hand, traf damit zielgenau Rans schimmerndes Gesicht und verwischte den kalten, weißen Niederschlag in selbigem. "Sonst lernen sie’s nie", grinste er und griff sich Ran um die Taille um ihn gleich noch gegen die Wand zu pinnen. Teile des Schnees verflüchtigten sich durch die schnelle Bewegung und den Rest um Rans Mund schmolz Schuldig mit seiner Zunge, bevor er die Lippen einnahm und heiß zwischen sie glitt. Aya lächelte in den Kuss, in diese perfide Inbesitznahme, auch wenn er durchaus überrascht von diesem schändlich hinterhältigen Angriff des Deutschen war. Der Schnee schmolz in kleinen Flocken auf seinem Gesicht, hinterließ kalte, nasse Tröpfchen auf seiner Haut. „Willst du mich herausfordern?“, murmelte er leise lachend und zog Schuldig noch etwas enger an sich, kühlte derweil seine Hände an der kalten Abendluft, nur um sie dann Zentimeter um Zentimeter in Schuldigs Hose kriechen und das noch schlaffe Fleisch des anderen Mannes umfassen zu lassen. Mal sehen…wer von ihnen hier wen überraschte. „Hmm...“ Ein zischender Stöhnlaut entwich Schuldig und er zuckte zurück vor diesen kalten Händen. „Wenn er erfroren abfällt, bist du schuld!“, jammerte er. Was jedoch etwas unglaubwürdig wirkte, denn er presste sich schon näher an Ran, knabberte, nippte an dessen Lippen, während seine Hände sowohl an dessen Nacken als auch an dessen Kehrseite Gefallen fanden. Ran hatte diese fatale Wirkung auf ihn, diese lustbringende Wirkung, die ihn heiß laufen ließ und die kalte Hände noch intensiver fühlen ließ... Währenddessen waren die Jüngeren mit keuscheren Dingen wie Kuchen backen beschäftigt. Nagi hatte nur wenig gefrühstückt und sein Magen knurrte vernehmlich als Omi die Zutaten zusammen mixte, der Duft der Schokolade seine Sinne umwehte. „Hunger?“, lachte Omi vergnügt und verteilte den fertigen Teig in die Backform, gab sie schließlich in den hochmodernen, edlen Backofen mit Schnickschnack, den Omi nur bewundern konnte. Im Vergleich zu ihrem rustikalen Zuhause kein Wunder. „Dann werde ich dich fürstlich dafür entlohnen, falls es tatsächlich so sein sollte“, ließ Aya die Worte nur so aus seiner Kehle schnurren, ließ sie Schuldig locken. Seine Finger krabbelten in längst schon heimische Gefilde, fanden die sanfte Spitze und umstrichen sie. „Sehr fürstlich“, hauchte er und zog Schuldig in einen weiteren, frivolen Kuss. "Nein, Hunger habe ich keinen... auch wenn mein Magen diese Geräusche von sich gibt." Glatt gelogen. Und durchaus gekonnt, wie Nagi zugeben musste. Er hatte Hunger. Großen sogar. Aber diese Schwäche wollte er nicht äußern. Außerdem wäre es unschicklich gewesen. Er hatte fast immer Hunger, vor allem, nachdem er seine Fähigkeiten ausübte. Sein Grundumsatz war höher durch die mentale Anstrengung. Gewicht setzte er deshalb nicht an. Dagegen musste er eher darauf achten, nicht noch mehr ins Untergewicht zu rutschen. „Natürlich, das sage ich auch immer“, stimmte Omi Nagi zu und schenkte ihm einen der Blicke, die ausdrückten, dass der blonde Junge ihn genau durchschaut hatte. Er hatte ja sozusagen den handfesten Beweis, dass es nicht stimmte. Ein handfester Beweis, der sich auch jetzt wieder bemerkbar machte und ihn zum Schmunzeln brachte. „Ein wenig mehr könntest du aber tatsächlich auf den Rippen vertragen“, führte er kritisch an und maß den jungen Telekineten. Nagi sah weg und zuckte mit den Schultern. "Ich weiß, ich bin zu dünn, zu knochig und meine Muskeln sind nicht sonderlich ausgeprägt ... stark untertrieben. Um mehr anzusetzen, müsste ich regelmäßig hochkalorische Drinks zu mir nehmen, nachdem ich meine Fähigkeiten trainiere oder einsetze." Er zuckte resignierend mit den Schultern. "Sie schmecken widerlich. Und ich habe nicht vor, einen Schönheitswettbewerb zu gewinnen", er lächelte leicht und wandte sich nach einem kurzen Augenblick ab um sich auf einen der Hocker zu setzen. „Nein, aber vielleicht solltest du ins Auge fassen, mal hie und da einen richtig fetten Burger mit Pommes und Salat zu essen. Einmal die Woche wäre schon mal ein guter Ansatz. Oder Schokolade. Alkohol. All das gesunde Zeug eben“, hielt Omi dagegen und hob vielsagend eine Augenbraue, hatte er doch schon eine gewisse Vorstellung davon, wie die Ernährung des Telekineten aussah. Das war indiskutabel. Völlig. "Das liegt alles zu schwer im Magen. Zum Teil behindert es meine Selbstkontrolle", spielte er auf den Alkohol an. Die Kontrolle zu verlieren war zwar berauschend und ... schön für ihn, doch es war nicht wirklich in Betracht zu ziehen. "Aber Schokolade wäre eine Möglichkeit", räumte er ein und warf einen Blick zu dem beleuchteten, noch unfertigen Kuchen im Backofen. „Gut, dann verordnet Doktor Tsukiyono dem Patienten täglich drei Tafeln Schokolade, in drei Dosen. Einzunehmen nach den Mahlzeiten“, prophezeite eben dieser Doktor und rückte seine nicht vorhandene Brille zurecht. „Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten sind nicht zu befürchten, es kann lediglich zu einer erhöhten Ausschüttung von Endorphinen führen. Eine sehr wirksame Therapie.“ "Täglich? Drei?", verzog Nagi angewidert das Gesicht. "Das ist definitiv schon eine Überdosierung!", behauptete er und sah Omi an, als würde er etwas Abartiges von ihm verlangen. "Sagen Sie bloß, Sie wollen mich damit umbringen, Herr Doktor?" „Nein nein. Das ist eine Schocktherapie. Neu entwickelt. Sehr gut. Ich habe bisher nur die besten Erfahrungen damit gemacht“, nickte Omi. „Es dauert zwar etwas, bevor der Körper die Hormone zu nehmen und umzusetzen weiß, aber dann wird es wunderbar laufen. Ein Zustand dauerhafter Glückseligkeit, sozusagen.