Der Glasgarten von Gadreel_Coco ================================================================================ Kapitel 46: Riss im Glas ------------------------ ~ Riss im Glas ~ „Vor wem?“, fragte Youji zurück und setzte sich in Bewegung. Er hatte vielmehr über das nachgedacht, was der Ire ihm gesagt hatte. Was sollte denn fehlen? Grübelnd runzelte er die Stirn und stellte sich neben Farfarello, stellte mit Befriedigung fest, dass er größer war als der Ire. „Ich hoffe, es lohnt sich auch.“ Jei sagte nichts darauf, erst, als sie eines der ruhigeren Seitenschiffe betraten und vor einem der größeren Bilder standen, antwortete er. „Vor der Dunkelheit. Ah, aber ich vergaß, du hast ja keine Angst davor…du jagst sie. Oder …“ Er schwieg für Momente in die Betrachtung der Farben und der Silhouetten, die sie kreierten, vertieft. „…jagst du sie, weil du sie fürchtest?“ Youji gefiel das Bild nicht. Das war sein erster Gedanke, als er die Mischung aus violetten, schwarzen und grauen Tönen sah, die sich hier und da mit rot und Purpur mischten. Rot, das an manchen Stellen sogar ins Blutige hineinging. Dazu umrahmt und unterbrochen von einem matten Grünton, der dem seiner Augen zu nahe kam. Er runzelte die Stirn. Er konnte noch nicht einmal sagen, was es war, das ihm an diesem Bild missfiel. Doch etwas…etwas Greifbares… Er wandte sich zu Farfarello um und bedachte diesen mit einem nachdenklichen Blick. „Ich jage sie, weil Unschuldige sie fürchten.“ „So ist das also“, resümierte Jei und trat zwischen den Blonden und das Bild, ging zur Hälfte um ihn herum, blieb dann jedoch stehen. „Du bekämpfst gleiches mit Gleichem. Und wirst zu dem, was du jagst. Sehr interessant, vor allem …“ Seine Hand schoss hervor, als wolle sie ihn attackieren, doch sie tupfte nur hauchzart an die Brust des anderen, bevor sie wieder zu ihrem angestammten Platz auf dem unteren Kreuz des Empathen verschwand. „…vor allem hier drin…sieht es da nicht so aus…wie dort?“, fragte er und deutete mit einem Nicken auf das Bild. Seine Stimme war tief, doch auch leise, man konnte sie kaum in dem Gewirr aus anderen heraushören. Youjis Augen schweiften von Farfarello zu dem Bild, während er dem Prickeln auf seiner Brust lauschte. Waren das seine Farben? Nein, waren sie nicht. Natürlich nicht. Ein flüchtiges Lächeln streifte seine Lippen, bevor es sich wieder tief in ihm vergrub. „Hier drinnen“, erwiderte er und tippte Farfarello genauso seicht an, wie dieser es bei ihm getan hatte. „Ist es, wie du schon gesagt hast, schwarz. Wie der Täter, so der Jäger.“ In kindlicher Manier senkte sich Jeis Kopf nach unten, folgte der Hand in Erstaunen was diese wohl dort tun würde und sah den Mann vor sich mit dem selben Ausdruck in dem Auge an. „Dort drin?“ Darüber hatte er sich noch keine Gedanken gemacht, was dort drin war, oder wie es dort aussah. Es interessierte ihn nicht. „Dort ist nichts“, sagte er konsterniert. Was sollte dort schon sein? Er schwenkte von sich aus zu dem anderen. „Du fühlst nicht nur Selbsthass, Trauer und Verzweiflung, oder Hass…“, sagte er ruhig. „Was interessiert dich das?“, fragte Youji mit einem Mal distanziert. Was stellte der andere Mann auch Fragen, die er nicht beantworten wollte. „Ich habe dir bereits gesagt, dass ich vollkommen leer hier drin bin. Darin sind wir uns einig. Etwas Anderes gibt es nicht. Was ich fühle oder nicht…ist nicht von Interesse.“ Er wandte seinen Blick ab, weg von der kindlichen Neugier, die er in den Zügen des Iren gesehen hatte. „Du bist ein schlechter Lügner“, stellte Jei fest und drehte dem Blonden den Rücken zu, betrachtete sich erneut das Bild. Er wusste, dass nur Schwarz über seine Fähigkeiten Bescheid wussten. Sie waren zu unauffällig, zu passiv, als dass sie im Kampf auffielen. Nur seine Freude darüber, wie die Emotionen der Angreifer wild aufstoben, ließ ihn darauf reagieren. „Aber es tut sicher gut sich selbst zu belügen, es ist einfach“, resümierte er und nickte dann als hätte er eine Erkenntnis für sich erlangt. „Was weißt ausgerechnet DU schon davon?“, fragte Youji erbost, zischend, drehte sich wieder zurück zu Farfarello. „Ich belüge mich nicht und du hast nicht das Recht, über mich zu urteilen, Schwarz.“ Seine Hände waren zur Faust geballt, seine Gestalt abweisend. Jei schauderte ob dieser Gefühle, die ihm jedoch bekannt vorkamen, er wollte aber nichts Bekanntes. Er wollte Neuland erforschen. Ein minimales, freudiges Lächeln erhellte die Züge, bevor er es verbarg. „Hör auf, dich hier wie ein Idiot aufzuführen. Wir sind hier keine Gegner, oder siehst du Waffen?“, sagte er ruhig, mit dem Unterton von Unverständnis. Youji starrte für einen Moment Farfarello in die Augen, als käme er von einem anderen Stern. Idiot? Keine Gegner? Seit wann bitte sah der Ire das aus dieser Sichtweise? Ran…hättest du mich nicht vorwarnen können, richtete er in Gedanken mit einem kleinen Anflug an Frustration an den rothaarigen Japaner, der gar nicht mal so fern von ihm weilte. Youji war sich hundertprozentig sicher, dass ihr Anführer davon wusste, dass auch er Farfarello schon so kennen gelernt hatte. Doch NEIN. Kein Wort. „Ich hatte nicht vor, mit dir zu kämpfen, Farfarello“, betonte er den Namen des Iren. „Was aber nicht heißt, dass ich mir von dir sagen lassen muss, wer ich bin und wer nicht.“ „Wer soll es dir sonst sagen?“, neigte dieser den Kopf. „Dieser Name existiert nicht mehr, er existierte nur solange, wie wir in dieser Anstellung waren. Ein neuer Job, ein neuer Name.“ „Wer sonst? Ran vielleicht, aber garantiert nicht du. Du, der sich auch hinter Masken versteckt, die sich Namen nennen. Ein neuer Auftrag, ein neuer Name? Ist das nicht genauso verlogen und Selbstverleugnung? Ja, ist es.“ Er schüttelte den Kopf. „Es wäre dumm, bei jedem Auftrag den gleichen Code zu benutzen, findest du nicht?“ Es erstaunte Jei etwas, dass der Blonde ihm dies vorwarf, doch spürte er auch Rage und Hitze in ihm, die ihn diese Dinge sicher sagen ließen. „Du solltest dein …Temperament“, er lächelte über dieses Wort, „zügeln…sonst sagst du noch mehr dieser unsinnigen Dinge.“ Er warf Yohji einen langen Blick zu. „Ran? Du meinst das Haustier von Schuldig? Natürlich könnte dieser dir viel über dich sagen, doch er ist zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Er…ist angefühlt mit Emotionen.“ „Natürlich ist er das!“, zischte Youji und musste sich mit Gewalt davon abhalten, Farfarello zu packen und gegen die steinerne Wand zu donnern. Das Haustier von Schuldig? Ran WAR nicht das Haustier von diesem Telepathen, er war ein eigenständig denkender Mensch! „Was ich sage, wie ich es sage und wie ich dabei fühle, hat dich nichts anzugehen, hast du verstanden?“ „Warum regst du dich auf?