Der Glasgarten von Gadreel_Coco ================================================================================ Kapitel 73: Familienidylle -------------------------- ~Familienidylle~ Schuldig wickelte sich eine der dickeren langen Strähnen um die Finger und zwickte Ran in eine Brustwarze. „Ich... mag es, wenn du eifersüchtig bist“, veräußerte er in frivolem Tonfall und schmirgelte seine Wange über die malträtierte Stelle. Danach kuschelte er sich wieder ganz züchtig an. Es waren keine leicht dahin gesagten Worte, er mochte es wirklich wenn Ran eifersüchtig war, denn er brauchte diese Bestätigung. Sicher würde er bald einschlafen… mit Ran in seinen Armen… nackt… Aya lächelte und es schauderte ihn ob der leichten, aber dennoch wirksamen Reizung. „Und ich mag es, wenn du anderen Hintern hinterher steigst“, knurrte Aya spielerisch und biss Schuldig ins Ohrläppchen. „Was?“, keifte der Eigentümer des Ohrläppchens und die zuvor heraufbeschworene Ruhe war dahin, sein Kopf ruckte samt Kapuze in die Höhe, die ihm sofort die Sicht versperrte und die er genervt nach hinten strich. „Was magst du?!“, starrte er Ran entgeistert an, sich halb auf ihn gelegt. „Natürlich mag ich das… denn danach macht es umso mehr Vergnügen, dir zu zeigen, dass Zuhause gegessen wird, mein Lieber.“ Aya lächelte diabolisch und bleckte leicht die Zähne. „Also nur zu… mein Appetit wird dadurch nur größer.“ Aya wusste um die sexuelle Spannung, die zwischen ihnen herrschte und die Luft prickeln ließ, aber er wusste genauso darum, dass es Schuldig noch nicht so gut ging und dass er ruhen musste… ein Zwiespalt. „Aber… du beziehst das jetzt nicht auf den Jungen oder?“ Schuldig legte die Skepsis die er bei Rans Worten empfand durchaus auch in seine Frage. „Und welchen Hintern steige ich hinterher? Wenn ich mich da… noch an Brad Crawford… im Pool erinnere, dem DU hinterher- und nachgeglotzt hast… also…“, fehlte ihm da fast die Sprache, sein Gesicht ein Ausbund völliger Empörtheit. „Ich habe mir meinen Gegner nur genau angesehen… man muss ja wissen, was einen erwartet“, rechtfertigte sich Aya auf den impertinenten Vorwurf, er habe Crawford – CRAWFORD – hinterher gestarrt. Er hatte wirklich nur Vergleiche ziehen wollen. „Und ja, ich beziehe das auf den Jungen, mein Lieber. Ich kenne dich. Der Kellnerin hast du auch schöne Augen gemacht, ihm dann vermutlich auch – während du ihn als Kuscheltier gehortet hast.“ Aya sagte das bierernst, eine Spur zu ernst fast, denn das Lachen, das schon in ihm hochkroch, war beinahe an seinen Lippen zu sehen, die sich kurz kräuselten, dann jedoch wieder eine kritische Welle bildeten. „Sicherlich… deinen Gegner genau angesehen“, blickte Schuldig Ran an mit der Mimik eines Menschen, der dem anderen keinen Handstrich breit glaubte. „Du hast mich früher nie so angesehen und wir waren früher auch… Gegner!“ Er war mal gespannt, wie Ran sich da herausreden wollte. „Und… das mit der Kellnerin zählt nicht, weil das zielte speziell auf dich ab“, lächelte er zuckersüß, auch wenn dieses Lächeln doch noch sehr verpennt aussah. „Und was den Jungen betrifft… ich glaubte wirklich, dass du es warst“, formten sich seine Lippen leicht trotzig nach unten. „Und als du dir bewusst warst, dass er nicht ich ist, hast du natürlich züchtig Abstand gehalten. Nein, ich glaube dir das“, merkte Aya an und nickte gewichtig. „Nun… ich brauchte dich auch nicht so anzusehen, weil du mir nie gefährlich schienst. Ich hätte dich jederzeit aufs Kreuz legen können, wenn ich gewollt hätte!“ Sicherlich… jederzeit, deswegen hatte er es ja auch so oft getan. Aber vielleicht war ja wirklich immer etwas dazwischen gekommen, was Schuldig den Hintern gerettet hatte. Das war vermutlich die Erklärung dafür. Schuldigs Lippen formten sich zu einem unwilligen Strich und seine Stirn furchte sich gewittrig. Er schnaubte und drehte sich von Ran weg auf die andere Seite. „Du bist blöd“, murmelte er, die Kapuze wieder auf sich und sich ins Gesicht ziehend. Er mummelte sich ein. Natürlich war er von dem Jungen abgewichen, nachdem er erkannt hatte, dass es nicht Ran war. Er konnte sich noch genau daran erinnern wie er seinen „Ran“ in den etwas wärmeren Raum mittels seiner eingeschränkten Fähigkeiten bugsiert hatte, damit es ihm besser ging, zumindest was die Unterbringung anging. Als er dann feststellen musste, dass es nicht Ran war… hatte er sich gänzlich anders verhalten. Tröstend ja, helfend, aber doch nicht wie zuvor wie mit dem vermeintlichen Ran. „Aha. Jetzt bin ich blöd und du lässt mich hier liegen… in der Kälte, nackt!“, wetterte Aya und zog an der Decke, die Schuldig bisher für sich beansprucht hatte, bis sie ihn einhüllte. Er konnte nur raten, was zwischen diesem Mann und Schuldig vorgefallen war, auch wenn er wusste, dass es kein Sex gewesen war. Nicht, wenn Schuldig wusste, was Fei Long getan hatte… als wenn er sich irgendjemanden auch sonst aufzwingen würde. Es war wahrscheinlich gut, dass Schuldig für den anderen da gewesen war, ebenso wie es für Schuldig sicherlich Labsal gewesen war, ihn zu haben. Auch wenn er nicht… Aya war. Das beruhigte den rothaarigen Japaner und er lächelte, ziepte Schuldig an den dargebotenen Haaren. „Hee“, maulte Schuldig und setzte sich ruckartig auf, blickte neben sich zu Ran, der nun wieder eingewickelt dalag. Es war wirklich kalt und er hatte Ran mit seiner Schmollphase die Wärme genommen. Seufzend ließ er den Kopf hängen und blickte seitlich zu Ran, als würde er überlegen, was er als nächstes Gemeines anstellen könnte um sich für diese Unterstellung zu rächen. Schlussendlich jedoch legte er sich wieder hin und kuschelte sich an den eingewickelten Mann an. „Einem nackten Mann etwas anzutun wäre unfair“, tat er seinen inneren Entschluss kund und grabschte Ran für sich fest an seinen Körper. Das brachte Aya nun wirklich zum Lachen. Erst leise, dann immer lauter, konnte er sich gar nicht mehr beherrschen, als er seine Stirn auf die Schulter des Telepathen bettete und sich schüttelte vor Lachen und kaum aufrecht erhaltener Selbstbeherrschung. Nichts antun… einem nackten Mann…Aya keuchte und röchelte nach Luft, die ihm bisher versagt geblieben war, lachte weiter. „Der… ist gut… der ist wirklich gut!“, prustete er und hatte Tränen in den Augen. Diesem Treiben zunächst nur zusehend und dann selbst leise lachend, drückte Schuldig Ran einen sanften Kuss auf die Wange, schmiegte sich an ihn und ließ Ran seine Lachsalve. Er würde noch ein Weilchen schlummern, bis Ran fertig war sich über ihn zu amüsieren. Auch wenn es dafür gedacht war…, lächelte er still in sich hinein. Wie schön es doch war dieses Lachen endlich wieder zu hören, dieses seltene… Tatsächlich. Aya brauchte etwas um sich zu beruhigen, doch er war nur umso entspannter, als er sich schließlich die Tränen aus den Augen wischte und Schuldig einen Kuss auf den Haarschopf schmatzte. Nun lagen sie also hier, er mit Decke und Schuldig ohne, dafür aber angezogen… doch trotz allem war Aya selbst kalt, denn es wurde und wurde hier nicht richtig warm… wie auch, wenn sich erst einmal die Räume, die Decken und die Fußböden aufheizen mussten. „Wie wäre es… du schlummerst noch etwas weiter und ich fahre hinunter ins Dorf und besorge uns das Notwendigste?