“ Nagis Blick wurde weicher und er lächelte sogar etwas. "Ein dauerhafter, glückseliger Zustand... den gibt es nicht, Herr Doktor", sagte er und seine Augen fingen wieder den Kuchen im Backofen ein. Diesen Zustand hatte er noch nie erstrebt. Er dagegen hatte früher immer Ruhe, Stille, Alleinsein erstrebt. Geborgenheit, Schutz. Das Gefühl, angenommen zu werden. Das hatte er nur unter Seinesgleichen. „Manchmal bist du einfach zu pessimistisch, weißt du das?“, tadelte Omi den Anderen sanft und prüfte nun selbst nach, wie weit das Teiggebilde schon hochgegangen war. „Nimm dir ein Beispiel an den beiden Turteltauben da. Die sind auch glücklich und schau dir an, auf welcher Basis sie gestartet haben. Beschleicht dich da nicht manchmal auch der Eindruck, dass Glück gar nicht mal so schwer zu erlangen ist, wenn man nur die Augen offen hält?“ "Manchmal?" Nagi sah Omi dabei zu, wie er den Kuchen beäugte. Sein Gegenüber sprach von ihm, als würde er schon sämtliche Verhaltensweisen Nagis kennen... "Du kennst mich doch gar nicht", stellte er erstaunt und mit einem leisen Vorwurf in seinen Worten fest. "Nicht jeder ist so gedankenlos wie Schuldig und auf sein eigenes Wohl bedacht. Es tut ihm gut, das scheint schon richtig", gab er zu und er sah in die Richtung, in die Schuldig und Ran verschwunden waren. "Aber er hat nicht an die Konsequenzen gedacht. Keine Sekunde lang." Er wollte gar nicht daran denken, was geschehen würde, wenn er sich in ähnlicher Weise vergnügen würde. Eine Katastrophe. Besser war es, alles so zu halten wie bisher. Doch dazu war er schon zu sehr in eine Unterhaltung mit einem Weiß vertieft. „Wenn du andauernd nur an die Konsequenzen denkst, vergisst du irgendwann ganz zu leben, glaube es mir“, erwiderte Omi. „Wir haben uns viel zu lange Sorgen über unwichtige Dinge gemacht, irgendwann muss auch mal Schluss sein.“ Er schwieg für einen Moment, ließ seinen Blick nachdenklich auf die Anrichte gleiten. „Du sprichst immer von Konsequenzen…was für Konsequenzen ergeben sich denn?“ "Eine Konsequenz wäre ... dieses Gebäude in Schutt und Asche zu legen. Oder, dass das Team auseinanderbricht, wie wir befürchten. Dass ich zum Verräter werde, all diese Dinge. Jemandes Vertrauen in mich zu verletzen, das wäre wohl das Schlimmste." Nagi wandte sich auf dem Hocker um, drehte Omi den Rücken zu. Er hasste es bereits, im Ansatz Crawford darüber zu berichten, was sie hier veranstalteten. Kuchen backen mit dem ... jungen ... Takatori. Welch Schande. Nagi schloss die Augen und bettete seinen Kopf auf die verschränkten Arme. Omi seufzte. „Nein, das wäre nicht das Schlimmste…“, erwiderte er und ging zu Nagi, legte diesem von hinten beide Arme um den schmächtigen Körper und lehnte sich an die dünne Gestalt. „Das Schlimmste ist, genau zu wissen, dass es durchaus auch so passieren kann…“, flüsterte er und drückte Nagi einmal, bevor er ihn wieder losließ und sich aufrichtete. "Ja, kann es ... aber wir versuchen all diesen Konsequenzen aus dem Weg zu gehen." Nagi fühlte der Hitze nach, der schieren Betäubung, die auf diese Umarmung in ihm herrschte. "Warum tust du so etwas? Hör auf damit", sagte er ruhig. Er fühlte sich nicht wohl, wenn ihn jemand berührte. Es kam ihm so absurd vor, unwirklich. Als wäre diese Situation etwas Fingiertes. „Du schienst so, als könntest du es gebrauchen. Aber wenn du es nicht willst, werde ich es natürlich nicht wiederholen“, räumte Omi ein und lächelte, jedoch distanzierter als zuvor, so als wolle er seine Worte bekräftigen. Er widmete sich dem Aufräumen und dem Spülen des benutzten Besteckes und Geschirrs, wandte nun seinerseits Nagi den Rücken zu, summte leise vor sich hin. Schon als die Worte ausgesprochen wurden, konnte Nagi fühlen, das es ihm ...wehtat. Das sie ihm wehtaten. Warum? Er drehte sich zaghaft um. Weil es etwas Neues war, ihn neue Empfindungen heimgesucht hatten? Wie eine Heimsuchung war das Kribbeln über ihn gekommen und mit ihr das Gefühl von Nähe, dieses Drängen danach weglaufen zu wollen, ihn von sich stoßen zu wollen, mit allem, was er zur Verfügung hatte. Würde er es aushalten können? Diese unverblümte Annäherung, die nichts mit ihren Plätzen in der Gesellschaft ... beide im Untergrund auf verschiedenen Seiten zu tun hatte... "Weil ich es brauchte? Kannst du das so einfach? Ich bin Schwarz", war es für ihn unbegreiflich, genauso hörte sich seine Stimme an, tonlos und verloren. Er verstand es nicht. Aber ja, er brauchte es. Dringend. „Schwarz…Weiß…und? Sind wir nicht alle Menschen, die Schwächen und Stärken haben? Wen scheren schon unnütze Bezeichnungen für Arbeits- und Wohngemeinschaften? Mich im Moment nicht und wenn ich in der Lage bin, Schuldig zu akzeptieren und mich nicht von Crawford umbringen zu lassen, dann verzeih mir, wenn ich auch nichts gegen dich vorzuweisen habe.“ Er zuckte mit den Schultern, immer noch zur Spüle hin. „Und ja, ich kann es so einfach. Manchmal ist es eben so leicht.