“ Jei blieb gelassen stehen, ein Sinnbild der Gelassenheit, während Yohjis Körper zum Zerreißen angespannt wirkte. „Möchtest du mit auf die Estrade kommen, dort können dich alle hören? Es herrscht eine bessere Akustik dort oben“, meinte er spöttisch und erneut erschien ein typisches Lächeln. Stille schwebte einen Moment lang zwischen ihnen. Youji sagte nichts, starrte Farfarello ins Gesicht. Er trat einen Schritt zurück, noch einen, dann drehte sich um und verließ den Seitenflügel. Er musste raus hier, musste gehen, bevor er sich noch zu etwas hinreißen ließ, das ganz sicherlich nicht förderlich für den Hauch an Normalität wäre, den er im ‚normalen’ Leben um sich kreieren wollte. Er grub die Hände in die Taschen seiner Hose und presste seine Zähne aufeinander. Wie schnell doch die Wut gekommen war, erstaunte es Jei und blickte dem Japaner hinterher. Für Momente des Zögerns stand er weiterhin ruhig da, bis sich seine Stiefel in Bewegung setzten und er folgte. Er wollte sehen, wo es nach der Wut hinging. Was danach folgte… Oh…und OB Youji die Schritte hinter sich hörte und OB sich sein Killerinstinkt bewusst war, wer ihm da folgte, als er zu seinem Wagen ging und gleich aus der Ferne die Öffnung betätigte. Er hatte die Schnauze voll, wollte nicht auf die Provokationen des Schwarz hören. Nein…nicht mehr. Als wenn er nicht wüsste, was Sache war. Jei sah das Blinken des Wagens und erkannte, dass der andere wegfahren würde. Dass er floh. Vor ihm. Oder vor seiner Wut, die in ihm schwelte? Seine Schritte wurden langsamer und er blieb stehen, sah dem Blonden zu, wie er sich seinem Wagen näherte. Doch ebenso schnell wie er den Entschluss gefasst hatte dem Mann zu folgen, ebenso schnell setzte er sich wieder in Bewegung und als das Weiß Mitglied in seinen Wagen stieg, öffnete er die Beifahrertür und ließ sich in den Wagen gleiten. Youji sah zur Seite, begegnete einem Auge, das ihn ruhig maß. Er, der weniger ruhig war und dessen Hände nun das Lenkrad seines Sportwagens so fest umgriffen, dass er das Gefühl hatte, sie würden das Leder bald durchgreifen. „Was. Willst. Du?“, knirschte er hervor und starrte nach draußen, rang mühsam um Ruhe. „Ich möchte wissen, warum dich meine Gegenwart so sehr in Rage versetzt. Der Mann mit den Dämonenaugen war ebenso wütend, als er Schuldigs Geschenk aufgemacht hat.“ So ganz hatte er das nicht verstanden… „Mann mit Dämonenaugen? Schuldigs Geschenk? Drück dich klar aus, Ire! Ich habe keine Lust auf Rätselraten. Und NATÜRLICH bin ich wütend, verdammt!“, hielt Youji dagegen und schlug mit einer Faust aufs Lenkrad, während er die Worte nur so herauszischte. „Dein Anführer bekam von Schuldig“, sagte Jei ganz langsam, als würde Yohji minderbemittelt sein, „ein Geschenk. Er öffnete es und sah hinein …und wurde wütend. Wie du eben.“ Es war seltsam, soviel geballte Wut neben sich sitzen zu haben. Vor allem so unbegründet in seinen Augen. Am Liebsten hätte er diese Wut auf sich gezogen, doch sein Therapeut hatte ihm derlei Experimente wie früher untersagt. Er sollte lernen, auf anderem Weg seinen ‚Forschungen’ nachzugehen. „So? Und was war das für ein Geschenk, das ihn so wütend gemacht hat?“, fragte Youji, schon misstrauisch. Ihm gefiel nicht, was er hier erfuhr. Ran war schon niedergeschlagen gewesen, als er die Nacht bei ihm gewesen war. Nicht nur das…frustriert und fertig, so hatte er den rothaarigen Mann für sich beschrieben. Und nun…? Anzunehmen war, dass dieses Geschenk eingetroffen war, nachdem er die Wohnung verlassen hatte. Das diente nicht gerade dazu, seine Sorgen zu zerstreuen, ganz im Gegenteil. „Ein Katzenklo“, sagte Jei und neigte fragend den Kopf. „Ich frage mich, wie man sich über so etwas derart aufregen kann.“ Katzenklo…? Youjis Augen weiteten sich. Schuldig schenkte Ran ein Katzenklo…für das Haustier, das er war? Verdammt noch mal, was SOLLTE das? Hatte der Telepath irgendeine perverse Freude an diesen Spielchen? Kein Wunder, dass Ran wütend war. Wirklich nicht. Etwas anderes wurde Youji nun umso dringender bewusst: er musste Ran helfen, musste ihn da raus holen, falls sein Freund nicht genug Kraft hatte, sich Schuldig zu widersetzen. Wenn er den Telepathen in die Finger bekam… Mit vor Wut zitternden Fingern klappte Youji sein Handy auf und wählte die Nummer des rothaarigen Mannes, der nach einigem Klingeln ein müdes „Ja?“ brummte. „Ran, ich bin gleich bei dir, mach mir die Tür auf“, befahl er kurz angebunden und legte auf, bevor der andere Mann etwas darauf erwidern konnte Jei dachte angestrengt über diese Reaktion nach, doch trotz eingehender Untersuchung stellte er fest, dass das Hauptproblem wohl doch das Katzenklo war. Nur weshalb dieser Gegenstand derartige Aufmerksamkeit verdiente…dies war ihm schleierhaft. Er beschloss abzuwarten, denn es war viel zu interessant, wie sich der Seilvirtuose neben ihm über dieses Ding echauffierte. Den Rest der Fahrt verbrachten sie schweigend, vielmehr ignorierte Youji den Iren neben sich, der sich auffallend still verhielt. Seine Gedanken waren unvorsichtigerweise bei Ran und bei der Möglichkeit, dass ihnen jemand folgte, nicht bei der direkten Bedrohung, die Farfarello jeden Moment für ihn darstellen konnte. Er warf einen prüfenden Blick in den Rückspiegel und stellte fest, dass ihnen niemand gefolgt war, also machte er sich nun auf den direkten Weg in die Tiefgarage von Schuldigs Wohnung und parkte dort seinen Wagen. Wortlos stieg er aus, völlig blind dafür, ob sein ungewollter Passagier auch ausstieg. Er wartete ungeduldig auf den Aufzug, stieg ein, stetig begleitet jedoch von Farfarello. Mit vor Wut klopfendem Herzen klingelte er und Sekunden später erschien ein verwuschelter, roter Schopf in der Tür. „Youji? Ist etwas passiert?“, fragte Aya verwirrt und noch reichlich durcheinander vom gerade erst begonnenen Schlaf, als Youji ihn auch schon zur Seite schob und sich Zutritt zur stillen Wohnung verschaffte. „Ran, ist alles in Ordnung mit dir? Wo verdammt noch mal ist Schuldig?“ Dieser saß mit nur einer Hose bekleidet am Bettrand und fuhr sich durch die Haare, machte sich darauf gefasst, große Probleme lösen zu müssen. Nur deshalb war er überhaupt auf die Idee gekommen seinen Luxuskörper in eine Hose zu stecken. Aber große Probleme brauchten große …Vorbereitungen. Warum sollte Yohji sonst mitten in der Nacht bei Ran anrufen und sofort zu ihm kommen wollen? War er verletzt? Stimmte etwas nicht mit Rans Team? Er streckte sich und befühlte seinen Nacken, als der Weiß die Wohnung stürmte… Jei trat nach einem Blick auf den Anführer des Blonden noch nicht ein, da dieser noch halb in der Tür stand. Aya KAM noch nicht einmal dazu, Youji zu antworten oder ihn zu fragen, was los war, bevor der Blonde an ihm vorbeistürmte, anscheinend Schuldig gesehen hatte. Sein eigener Blick ging zu Farfarello, hieß ihn stumm einzutreten. Was in aller Welt sollte das…? Er sah zurück auf Youji, der sich nun Schuldig genähert hatte und sich vor dem sichtlich noch schlafesverwirrten Mann aufbaute. „Was soll das, verdammt noch mal?“, zischte Youji durch die Stille der Wohnung. „Denkst du, du kannst mit ihm machen, was du willst? Verdammt, was denkst du dir dabei? Das ist doch demütigend!“ Aya hob fragend eine Augenbraue. Wieder wanderte sein Blick, von Schuldig, zu Youji, schließlich auf Farfarello, dessen ungewöhnliche Kleidung ihm ein weiteres Mal ins Auge stach. Wo waren die Beiden gewesen und warum kamen sie gemeinsam hierher? Schuldig ließ sich nach hinten fallen und ächzte. „Gott, womit habe ich das verdient…schaff ihn mir vom Hals!“, bat er müde, griff sich ein Kissen und zog es sich über den Kopf. Es war also gar nicht so wichtig, nur wieder so eine dumme Laune dieses Schnüfflers. „RAN!“, tönte es aus Youjis Richtung und der rothaarige Mann seufzte. „Youji, was ist los?“, fragte er und kam zu ihm, rieb sich über die Oberarme, weil ihm nun doch kalt war; kalt vor Müdigkeit. „Ran…dieser Mann, siehst du denn nicht, was er dir antut? Was er mit dir macht? Er degradiert dich! Verdammt, das geht nicht…egal, was das bedeutet, wir werden eine Lösung finden! Komm mit zurück, Ran!“ Aya konnte nicht sagen, dass er auch nur einen Ton von dem verstand, was Youji ihm da zu sagen versuchte. „Youji, was sollte er mir denn antun? Was ist denn los?“, fragte er stirnrunzelnd. „Ran, wenn es dir zu demütigend ist, das hier zuzugeben, kann ich das vollkommen verstehen! Aber du musst dich deswegen nicht schämen! DU bist nicht schuld!“ „Von was verdammt faselt er da?!“, brüllte Schuldig mit noch vom Schlaf heißerer Stimme und riss sich das Kissen vom Gesicht, zerrte damit noch einige Haare mit und richtete sich abrupt und mit glühenden Augen auf. „Es ist vier Uhr morgens, du Vollidiot, und was willst du hier?