“; unterbreitete er Schuldig seinen ursprünglichen Plan, bevor er nackt im Bett gelandet war, dass, trotz aller japanischen Tradition, das musste er ja zugeben, in der ersten Nacht noch recht unbequem war. Doch das war seine erste Nacht in einem westlichen Bett auch gewesen. Für Schuldig war die Bequemlichkeit momentan eher an etwas niederer Stelle. „Und dann muss ich hier ganz alleine…’rumliegen?“, murmelte Schuldig halb im Schlaf. „Dann… hab ich… ja gar nichts mehr.“ Er gähnte in die Decke hinein. „…von… dir… nackt… so schön…“, faselte er und seufzte leise. Aya lächelte liebevoll. „Keine Sorge, ich fahre eben so wie ich bin ins Dorf und gehe dort einkaufen. Ich will ja schließlich keine Zeit mit dem Anziehen verlieren, damit ich umso schneller bei dir sein kann“, erwiderte er leise. „Soll ich dir die Decke zurechtstutzen, damit du wenigstens sie in den Armen hast?“ „Hmmhmmm“, murmelte Schuldig zustimmend. Er hatte nicht mehr wirklich mitbekommen was Rans Worte genau waren nur, dass es lieb klang. „Und du wirst auch sicherlich ein lieber Schuldig sein und keine Dummheiten anstellen, richtig? Und meine Haare werde wir auch schneiden lassen… nicht wahr?“, fragte Aya in genau der gleichen Tonlage, noch lieber als zuvor. „Bin… lieb… und lieb deine Haare…“, seufzte Schuldig. Das war kein klares Ja… und wenn es sich Aya genau überlegte, dann war es sogar ein Nein… schon wieder ein Nein, auch wenn der andere sich im Halbschlaf dessen wohl kaum bewusst war. Aya grollte innerlich. Aber nun gut. Es gab sicherlich noch andere Gelegenheiten und nun begann sich auch sein schlechtes Gewissen zu regen, das ihn davon abhielt, es noch einmal zu versuchen. Aber nicht nur das… Schuldig war eingeschlafen, das erkannte Aya an den ruhigen, gleichmäßigen Atemzügen, die sich tief aus dem Brustkorb hoben. Für eine Weile genoss Aya noch das friedliche Bild des schlafenden Telepathen, bevor er sich unter dessen Armen hervorschlängelte und diesen bis oben hin in die Decke wickelte… damit er sich auch ja nicht erkältete. Aya selbst wurde jedoch immer noch nicht warm, als er in seine Sachen stieg und sich ausgehfertig machte… zumindest sollte es so aussehen, denn er kam dem Bild eines erfolgreichen Geschäftsmannes nicht annähernd so nahe, wie er es gerne gehabt hätte. Die Türen des Hauses so gut es ging sichernd, machte sich Aya mit einem letzten, sorgenvollen Blick in Richtung Auto auf. Ihm behagte es nicht, Schuldig dort alleine zu lassen, doch was sollte er tun, wenn sie elementare Dinge wie Nahrungsmittel und Kleidung brauchten…? Schnell stieg er die Stufen hinab und zog fröstelnd die Plane von seinem Wagen. Wenn er die Heizung auf voll stellte, hatte er vermutlich das Glück, dass sie im Dorf dann wärmte… und so war es auch. Pünktlich, als er den Wagen am Rande der kleinen Straße parkte und den neugierig schauenden Leuten freundlich zunickte, spürte er einen Hauch von Wärme, der sich nun aber verflüchtigte, als er aus dem Auto stieg. Er hatte einen kleinen Krämerladen gefunden und hoffte, dort das zu finden, was er brauchte… und vor allen Dingen mit seinem Geld auszukommen. Fasziniert stand Aya vor dem alten Gebäude mit seinen kleinen, schiefen Dächern und der verwitterten Holztür, bevor er eintrat und sich nach einem kurzen Moment des Innehaltens seiner japanischen Erziehung erinnerte und sich vor der alten Dame, die nun zu ihm sah, verbeugte. „Einen schönen, guten Tag“, wünschte er ihr. Die Verkäuferin mittleren Alters begrüßte den jungen Mann mit ebensolcher Höflichkeit und lächelte aufmerksam. „Willkommen. Willkommen. Wie kann ich ihnen helfen?“ Ihre Augen drückten höfliches Interesse aus, auch wenn sie im Innern mehr als neugierig war, was ihr bescheidener Laden in diesem abgelegenen Dorf für einen jungen Mann in einem teuren Anzug zu bieten hatte. Vielleicht hatte er sich verfahren… „Ich bräuchte ein paar Dinge, da das Haus, in dem wir dort oben wohnen, noch recht kahl ist, was Lebensmittel und Kleidung angeht… wir sind sehr spontan hierhin gekommen, müssen Sie wissen.“ Aya mochte es schon vorm ersten Moment an, sich der höflichen, eher altertümlichen Sprache zu bedienen, die ihm manchmal so am modernen Tokyo fehlte. Er fühlte sich hier… zuhause, am richtigen Platz quasi. „Aber natürlich, der junge Herr“, nickte die Verkäuferin. „Das alte Nakama Anwesen? Ja?“, nickte sie und ging in den hinteren Teil des Ladens, bedeutete dem jungen Mann ihr zu folgen. Aya streunte ihr hinterher, blieb mit seinem Blick immer wieder hier und da hängen. „Das am Fuße des Berges, etwas außerhalb von hier“, bestätigte Aya. Nakama Anwesen hatte er noch nicht gehört aber es mochte wohl das Gleiche sein. „Wir müssen es uns erst wohnlich gestalten.“ „Das kann ich mir vorstellen. Sehen Sie hier, dort sind die Lebensmittel. Und dort drüben haben wir einige warme Kleidungsstücke. Allerdings nicht in jeder Größe, Sie müssen verzeihen.“ Sie ging zunächst zu den Kleidungsstücken und zu einigen Stoffballen, die in den Regalen lagen. „Sind Sie mit ihrer Familie hier?“, fragte sie wie beiläufig. Sie musste schließlich wissen, für wie viele Personen der junge Herr seinen Einkauf tätigte. Aya entschied sich, zuerst für die Kleidung zu sorgen und sich dann den Lebensmitteln zu widmen. Doch zuerst musste er über die Frage der Frau nachdenken… mit wem war er hier? Mit einem Telepathen, der nun ruhigen Gewissens schlief und den er nicht zu lange alleine lassen wollte. „Ja, mit meiner Familie. Wir haben uns zu einem spontanen Urlaub entschlossen“, bestätigte Aya mit einem ehrlichen Lächeln und nickte. Er suchte sich durch die Reihen der Yukatas, Kimonos und warmen Mäntel, nahm schließlich für jeden von ihnen drei Yukatas mit und für sich noch einen Mantel, dazu passende Schuhe und ganz wichtig Socken. Dicke Wollsocken! Er legte seine Beute auf den hölzernen Tresen und griff nach einem der Einkaufskörbe. „Ich werde sie Ihnen verpacken“, nickte sie und lächelte. Scheinbar war dieser Urlaub sehr spontan ausgefallen, wenn sie nicht einmal Socken hatten. Fast schon besorgt blickte sie zu dem jungen Mann. „Das Nakama Anwesen steht schon ein paar Jahre lang leer“, plauderte sie und begann, die Yukatas zu falten und sie Stück für Stück sorgsam mit dünnem Zwischenpapier zu verpacken. „Als der alte Nakama starb… da zog der älteste Sohn mit seiner Familie in die Stadt. Seither steht das Haus leer, sicher schon zehn Jahre. Es ist zu weit ab vom Schuss, dort wollte keiner hin. Nicht mal die Städter, die auf dem Land die Ruhe suchen“, lachte sie gutmütig. „Werden Sie länger bleiben?