“ Es klang alles so einfach. "Das klingt als würde dir alles leicht fallen, als müsstest du keine Hindernisse, keine inneren Schranken überwinden", sagte Nagi leise und fühlte sich wie gewohnt als Außenseiter, der das Leben um sich herum als Nichtwahrgenommener betrachtete. Vielleicht, weil er nicht wahrgenommen werden wollte? Weil er, wie Schuldig und Ran momentan, in einer Blase lebte. Aber hatte er nicht schon oft daran gedacht? Wie oft? Zu viele Male. Und er war immer zu dem gleichen Schluss gekommen: Es war besser, außen vor zu bleiben. Für alle Beteiligten und vor allem für sich selbst. Denn genau das war es, was er insgeheim hasste: Diese Überlegenheit, dieser unsinnige Optimismus, der nichts brachte, rein gar nichts. Es schmerzte nur, optimistisch zu sein, nur um dann enttäuscht zu werden. Von anderen oder von sich selbst. Und doch ... genau das war es, was er wollte. Er wollte hören, dass alles gut werden würde. Aber er wollte es so hören, dass er es glauben konnte, nicht so, dass er darüber lachen musste, weil es lächerlich war. Im Zwiespalt saß er da, die Hände in den Stoff, der seine Oberschenkel umspannte, gekrallt. Crawford konnte es. Er konnte ihm sagen, dass alles gut werden würde oder nicht. Konnte Omi das auch? Oder war es tatsächlich so, dass er einfach nur ein unverbesserlicher Optimist war, einer, der Hirngespinsten hinterher jagte? Omi schüttelte den Kopf. „Mir fällt nichts leicht und manche Schranken scheinen einfach zu hoch, dass man sie überwindet. Doch allein schon diese Anstrengung, der Lohn dafür, wenn man DOCH erfolgreich ist und sich über alles andere hinwegsetzt, das einen behindert und am Boden hält, das macht Optimismus aus. Das gibt einem die Kraft, weiterzumachen. Es gibt MIR zumindest die Kraft.“ Er zuckte mit den Schultern und nahm sich eines der Trockentücher, drehte sich kurz zu Nagi um. „Natürlich bin ich manchmal fertig. Aber es findet sich immer etwas, das mich wieder aufbaut. Auch wenn es nur eine Kleinigkeit ist.“ "Das kann ich nicht", sah der Telekinet auf, die Augen weit und den Kopf schüttelnd. Damit konnte er keinerlei Kraft gewinnen. Für nichts. Er würde es auch nicht wollen. Es widerte ihn an. Wie sollte er so sein Leben bestreiten? Er wäre nicht bis hierher gekommen. Er wäre ... wäre nicht mehr. In seinem Innern spürte er etwas Ähnliches wie Unruhe, eine Angst davor, dass Omi ihm etwas wegnehmen wollte, ihm seine Einstellung nehmen wollte, sein Ich, das ihn ausmachte, das ihn davor bewahrte unterzugehen. Diese Angst trat auch in seinen Blick, als er vom Hocker rutschte und die Hände ausbreitete, in einer hilflosen Geste, und sie sinken ließ, als er es bemerkte. "Ich bin nicht ... wie du", legte er den Kopf schräg und sah Omi mit einer tiefer gehenden Trauer an, als er es selbst für sich erkannte. „Nein, das bist du nicht“, bestätigte der blonde Weiß und lächelte sanft über den Kummer des Anderen. „Du bist du und hast deinen Weg gefunden, dein Leben zu leben. Anscheinend bist du damit genauso erfolgreich wie ich, denn sonst würdest du hier nicht stehen. Und es wäre schlimm, wenn du wie ich wärst. Ein zweites Ich könnte ich nicht ertragen.“ Er lachte, drehte sich schulterzuckend wieder zurück und begann damit, die Gerätschaften abzutrocknen. Dem anderen mit einem resignierenden Blick in den Hinterkopf starrend, zwang sich Nagi schlussendlich wegzusehen. "Das ist mir unbegreiflich!", lachte er mit vor Bitterkeit getränkten Worten. "Warum ... lächelst du und bist doch unsäglich ...." Er verstummte, löste seine steife Haltung und ging hinüber zur angenehm beleuchteten Sitzgruppe. Er verstand es nicht. Dieses Lächeln, diese Unbekümmertheit war ... ein Schild. Und dahinter ... …war das, was wohl jeder von ihnen in sich trug. Natürlich war Omi nicht nur optimistisch, natürlich hatte er auch Phasen tiefer Depression und Verzweiflung. Doch das war etwas, was er sich nicht oft gestattete. Es lenkte ihn nur ab und das brachte nichts. Das Leben ging weiter, mit oder ohne ihn. Was sollte er sich da in den Abgrund stürzen, der nur Schritte von ihm entfernt lauerte? Eben. Deswegen lächelte er. Weil er es konnte. Weil er es wollte. Weil es besser als die Dunkelheit war. Nagi brütete vor sich hin und wünschte sich seine gewohnte Umgebung, seine gewohnten Gedanken, nicht diese neue Sichtweise, dieser wenig ältere Takatori, der ihm Zweifel säte, wo zuvor Gewissheit war. Der Telekinet sah hinaus in das Dunkel der beginnenden frühen Nacht und fühlte die Schwermut in sich. Zuletzt war es so bei Tot gewesen. Denn damals hatte er etwas Neues gefühlt, was ihn aufgewühlt hatte, ihn nicht mehr Schlafen ließ und schlussendlich war es umsonst gewesen. Omi wurde schließlich fertig mit dem Abtrocknen und sah nach dem Kuchen, stellte fest, dass er durchaus gut war. Er hangelte sich zwei der Tücher und fischte das Meisterwerk aus dem Backofen. „Na da hab ich dich aber gut hinbekommen, was?“, lobte Omi sich leise selbst und lächelte stolz. Gott, roch das gut. Verdammt gut! Jetzt nur noch eine Weile abkühlen lassen und dann die Schokoladenglasur drübergeben…und schon war es vollendet, sein Werk. Er wandte sich zu Nagi. „Hol mal die beiden Turteltauben vom Balkon…die können sich jetzt auch mal nützlich machen.