“ „Er spricht von dem Geschenk, welches du seinem Anführer gemacht hast. Dem Katzenklo“, entschied sich Jei einem Ausbruch von Schuldig zuvor zu kommen, er sah nun doch sehr wütend aus und war es auch. „Von dem …was?“ Schuldig schüttelte verständnislos den Kopf und wandte sich mit fragendem Blick Ran zu. „Oh.“ Das war das Einzige, was Aya dazu zu sagen hatte. Ja, er hatte verstanden. Sehr gut sogar. Er konnte sich sogar in Ansätzen die Zusammenhänge zusammenreimen. In Ansätzen, ja. Er konnte es sich denken… Ein Grinsen breitete sich auf seinen Lippen aus und weitete sich schließlich zu einem leisen Lachen. „Komm mit, Youji, ich zeige dir, was es damit auf sich hat“, lockte er seinen Freund von Schuldig weg und erhellte den aufgehäuften Kissenbereich, zumindest die Stelle, wo er Banshee zuletzt gesehen hatte. Und siehe da. Da lag sie, als könne sie kein Wässerchen trüben und schlief selig. Ein kleines, rotes Fellknäuel auf einem mitternachtsblauen Kissen. „Darf ich vorstellen, das ist Banshee. Banshee, wenn du aufwachst, das ist Youji“, lachte er vergnügt und sah Youji in die geweiteten, schier schon entsetzten Augen. „Ran…ich…also…“ „Die haben doch alle nen Schaden…echt“, knurrte Schuldig übellaunig und stand auf um ins Bad zu gehen. „Und du!“, zischte er Jei an. „Du hast ihn auch noch hergeführt und es ihm erzählt. Du hast unseren Vertrag gebrochen. Von wegen Stillschweigen. Du solltest das Paket abliefern und gehen. Und nicht danach ganz Weiß in diese Wohnung schleppen“, knallte er ihm vor und verschwand darauf im Bad. Jei blickte ihm nach und sah dann wieder zurück zu Yohji, neigte leicht den Kopf zur Seite. Und nun? Aya besah sich das ganze Spielchen durchaus amüsiert und schüttelte den Kopf. „Youji, lass dich von ihm nicht reizen, es ist wirklich nichts.“ „Ja, aber Farfarello meinte, du wärest wütend gewesen, als er dir dieses…GESCHENK gemacht hat und da dachte ich…“ „Falsch gedacht, Youji. Auch wenn ich zuerst genauso wie du gedacht habe…aber es stimmt nicht. Er hat mir diese Kleine hier mitgebracht.“ Aya lachte leise. Er fasste seinen Freund am Arm und drückte ihn versichernd. „Alles in Ordnung, wirklich. Aber sag mir…wie kommst du denn ausgerechnet hierhin und dann noch mit ihm?“, fragte Aya und deutete auf den sie fixierenden Iren. Youji zuckte mit den Schultern. „Er hat sich eingeladen. Im wahrsten Sinne des Wortes.“ „Eingeladen?“ „Wir haben uns auf einer Vernissage getroffen und sind dann hierher…quasi freiwillig.“ „Hat er dir etwas getan?“ „Er hat mich nur wütend gemacht, sonst nichts. Keine Sorge, Ran. Alles in Ordnung…wieder.“ Aya seufzte, als er im Hintergrund hörte, wie die Badtür zugeschlagen wurde. „Hör zu, setz dich erstmal…ich geh das Raubtier beruhigen“, sagte er und verdrehte die Augen. „Kleinen Moment.“ Damit ging er an Farfarello und Youji vorbei ins Bad und wagte sich in die Höhle des Löwen. „Hey du böser Junge…alles klar?“, neckte er den Telepathen. „Nichts ist klar“, knurrte Schuldig auf dem Wannenrand sitzend. „Es kotzt mich an, dass ihr …ja BEIDE … der Meinung seid, ich will dich über einem Katzenklo pinkeln sehen!“ Die Absurdität dieser Vorstellung ließ ihn fassungslos den Kopf schütteln. „Es mag zwar solche Spielchen geben, aber ich steh nicht drauf …und übrigens“, ereiferte er sich „…hatte ich schon den Eindruck ich würde auf deine Wünsche eingehen, oder nicht?“ Aya verzog säuerlich das Gesicht anhand Schuldigs allzu unblumiger Aussprache des Problems. Er sagte erst einmal nichts, sondern ließ sich in aller Ruhe auf der Bank neben der Badewanne nieder und streckte die Beine von sich, lehnte sich bequem zurück. Er maß Schuldig mit sanftem Blick. Nein, dem konnte er wirklich nichts entgegensetzen. Er hatte ihn in der Tat ebenso verdächtigt, wie Youji es ihm nun gleich getan hatte. „Meinst du, ich wüsste das nicht? Ich sehe es doch jeden Tag“, lächelte er schließlich. „Aber du kannst fünf Jahre Feindschaft nicht innerhalb von ein paar Monaten wettmachen. Er hat dich akzeptiert, aber das heißt nicht, dass nicht noch Aussetzer wie diese kommen, in denen er dir die schlimmsten Dinge andichtet. Und was meinen Teil in der ganzen Geschichte angeht…du solltest mich mittlerweile gut genug kennen, Schu, um zu wissen, dass auch ich manchmal diese Aussetzer habe.“ Er hob abwartend eine Augenbraue. Schuldig sah Ran lange an. Ohne etwas zu sagen saß er da und maß die Gesichtszüge von ihm, ließ sich von dem Lächeln bezaubern. Ein Kosename fiel…den er bisher selten gehört hatte. Ob Ran es jetzt aufgefallen war, dass er ihn benutzt hatte? Doch…er hatte Recht, er konnte die Tage ihrer langen Feindschaft nicht tilgen. Selbst wenn er es wollte, selbst wenn er … Er konnte auch Kitamura nicht aus seinem Gedächtnis löschen…doch …er hatte es sogar getan. Aber nicht für immer. Das hieße, die Vergangenheit würde immer zwischen ihnen stehen? Schuldig sagte nichts, sein Blick verlor sich auf einen Punkt hinter Ran. Dieser wartete geduldig, doch es geschah nichts. Schuldig wich ihm aus, wich seinen Blicken aus, seinen Worten. Es dauerte einen Moment, bis er sich ächzend erhob und automatisch Schuldig mit einer Hand durch die wild umherstehende Mähne fuhr. Er lächelte ihn dabei an, machte sich jedoch auf den Weg zur Tür. Es gab Momente, da war es einfach besser, mit sich selbst über gewisse Dinge zu hadern, er kannte das. Es war besser so. Nein, es war nicht besser. „Ran“, rief Schuldig eilig. Er brauchte Rans Nähe jetzt, auch wenn Schuldig darüber nicht sprechen wollte war ihm jetzt nichts unerträglicher, als hier alleine zu brüten, über was auch immer. Darüber nachzudenken, was sie früher gewesen waren und was sie jetzt waren … und das ohne diesen Mann… Er stand auf und ging auf Ran zu, zog ihn in die Arme und legte seinen Schopf auf dessen Schulter. „Einmal Schwarz, immer Schwarz…weißt du noch?“, fragte er leise. Er hatte es damals Ran auf dem Flachdach des Konekos gesagt. Hier war der Grund, warum er immer Schwarz sein würde. Symbolisch gesehen. Weil niemand etwas anderes in ihm sah. Er fühlte sich wie früher…im Waisenhaus…als er seine Fähigkeiten eingesetzt und damit oft Unfug angestellt hatte. Irgendwie hatten die Erzieher oft gewusst, dass er seine Finger im Spiel gehabt hatte. Und wenn er es nicht gewesen war…war es zwecklos, seine Unschuld zu beteuern, denn sie hatten irgendwann aufgehört ihm zu glauben. Einmal ein Lügner, immer ein Lügner. „Nein…so ist es nicht. Du hast dich geändert, du bist nicht mehr Schwarz. Nicht mehr nur Schwarz.“ Ayas Arme umfassten die des Deutschen, die sich von hinten um ihn schlangen und er legte seinen Kopf zurück. „Weißt du, was du jetzt bist? Mein geliebter, ungarisch-deutscher Zackelschaf-Telepath, nicht mehr, aber auch nicht weniger. Schwarz und Weiß haben hier keinen Griff. Wir sind wir. Du bist du selbst…nicht Mastermind von Schwarz.“ „Ich bin mir manchmal da nicht so ganz sicher, Ran“, gab er zu. „Aber ich will auch nicht darüber nachdenken, weil ich weiß, dass du alles im Griff hast. Ja? Hast du doch?“, nuschelte er an Rans Halsbeuge und sog dessen Geruch ein. Warum er plötzlich Angst hatte, wusste er nicht. Früher … bevor Ran bei ihm war… war er stark und wusste, dass er sich auf diese Stärke in ihm verlassen konnte, jetzt war sie so weit weg, so tief in ihm verborgen. In Einsätzen war sie immer da, aber hier … war sie weg. Hier hatte er mit sich selbst zu tun… wie er früher war… und er musste sich erst wieder an sich selbst gewöhnen. „Manchmal vermisse ich das Schwarz, Ran. Es war etwas Vertrautes…“ Ob Ran ihn verstand? „Aber auch vertraute Dinge können schädlich sein. Und warum nicht etwas Neues wagen? Was spricht dagegen, etwas anderes auszuprobieren?