“ Während Aya verschiedene Lebensmittel einsammelte, Frisches, wie auch Konserven, drehte er sich zwischendurch immer wieder zu der Frau um. Sie war neugierig, das war nicht zu übersehen, doch Aya wusste auch, dass er nicht noch mehr Aufmerksamkeit erregen sollte, als er es jetzt schon tat in seinem Aufzug. „Ich denke schon, wir wissen es noch nicht genau, aber wir wollen uns hier erst einmal vertraut machen“, lächelte er. „Ich finde es schön, dass es so…weit ab ist“, gestand er schließlich ein. „Es ist ruhig und entspannend dort.“ „Ja, das ist es“, bestätigte die Frau. „So ist es… erst wollen alle in die Stadt und dann suchen sie die Ruhe auf dem Land“, seufzte sie fast schon wehmütig. Sorgfältig packte sie die Socken und Schuhe ein. „In dem Haus ist es doch sicher kalt oder? Brauchen Sie Decken, oder haben Sie sich bereits etwas eingerichtet? Zu dieser Jahreszeit… es dauert noch, bis es richtig Frühling wird.“ „Wem sagen Sie das?“, fragte Aya und schauderte an die bloße Erinnerung der Kälte dort oben, während er die Lebensmittel zu den Kleidungsstücken stellte. „Ich habe das Gefühl, gar nicht richtig warm zu werden. Hätten Sie denn so etwas wie eine dicke Decke?“ Die Frau arrangierte alles und packte die Lebensmittel in Tüten, sobald abgewogen oder abgezählt war. „Ah… warten Sie, da habe ich noch etwas… vielleicht hilft das!“ Sie ging in den hinteren Bereich, der einen kleinen Knick machte und holte sich einen Schemel heran um an eines der oberen Regale zu kommen. Dort zog sie eine Heizdecke hervor und besah sie sich genau. „Hier, sehen Sie“, brachte sie ihr Fundstück zu dem jungen Mann. „Ich gebe sie Ihnen für die Hälfte, sie ist nicht mehr auf dem neuesten Stand, aber gehen müsste sie. Und wenn nicht, dann bringen Sie sie wieder zu mir. Ich könnte auch im nächsten Ort anrufen und für Sie eine ordern. Die Lieferung müsste dann morgen hier sein…“, fragte sie nach. Aya maß diesen kostbaren Schatz mit leuchtenden Augen und nickte. „Ich danke Ihnen für Ihre Hilfe! Hauptsache, sie wärmt und ich bin überzeugt, das wird sie“, lächelte er und in diesem Moment kam der Junge heraus, der schon als kleines Kind vor der Ladentheke gestanden und über eben diese gelinst hatte, weil es dort süße Früchte gab. „Wie viel bekommen sie denn von mir?“, fragte er uns besah sich den Berg an Kleidung, notwendigen Haushaltsdingen und Nahrungsmitteln. Es müsste reichen, hatte er grob überschlagen. Hoffentlich. Denn Geld konnten sie so schnell nicht bekommen… nicht, wenn sie keine Spur in dieses Dorf legen wollten. Er maß die Frau vor sich. Wie alt mochte sie wohl sein? Fünfzig… älter? Er konnte es schlecht einschätzen, denn auch wenn sie wenig Falten trug, so sagte ihm unverkennbar doch etwas, dass sie nicht mehr jung war. Vielleicht waren es ihre wissenden, jedoch neugierigen, dunklen Augen? Die Bezahlung war schnell abgewickelt und die Frau verpackte alles in Tüten, gab unbemerkt in eine der Tüten noch eine Süßigkeit aus Schokolade und eine aus Grünteekeksen hinein, für die Kinder, wie sie beschloss. Der Mann schien in dem Alter, um Familie zu haben, auch wenn seine Augen eine Alterslosigkeit widerspiegelten, oder als hätten sie schon zuviel gesehen. Aber bei den Städtern wusste man nie, beschloss sie und schloss die Tüte etwas, bevor sie sie übergab. „Das alte Nakama Anwesen hat sicher noch eine Feuerstelle oder einen Kamin, der alte Meister Todai hat ihn, soweit ich mich erinnern kann vor einigen Jahren dort eingebaut. Wenn Sie Feuerholz benötigen, dann kann Ihnen sicher der frühere Hausverwalter weiterhelfen. Er hat auf das leere Anwesen geachtet bis es verkauft wurde. In alten Tagen war die Nakama Familie wichtig für dieses Dorf, als wir noch mehr hier waren… aber nun…“, sie lächelte wehmütig. „Aber… das sind alte Zeiten, genug davon“, wischte sie es weg und kam hinter der Theke hervor, die Hände in den Schoß gefaltet, um für weitere Wünsche des jungen Kunden zu Diensten zu sein. Aya griff sich auch die zweite Tüte und nickte lächelnd. Ja… alte Zeiten waren immer etwas Gutes zum Schwelgen, insofern man sich nicht in ihnen verlor. Er überdachte die Möglichkeit des Feuerholzes, denn der Kamin stand sauber, aber eingerostet im Wohnzimmer. Sie müssten ihn wieder in Gang bekommen. Ebenso wie die Feuerstelle im Nebenzimmer, die eine angenehme Wärme im ganzen Haus verbreiten würde. Herrlich…wirklich herrlich. Vermutlich war der Kamin eine Neuanschaffung der Vorbesitzer gewesen, denn in den alten Herrenhäusern genügt alleine die Feuerstelle. Nicht, dass Aya sich beschwerte! „Wo finde ich denn den Hausverwalter? Es wird meine Familie sicherlich freuen, wenn es warm wird oben. Und meine Ohren auch, unter uns“, zwinkerte er. „Dann hört das Gequengel auf, wenn Sie verstehen“, sprang er bewusst auf den Zug der Frau auf. Seine Gedanken glitten zu Schuldig, dem Quengler, und kamen bei einem anderen Problem zum Stehen. Er brauchte Medikamente um dessen Rücken adäquat behandeln zu können… oder wahlweise Kräuter, denn Aya bezweifelte, dass es hier eine gut ausgestattete Apotheke wie in Tokyo gab. „Und sagen Sie… haben Sie hier jemanden, der Medikamente oder Salben verkauft?“ „Todai wohnt etwas außerhalb. Er ist heute aber in die Stadt gefahren. Wenn Sie morgen noch einmal vorbei kommen möchten, oder heute Abend? Ich sage ihm dann Bescheid, falls Sie es wünschen. Er könnte Ihnen dann gleich etwas bereit machen. Außer Sie wollen mit ihm selbst sprechen?“, ließ sie diese Möglichkeit offen. Die Städter wollten diese Dinge oft selbst regeln. Wo es doch so viel einfacher ging. „Und Medikamente bekommen Sie in der kleinen Apotheke zwei Straßen weiter. Sie fahren da vorne links und dann geradeaus, bis Sie zu einem kleinen Schrein kommen, dann biegen Sie rechts ab und fahren die Straße bis zum Ende, es ist eine Sackgasse. An dessen Ende sehen Sie schon das Schild. Sie können es nicht verfehlen.“ „Ich danke Ihnen für Ihre Hilfe!“, erwiderte Aya mit einem freundlichen Lächeln und überlegte einen Moment lang. „Wissen Sie… ich bräuchte etwas um Schnittwunden zu versorgen. Wir haben an dem Haus gearbeitet und dann war da plötzlich eine Metallplatte mit scharfen Kanten im Weg. Eigentlich nichts Wildes, es soll nur nicht schlimmer werden. Wir Städter sind manchmal in manchen Dingen etwas ungeschickt.