“ Doch weiter kam Nagi nicht in seinen Selbstzweifeln, Omis Bitte folgend, war er zur Terrasse gegangen und wurde gerade Schuldig und Ran ansichtig. Hitze schoss ihm ins Gesicht, breitete sich in seinem Unterleib aus, als er wie erstarrt da stand, die Tür noch immer in der Hand, sich daran festhaltend. Die Lippen waren blass, da aufeinander gepresst und die Augen weit geöffnet, saugten sie alles auf, dessen sie ansichtig wurden. Schuldig in einem tiefen, feuchten Kuss mit Ran verstrickt, dessen Oberteil fast ganz hochgeschoben, trotz der Kälte, Schuldigs und Rans Hände in der jeweils anderen Hose. Leises Keuchen, dunkles Lachen ... "Omi sagte, ihr sollt ... kommen", sagte er kalt und distanziert, konnte sich aber einen kleinen abfälligen Witz nicht verbeißen. Wie widerlich. Er wollte sich nicht davon beeindrucken lassen, es stieß ihn ab, diese rohe Lust, die ihn nicht belangen konnte, diese frivolen Geräusche. Die Tür knallte zu und er spürte, wie er sich abrupt abwandte, sein Gang unsicher, befand er sich kurz darauf auf dem Fensterbrett wieder, auf dem er schon zuvor gesessen hatte, umschlang seine angezogenen Beine. Er hasste es... hasste es... hasste sich... Omi hatte das ganze Drama mit einem wachsamen Auge und einem noch wachsameren Ohr verfolgt und seufzte ergeben. Was konnten die beiden Älteren auch nicht ihre Finger bei sich lassen, wenn sie hier waren... Aber gut, da mussten sie durch, sowohl Nagi als auch er. Nicht, dass er damit ein Problem gehabt hätte. Zumal er die Vorstellung, Ran und Schuldig... Omi schüttelte unwirsch den Gedankengang ab. Anderes Thema. Er schlenderte wenig elegant hinkend zu Nagi herüber und setzte sich zu ihm auf die Fensterbank, lächelte. "Die beiden...können ihre Griffel nicht voneinander lassen, was? Und, hat es sich wenigstens gelohnt, da rein zu platzen?", fragte er sanft. "Ich hätte es vorgezogen, diesem vulgären Anblick nicht ausgesetzt zu sein", sagte Nagi kalt, noch immer die beschämende Röte, die der Hitze geschuldet war, auf seinen Wangen habend. Er mied es den Blick des anderen zu kreuzen und ebenso verbat er es sich, über die Szene nachzudenken, sie in sich zu lassen, seine Gefühle anzustacheln. Der Duft von Kuchen umwehte seine Nase und dieser schokoladige Geruch ließ ihn wieder ruhiger werden. Innerlich hatte ihn das Verhalten von Ran und Schuldig aufgeregt, doch der Duft ließ dies alles halb so schlimm erscheinen. Omi lachte warm. „Ich werde mal ein ernstes Wort mit ihnen wechseln, wenn sie sich voneinander lösen können“, versicherte er und zuckte mit den Schultern. Er sah wohl, wie peinlich berührt der andere war, übersah es in diesem Moment jedoch geflissentlich. Um Nagi nicht zu beschämen, genau deswegen. „Sie sind eben beide Rotschöpfe…leidenschaftlich und triebgesteuert…“ „Ach ja?“, fragte eine dunkle, durchaus süffisante Stimme hinter ihm und Omi fuhr schuldbewusst herum. Da schau an…sie waren wieder da die beiden Turteltauben. Wie schön, dass Rans Wangen genauso gerötet waren wie Nagis auch…nur aus einem anderen Grund. Und der Grund spannte sich noch leicht etwas weiter unten. „Ja, noch nicht gewusst, Ran?“ Der ältere Mann bedachte ihn mit einem dunklen Blick. ‚Erwischt, Kleiner‘, schickte Schuldig in Omis Gedanken und grinste hinter Ran dreckig. ‚Ran als triebgesteuert zu bezeichnen ... völlig aus der Luft gegriffen!‘, verteidigte er sein Blumenkind beflissen und wackelte mit den Augenbrauen, ungesehen von Ran. Ging aber gleich darauf in die Küche weiter. "Wollt ihr Tee, Kaffe oder etwas anderes?", spielte er den gut gelaunten Gastgeber, die überschüssige Energie, die er nicht abbauen konnte, gipfelte in seiner rauen Stimme und seinen Gedanken, die ganz und gar nicht so feine Dinge mit Ran anstellten... ‚Ha! Völlig aus der Luft gegriffen! Wer’s glaubt!’, ereiferte sich Omi und lächelte Ran dabei unschuldig ins Gesicht. VÖLLIG unschuldig. „Ich hätte gerne einen Kaffee“, rief er Schuldig hinterher, seine Meinung ändernd, dass er einen Kakao wollte. Kaffee war jetzt bessre, bitterer, passender. Er folgte Schuldig an Ran vorbei in die Küche. Zeit für das Leckerste am ganzen Kuchen: die Glasur. Weiße und dunkle Schokolade, das zusammengemischt. Wundervoll. Er stand neben Schuldig, als er unschuldig pfiff und ihm ein „Na, wer hat hier einen schlechten Einfluss?“ zuflüsterte. Dem Geplänkel lauschend wusste sich Nagi außen vor. Er blieb, wo er war. Das warme Lachen von Omi hatte ihn berührt. So weit, dass er aufgesehen hatte, diesem Klang noch nachsann. Leidenschaftlich und triebgesteuert... Und was war er? Weder das eine noch das andere. Wieder wurde er in die düsteren Bereiche seiner Gedanken gelockt. Er konnte es nicht. Er konnte sich nicht gehen lassen, konnte sich nicht selbst berühren und sich Lust verschaffen, hatte es noch nie als gut empfunden, als schön. Eher als verdammenswerten Vorgang, um seinem Körper Erleichterung zu verschaffen. Ein Akt, seiner körperlichen Entwicklung geschuldet, die er über die Zeit zu bringen hatte. Leidenschaft ... wie unnütz und wie ... gefährlich. Er blickte auf und sah Ran, der immer noch dort stand. "Du, natürlich", raunte Schuldig nah an Omis Ohr, weil er sich über ihn beugte um den Kaffee aus dem Schrank zu angeln. "Setz ihn nicht unter Druck, der entlädt sich sonst schneller, als gedacht", meinte er jetzt ernst, grinste aber wie eh und je. Nur dass der Ausdruck seiner Augen ein ernst gemeinter Ratschlag war. Omi sah zur Seite, begegnete den grünen Augen, die einen Vorschlag gemacht hatten, der eigentlich gar keiner war. Omi wusste das und akzeptierte es…auch zu seiner eigenen Sicherheit. „Ich kann es mir vorstellen“, nickte er schließlich. „Absichtlich werde ich es garantiert nicht tun. Allerdings werde ich ihn nicht mit Samthandschuhen anfassen, ein wenig Abhärtung kann er auch vertragen.“ Er steckte die noch harte Schokolade ungezwungen in die Mikrowelle, stellte sie auf eine Minute ein. „Ihr beide habt da ganz schön was losgetreten…zuerst gab’s nur Schwarz und Weiß und jetzt scheint, als vermischt sich nach und nach alles. Als verwischt es zu einem seltsamen Grau.“ Sein Blick ruhte auf der schwarzen Sichtscheibe, sah zu, wie sich der Teller langsam drehte. Ran wartete noch einen Moment, bevor er sich langsam zu Nagi auf die Fensterbank setzte und den Blick des Jungen festhielt. „Kommt ihr miteinander aus?