“, fragte er sanft und schmiegte seine Wange an Schuldigs Schopf. „Ich habe alles im Griff, wirklich alles“, bestätigte er das Flehen des Telepathen, auch wenn er wusste, dass das eine himmelschreiende Lüge war. Auch ihm entglitten seine Felle, doch er kämpfte noch, sie zusammenzuhalten. „Außerdem hast du immer noch die dunkle Seite in dir, Schuldig. Das ist deine Schwärze, die dich stärkt.“ Schuldigs Kopf bewegte sich nickend „Hmmm“, stimmte er zu. „Und was machen wir jetzt mit den Beiden? Vor allem, wie kommen Jei und der Schnüffler zusammen hier her? Ich weiß nicht, ob ich das gut finde…es ist wie eine Seuche…erst wir …dann die Kleinen …und nun ….die…“ Verrückten wollte er sagen…aber so verrückt war Jei gar nicht, höchstens der Schnüffler. „Lass das nicht Crawford erfahren, der nimmt sich den nächsten Strick und hängt sich auf“, scherzte Aya leichthin und konnte sich schon ausmalen, dass das große Orakel, das doch immer so feindlich Weiß gegenüber eingestellt war, sich nun mehr als nur die Haare raufen würde. Doch was machte es? Rein gar nichts. Allerdings hatte Schuldig Recht. Die Kombination Youji Farfarello gefiel ihm nicht, absolut nicht. Er traute dem Iren nicht einen Zentimeter über den Weg. „Du bist der Telepath von uns beiden, lies Farfarellos Gedanken um herauszufinden, was die beiden zusammengeführt hat. Youji meinte, dass er den Iren auf einer Vernissage getroffen hat…“ „Nichts leichter als das!“, lachte Schuldig plötzlich und löste sich von Ran. „Bei Jei versagen meine Künste leider. Es ist sinnvoller, ihn direkt zu fragen, ich kann seine Gedanken kaum fassen, liegt wohl an seinen Fähigkeiten“, zuckte Schuldig mit den Achseln und öffnete die Tür um sich den Plagen zu stellen. „Welche Fähigkeiten?“, fragte Aya erstaunt und runzelte die Stirn. Farfarello besaß übersinnliche Fähigkeiten? Das war Kritiker damals völlig entgangen. Und ihnen somit auch, hatten sie den Iren doch immer nur als brutalen Berserker kennen gelernt. Schuldig stoppte in seiner Bewegung und musste diese Frage überdenken. Sie wussten nicht von Jeis Fähigkeiten? Er sah zurück zu Ran und musterte ihn ernst. „Das erzähle ich dir später, ja?“ Er ging zu Jei, der immer noch an gleicher Stelle stand und maß ihn für wenige Augenblicke bevor er in Richtung Küche ging. „Hey, Jei, wie war die Ausstellung?“, fragte er milder gestimmt. „Wollt ihr einen Kaffee? Schlafen kann ich jetzt ohnehin vergessen.“ „Sie war …interessant“, sagte Jei mit etwas Verspätung und einen Blick auf Yohji Aya folgte Schuldig stirnrunzelnd und gesellte sich an Youjis Seite, der ihn fragend und verwirrt ansah. „Alles wieder geregelt und der GAU gebannt. Ich sage doch…überlasse das mir und das wird was“, scherzte er leise und nickte in Richtung Küche. „Und jetzt, da du uns so schön geweckt hast, kannst du auch gleich noch zum Kaffee bleiben. Zumindest bist du mir das schuldig, Youji, meinst du nicht auch?“ Grüne Augen schmollten einen Moment, bevor Youji lachte. „Klar. Das bin ich dir schuldig, Ran. Dann lass uns mal in die Höhle des Löwen…“ Aya lachte und schob den blonden Weiß vor sich her in die Küche, erweckte in Youji nicht zum ersten Mal die Frage, wie sich Aya in dieser kurzen Zeit von einem verschlossenen, jungen Mann zu einem relativ offenen Menschen hatte entwickeln können. Alles sehr seltsam. Youji lehnte sich an die Anrichte und verschränkte die Arme. „Interessant? Ich nenne es aufreibend.“ „Kommst du zu uns, Jei?“, schickte Schuldig die Frage in den Raum ohne sich dabei zur angesprochenen Person umzuwenden. Vermutlich stand Jei noch an Ort und Stelle, da er wohl kein Interesse daran verspürte, sich zu ihnen zu gesellen. Nun…Jei war ja auch nicht gesellig. Zumindest nicht im allgemeinen Sinne. Und prompt kam Selbiger auch, nicht ohne fasziniert auf das rote Fellbündel zu blicken, welches sich ihm um die weite Hose schmiegte und damit spielte. Er starrte für Momente auf das Tier, bevor er sich bückte und es aufhob. Ein Schnurren vibrierte durch den ganzen kleinen Körper und Jeis Aufmerksamkeit war geweckt. Er trug Banshee zur Theke und setzte sich auf einen der Barhocker am Fenster. Aya sah das mit Vorsicht, so als würde er sein Kind in die Obhut eines völlig Fremden begeben. Nun, es war auch so. Vielmehr war er nervös wegen Farfarello und ob er Banshee etwas tun würde. Gebannt ließ er sich ihm gegenüber auf einem weiteren Hocker nieder und sah stumm zu, wie die Kleine auf dem Tresen Farfarellos Fingern hinterhertappste und sie zu fangen versucht – mit müßigem Erfolg. Er musste unwillkürlich lächeln. Auch Youji starrte fasziniert auf die Beiden und hatte den Kaffee wie auch den ihn kochenden Telepathen für einen Moment vollkommen vergessen. Jei umhüllte das Kätzchen mit einer Woge aus Wärme und Wohlgefühlen, sah zu wie es sich an seine Hand schmiegte und fand das weiche Gefühl faszinierend. Schuldig schüttelte nur den Kopf darüber. „Jei…keine Versuche, klar?“ „Ja“, gab dieser gelassen zurück und verengte das Auge unmerklich. Schade, er hätte gerne gesehen, wie sie auf andere Gefühle reagierte. Bei Tieren war dies schwer einzuschätzen ob und wie sie reagierten. Schuldig schaltete die Kaffeemaschine an und machte für alle außer Jei die Tassen fertig. Erst die Zusage des Iren ließ Aya merklich ruhiger und entspannter werden. Doch er war immer noch gebannt von Banshees Spiel, von ihrem neu gefundenen Spielzeug. Er sah zu, wie sie sich begeistert miauend auf den Rücken warf, wie sie mit ihren kleinen Krallen nach den bleichen Fingern langte, die über ihr tanzten. Wie sie versuchte zu fauchen. Aya schmolz dahin, im wahrsten Sinne des Wortes. Herrje. Youji sah das und konnte sich ebenso ein Lächeln nicht verkneifen. Manchmal…vielleicht, aber nur ganz manchmal war der Telepath doch nützlich. Ja…das konnte man so sagen. „Habt ihr euch auf der Ausstellung getroffen?“, fragte Schuldig in die Geräuschkulisse seiner Kaffeemaschine hinein und ging um das Radio anzuschalten. „Oder hattet ihr ein Date?“, grinste Schuldig in sich hinein, den Rücken zu den Männern gerichtet. Jeis Finger hielten inne und er blickte auf, sagte jedoch nichts. Ein Date? Es war schließlich Youji, der lachte. „Ein Date? Komisches Date nenne ich das.“ Auch Aya musste schmunzeln, bevor er seine Augen auf Farfarello zurückkehren ließ. „War es ein Date?“, fragte er den Iren. „Vielleicht“, sagte Jei unbestimmt. Er hatte sich ein Treffen erwünscht, weil er neugierig auf dieses Weißmitglied wurde, durch Schuldigs …Eigentum…wie er den rothaarigen Mann betitelte. Doch er hatte dieses Treffen nicht erzwungen. Ayas Augen weiteten sich überrascht, ebenso Youjis. Doch keiner von ihnen fragte nach dem Grund, keiner von ihnen wollte wirklich wissen, warum. Noch nicht. Aya wusste, dass er dieses Wissen nicht besitzen wollte, weil es Unannehmlichkeiten bedeutete. „Was für eine Ausstellung war das?