“ Aya hatte beschlossen, zumindest was das Aussehen der Verletzungen betraf, ehrlich zu sein und der Frau eine Erklärung dafür zu liefern, denn Wunden oder Medikamente waren das Erste, was misstrauisch machte und das wollte er nicht. Nicht hier. Nicht jetzt. „Ich würde gerne morgen noch einmal vorbeikommen wegen dem Holz, bestätigte er schließlich und raffte die beiden Tüten für einen sicheren Halt auf seine Hüften. Fehlte nur noch die Kleidung, die er wohl extra hochbringen musste. Die Frau ging vor und nickte verständnisvoll, öffnete dem jungen Mann die Tür. „Aber natürlich, kommen Sie nur. Und ich denke, dass Ihnen in der Apotheke gut weitergeholfen werden kann.“ Aya nickte und lud die ersten beiden Tüten in den Kofferraum, danach folgte die wärmende Kleidung. Schließlich verbeugte er sich höflich vor der älteren Dame. „Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag und vielen Dank noch einmal für Ihre Hilfe.“ Ein letztes Lächeln und er stieg in den Wagen, folgte der ihm genannten Wegbeschreibung hinein in die Sackgasse. Er stieg aus und betrat den kleinen, noch urigeren Laden. Vielleicht hatte er mit den Heilkräutern nicht falsch gelegen… Hatte er nicht, doch trotz allem stand in den Regalen, die der Tür am nächsten standen eine modern ausgestattete Auswahl an gängigen und meistgebrauchten Arzneien. „Ich komme gleich!“, rief die alte Frau aus dem hinteren Wohnbereich, denn die Apotheke bildete nur den vorderen Abschnitt des Hauses. Eine Art Arbeitsraum schloss sich daran und dann kam im oberen Stockwerk ihr Wohnraum. Die Zigarette noch im faltigen Mundwinkel, glimmte der würzige mit Kräutern gedrehte Stengel vor sich hin, als die kleine Frau durch den Durchgang kam. „Kazou, bist du das?“, fragte sie ungehalten und blickte jetzt erst auf. „Oh…junger Herr, ich habe Sie wohl verwechselt. Willkommen. Kann ich Ihnen helfen?“ „Ja… ja, das wäre nett von Ihnen“, erwiderte Aya und versteckte sorgfältig das aufkommende Lächeln über die liebevolle Zerstreuung der Frau, die noch älter schien als ihr Vorgängerin. Er verbeugte sich höflich und beförderte seine Haare wieder auf den Rücken, die nach vorne gefallen waren. Noch ein Grund, sie loszuwerden. Sie waren lästig, wenn man sich verbeugte um anderen Respekt zu erweisen. „Ich suche eine Salbe gegen Schnittwunden… und eine, die die Haut elastisch hält, wenn Sie so etwas da hätten. Und Schmerztabletten“, fügte er mit einem Blick zur Seite hinzu. Die alte Base kaute kurz abschätzend auf der Zigarette herum, den jungen Mann musternd, bevor sie sich nickend leicht abwandte. „Ja… ja… ich verstehe… junger Herr. Was für Schmerzen? Wo sind die Schmerzen?“ Was für eine gewiefte Alte, dachte sich Aya, als er den Blick sah. „Die Schmerzen rühren von zwei, drei Schnitten. Ich bin mit meiner Familie neu in das Haus dort oben am Berg eingezogen und wir haben daran gearbeitet… nur leider kam uns eine Metallplatte mit scharfen Enden in die Quere“, erzählte er ihr das Gleiche wie auch schon der anderen Frau. „Ah… jaja“, nickte sie und winkte mit der Hand ab. „Ihre Frau… ja?“, nickte sie wieder, scheinbar alles verstehend und schmunzelte, ging bereits nach hinten. „Ja… ja… ich weiß… eine gute Mischung habe ich da… heilt die frischen Wunden… aber nicht alte…“ Sie warf einen kleinen, gleichzeitig fragenden als auch wissenden Blick zurück zu dem jungen Mann. Dann blickte sie wieder zu den Regalen und zog an einer Schublade. „… alte Wunden… heilt das hier…“, murmelte sie und winkte kurz. „Einen Moment… ich mische Ihnen etwas Besseres als dieses Neumodische…“ „Ich wäre ihnen sehr verbunden dafür“, rief Aya ihr hinterher und furchte die Stirn. Wieso hatte er das Gefühl, dass die Alte ihn durchschaute und wusste, dass es nicht so harmlos war? Aber das war sicherlich nur ein Zufall und nichts, worüber er sich Sorgen machen müsste. Das Letzte, was sie jetzt gebrauchen konnte, war jemand, der dahinter kam, was geschehen war und wer sie waren. Summend kramte die Frau an ihrer dicken niedrigen Arbeitsplatte herum, zerstob Kräuter und mischte die Paste an. Es dauerte etwas, bis sie fertig war und in drei große Kunststoffdosen die Arzneien brachte. Sie waren per Hand beschriftet, mit kleinen blauen Etiketten. Die Zigarette hatte sie nicht mehr im Mund als sie wieder nach vorne kam. „Die hier“, sie stellte eine auf den Tresen. „…die hier ist für die frischen Wunden… die für alte… schlecht heilende Wunden… und die hier ist für die verschorften Wunden, zum Ablösen des Schorfs… und um die neue Haut zu schützen. Zarte Frauenhaut braucht behutsame Pflege“, geckerte die Alte leise und holte noch zwei Packungen Mullbinden hervor. „Hier… das Wetter soll schlechter werden, nehmen Sie sie lieber mehr mit… sonst müssen Sie bald wieder kommen. Und denken Sie daran, falls es doch nicht besser wird… der Arzt ist hier etwas weiter weg, mit solchen Wunden… ist nicht zu spaßen“, bläute sie ihm ein und sah ihn ernst aus den kleinen Augen an. „Rost und Schmutz in Wunden… die ins Blut gehen… da ist schon mancher dran gestorben“, nickte sie. „Und Schmerzmittel… ist dort oben… rechts an der Tür… das kennen Sie sicher… ist gut bei allen Schmerzen, für Knochen taugt es nix“, wertete sie es ab und schnaubte. „Wenn es schlechter wird, werden wir natürlich sofort zum Arzt fahren“, erwiderte Aya ernst und meinte es auch so, wie er es sagte. Doch nicht zu einem hier in der Gegend, sondern nach Tokyo zurück und dann zum Schwarzschen Hausarzt, insofern es so etwas denn gab. Er nahm das besagte Schmerzmittel aus dem Regal und fügte es noch zu den Döschen hinzu. Er kannte es, das hatten sie auch oft ausprobiert, vielmehr die anderen und er nur, wenn er dazu gezwungen wurde. „Ich werde zusehen, dass ich diese zarte Haut so zart wie zuvor gesund pflege“, lächelte er um den Anschein von Normalität und Harmlosigkeit zu erwecken. „Das will ich hoffen“, schnarrte die Frau und nickte grimmig. „Und das hier…“, sie ging wieder nach hinten und kam nach einer Weile mit einem zwei Hand großen Stoffsäckchen zurück. „…ins Badewasser hinein… das hilft und desinfiziert, aber nicht zu lange im Wasser bleiben, nur zwanzig Minuten! Und wenn’s nur der Arm ist, dann nur den Arm in das Bad legen, ja?“ „Nur den Arm!“, nickte Aya vorsichtig. Diese Frau war… wie er sich eine alte, japanische Oma eigentlich nicht vorstellte. Omas waren lieb, nett, etwas tüddelig, aber nicht so offensichtlich berechnend und gewieft wie diese hier… „Wie viel bekommen Sie dafür, werte Dame?