“, fragte er neutral, ohne jegliche Provokation oder Vorwurf oder etwas anderes in der Stimme. Schuldig antwortete nicht gleich auf Omis Worte, wollte nicht darauf eingehen. ‚Etwas losgetreten? Was haben wir denn losgetreten? Mit den Konsequenzen einer Abhärtung musst du selbst klar kommen, mach nur nicht unsere Arbeit zunichte.‘ Nagi war ebenso wortkarg. Was sollte er darauf antworten? „Miteinander auskommen?“ fragte er leise zurück. „Ich könnte ihn töten“, er hob die schmalen Schultern, wischte sich über die Oberarme, als wäre ihm kalt. „Tue es nicht, wegen Schuldig.“ Nagi hob den Kopf und sein etwas abgeklärter Blick traf in Rans Violett. „Ich ... bin auseinander gerissen zwischen Schuldigs Glück und der Loyalität zu Brad. Mit ihm zu sprechen bedeutet für mich den Verlust von Vertrauen.“ Er meinte Omi und legte den Kopf fragend zur Seite. „Ich komme mit ihm aus“, sagte er tonlos, als wäre das die Antwort auf all die Fragen, die in seinem Kopf herumspukten. Und genau das war der Knackpunkt. Er kam mit ihm aus, auf eine verquere Art und Weise und trotz es Sanktionen für ihn bedeutete. „Warum bedeutet es Vertrauensverlust?“, fragte Aya ehrlich erstaunt. „Ihr seid ein Team, seid ihr über die Jahre nicht so gut zusammengewachsen, dass ihr euch vertrauen könnt, auch wenn ihr sozusagen expandiert? Wenn du deinen Fokus erweiterst?“ Er zog ebenso ein Bein an und legte seinen Arm darauf. „Was kann Crawford schon befürchten?“ Er sinnierte einen Moment lang nach, ließ seine Gedanken zurückschweifen. „Zumal…er es doch vorhergesehen haben müsste. Er hat mich schließlich am Leben gelassen. Er hat den Stein ins Rollen gebracht.“ Auf der anderen Seite der Wohnung runzelte gerade der zweite Weiß die Stirn. ‚Eure Wohnung heißt nicht umsonst Grauzone. Hier treffen Schwarz und Weiß aufeinander und vermischen sich. Wegen euch beiden. Ihr habt euch dem anderen gegenüber menschlich gemacht und verbreitet das nun wie die frohe Botschaft auf den Rest der beiden Teams’, erwiderte Omi und holte die fertige Glasur aus der Mikrowelle, goss sie auf den noch etwas warmen Kuchen. „Keine Sorge, ich werde eure Arbeit nicht zunichte machen, so masochistisch bin ich nicht veranlagt.“ „Darum geht es nicht", sagte Nagi und blickte hinaus. „Wie hättest du reagiert, wenn Omi sich plötzlich ...", er dachte kurz nach, zu abwegig erschien ihm dieses Argument. „...mit mir eingelassen hätte? Und jetzt erzähl mir nicht von deinem Großmut", sagte er leise und blickte auf. Crawford wollte ihn beschützen, und Omi würde ihn nie verstehen, nicht so, wie Brad es konnte. „Menschen, die keine ähnlichen Fähigkeiten haben, haben uns oft genug gezeigt, wo wir hin gehören, wir alle haben das hinter uns.“ Es bedeutete Verrat, sich mit diesen Menschen abzugeben. Schuldig musste lachen. Schallend. „Soll ich dir was sagen? Ihr seid mir sowas von egal! Ich bin ein egoistischer, egozentrischer Chauvi, es kümmert mich nicht, wer hier zu wem kommen soll. Ran gehört mir, Kleiner. Und ich weiß zwar nicht, ob er gewisse Besitzansprüche stellt, aber es wäre anturnend, würde er es tun. Grauzone...", noch immer lachte er in sich hinein. Omi lachte mit, jedoch aus einem anderen Grund. „Wenn du dich da mal nicht täuschst, Schuldig. Ran gehört nicht dir. Du hast keine Besitzansprüche an ihn, auch wenn du es vielleicht gerne hättest.“ Er drückte die letzten Reste der Glasur aus der Packung und strich sie auf dem Kuchen glatt. „Und zu laut solltest du es auch nicht schreien, es sei denn du willst, dass er sich fluchs wieder an die Zeit erinnert, als du ihn noch gegen seinen Willen hier behalten hast, Mastermind. Ich bin mal gespannt, wie lange du ihn dann noch hier halten kannst.“ Er sah zu Schuldig und lächelte. „Du magst zwar interessant sein, Schuldig, doch ich würde jederzeit den Kleinen dir vorziehen. Das meinte ich mit Grauzone. Ihr beide habt es vorgemacht, wir machen es nach. Mal sehen, wohin das noch führt.“ Besagter Rotschopf lehnte sich gerade mit dem Rücken ans Fenster und ließ seinen Blick über den jungen Telekineten gleiten. „Die Menschen fürchten das, was sie nicht kennen und lehnen es ab. Es war immer so und wird immer wieder so sein. Sie müssen sich erst einmal an den Gedanken gewöhnen.“ Er ließ seine Augen durch die Wohnung schweifen. „Gesetzt dem Fall dass…hätte ich euch beide mit Misstrauen beobachtet. Besonders dich. Wäre aber vermutlich schließlich zu dem Schluss gekommen, dass es wohl gut gehen müsste, wenn Omi dich gewählt hätte. Es ist schließlich sein Leben, nicht meins, auch wenn ich manchmal noch meine schützende Hand über ihn halten möchte. Wäre es allerdings zu Takatoris Zeiten gewesen…“, er ließ seine Stimme abschwächen, ließ sie leiser werden. „…hätte ich alles daran gesetzt, dich zu töten. Doch so verblendet bin ich nicht. Nicht mehr.