“, fragte er an beide Männer gewandt, nun doch neugierig, was Farfarello an Kunst interessierte. Jeis Interesse war abgeglitten, denn er wollte nicht über dieses Thema sprechen. Viel mehr faszinierte ihn das rote Fellbündel, welches die kleinen aber feinen Zähnchen in seinen Handballen schlug. „Farben“, sagte er nur nichts sagend, als ginge es um das Gekritzel eines Vorschulkindes. Die Tassen abstellend, kehrte Schuldig zur Anrichte zurück und schenkte Jei ein Glas Wasser ein, stellte es etwas von Banshee entfernt hin. „Trink das“, sagte er und Jei griff mit der freien Hand zum Glas. „Ja…Farben“, murmelte Youji kryptisch und griff zu seiner Kaffeetasse, nahm einen tiefen Schluck aus ihr. Er sah viel lieber zu, wie der Telepath Farfarello befahl, etwas zu trinken und dieser es auch ohne Widerstand tat. Unwillkürlich fragte er sich, was die beiden für eine Beziehung zueinander hatten…vielleicht eine Art Herr und Sklave, so wie es im Moment aussah. Wusste Aya davon? Wenn ja, was hielt er davon? Ein Blick auf Jei sagte Schuldig, dass dieser nicht erwähnt hatte, dass er der Künstler war. Es hätte gegen die Regel verstoßen, die Crawford aufgestellt hatte. Und er würde den Teufel tun und etwas in diese Richtung verlauten lassen. Wenn Brad davon erfuhr, dass Jei Interesse an dem Schnüffler hatte… Das wäre nicht gut. Es würde Brad noch mehr unter Druck setzen und dies wäre fatal…oder letal für jemanden von ihnen. Ihr komplexes System aus aufgestellten Regeln und den abgesteckten Territorien, die sie hatten und in die niemand von ihnen eingriff, würde auseinander brechen. Es war als würde er jetzt erst bemerken, wie zerbrechlich ihre Gemeinschaft und wie dünn und fragil diese scheinbare Stabilität war. Hatte er den Anfang dieser Selbstzerstörung gemacht? Hatte er. Wie Aya auch. Sie beide waren die Vorreiter gewesen und es bereitete Aya nicht minder Sorgen, welche Wirkung sie anscheinend auf Weiß UND Schwarz hatten. Aya nahm nachdenklich einen Schluck Kaffee und beobachtete besonnen das Spiel der kleinen Roten, die sich nun mit einem Satz vom Tisch abstemmte und Farfarellos Oberteil entgegen flog, sich schließlich mit sämtlichen Krallen, die sie zur Verfügung hatte, in ihm festkrallte, als sie feststellte, dass sie rutschte. Er sog mitfühlend die Luft ein. Das musste wehtun… Jei lächelte und blickte auf das Wesen, welches sich haltsuchend in seiner Weste verfangen hatte. Den Schmerz der kleinen Krallen fühlte er, doch es löste nichts in ihm aus und so hob er nur gelassen die Hand und gab dem Kätzchen den nötigen Halt. Sie würde sicher die Krallen von alleine lösen, wenn sie bereit dazu war. „Vielleicht hättest du ihm auch eine Katze mitbringen sollen“, merkte Aya leise zu Schuldig an und zuckte mit den Schultern. Wie es schien, waren sich Mensch und Tier vollkommen einig, was das Zusammenleben anging. Anders konnte er sich Farfarellos Lächeln und Banshees ekstatisches Schnurren nicht erklären. Youji schnaubte, aber auch nicht wirklich böse. Ganz im Gegenteil. Er war…fasziniert. „Nein. Besser nicht“, hob Schuldig vielsagend die Brauen und verzog den Mund skeptisch. Ob es wirklich gut wäre, Jei ein Tier zu schenken, bezweifelte er. Vor allem, wenn er daran dachte, dass er sich um dieses kümmern müsste. Er konnte …oder wollte sich ja nicht einmal um sich selbst kümmern. o~ Despot…elender! Das war das Letzte, was Aya von Schuldig gehört hatte, als dieser sich murrend, schmollend und leise vor sich hinmeckernd in Richtung Kleiderschrank verzogen hatte, um in diesem Ordnung zu schaffen. Nun…eigentlich, um zwischen seinen Klamotten Ordnung zu schaffen, denn Ayas Sachen waren wie auf einer Schnur in Reih und Glied aufgehängt. Dazwischen jedoch…alles andere. Und so kam es, dass er sich nun gemütlich auf das Bett pfläzte und den Kopf aufstützte, während er Schuldig beim Mosern zusah. Wie gemein das doch war! Und er hatte leider kein gutes oder wirkungsvolles Gegenargument besessen, als er Ran von der Nutzlosigkeit dieser Aktion überzeugen wollte. Weder der Spruch „Nur ein Genie beherrscht das Chaos“, oder der Hilfeschrei: „Wenn ich aufräume, finde ich nichts mehr“, nutzten hier etwas. Aber Ran hatte nicht gesagt, dass er den Sklaventreiber dort auf dem Bett nicht etwas ärgern durfte! So begann er die Klamotten zunächst sorgfältig neben Ran aufzustapeln, bis er in die unteren Gefilde kam und nur noch alles was Stoff war hinter sich warf. Dass es dabei auf Ran landete war …Zufall oder eine glückliche Fügung… Besagter Sklaventreiber nahm geduldig jedes einzelne der ihm entgegen fliegenden Kleidungsstücke in Empfang, warf sie zur Seite, machte sich auf das nächste gefasst, warf es wieder zur Seite. Er hatte auch Youji ein gewisses Pensum an Toleranz zugesagt und das geschah nun ebenso mit Schuldig. Auch wenn dieses Pensum sich gemächlich von seiner Mitte gen Ende richtete. Doch noch…noch war es nicht soweit. Aya fing ein Stück quietschpink auf und entbreitete es Augenbrauen lupfend. Eine Shorts? „Also Schuldig…manchmal zweifle ich wirklich an deinem guten Geschmack“, näselte er und warf sie zur Seite, lehnte sich wieder zurück. Schuldig kam aus der Versenkung und wischte sich seine Haare ungeduldig aus dem Gesicht. Er richtete sich auf und angelte nach einem Haargummi in seiner Jeans um die Mähne zu bändigen. „War ein Ausrutscher“, murmelte er und verzog das Gesicht zu einer gespielt gelangweilten Miene. „Man muss ja schließlich Neues ausprobieren…nicht wie du!“, moserte er und wandte Ran wieder seine Kehrseite zu um weiterzuschaufeln. Er hatte am Boden einige Kartons stehen…nur wusste er beim Besten Willen nicht mehr, was sie enthielten. „Was soll das denn heißen?“, stänkerte Aya zurück und zog seine Beine an, schob sie etwas auseinander, damit er Schuldig sehen konnte. „ICH gehe wenigstens nicht so nach draußen, als würde ich nur darauf warten, dass mich der nächste Großwildjäger niederstreckt. Purismus nennt man das. In der Einfachheit liegt die Kraft. Hast du denn NIE daran gedacht, deinen Schrank mal aufzuräumen? Wie lange wohnst du hier denn schon?“, fragte er, als er sah, was sich da noch alles in besagtem Möbelstück tummelte. „Es gibt keine Großwildjäger in Tokyo, höchstens einen … und der ist nicht so böse und gemein wie er immer tut!“, gab Schuldig mit arrogantem Näseln zurück. Purismus „…pftt…“ meinte er dazu nur und kam mit dem Stapel Schachteln wieder, stellte sie vor Ran auf den Boden. „Wie lange ich hier wohne…seit … naja…hm….seit wir uns damals von SZ gelöst hatten. Nach der Sache mit Euch.“ „Also drei Jahre…“, nickte Aya, ging jedoch nicht darauf ein, wie sie vorher gegeneinander gearbeitet hatten. Wie sie sich bekämpft hatten und das bis aufs Blut. Das tat hier nichts zur Sache. „In diesen drei Jahren, mein lieber zackelschafdeutscher Telepathenmessie hast du es kein EINZIGES Mal geschafft, dieses schwarze Loch aufzuräumen?“ „Das sagt doch schon der Name! Ein schwarzes Loch. Nur Verblödete wagen sich hinein. Und du setzt mich also der tödlichen Gefahr aus. Ein schöner Freund bist du“, frotzelte Schuldig gedämpft vor sich hin und musste selbst schon dabei lachen. Aya grinste lautlos mit, erwiderte jedoch streng und bierernst: „Du sollst nicht ablenken, sondern weitermachen. Ein Viertel hast du schon geschafft, jetzt kommt nur noch der Rest. Und wenn’s geht, etwas schneller, wenn ich bitten darf. Es wird bald dunkel und ich möchte das Bett heute Abend wieder freigeräumt haben.“ „Du stehst wohl drauf, mir Befehle zu geben, Blumenkind?“, brachte Schuldig den Rest der einen Hälfte. Es stand ja noch ein Schrank aus, der dieselbe Größe besaß. „Wie wäre es mal mit helfen, statt Sklaventreiber zu spielen“, wackelte er mit den Augenbrauen und kippte seine Ladung T-Shirts über Ran aus. Über Aya, der sich gerade hatte lasziv räkeln wollen, nun aber schier erschlagen wurde von den Textilien. „DU hast gesagt, dass ICH der Despot bin, nicht andersherum!“, muffte es unter den Stoffschichten, die sich gefährlich bewegten. „Also muss ich mich auch wohl so verhalten!“ „Ach?“, fragte Schuldig und sah nur wie sich der Wäscheberg bewegte und dazwischen rotes Haar hindurchspitzte. Seine Hände stahlen sich dazu und er krabbelte über den Begrabenen. „Gib zu, es fällt dir nicht schwer ihn zu spielen!“ „Was soll ich da zugeben, das ist eine Tatsache!“, lachte Aya und befreite sich mit einem Schwung von den T-Shirts, die nun allesamt in Schuldigs Gesicht landeten. „Aber…ich bin ein gnädiger Diktator…schließlich darfst du deine Sachen noch anbehalten, während dein liebenswerter Hintern vor mir hin- und herhüpft.