“, versuchte er auf ein anderes Thema umzulenken und möglichst schnell zu Schuldig zurück zu kommen… zu seiner Frau mit seinen Kindern… alles in einer Person. Stimmt ja auch, grinste eine innere Stimme leise vor sich hin. Mit der Hand eine Rechnung schreibend, reichte sie diese dem jungen Herrn, nannte den Betrag und packte alles in zwei Papiertüten ein. Die Binden und die losen Kräuter kamen extra. Aya bezahlte die Ware und bedankte sich artig bei der Frau. Er nahm die Tüten an sich und verbeugte sich zum Abschied. „Ich werde Ihnen dann berichten, wie gut es verheilt ist“, sagte er und verließ den Laden, nun wirklich froh, wieder draußen zu sein. So wenig, wie sich die Menschen in Tokyo für ihre direkten Nachbarn interessierten, so sehr konnte man hier ins Zentrum des Interesses rücken. Daran musste er sich erst einmal wieder gewöhnen. Erleichtert stieg er in den Wagen und fuhr die Strecke wieder zurück, parkte schließlich seinen Wagen. Es dunkelte schon etwas, als er die Plane über das Weiß des Porsches ausbreitete und die erste Ladung an Tüten hervorkramte. Zwei schwere Tüten beladen mit allem, was er dort für notwenig erachtet hatte… Lebensmittel, frisches Obst, Tee, Kaffee, Gemüse, Kerzen für das Haus… alles, was sie für das erste Überleben so brauchten. Resignierend die Stufe emporschauend machte er sich auf den Weg und schaffte die erste Fuhre nach oben, überzeugte sich jedoch erst davon, dass es Schuldig gut ging… dass dieser noch in aller Seelenruhe schlief und leise den Schlaf des Gerechten schnarchte. Sehr schön… sehr beruhigend, sagte Aya sich, als er den Lichtschalter in der Küche betätigte und feststellte, dass das zumindest funktionierte… die Lampen waren angeschlossen. Ächzend hievte er seine Taschen auf die Anrichte und ging ein weiteres Mal nach unten. Wenn ihn das nicht trainierte, sollte er das jeden Morgen machen, dann wusste er es auch nicht… was jedoch außer Frage stand, denn sie würden kämpfen üben, wenn es Schuldig besser ging. Sie mussten schließlich beide in Form bleiben. Nur schade, dass er sein Katana nicht dabei hatte. Ein zweites Mal erklomm Aya deutlich unter der Last seiner Arme gebeugt die Stufen und schleppte sich mit letzter Energie ins Haus und zog die Tür hinter sich zu. So. Schwer atmend legte er die Kleidungsstücke im Wohnzimmer ab und kam dann zurück in die Küche… machte sich daran, die mitgebrachte Beute zu verstauen. Das Rumoren weckte Schuldig nun doch und er streckte sich leicht und mit Vorsicht, als er das erste Ziehen auf seiner Rückfront bemerkte. Es war dunkel im Raum, nur durch die geschlossenen Läden spitzte die Abenddämmerung durch die Bäume. Er stand auf und betätigte die Fenster, schob sie beiseite und ließ frische Abendluft herein. Hier draußen war es kälter, resümierte er am Fenster und seufzte. Nur mit den dünnen Socken bekleidet verließ er das Schlafgemach und stromerte dem Licht entgegen, welches… ah in der Küche brannte. Aya hörte es schon leise schlurfen noch bevor er Schuldig ansichtig wurde und den völlig zerpflückten und zerzausten Telepathen mit einem Lächeln begrüßte. „Hey Tiger, wieder wach?“, fragte er und schob gerade die letzte Konservendose in den Vorratsschrank. Vor ihm hatte sich das frische Gemüse und Fleisch getürmt, das er bald herrichten wollte, damit Schuldig auch was zwischen die Zähne bekam. „Und wie!“, lächelte Schuldig noch verschlafen aber schon breiter als die Tage zuvor. Er wischte sich die Haare nach hinten und fröstelte dann doch etwas, rieb sich über die Arme, als er näher kam und sich von hinten an Ran schmiegte. „Hmm, was gibt’s denn Feines? Du warst richtig shoppen? So fleißig...“, lobte Schuldig und schnupperte an Rans Nacken einen feuchten Kuss platzierend und dazu noch frech grinsend. „So fleißig, wie du dich ausgeruht hast“, erwiderte Aya und schnappte pflichtschuldig nach dem Ohrläppchen, bevor er sich an den anderen kuschelte. „Du siehst schon etwas besser aus… wenn aber auch noch verbesserungswürdig!“, murmelte er sanft. „Deswegen wird es nachher all diese leckeren Dinge zum Abendessen geben, die hier liegen und du wirst alles schön aufessen, auf dass du wieder groß und stark wirst.“ „Ich bin größer und stärker als du… das reicht mir völlig“, zwickte Schuldig Ran in die empfindlichen Seiten. „Aber… ich bin noch etwas zerknautscht und noch nicht völlig der attraktive junge Mann, der ich einmal war“, seufzte er schwer geplagt auf. „Richtig. Und bis es soweit ist, stehst du unter Welpenschutz, mein Lieber“, grinste Aya noch etwas Salz in die Wunde streuend. Welpe war nur manchmal der richtige Begriff für Schuldig und ganz sicher nicht das, was Schuldig hören wollte, doch manchmal waren eben drastische Maßnahmen notwendig. „Vielleicht solltest du ein angenehm warmes Bad nehmen, was hältst du davon?“ Über dieses verniedlichende Wort nuschelnd und seinen Unmut mit erneutem Kitzeln kundtuend sah Schuldig dann doch auf und verzog den Mund überlegend. „Alleine?“, wurden seine Augen groß und fragend und vor allem rund und fast ängstlich. Welpe? Welpenschutz? Noch ja! Aber nicht mehr lange… Konnte er diesen großen, bittenden, furchterfüllten Augen etwas abschlagen? Nein… nicht wirklich, das wusste Aya, das hatte er schon immer gewusst. So auch jetzt nicht. „Zu zweit?“, lächelte er. „Aber sicher!“, entrüstete sich Schuldig beinahe schon über diese Fragestellung. Natürlich zu zweit, welch überflüssige Frage! „Erst essen und dann mit vollem Bauch in das Badebecken?“, war Schuldig bereits Feuer und Flamme für diese Idee. „Klingt sehr gut“, nickte Aya und stupste den Telepathen mit seiner Nase an. „Und je eher wir zum Essen kommen, desto eher können wir uns auch in unsere Yukatas kuscheln, die ich uns mitgebracht habe.“ Nachdem er Schuldigs Rücken sorgfältig versorgt hatte, doch das erwähnte Aya nicht. Das würde nur zum Aufbegehren des Telepathen führen. Jetzt noch nicht… „Gut“, schwärmte Schuldig und löste sich etwas. „Ich sehe mal nach dem Baderäumen. Hast du schon gesehen? Wir haben sogar ein richtiges Badehäuschen hier.“ „Alles traditionell“, bestätigte Aya mit nach oben gekräuselten Lippen, die von Glück sprachen. „Während du nachsiehst, koche ich etwas für uns, in Ordnung? Aber überanstreng dich nicht!“ „Mit was?“, brummte Schuldig und fühlte sich zu sehr bemuttert, aber er ließ es Ran. Sie hatten viel aufzuholen. „Vielleicht mit Wasser schöpfen?“, spöttelte er liebevoll und trollte sich murmelnd. „Haben doch ne Leitung hier…“ Er ging und inspizierte die sanitären Anlagen. Zwar nicht auf dem neuesten, aber auf einem guten Stand. Sein Weg führte ihn ins Badehaus und er begann damit die Rohre freizuspülen und das Rechteckige Badebecken zu reinigen. Er fühlte sich während der Arbeit gut und vor allem… sicher… seit langem wieder sicher an einem Ort. Auch wenn sie eine Leitung hatten, so war sich Aya fast sicher, dass Schuldig es trotzdem übertreiben würde. Aber gut, er konnte sich ja nachher um die Wunden kümmern und da würde der andere Mann ihm nicht entkommen, das wusste Aya jetzt schon. Leise summend und hin und wieder fröstelnd machte er sich daran, das Gemüse und das Fleisch zuzubereiten und alles schließlich in eine große Pfanne zu geben. Frei nach gut Dünken schmeckte er es ab und kochte ihnen Reis mit dazu. Einfach, leicht, nahrhaft und lecker, befand er und warf einen Blick in die Tüte, die er noch nicht ganz ausgeräumt hatte. Er hatte eigentlich eingelegte, süße Früchte zum Nachtisch geholt, doch nun fielen ihm Schokolade und Grünteekekse in die Hände und er runzelte die Stirn. Hatte er das aus Versehen mitgehen lassen? Nein… und gekauft hatte er es auch nicht, wie… Ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus und Aya wurde sich bewusst, dass er in weniger als vier Stunden öfter gelächelt hatte wie die vergangenen Wochen zusammengenommen. Eine kleine Aufmerksamkeit für sie. Aya zog eine kleine Schüssel aus dem Schrank und verteilte die Süßigkeiten auf den Teller, stellte ihn mit dem anderen Essen auf den Tisch. „Fertig, Herr Bademeister? Können wir essen?