“ "Glaub was du willst", wedelte Schuldig mit der Hand und betätigte die Kaffeemaschine. "Ich meinte das nicht auf körperlicher Ebene, eher auf einer anderen. Nur ob du das verstehst ... ich glaube nicht. Ich gehöre Ran", sagte er schlicht und begab sich aus der Küche um in den Schlafbereich zu gehen, langsam alle Lichter anzuknipsen. "Zu Takatoris Zeiten ...", sagte Nagi leise und lachte kalt auf. Leise und verhalten. Bitter. Fast ungläubig blickte er zu Ran, sah ihn lange an, alte Bilder kreisten in seinen Gedanken. "Ich mit einem Takatori? Das hätte mich ... verrückt gemacht", sagte er fast schon irre lächelnd und mit einem fahlen, feuchten Schimmer in den Augen. Aya erwiderte diesen Blick schweigend und lächelte schließlich. „Das hätte es…“, bestätigte er und stand lautlos auf. „Deswegen ist Omi auch gut für dich, weil er nie einer war und nie einer sein wird“, nickte er und wuschelte kurz durch die dunkelbraune Mähne des Jungen vor ihm, bevor er sich in Richtung Küche aufmachte und Omis schweigsame Miene einfing. Die sich nun in eine Denkerfalte umwandelte, als die blauen Augen des jüngeren Weiß auf ihm zum Ruhen kamen. „Er gehört dir also…“, stellte Omi in den Raum, erklärte es aber nicht. Zu Ayas Verwirrung. Er war versucht zu fragen, was der Jüngere damit meinte, bevor er sich wirklich dazu zwang, nachzudenken. Erst im Stillen übereinzukommen, was Omi meinen könnte. Und eigentlich blieb nur ein Schluss. „Schuldig?“ Omi nickte. „Ja, das tut er“, erwiderte Aya bedächtig. Es waren dutzender kleinster Szenen, die nun in seinem Kopf erschienen. Dutzender kleinster Gegebenheiten, die nicht sofort als solche zu erkennen waren. Als Besitzanzeigen, wenn Aya es so wollte. Wenn er es sich ehrlich eingestand, war es genau das, was er brauchte. Halt, Versicherung, Nähe. Beständigkeit. Es ließ ihn…heilen. „Und du? Gehörst du ihm?“ Auch das brauchte einen Moment, bis es von Aya beantwortet wurde. „Ich gehöre zu ihm.“ Nagi strich sich seine Haare wieder glatt und empörte sich innerlich über diese unwillkommene Behandlung. Omi war gut für ihn? Wie sollte er das verstehen? Sollte er es so verstehen, wie er es wollte? Schuldig kam von seinem Rundgang zur Sitzgruppe und betrachtete sich Nagi, die Hände in die Hosentaschen vergraben, lässig vor ihm stehend, las er die Gedanken, die er nicht hätte lesen dürfen. Doch dies Mal machte er sich Sorgen um ihren Jüngsten. Aber da musste dieser durch. Schuldig konnte ihm nicht helfen. Er wandte sich ab und ging in die Küche, nahm die Tasse von Omi und ließ den Kaffee hinein laufen, frisch gemahlen selbstverständlich. Ebenso seine eigene Tasse. "Willst du auch einen?", wandte er sich Ran zu. Aya sah Schuldig in die Augen. Sein Blick ruhte prüfend auf den grünen Iriden, suchend. Ich gehöre dir nicht, richtete er innerlich ungehört an den Deutschen. Nein, das wissen wir beide. Doch ich habe in dir einen Begleiter gefunden. Jemanden, der mich ein Stück meines Lebens mitnimmt. Oder den ich mitnehme, ganz wie man es sieht. Er nickte…lächelte. „Gerne“, erwiderte er sanft und strich Schuldig eine der langen Strähnen aus dem Gesicht. Er reckte sich empor und hauchte einen sanften Kuss auf die Schläfe des Telepathen. „Gerne.“ Schuldig wusste nicht, was die beiden gesprochen hatten, doch der Blick sagte so einiges aus. Er war ernst und die Geste, die folgte trug viel von Rans Gefühlen für ihn mit sich. Schuldig erwiderte den sanften Kuss und grinste an Rans Wange, küsste sie schnell und wandte sich wieder seiner Tätigkeit zu. Violette Augen sahen zurück zu Omi und fingen dessen lächelndes Kopfschütteln ein. „Schlimmer als jedes Highschoolpärchen“, grinste der blonde Weiß und zuckte mit den Schultern, nippte an seinem Kaffee. Aya beschloss, das nicht als persönliche Beleidigung zu werten und es einfach mit Humor zu nehmen. Was blieb ihm auch anderes übrig? Er sah schweigend zu, wie Omi an dem Kuchen werkelte und rückte seinem Teamkollegen schließlich ein wenig näher. „Wenigstens…“, begann er und stibitzte sich etwas der noch warmen Glasur. „…backen wir uns keine Kuchen. Bei uns geht die Liebe direkt dorthin, wo sie hin soll, nicht erst durch den Magen…“ Schuldig erstarrte in der nächsten Bewegung, denn er hatte die Worte aufgeschnappt und zog als äußere Reaktion darauf die Brauen zusammen. Ran liebte ihn. So beiläufig gesagt, als wäre es klar. Als läge es auf der Hand. Einfach so dahingesagt. Schuldig unterdrückte den Impuls, Ran in ein dunkles Eck zu ziehen und über ihn herzufallen, in bester Liebhabermanier verstand sich. Stattdessen grinste er selig vor sich hin und rührte einen Zuckerlöffel nach dem anderen in seinen Kaffee. Aya bemerkte das und sah stirnrunzelnd zu, wie dieser scheinbar plötzlich auf Drogen gesetzte Deutsche sich den Tag versüßte. Natürlich wusste er, dass Schuldig gierig war, zumindest, was den Sex zwischen ihnen beiden betraf. Doch dass das auch den Zucker betraf, wäre ihm neu gewesen. Und zu sagen, dass Aya nicht den Grund für diesen geistigen Endorphinschub des Telepathen kannte, wäre gelogen gewesen. Er selbst war ja schließlich dafür verantwortlich. Unter den ungläubigen Blicken Omis umarmte er Schuldig von hinten und verschränkte seine Arme vor dem Bauch des Anderen, verwob die Finger ineinander. Er war entspannt, angefüllt von positiven Emotionen, so würde es vielleicht ein leichtes sein, Schuldig in seine Gedanken zu locken. Der Telepath hatte zwar gesagt, dass er selbst nicht senden konnte, doch das hieß noch lange nicht, dass er seine Gedanken speziell in diesem Moment nicht lesen würde. 