“ „Ja, sehr gnädig, Euer Durchlaucht“, sagte Schuldig ironisch und stürzte sich auf Ran, nur um ihm einen Kuss zu rauben. Er stupste noch auf dessen Nase, bevor er sich wieder erhob und als gehorsamer Diener an die Arbeit ging. Zunächst jedoch besah er sich die Kartons, die am Bettende standen. Er öffnete einen und staunte nicht schlecht… Aya leckte sich noch über die Lippen, bevor er sich hochstemmte und die Augenbrauen lupfte, einen der kleinen Gegenstände in die Hand nahm, die so zahlreich in der Box lagen. „Spielzeugautos?“, fragte er mit hochgezogener Augenbraue und hielt sich das kleine Matchboxauto vor die Nase. Er nahm ein zweites aus der Box…ein drittes und lachte vergnügt. Das veranlasste Schuldig, sich zunächst auf seinen Hintern zu setzen und in die Schachtel zu starren. „Ich hatte da mal so eine Phase. Kurz nachdem ich hierher gekommen bin. Ehrlich, ich wusste gar nicht mehr, dass ich die kleinen Dinger noch habe!“ Er nahm eines der Autos heraus und schüttelte den Kopf. „Und was hast du mit ihnen gemacht? Gespielt?“, fragte Aya und gesellte sich zu Schuldig auf den Boden, lehnte sich an das Bett, die Beine auf den Treppen zur Schlafstätte hin angewinkelt. Er schubste das Auto leicht an und ließ es zu Schuldig rollen. Die Augen voller Spieltrieb sah er auf und grinste. „Nein, ich…spiele lieber mit anderen Dingen“, lachte Schuldig leise. „Ich habe sie gesammelt. Sollen wir ne Vitrine kaufen, willst du sie aufstellen?“, fragte er, weil er das Leuchten in Rans Augen erkannte. „Hast du als Kind oft mit Autos gespielt?“ Aya legte den Kopf schief, imitierte einen Moment Farfarellos Geste, bevor er sich dessen bewusst wurde und er den Kopf wieder zurück in die richtige Position brachte. Er verzog nachdenklich grübelnd die Stirn. „Ja…allerdings hatte ich nicht solche Autos. Holzautos, die unser Großvater für mich geschnitzt hatte. Und für Aya die Puppen. Wir konnten gar nicht genug bekommen…und hatten jeder so eine große Sammlung.“ Er lachte leise. „Eine Vitrine? Schuldig…das ist kitschig. Lass sie doch einfach in der Box und stell die hier irgendwo hin.“ Schuldig runzelte die Stirn. „Also eigentlich brauch ich diese Autos nicht. Ich hatte sie wohl …vergessen. Zeit sie wegzuwerfen.“ Schuldig schloss den Karton und schob ihn beiseite. Er ging dazu über, den Schrank auszuwischen um danach seine Kleidung wieder einzuräumen. Schon seltsam, die alten Sachen wieder auszukramen. Wenn er daran dachte, dass er sie aufgehoben hatte um sich an diese Zeit zu erinnern. Und dann hatte er es vergessen… Aya krabbelte hinter Schuldig her und riss sich die Box unter den Nagel. „Solche Erinnerungen sollte man nicht wegwerfen“, murmelte er und öffnete noch einmal den Deckel. „Wenn du sie nicht behalten willst, lass sie mich dann wenigstens aufheben, okay?“ Er strich mit seinen Fingern liebevoll über die kleinen, bunten Metallspielzeuge. Schuldig wandte sich um und lehnte sich mit verschränkten Armen an den Schrank und lächelte unwillkürlich. Da hatte er ja was angerichtet. Die leuchtenden Augen, die vorsichtigen Hände und die besitzergreifenden Arme, all dies fasste Schuldig ins Auge und erkannte schnell, dass Ran hier ein Stück seiner Kindheit gefunden hatte. „Klar kannst du sie aufbewahren, aber pass auf, dass Banshee sie nicht zwischen die Zähne bekommt“, grinste er und betrachtete sich Ran mit immer noch demselben warmen Lächeln in den Augen. Aya wandte seinen Blick zur Seite, als er etwas Rotes in seinem Augenwinkel sah. Lachend hob er Banshee schließlich hoch und hielt sie noch in der Luft auf Gesichtshöhe. „Die Mama hat gesprochen, hörst du? Keine bösen, kleinen Autos verschlucken! Sonst wird Mama ganz böse und Papa bekommt den Ärger.“ Er nickte gewichtig und ließ sie einmal durch die Luft fliegen, gestützt von seinen umsichtigen Händen natürlich, bevor er sie auf seinem Oberschenkel absetzte und zusah, wie sie über den Klamottenberg tapste, schließlich wieder zu ihm zurückkam und ihre Nase an seiner Schulter rieb. Aya kraulte schmunzelnd ihren roten Schopf. „So schnell wird man also von Platz eins auf Platz drei verdrängt. Jetzt kommen vor mir also noch Banshee und die Autos…tssss“, lachte Schuldig und wischte den Rest des Schrankes sauber. Ran war heute sehr gut gelaunt, dafür, dass er nicht rauskonnte, dass er eingesperrt war und das Problem Kritiker sich nach wie vor nicht von selbst löste. „Ja sei froh, dass wir keine Kinder haben, sonst könntest du dir den Sex auch noch abschminken“, schickte Aya feixend hinterher und summte leise vor sich hin, als er mit der Kleinen spielte und Schuldigs Tatendrang für einen Moment außen vorließ. Doch dann schnappte er sich das Fellbüschel, setzte es bequem auf seinem Arm ab und erklärte ihr Detail für Detail, was Schuldig genau tat, warum er es tat und wie lieb Schuldig doch war. Ein seltsamer Blick traf die Beiden. „Dann müssten diese Kinder einige herbe Szenen mit ansehen und hätten wohl ein gestörtes Verhältnis zum Sex“, faselte er näselnd und rollte mit den Augen, fing an, die Kleidungsstücke langsam Stück für Stück wieder einzuräumen. Rans Kinderwunsch schien schon soweit zu gehen, dass er … Nun gut, das war ja auch Schuldigs Absicht gewesen, ihm eine Art Ersatz zu schenken. Nachdenklich saß er auf dem Bett, Shirts faltend und hin und wieder einen Blick auf Ran werfend. Es war ohnehin gefährlich, sich hier allzu sicher zu fühlen, sich zu sehr hier an diesen Ort zu gewöhnen. Nicht umsonst hatte er hier keine wichtigen Unterlagen. Falls er die Wohnung aufgeben musste war hier nichts, was auf ihn schließen würde. Eine Familie…das war nichts für sie…aber vielleicht für Ran…? Rans Gedanken hingegen schwirrten immer noch um das Thema Kinder. Gestörtes Verhältnis zum Sex?, fragte er sich amüsiert. Nun…das hätten sie dann in der Tat. Aya lachte leise in sich hinein und durchforstete die Box nach verschiedenen Modellen. Besonders zum Thema fesseln. Er konnte sich die Gespräche im Kindergarten schon gut vorstellen: Also mein Papa und mein Papa, die spielen immer Cowboy und Indianer…die fesseln sich immer gegenseitig. Und dann bringt Papa den Papa zum Schreien, ganz laut. Aber das mögen der Papa und der andere Papa auch. Er schaut nachher immer ganz rot aus und lacht. Also ist das was Gutes? Nein, Kinder waren wirklich nichts für sie…doch das Thema hatten sie ja schon gehabt. Und nun hatte er Banshee. Nein, sie hatten Banshee. Die kleine verspielte Katze, die sich zwischen Schuldigs Sachen tummelte und dem Telepathen auf die Finger sprang, dort, wo sie sie zu fassen bekam. Eine Kämpfernatur, die Rote. Schuldig nahm die junge Katze hoch und hielt sie vor sich, besah sie sich kritisch und überlegte sich haarklein, was er sich als Sanktion für die Sabotage seiner neuen Ordnung aussuchen würde. Doch Banshee passt hervorragend auch in sein Kindchenschema und Schuldig ergab sich dem Schulterzuckend, nahm Banshee auf seinen Arm und kraulte sie ausführlich. „Was hältst du davon, wenn wir was essen gehen?“ , fragte er Ran, den Blick auf Banshee gerichtet. „Sehr viel“, nickte Aya bedächtig, begab sich jedoch im nächsten Moment schon auf alle Viere und kroch langsam zu Schuldig, stibitzte sich einen langen, zärtlichen Kuss. „Doch vorher…würde ich gerne vom Nachtisch probieren“, lachte er und knabberte sanft an der Halsbeuge des Deutschen. Genießend nippte er an der weichen Haut. Schuldig lachte leise und schmiegte Banshee an Rans Wange. „Genascht wird nicht!“ Er setzte Banshee auf Rans Schulter ab, die sich gleich haltsuchend mit ihren Krallen in Rans Kleidung hakte. „Was hältst du davon, wenn wir jetzt schön essen gehen, in eines der guten Restaurants und danach….“, ließ er es offen, was danach wäre, und küsste Ran zart. „Danach gibt’s den Nachtisch“, raunte er und zog sich wieder zurück. Aya pflückte sich die Kleine leise zischend aus seinem Pullover und einem guten Stück seiner Haut. „Böses Kätzchen! Siehst du, du hast dir schon viel zu viel von deiner Mama angenommen. Viel zu viel! Dieser Umgang…schrecklich!