“, rief er in Richtung Badehaus. Doch selbiger hörte bis auf das Rauschen des Wassers gar nichts. Er hatte alles vorbereitet, nur …Handtücher fehlten. So ging er missmutig in die Küche zurück. Das Essen verbreitete einen wunderbaren Duft und sein Magen knurrte hungrig. „Wir haben keine Handtücher, keine großen“, stellte er fest. Daran habe ich nicht gedacht… damals.“ „Das macht nichts, da lassen wir uns etwas einfallen“, wiegelte Aya ab. „Baden können wir morgen immer noch, dann müssen wir uns jetzt eben hiermit begnügen…“ Er ging ins Wohnzimmer und kehrte mit der funktionierenden Heizdecke wieder. Sie war zwar älter, das stimmte, aber sie funktionierte wunderbar! Triumphierend hielt er seine Beute hoch und gab sie Schuldig, damit er ihnen Essen aufgeben konnte… Schuldig die doppelte Portion natürlich. Schuldig besah sich die Packung und legte sie schlussendlich halb geöffnet zur Seite. „Guter Sammler!“, lobte er ernst und lächelte in sich hinein, was aber sogleich abperlte, als er die ungleiche Essensverteilung sah. „Hee, warum ich so viel und du so wenig?“ „Jäger bitte, wenn wir schon dabei sind“, hob Aya seine Augenbraue und wanderte mit seinem Blick Schuldigs Richtung nach zu seinem Teller. „Schuldig… auf meinem Teller ist viel. Auf deinem aber extra viel, weil du essen musst. Das sieht nur so ungerecht aus! Aber sieh her…“ Brav gab sich Aya noch einen Löffel auf den Teller. „Zufrieden?“ „Hmm“, noch nicht ganz, wie es nach dem missmutigen Blick aussah und dem heben der Augenbrauen. „Noch einen drauf“, wollte Schuldig und wartete bis Ran das tat. Aya sah dem weniger zuversichtlich entgegen, nahm aber noch einen gut gefüllten Löffel und lud ihn sich auf den ächzenden Teller. Da ihm das aber nun unfair erschien, bekam Schuldig gleich noch mal einen mit darauf. „So… dann lass es dir schmecken!“, lächelte er und schnappte sich seine Stäbchen. Damit musste er sich wohl zufrieden geben, resümierte Schuldig und nahm ebenso seine Stäbchen auf und holte sich aus der größeren Schüssel Reis in sein Schälchen. „Ja, du auch, Blumenkind“, lächelte Schuldig und nahm den ersten Bissen. „Hmm, lecker. Warst du in dem nächsten Dorf?“ „War ich“ sagte Aya, nachdem er die ersten Bissen mit einem Mordshunger vertilgt hatte. Er hatte bisher nichts gegessen gehabt, doch erst jetzt fiel ihm auf, dass sein Magen wirklich danach dürstete, etwas zu tun zu bekommen. „Die Leute sind sehr nett, wenn auch sehr neugierig. Die Verkäuferin in dem Lebensmittelladen hat gefragt, ob ich mit meiner Familie hier bin und ich habe ja gesagt.“ Sein Blick kam sanft auf Schuldig stehen, voller Zuneigung. Was Schuldig mit einem warmen Blick aber einer spitzen Zunge quittierte. Auch ein Zeichen, dass es ihm langsam besser ging. „Und was bin ich dann… deine kleine Ehefrau?“, brummte er und schmollte fast schon wieder. Er konnte es sich schon vorstellen, wie alle dachten, dass Ran mit seiner kleinen japanischen Frau hier oben war und die kleinen Kinderchen bald kommen würden. „…und die Kinder in einer Person, jawohl“, setzte Aya noch einen darauf und aß ungeachtet Schuldigs Meckerei weiter. Er vermutete, dass die Bewohner das wirklich dachten, bis auf diese Alte aus der Apotheke… und wenn sie Schuldig dann sahen, würde er selbst vermutlich ruckzuck auf den Platz der Frau rutschen… er hatte weniger breite Schultern, seine Haare waren länger, Schuldig war Ausländer. Alles Kriterien für das, was er nicht war. „Kinder? Was…?“ Schuldig ließ die Stäbchen sinken. „Was willst du damit sagen? Dass ich kindisch bin?“, beugte er sich leicht vor und nahm Ran genauer in Augenschein, der sehr harmlos auf der anderen Seite des Tisches tat. „Was hast du denen noch erzählt?“ „Ich habe ihnen gar nichts erzählt“, sagte Aya und sah noch harmloser in Schuldigs Augen. „Ich habe nur gesagt, dass ich mit meiner Familie hier bin, nichts weiter. Alles andere haben sie selbst erschlossen.“ Seine Gedanken schweiften zu den wohl versteckten Kräutern im Schrank. Ja, eines hatte er ihnen noch erzählt. „Kindisch? Nein. Aber dein Kind im Manne ist sehr ausgeprägt.“ Er lächelte. Sehr harmlos. „Ra~an…“, drohte Schuldig und seine Augen verengten sich dezent. „Dafür werde ich dich übers Knie legen… du hast denen sicher viele schlimme unwahre Dinge erzählt und schon allein, dass du ihre Annahme nicht korrigiert hast…“, tadelte er und maß das helle Antlitz vor sich abschätzend, als müsse er prüfen, welche Strafe er anwenden würde. „Dir macht das auch noch Spaß mich als Frau zu verkaufen. Das sehe ich doch ganz genau in deinen strahlenden Augen und dem kleinen delikaten Kräuseln um die Mundwinkel“, wedelte er mit den Stäbchen um auf eben diese Mundwinkel zu deuten. „Stimmt ja gar nicht! Ich war nur gezwungen, ihnen nicht zuviel zu verraten. Oder hätte ich sagen sollen, dass ich da einen deutschen Telepathen habe, der momentan selig schläft, aber irgendwann wieder aufwachen wird? Und wenn ich ‚wir’ sage und sie daraus Familie schließen…“ Die violetten Augen funkelten herrisch. „Du mich über das Knie legen? Eher habe ich dich soweit, das kannst du mir glauben. Wie war das… Kind im Manne?“ „Das mit dem Kind im Manne hast du von dir gegeben und ich erinnere mich noch ganz genau an die Matchboxkiste und deine funkelnden, glitzrigen Augen. Und jetzt erzähl mir du noch einmal was von Kind im Manne…!“, ereiferte er sich und aß neben zu. „Wir werden ja sehen …ob ich dich nicht doch übers Knie lege, Herr Fujimiya!“, lächelte Schuldig versprechend. „Dem kann ich nur zustimmen, Schuldig-san… wir werden sehen!“, hielt Aya dagegen und pickte sich ein Fleischstückchen heraus. „Außerdem brauchen wir nicht darüber zu diskutieren, wer hier bei den anderweitigen Spielzeugen, die du in deiner Wohnung hast, glitzernde Augen bekommt. Oder wer damals auf meinem Arm Spinnenbeine gespielt hat, wer mich kitzelt…“ „Das sind nur ausgeklügelte Foltertaktiken… und nach den Quietsch- und Wimmerlauten zu urteilen, durchaus erfolgreiche.“ Schuldig stockte plötzlich, sein Gesicht wurde schlagartig ernst und er starrte Ran wie vom Blitz getroffen an. „Gott… wir haben was vergessen!“ „Was?