'Habe ich dich so verstört, hm?', geisterte es durch seine Gedanken, raunend, leise, gerade so, wie er es vielleicht laut ausgesprochen hätte. Innerlich wie äußerlich lächelnd hauchte er einen sanften Kuss auf die so verführerische, noch etwas kalte Ohrmuschel und atmete den Duft des Deutschen ein. Schuldig hielt inne und legte die Stirn in kleine Fältchen, als sich warme, gut anfühlende Hände über seinen Bauch schoben. Und er hörte die Worte, weil er es sich zur Angewohnheit gemacht hatte, die ständige, nicht vorhandene Präsenz von Rans Geist zu observieren. Vielleicht geschah ja ein Wunder und Ran öffnete sich wie schon einige Male zuvor. Und jetzt? Was hätte es schöneres geben können als dass er Ran hören konnte? ‚Scheint so‘, umschwirrte er fast flatterhaft Rans Geist, war kein ruhender Pol, sondern eher wie Musik eine Abfolge von Tönen nur in Gedankenform. ‚Es ist alles so neu, ich bin aufgeregt‘, lächelte er und genoss das Gefühl der sanften, sich heiß anfühlenden Lippen auf seiner kühlen Haut. Nichts war neu. Er wusste doch, was Ran für ihn fühlte, hatte es bewiesen bekommen, oft schon und doch war diese beiläufig dahingesagten Worte so wärmend, dass er meinte zu verglühen. Wie konnte Ran es einfach so sagen? Diese Worte ... die Worte mit dem großen L?! Seine Hände fanden Rans und umschmeichelten sie, er lehnte sich etwas an den Langhaarigen an und drehte den Kopf, stahl sich einen kleinen, zarten Kuss. ’Am Liebsten wäre ich jetzt alleine mit dir, aber das ist Wunschdenken’, jammerte er in Rans Gedanken, lächelte aber verträumt. ‚Noch Wunschdenken…noch’, gab Aya zurück und pustete sanft auf die empfindliche, leicht gerötete Haut des Ohrläppchens. ‚Ich denke nicht, dass die beiden Kleinen vorhaben, sich hier häuslich einzurichten. Was nicht heißt, dass du sie in der nächsten halben Stunde vor die Tür setzt, verstanden? Jetzt, wo sie gerade dabei sind, sich kennen zu lernen.’ Er umarmte den Mann noch etwas enger und schmiegte sich von hinten an den muskulösen Körper. Was Omi nun doch etwas zuviel wurde. Es schien wirklich zuviel verlangt, dass die Beiden mal ihre Griffel voneinander lassen würden. Aber gut. Wo war denn überhaupt Nagi? Seine Augen suchten den für ihn sichtbaren Bereich der Wohnung ab und fanden den jungen Telekineten einsam am Fenster. Er sah zu ihnen herüber, hatte die Augen auf Ran und Schuldig gerichtet, doch es war keine Bewunderung oder Wut, die er in den Augen des Schwarz ablesen konnte. Soweit das denn möglich war auf diese Entfernung hin. Omi runzelte die Stirn. Er täuschte sich nicht…garantiert nicht. Es war sicherlich das, als was er es ansah…sicherlich. Langsam setzte er sich in Bewegung und kam auf Nagi zu, spürte mit jedem Meter, mit jedem Schritt, den er zurücklegte, die Einsamkeit des Telekineten ein wenig intensiver. Diese Blase, die der junge Mann um sich herum erschaffen hatte und mit der er sich isolierte. Die Schultern eingesunken, das Gesicht ernst, ein wenig traurig, die grau-blauen Augen schier stumpf. Omi seufzte leise, kam schließlich zu ihm und stellte sich so, dass Nagi die Sicht auf die beiden Turteltauben verwehrt blieb, dass der Telekinet nur ihn ansehen konnte. Ihn und sein Lächeln, das alles sein sollte. Versicherung, Aufmunterung, in gewisser Weise auch Beistand. Es geht uns allen manchmal so, versicherten seine Augen. Manchmal, öfter, sehr oft…je nachdem. „Die Beiden sind wirklich zu beneiden, was? Nicht mehr einsam“, nickte er leise, sanft. Schuldig und Ran führten ihre kleine private Unterhaltung fort, während Nagi die Sicht auf die beiden versperrt wurde. Nagi blinzelte einmal und fokussierte seinen Blick auf das Hindernis, welches nun zwischen ihm und dem Gefühl des Neids stand. Was wollte Omi von ihm? Warum war er hergekommen? Hätte er nicht besser dort bleiben sollen in diesem Kreis aus Positivem, anstatt sich zu ihm zu begeben? Er selbst würde es niemals schaffen, so wie er es früher nie geschafft hatte. Sein Blick hob sich zu den Augen, die ihn und nur ihn ansahen. Es verwirrte ihn, dass er im Mittelpunkt dieses kräftigen Blaus stand. Er wollte wütend sein, wollte sich gegen diese Anschuldigung wehren, aber es war nicht möglich. „Sieht man es mir so sehr an?“, fragte er und löste den Blick. „Ja, das tut man“, erwiderte Omi ehrlich und behielt seinen Blick dort, wo er war…auf dem abgewandten Profil des jungen, einsamen Telekineten. „Wenn man genau hinsieht, schon. Sie sind ja auch schön anzuschauen. Ihre traute Zweisamkeit, so wie sie miteinander umgehen und alles um sich herum ausblenden.“ Omi wusste jedoch in diesem Moment nicht, ob er von sich sprach oder von Nagi, denn auch er beneidete Schuldig und Aya für das, was sie hatten. Einen Kaltstart mit heißen Folgen. Wenn er die Sorgen bedachte, die sie sich um Ran gemacht hatten, als dieser von Schwarz entführt worden war und sie nicht in der Lage gewesen waren, ihn zu finden. Und sie alle – wirklich ausnahmslos alle – hatten aufgrund Schuldigs Auftritt das Schlimmste befürchtet, hatten befürchtet dass er Ran seinem Ruf nach schlecht behandelte. Dass er ihn quälte. Das dachten sie…nur um eines Besseren belehrt zu werden, denn das hier sah nicht so aus, als würde Ran unter Schuldig leiden. Manchmal wohl eher anders herum, wenn er da an ihren gemeinsamen Kaffeenachmittag dachte. Ran war glücklich, nicht gebrochen, was sie zuerst befürchtet hatten und er selbst würde den Teufel tun und dem rothaarigen Japaner im Weg stehen. Was ihm jedoch jetzt auch umso mehr Nagi ins Gedächtnis brachte, der die gleiche Einsamkeit wie Ran damals um sich trug. Die gleiche, blasse Aura, die sie bei Ran nur langsam geknackt hatten. Langsam und beharrlich, stur zum großen Teil. Und im Stursein war Omi ein Meister! „Warum gehst du nicht zu ihnen? Denkst du, dass sie dich ablehnen?“, fragte er und warf einen Blick auf die mittlerweile bunt erleuchtete Stadt unter ihnen. Er sollte zu ihnen gehen?, fragte sich Nagi verständnislos. „Was soll ich dort? Ich möchte nicht in ihre Nähe.