“ Aya lachte und setzte sie auf dem Boden ab, schubste sie auf den Rücken und rang mir ihr. „Auch gut…wenn du dir diesen Aufschub noch geben willst. Aber du kommst nicht drum herum“, unheilte er dunkel und viel versprechend. So? Kam er nicht? Schuldig schwante, dass Ran es heute auf seinen ... wie hatte er sich ausgedrückt ... liebenswerten Hintern abgesehen hatte. Den ganzen Tag lag etwas in der Luft, dass eine unterschwellige Ausübung von Dominanz ihm gegenüber erahnen ließ. Er mochte es, wenn Ran so drauf war. o~ Aya nippte bedächtig an seinem Weinglas und ließ den ihm gegenüber sitzenden Telepathen nicht aus den Augen. Genau der Telepath, der gerade der Kellnerin schöne Augen machte und mit ihr um ein weiteres Glas Weißwein buhlte. Mit Argusaugen verfolgte Aya ihre Gestik, seine, ihre Annäherungsversuche und sein Spiel. Sie hatten sich chic angezogen und waren dann in die Stadt gefahren, dieses Mal mit Aya am Steuer des sündig gut fahrenden Sportwagens. Er war schon seit Monaten nicht mehr selbst gefahren, wie es ihm aufgefallen war, woraufhin er Schuldig den Schlüssel entwendet und sich einfach hinter das Lenkrad des Schlittens platziert hatte. Sowohl er als auch Schuldig trugen zur Feier des Tages Anzüge. Schuldigs in einem dunklen Grauton, der die Farbe seiner Augen mysteriös dunkel schimmern ließ und wunderbar zu seinen Haaren passte. Dazu eine sacht rosafarbige Krawatte, die Haare streng zurückgebunden. Einfach fuckable, so hatte es Aya vom ersten Moment an befunden. Er selbst trug cremefarben mit schwarzem Hemd, die ersten beiden Knöpfe offen, seine eigenen Zotteln fein säuberlich in einem locker sitzenden Pferdeschwanz. Wie zwei erfolgreiche Geschäftsmänner saßen sie hier und Aya genoss ihr kleines Spiel. Er genoss die Möglichkeit, andere Menschen zu beobachten, ihren Gesprächen zu lauschen und am Leben teilzuhaben. Auch wenn Leben momentan bedeutete, die verfluchte Kellnerin zum Teufel zu wünschen. Er lächelte und stellte sein Glas ab. Durchaus ungeschickt kam er an den Stiel und warf es um, ließ es auf dem Boden zerschellen. Der Blick der Kellnerin wandte sich entschuldigend von Schuldig auf ihn und er zauberte ein entsetztes Gesicht hervor. „Oh…das tut mir leid! Wie ungeschickt von mir!“ „Nein…nein, das macht nichts, warten Sie, ich hole eben etwas zum Fegen und Wischen“, erwiderte sie lächelnd und verbeugte sich kurz, bevor sie vom Tisch verschwand. Er sah ihr hinterher. Natürlich sah sie nicht schlecht aus in ihrem traditionellen Kimono und den schwarzen, hochgesteckten Haaren, doch Schuldig war nicht ihr Revier. Dieser - sich natürlich seiner Schuld völlig bewusst - blickte der Davoneilenden lange, einen wohl berechneten Tick zu lange nach, bevor er sich Ran zuwandte. Diesen lodernden Blick in sich aufsog und harmlos lächelte. Er wusste, dass er hier mit dem Teufel spielte … der ihm hier gegenüber saß und ihm gerade auf charmante Art und Weise mitteilte, dass er gefälligst nicht mit anderen zu flirten habe, oder dafür bitter büßen würde. Er war aber kein gehorsamer Büßer… „Sag bloß, er hat dir nicht geschmeckt?“, lächelte Schuldig, das Kinn leicht gesenkt, sodass sein Blick einen intensiven Ausdruck bekam. „Es hat mir hervorragend geschmeckt, ich warte jetzt nur noch auf den Nachtisch“, lächelte Aya still zurück und ließ seinen Blick nebenbei auf die Kellnerin schweifen, die gerade die Scherben auffegte. „Wären Sie so nett und würden uns noch etwas Wein bringen?“, fragte er sie überfreundlich und lächelte Schuldig dabei ins Gesicht. Sein Lächeln verhieß…alles. Und nichts. Eine Reaktion die Schuldig verunsicherte. Er konnte Rans Spiel nicht durchschauen, da dieser noch einmal Wein bestellte und nicht die Rechnung. Die kleine Showeinlage mit dem Weinglas hatte ihm Rans Besitzansprüche an ihn vor Augen geführt, in die er sich gerne begab. Es reizte ihn…Ran zu reizen. Bei diesem Gedanken schlich sich ein kleines Grinsen auf Schuldigs Gesicht und er verbarg es in dem er einen Schluck seines Weines nahm. „Hast du denn noch Appetit?“ Aya antwortete nicht, sondern schickte die junge Frau mit einem Nicken weg. „Das kommt darauf an“, erwiderte er nach ein paar stummen, spannungsgeladenen Momenten und lehnte sich lächelnd zurück. Er überschlug die Beine und verschränkte die Hände auf seinem Oberschenkel. Schuldig fing an dieses Lächeln als bedrohlich einzustufen. Irgendwas führte der Mann im Schilde, nur konnte Schuldig beim besten Willen nicht ergründen, was dies genau war. Es war ungewohnt für sie beide, in dieser Art auszugehen. Bisher war ihre Umgebung vertraut gewesen. Doch nun waren sie unter anderen Menschen und sie verhielten sich beide anders. Es war berauschend für Schuldig, Ran zu sehen, wie dieser auf andere Menschen wirkte. Was diese Menschen von seinem Ran dachten, wie sie ihn ansahen. Ran wirkte in seiner dominanten Art auf seine Umgebung dabei sehr gelassen und erweckte den Eindruck eines erfolgsverwöhnten Geschäftsmannes, der trotz seiner jungen Jahre ein ernst zu nehmender Gegner war. Wobei er auch Gedanken gelesen hatte, die weniger schmeichelhaft für Ran wären… „Weißt du, was ich …amüsant finde? Viele denken, du wärst der Sohn aus einer der größeren Häuser“, meinte er damit die Organisationen, die gemeinhin als Yakuza benannt wurden. Aya hob die Augenbrauen und wartete mit seiner Antwort, bis das Mädchen ihm das Glas Rotwein an seinen Platz gestellt hatte. Erst nachdem sie sie alleine gelassen und er seinen Blick durch den Raum streifen lassen hatte, wandte er sich wieder Schuldig zu. Oh ja, er hatte die Blicke durchaus wahrgenommen, doch die Gedanken, die dahinter standen, überraschten ihn nun doch. „Und du bist in ihren Gedanken dann wer?“, fragte er, ohne direkt auf das Gesagte des anderen Mannes einzugehen. Er würde sich nicht vor allen Anwesenden ausziehen und beweisen, dass er eben KEIN Yakuza war, denn er trug keine Tätowierung auf dem Rücken, wie es hinlänglich üblich war für Angehörige der Clans. Er griff zu dem Glas und trank einen Schluck. Schuldig folgte Rans Bewegungen, ergötzte sich an dessen gelassenem Blick, an der ruhigen Art wie dieser dort saß. „Ein Mann dachte, ich sei ein Geschäftspartner. Ein anderer wiederum denkt, wir sind zwei Sprösslinge der Clans. Die Frau im roten Kleid malt sich gerade ein Bild, in dem wir ficken. Sie gibt sich diesem Bild hin und sieht uns als Geliebte an.“ Schuldig sagte das leise, ließ den Blick lächelnd schweifen, mied jedoch tunlichst Rans Gestalt, vor allem die sicher lodernden Augen. „Der ältere Herr dort hinten meint, dich schon mal in einer der Clans gesehen zu haben, er denkt, ich sei dein Liebhaber. Er kommt auf den Gedanken, da er dich genau beobachtet hat und den Wink mit dem Glas verstanden hat. Er stimmt dir zu in deinem Handeln, er hätte noch heftiger reagiert, was die Kellnerin betrifft. Er findet mich scharf und kann dich gut verstehen, dass du mich … erwählt hast“, schloss Schuldig seinen Rundlauf in einigen Köpfen der Gäste. Er hatte zeitgleich das wiedergegeben, was er gelesen hatte und staunte selbst nicht schlecht über das Resultat. Ob es ihm gefiel, wusste er nicht. „Interessant findest du nicht?“ „Anregend, aber interessant nicht“, erwiderte Aya und warf dem älteren Mann einen längeren, schweigenden Blick zu, nickte schließlich und hob sein Glas leicht in dessen Richtung. Der Alte grüßte zurück, leckte sich die Lippen. „Ob der Alte da wohl weiß, dass ich dich nicht teile?