“, fragte Aya misstrauisch, noch halb im Spaß hängend, aber schon auf dem Weg in die Ernsthaftigkeit. „Na Alkohol! Wir haben hier nichts, null! Noch nicht einmal guten alten Sake“, meinte er betrübt und starrte in sein Essen hinein, ganz die zusammengesunkene Gestalt. „Dabei hätten wir heute feiern können. Unseren Wohnungs-…nein Hauseinstand…und das Bett ist auch noch nicht richtig eingeweiht“, meinte er betrübt. „Das hab ich mir alles anders vorgestellt…“, murmelte er und sein Gesicht verdüsterte sich grüblerisch. Er hätte sich heute gerne etwas betrunken, einfach so… das hatte er schon lange nicht mehr… seit damals nicht mehr… seit Ran… seit Rans Schwester gestorben war. Aya lächelte stumm und widmete sich geschäftig seinem Essen. Keinen guten, alten Sake? Das wüsste er aber… natürlich hatte er eine Flasche mitgenommen, er hatte schließlich schier nicht an dem Getränk vorbeigehen können. Zwar nicht unbedingt für heute Abend gedacht, aber wenn Schuldig es unbedingt wollte. Vielleicht wurde ihnen ja wärmer davon… apropos… „Die Frau vom Laden meinte, ich solle morgen noch einmal wiederkommen um mit dem ehemaligen Hausverwalter über Feuerholz zu verhandeln… was hältst du davon?“, fragte er auf ein anderes Thema umschwenkend. Ah und da ging Schuldig doch gleich wieder das Herz auf. „Klingt gut. Hier draußen wird’s denke ich noch ein Weilchen dauern, bis es wärmer wird. Obwohl die Häuser mit gutem Holz gebaut sind und gut isolieren. Sie halten die Wärme an kälteren Tagen drinnen. Mit dem Holz kann man bestimmt auch das Badehaus heizen“, griente Schuldig und malte sich schon einen Plan aus wie er das ganze angehen wollte. „Mal sehen, müsste eigentlich so angelegt sein.“ Er sah Ran schon mit geröteten Wangen im Wasser sitzen, schön geschmeidig und willig, weich wie Butter in seinen Armen, schwelgte er mit einem träumerischen Lächeln. Dass Schuldig nicht nur wegen der besseren Wärmeverteilung aussah wie eine große, zufriedene Katze, wusste Aya und er konnte auch in ungefähr erahnen, was dahinter stehen mochte. Doch er sagte dazu nichts… oh ja, wenn es nach ihm ginge, würden sie SEHR bald Sex haben. Sehr bald. „Bis dahin haben wir ja die elektrische Bettdecke, die uns wärmt!“, erwiderte er und beendete seine Mahlzeit mit dem letzten Stäbchen voller Gemüse. Satt… er war bis oben hin satt. „Komm iss noch etwas, da ist noch ein kleiner Rest… der verdirbt sonst wenn wir ihn nicht essen“, wollte Schuldig Ran zum weiteren Essen animieren und war selbst aber schon bis oben hin voll. Auch wenn er noch etwas über hatte. Das musste noch rein… „Wie breit ist das Teil eigentlich? Ist es ne große oder so ne Ein-Mann-Decke?“ „Eine große Ein-Mann-Decke“, lächelte Aya vielsagend und teilte das Übriggebliebene sorgfältig in zwei Hälften, gab Schuldig die eine, sich die andere Hälfte auf den Teller. Schuldig hatte Recht, verderben sollte das Essen nun nicht! Auch wenn er kämpfen musste… wirklich kämpfen. „Aber wenn wir ausnahmsweise eng zusammenrücken, dann dürfte das gehen.“ „Hmm… aber nicht grabschen…“, murmelte Schuldig und blickte kurz mit einem unternehmungslustigen Glimmen in dem eher nüchternen Gesichtsausdruck auf. „Ich versuche mich zu beherrschen, aber versprechen kann ich nichts“, erwiderte Aya bierernst mit ebenso ernstem Gesichtsausdruck. „Eigentlich hatte ich immer angenommen, Abyssinians Selbstbeherrschung wäre legendär“, lächelte Schuldig zuvorkommend, als säßen sie bei einem Gläschen Wein am Kamin, wie zwei gute alte Freunde aus Kindertagen. Wenn nur nicht dieses… skeptische, wissende und durchtriebene Lächeln gewesen wäre, das um seine Mundwinkel spielte. „Manchmal versagt eben auch diese legendäre Selbstbeherrschung, mein lieber Mastermind“, lächelte Aya dunkel und in ihm keimte ein weiteres Mal der Wunsch auf, den anderen Mann unter sich zu bringen… den dominanten Part zu übernehmen, auch wenn es das letzte Mal ordentlich schief gegangen war. „Aber wir können es gerne austesten.“ „Will der überragende Abyssinian damit andeuten, dass mein Körper unwiderstehlich ist, wenn selbst seine legendäre Selbstbeherrschung versagt?“, stichelte und flirtete Schuldig auf Teufel… oder Abyssinian komm raus… Mal sehen… er hatte schon Lust Ran aufzuheizen. Wäre doch gelacht, wenn er das nicht hinkriegen würde! Genau genommen heizte Aya schon auf kleiner Flamme, immer darauf bedacht, das Lächeln nicht allzu lasziv werden zu lassen. „So ist es… und wenn der große Mastermind so weitermacht, findet er sich schneller als gedacht bäuchlings auf diesem Tisch wieder“, bot Aya höflich dagegen. Schuldig lächelte, doch sein Blick zeigte deutlich wie wenig überzeugt er von Rans Theorie war. Schon allein ein Blick von Ran auf seinen Rücken und dessen Lust würde im Nu zu einer kleinen mageren Mitleidspfütze zusammenschrumpfen. Ran… mochte ihn dazu zu sehr, nicht wahr? Er konnte nicht sehen wie Schuldig litt oder sich daran erinnern wie er vielleicht gelitten haben mochte… Schuldigs Lächeln wurde wärmer und verlor die unterschwellig sexuelle Note. „Dann werde ich wohl meinen Mund halten müssen, bevor du ihn mir mit etwas wirksamem verschließt, hmm?“ „Das wäre auch eine Variante“, ließ sich Aya von dem anders gefärbten Lächeln einlullen und beruhigen. „Aber ich würde dann doch das Bad vorziehen, das wir nehmen werden, bevor ich dir mit einer speziellen Kräutermischung zuleibe rücke.“ Er konnte ihn jetzt schon hören, den Protest… „Aber wir haben keine Handtücher, also fällt Baden vorerst flach. Nur das kleine für die Hände. Und… mischung? Zum Trinken? Sake, vielleicht?“, griente Schuldig. Dieses warme Gefühl im Bauch wäre jetzt wirklich wundervoll. Stimmt… die Handtücher fehlten. Nun gut, würden sie sich eben nur waschen. Morgen… morgen… „Für deinen Rücken, Schuldig. Es sind Heilkräuter“, sagte er sanft lächelnd. Das Lächeln war verdächtig, beschloss Schuldig, seine Stäbchen gerade beiseite legend. Er konnte beim Besten willen nichts mehr essen. „Das ist nicht nötig, ich brauch nur Ruhe und das hab ich doch hier“, sagte er fest und beobachtete sich gerade nach der Heizdecke umwendend aus dem Augenwinkel Rans… Lächeln, welches einen Tick zu sanft und zu beschwichtigend war. Es sagte soviel wie: du hast keine Wahl. Du wirst dich fügen… oder du wirst gefügt werden. Wie eine Suggestion, ein Versprechen. Eine nette Drohung. „Die haben wir hier, das stimmt“, bestätigte Aya und er reichte über den Tisch zu Schuldig, umfasste dessen Hand. „Aber damit heilen sie besser ab, als sie es jetzt tun, glaube mir.“ Natürlich konnte er nun argumentieren, dass sie in den Tagen, wo Schuldig schon wieder hier war, vermutlich noch keinen Deut besser geworden waren, doch was brachte das außer Streit? „Und da du an die Stellen nicht so gut herankommst, bietet es sich an, dass ich das für dich mache.