“ Das stimmte. Es machte ihn zum Teil wütend, dieses ständige Zurschaustellen von Zweisamkeit, von Glücklichsein. Doch diese Wut wollte nicht nach außen drängen, sie glimmte in ihm. Und dort würde sie auch bleiben. Denn alles andere wäre Schwäche. Den Blick hob er zu Omi an, versuchte die Gefühle des Anderen zu deuten. Oder waren es vielmehr dessen Gedanken, die ihn interessierten? Aber warum? Warum war er ihm nicht egal, wie ihm so viele andere egal waren? Weil Omi wie er selbst…ja, ein Stück wie er selbst war? Diese Art von Zärtlichkeitsbekundung war ihm unangenehm. „Bist du gekommen, um mich zum Kuchenessen zu holen?“, fragte er mit einem vorsichtigen Lächeln. Er konnte sich schon denken, was den wenig Älteren angezogen hatte, doch er verspürte nicht das Bedürfnis darüber zu sprechen. Nicht mit dem Weißmitglied, nicht hier, nicht über sein Inneres. Besser und weniger belastend war es, auszuweichen, das Thema zu wechseln. „Ja, das wollte ich eigentlich…aber wenn du nicht zu den beiden willst…was machen wir da?“, grübelte Omi spielerisch, wollte sie beide auf eine seichte Ebene bringen. Er war es von dem anderen mittlerweile schon gewohnt, dessen mürrischen und abweisenden Gesichtsausdruck zu sehen, doch die Trauer, die sich in diesem Moment dazwischen gemischt hatte, gefiel ihm nicht im Geringsten. Und diese Trauer wollte er löschen. Wie gut, dass er schon einen Plan hatte. „Ich glaube…ich weiß was“, verkündete er geheimnisvoll und lächelte. Er drehte sich um und ging wieder zurück in die Küche, konnte genau sehen, dass Ran und Schuldig mental Zwiesprache hielten. Wenn er ehrlich war, freute er sich wirklich für ihren Anführer. Für die Sanftheit in den violetten Augen. Leise pfeifend machte er sich an seinem Kuchen zu schaffen und schnitt zwei Stücke ab, gab sie auf einen Teller und griff sich eine der Gabeln. Schnell war er wieder auf dem Weg zurück zu Nagi und stellte sich schließlich vor ihn. Herrisch funkelte er ihn an. „Mund auf“, tschilpte er schließlich und ließ dem Telekineten eine Gabel mit Kuchen entgegenschweben. Die dieser ohne zu zögern entgegennahm. Das Zögern kam erst, als er seinen Blick von den Augen zum Kuchenstückchen auf der Gabel senkte. Nur einen Moment, bevor er den Mund öffnete und den Kuchen mit den Lippen aufnahm. Der schokoladige Geschmack zerging ihm auf der Zunge. Danach senkte er die Gabel. „Du…hast mir also wirklich einen Kuchen gebacken“, stellte er fest. Sein Blick hob sich wieder und er fixierte das funkelnde Blau. „Er schmeckt ausgezeichnet. Man sagt, jeder Künstler steckt viel von sich in sein Werk. Wie viel steckt von dir in dieser süßen, warmen Speise, die mir auf der Zunge zergehen will?“ Die Frage nach dem Warum steckte wohl auch in diesen ernsten Worten. Warum hatte der junge Takatori das getan? Warum hatte er diesen Kuchen gebacken? Warum hatte er ihm ein Stück hierher gebracht? War es die berühmte Freundlichkeit? Die berüchtigte Menschlichkeit, die erkannt hatte, wie er sich fühlte? Oder war es nur Fassade, wie das Lächeln, welches ihm so oft präsentiert wurde, und welches er als falsch erkannte. In den Augen war die Kraft abzulesen, mit der Omi sein Leben meisterte, ebenso der Wille, der ihn angefunkelt hatte. Er ließ die Gabel mit einer sanften Handbewegung tatsächlich zu Omi zurückschweben, als würde er über die Luft streichen. Der jüngste Weiß lächelte eben dieses Lächeln, als er nun fasziniert die Gabel betrachtete, wie sie vor ihm schwebte. Er stieß sie leicht mit dem Finger an, fühlte den Gegendruck, gerade so, als würde sie jemand festhalten. Doch das war nicht der Fall. „Wie viel von mir in diesem Kuchen steckt?“, wiederholte er die Frage des Schwarz mit einem feinen Grinsen, das in diesem Moment mehr an Schuldig als an Omi erinnerte. Vor allen Dingen, da die Gedanken des blonden jungen Mannes in eine gänzlich andere Richtung liefen. Er griff sich die Gabel und zuckte charmant mit den Schultern. „Mein Herzblut“, erwiderte er schließlich kryptisch und teilte einen weiteren Bissen von dem Kuchen. Streckte Nagi die Gabel entgegen. Dessen Blick richtete sich auf die süße Speise, nur um nicht in das Gesicht des Anderen blicken zu müssen. Er ertappte sich wie er diese Ausflucht nahm und spürte sogleich die Röte in sein Gesicht steigen. „Dein Herzblut…“, wiederholte er leise und lächelte samtweich, bevor er die Gabel an sich nahm und sie von ihrer Last befreite. Nur um sie danach auf gleichem Weg zurück schweben zu lassen wie zuvor. „…da könnte ich fast zum Vampir werden, so gut wie es schmeckt“, versuchte er sich daran, die seltsame Atmosphäre zwischen ihnen zu brechen, denn er fühlte sich zunehmend unruhiger unter diesen wachsamen Augen. Nicht nur das … auch … dass Omi ihm die Gabel reichte, sie sich nahe waren, näher als er jeden anderen bis auf wenige Ausnahmen an sich heran ließ. Mochte es sein, dass es die eigenartige Spannung zwischen ihnen war, die Stimmung, die sich zwischen ihnen aufzuladen schien, die Omi näher treten ließ. So, Nagi würde also zum Vampir werden bei seinem Herzblut. Und da wurde ihm vorgeworfen, dass er der Verführer wäre. Omi lachte innerlich. Nein, der junge Mann hier vor ihm war die Unschuld, ein sanfter, naiver Verführer, der nicht zu wissen schien, womit er spielte. „Was hält dich davon ab?“, fragte er beinahe zu leise und stützte die Hände links und rechts von Nagis Oberkörper am Fenster ab. Seine Lippen näherten sich denen des jungen Telekineten und stahlen sich in einem unbedachten Moment einen kleinen, flüchtigen Kuss, beinahe zu seicht als dass man ihn hätte spüren können. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)