“, fragte er genüsslich, während er einen weiteren Schluck seines Weines nahm, sein Glas bedenklich schnell leerte. Das hatte natürlich seinen Grund, aber den würde er so schnell nicht offen legen. Schuldig wollte wissen, wie die Reaktion des Mannes auf Rans Geste war. „Nein. Jetzt weiß er es nicht mehr. Du hast ihn verunsichert…und seine Gedanken nun tatsächlich auf mich gelenkt, aber auch auf dich. Eine nicht unbeträchtliche Summe schwirrt in seinem Kopf herum, die er dir für eine Nacht mit mir bieten würde. Er hätte auch kein Problem damit, wenn du zusiehst. Seine Gedanken spulen immer die gleiche Fantasie ab, aber er glaubt nicht an ihre Realisierung, weil er der Meinung ist, dass es ungünstig wäre für ihn, wenn er sich den Zorn eines Mitgliedes der Clans zuzieht.“ Schuldig schwieg und sein Blick suchte nun das hart schimmernde Violett. Er konnte nichts in Rans Augen lesen, sie waren ihm verschlossen. Auch körperlich waren sie Schuldig nun verschlossen, als Aya seine Augen ein weiteres Mal auf den Mann ihnen gegenüber richtete. Er hob fragend eine Augenbraue und lächelte einladend. Was dachte der Mann? Ihm Geld für Schuldig bieten zu können? Ihn zusehen zu lassen, während er mit Schuldig schlief? Nein…nein, so würde es nicht laufen. Schuldig gehörte zu ihm, nicht zu diesem Mann. „Er hat Recht, es IST ungünstig für ihn, wenn er meinen Zorn auf sich zieht. Aber sag mir, in welcher Beziehung steht er zu den Clans? Geschäftspartner? Bediensteter?“ „Er macht Geschäfte mit ihnen und war einige Male auf den Partys, die sie für ihre Partner geben, eingeladen.“ Dass einige der oben genannten Dinge, die Schuldig über das Geld und den Sex gesagt hatte, nicht stimmten und seiner wirren Fantasie entsprachen, musste Ran ja nicht wissen. Dass der Mann jedoch tatsächlich in eine sexuelle Richtung von ihnen beiden dachte und das in sehr deutlicher und heftiger Art war interessant, aber hatte Schuldig lediglich dazu veranlasst, es etwas zu verändern in der Wiedergabe an Ran. Was ihm momentan immer unsicherer machte, war die Tatsache, dass er Ran nicht durchschauen konnte, jeden anderen, nur nicht Ran. Hätten sie nicht ihr Spielchen begonnen, hätte er Ran fragen können, doch so war ihm diese Chance verwehrt. Er hatte von Anfang an Probleme damit gehabt, in Ran zu lesen, da er sich stets auf seine Telepathie verlassen hatte. „Ein kleines Licht also. Niemand wichtiges“, grübelte Aya und runzelte nachdenklich die Stirn. Scheinbar nachdenklich, denn sein momentanes Augenmerk war auf Schuldig gerichtet und die nervöse Person des Telepathen. Oh ja, er hatte seine Gedanken wohl verschlossen vor dem deutschen Mann. Er leerte das Glas und stellte es zurück auf den Tisch, tupfte sich leicht die Lippen ab. „Nun…ich könnte ihm zeigen, zu wem du gehörst, gleich hier und jetzt. Oder draußen im Auto“, lächelte er bedächtig. „Könntest du?“ Schuldig musterte Ran. „Im Wagen wird er es kaum sehen“, gab Schuldig zu bedenken. „Außer du willst nicht ihm, sondern mir zeigen, zu wem ich gehöre.“ Er lächelte herausfordernd. „Diese Entscheidung behalte ich mir vor“, erwiderte Aya stygisch und hob seine Hand. Zeichen für die Kellnerin, die Rechnung zu bringen. Schuldig hatte es herausgefordert und sollte nun mit den Konsequenzen leben. Das Mädchen kam zu ihnen und Aya deutete durch eine Geste an, dass nicht er derjenige war, der zahlen würde. Ohne eine Miene zu verziehen, zahlte Schuldig mit einem Lächeln und einem Funkeln für die hübsche Bedienung, reizte er diesen Vorgang des Bezahlens, bis es nicht mehr ging hinaus. Ran hatte ihm mit einer lässigen Handbewegung, die fast lästig wirkte befohlen, dass er bezahlen sollte, zumindest wirkte es auf diejenigen so, die ihnen interessierte Blicke zuwarfen. Als es Aya zu bunt wurde, stand er auf und schob mit einem Lächeln seinen Stuhl zurück. Natürlich provozierte Schuldig ihn, natürlich. Und natürlich hatte er dafür mit der entsprechenden Antwort zu rechnen. „Komm“, sagte er und ging vor ohne sich noch einmal umzusehen Richtung Ausgang, nicht jedoch, ohne kurz bei dem Mann anzuhalten, der Schuldig mit seinen Blicken auszog. „Wagen Sie es nicht, meinen Besitz in Frage zu stellen“, richtete er freundlich ruhig an den anderen und ging weiter…nach draußen. Schuldig hatte mitverfolgt, wie das Gesagte bei dem Mann angekommen war und staunte nicht schlecht über Rans Verhalten in der Öffentlichkeit. Er hätte dies nie von seinem Blumenkind gedacht… und warum kam ihm dieser Kosename plötzlich extrem unpassend vor? Keiner seiner Koseworte wollte so Recht auf diesen Mann, der auf den Wagen zuging, passen. Außer einer vielleicht … Abyssinian. Aber das war kein Kosename. Ganz bestimmt nicht. Aya kam eher als Schuldig bei ihrer Fahrgelegenheit an und drehte sich langsam um, sah an den Wagen gelehnt zu, wie dieser zu ihm kam, wie er auf ihn zustreunte. Seine Augen glimmten dunkel und er lächelte stumm vor sich hin, als er wartete, bis Schuldig ihn erreicht hatte, bevor er den Deutschen am Kragen seines Jacketts fasste und gegen das Auto drückte. Ihm ungestüm und wild seine Lippen aufzwang. Keinen Moment hatte er eine derartig schnelle Reaktion von Ran in dieser Hinsicht erwartet. Überrumpelt ließ sich Schuldig einnehmen, erwiderte den Kuss jedoch so gut er es vermochte, da Ran ihm fast keine Erwiderung gönnte und sich nicht zurückdrängen ließ, doch den Kampf, verlor der Telepath haushoch. „…Ran….ich…“, versuchte er sich zu lösen, wollte ihm erklären, dass es nicht so wirklich der Wahrheit entsprochen hatte was der Typ angeblich gedacht hatte… „Halt den Mund“, raunte Aya und versiegelte den aufkommenden Protest des Deutschen dort, wo er entstand. Er erkämpfte sich seinen Platz als dominanter Partner in ihrer Konstellation, fummelte ungeduldig an dessen Hemd, an der Hose des anderen Mannes. Er WOLLTE, musste den anderen jetzt flachlegen. Sofort…warum nicht gleich auch noch hier? Wer würde ihnen schon zusehen, wer würde daran schon Anstoß nehmen? Sie waren beide nicht existent, unbekannt durch ihr Unterweltdasein. Was zur …Hölle?, geisterte ein irrwitziger Gedanke in Schuldigs Gehirnwindungen, die momentan jedoch zugunsten der Blutzirkulation in abgelegenen Gefilden wenig bis gar nichts zu melden hatten herum. „Ran…nicht hier, lass uns …fahren“, fing er die Hand ein und hielt sie fest. Er spürte die Unnachgiebigkeit in dieser Hand und er fühlte seinen Willen, den Ran durchsetzen wollte. Die Hitze zwischen ihnen brodelte und zischte und Schuldig spürte, wie sie sehr schnell auf einen Punkt in der Ferne zusteuerten. Was dieser Punkt war, konnte er jedoch nicht sehen, denn er hatte keine Zeit, Ran war zu schnell, viel zu heiß, wie ein Komet, der unaufhaltsam und nicht zu stoppen war. Aya war für einen Moment versucht, diesem Wunsch nicht nachzugeben und hier und jetzt das zu beenden, was sie, nein, was ER angefangen hatte. Doch eine kleine Stimme in ihm stimmte Schuldig zu, sagte ihm, dass er nicht hier weitermachen sollte. Er knurrte, biss Schuldig leicht in die Lippen. „Steig ein“, flüsterte er lüstern, jedoch ohne Widerspruch zu dulden und ging zum Fahrersitz, ließ sich darauf gleiten. Wortlos startete er den Wagen. Schuldig ging um den Wagen herum auf die Beifahrerseite. Sein Atem ging schnell, sein Blick ruhte für Momente auf Ran, bevor er sich setzte und zum Beifahrerfenster hinaus blickte. Sie waren scharf aufeinander, doch er hatte Ran noch nie derart erlebt. Schuldig sehnte sich nach Rans heißen Körper, nach diesen schlanken Händen, der Haut die ihn verbrennen würde, nach dem Fleisch, welches ihn einnehmen würde… Nur irgendetwas ließ ihn unruhig werden, unsicher. Lag es daran, dass er Ran nicht durchschauen konnte? Fortsetzung folgt… Vielen Dank für’s Lesen. Bis zum nächsten Mal! Coco & Gadreel Diese und unsere anderen Geschichten findet ihr auch unter http://gadreel-coco.livejournal.com Viel Spaß beim Stöbern! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)