“ Auf Schuldigs Gesicht zeichneten sich einige Gefühlsregungen ab, die von Trotz, über Trotz zu Sturheit und Scham überwechselten. Ran würde schon wieder diesen ganzen Mist sehen müssen und Schuldig wollte das nicht. Er fühlte sich so scheiße damit. Er war es einfach nicht gewohnt, dass sich jemand um Wunden an seinem Körper kümmerte. „Du hast doch auch nie jemanden an dich ran gelassen wenn du ein paar blaue Flecke oder sonst was abbekommen hattest. Ich erinnere mich da an eine Sache mit Masafumi, den irren Typen… der hat dir schließlich auch zugesetzt damals… und da bist du auch nicht zu deinem Team gerannt… oder?“ Gut… die Argumentation hinkte, aber dennoch war es ähnlich! Die Argumentation hinkte gewaltig… sehr sogar. „Wenn ich dich daran erinnern darf: du hast mich gepflegt und gehegt, als ich von den Männern zusammengeschlagen wurde, von Youji musste ich mich zumindest die ersten Minuten pflegen lassen, als IHR mich zusammengeschlagen habt, warte… was war da noch….“ Aya verstummte scheinbar überlegend, doch seine Augen glommen dunkeln. Eigentlich war er NIE ungeschoren davongekommen, als es darum ging, ihn zu versorgen. Am Anfang vielleicht, als er sich noch von dem Team abgespalten hatte und unerreichbar für sie war, doch später… „Takatori Masafumi…“, sinnierte er schließlich. „Wärest du zu deinem Team gerannt, wenn du überall Nesselspuren von diesen Tentakeln am Körper gehabt hättest?“ Schuldig kämpfte sichtlich mit sich und seiner Niederlage. Bis er sich schließlich abwandte und die Hände aufgebend in den Schoß legte. „Gut, du hast gewonnen“, murrte er. Es hatte bestimmt gebrannt wie die Hölle… die Nesselspuren, mal ganz davon abgesehen, dass Masafumi einen cerebralen Totalschaden hoch zehn hatte. Schuldig mochte das einfach nicht… dass man sich um ihn kümmerte… es belastete ihn, da er damit nicht umgehen konnte. Auf die ruppige befehlende Art wie Brad… ja gut, aber liebevoll und sanft wie Ran? Das ließ ihn fast zerfließen und machte ihn schwach. Es zeigte ihm, was er vermisste und was er früher nie bekommen hatte - und auch nie gewollte hatte, so wie er es sich immer vorgesagt hatte als Kind und später dann als Jungendlicher. Aya verbuchte diese grummelige Zustimmung als Erfolg, zeigte es aber nicht, sondern strich Schuldig sanft über die Hand, bevor er seine wieder zurückzog. „Wie wäre es, wir räumen die Küche auf und waschen uns dann, ziehen uns die Schlafkimonos über und kuscheln uns ins Wohnzimmer oder Schlafzimmer, mit der elektrischen Heizdecke und einem guten Glas Sake?“ Oder zwei oder drei oder vier Gläsern? Schuldig würde definitiv mehr als ein Glas trinken, wenn er Rans Blicke auf sich wusste und auf diesen verdammten Wunden. Aber da… fiel ihm etwas auf… „Du hast Sake mitgebracht?“, leuchtete sein Gesicht freudig und er erhob sich, drückte Ran einen harschen Kuss auf die Lippen. Hmm und wie das nach mehr schmeckte. Aya musste sich nun doch abstützen, als er halb über den Tisch gezogen wurde für den dankbaren Kuss. Er lächelte und strich über die noch unrasierte, stoppelige Wange des Telepathen… das Schmirgelpapier könnte man auch sagen. „Habe ich… und den gibt es als Belohnung nachher.“ Bei dem Wort Belohnung kam Schuldig eine Idee wie er seinen Kopf oder wahlweise Luxuskörper noch aus der Schlinge ziehen könnte. Er räumte den Tisch mittels eines Tabletts ab und seine Gedanken überschlugen sich förmlich vor Kreativität. So würde es mit Sicherheit klappen! Neugierig besah er sich Rans Einkäufe in einem der Schränke, die eigentlich für das noch nicht vorhandene Geschirr gedacht waren. Hier hatten sie nur eine kleine Notausstattung. „Kerzen? Gute Idee… wir könnten sie nachher anfackeln… sehr ‚romanterisch’, hmm?“, fragte er das Wort ‚romantisch’ gekonnt verunstaltend. Er wandte sich zu Ran um und wackelte auffordernd mit den Augenbrauen. „Das auf jeden Fall“, bestätigte Aya und machte sich daran, das dreckige Geschirr zu spülen und abzutrocknen. Es war nicht viel und er würde im Nu fertig sein, also genügend Zeit um sich nun gänzlich Schuldig zu widmen. „Wie wäre es, wenn wir sie nach dem Waschen anzünden?“ „Soll ich dir hier noch helfen, oder soll ich schon mal vorgehen?“, grabschte sich Schuldig wieder die Heizdecke, werkelte schon an der Verpackung herum. Sie mussten noch testen ob das Ding überhaupt funktionierte. „Geh ruhig schon mal vor.“ Aya werkelte an der Spüle herum und fragte sich, woher Schuldigs plötzlicher Tatendrang kam, der ihm etwas komisch vorkam, für den er aber keine Begründung hatte. Nun gut… er würde es bald herausfinden. „Mach dich schon einmal fertig, ich komme dann nach.“ Zunächst ging Schuldig ins Schlafzimmer und schloss das Fenster, welches er noch offen gelassen hatte. Zu dumm, es war schweinekalt im Raum. Fröstelnd packte er die Heizdecke aus und steckte sie an. Wie gut, dass es hier unten auf diesem Eiland nicht ganz so kalt wurde wie beispielsweise in seiner Heimat um diese Jahreszeit. Die Heizdecke schien zu funktionieren wie er nach einigem testen feststellte. Er drapierte alles zu ihrem Lager zusammen. Danach ging er wieder in die Küche und holte sich einige der dicken Kerzen und Glasuntersetzer… die mussten reichen für das Wachs. „Wo sind eigentlich die Yukatas?“, lugte er nachdem er die Kerzen positioniert hatte in die Küche. Er hatte vor sich zu waschen und sich frisch anzuziehen. Ihm war schon wieder kalt. „Im Wohnzimmer“, erwiderte Aya und trocknete den letzten Topf ab, stellte ihn in den Schrank. Er drehte sich zu Schuldig um und kam zu ihm, hauchte ihm einen Kuss auf die Lippen. „Du siehst aus, als könntest du etwas Wärme gebrauchen“, murmelte er. „Wärme von mir!“ Nicht, dass ihm bedeutend kälter oder wärmer war als Schuldig selbst… denn er fror ebenso und freute sich auf die beheizte Decke. „Ist die Decke denn warm?“ „Ja, läuft wie am Schnürchen!“ Schuldig ging ins Wohnzimmer mit diesen Worten. Und wie er sich Wärme von seinem Blumenkind holen würde… Er besah sich den kleinen sorgsam gefalteten Stapel und nahm sich einen dunkelblauen Yukata heraus, samt dicker Socken und Pantoffel, in die er sogleich schlüpfte um zum Badezimmer zu gehen. Dort zog er sich aus, es war nicht mehr ganz so kalt in dem Raum, dennoch richtig warm wurde er heute scheinbar nicht. Er wusch sich sorgsam, vermisste einen großen Spiegel in dem Haus und musste sich damit begnügen, einige der Stellen mittels unangenehmer Verrenkungen zu inspizieren. Etwas besorgt sah er sich den neuen Yukata an. Er würde ihn einsauen, wenn er ihn so auf die Wunden anzog. Seine Hose und sein Shirt waren bereits mit seriösen Flecken übersät. Fertig mit waschen besah er sich das mittlerweile nasse kleine Handtuch. Das zweite hing noch am Waschbecken, da es für Ran gedacht war. Aya nahm sich ebenso einen neuen, dicken Yukata und die hochgelobten, dicken Socken, die ihm Wärme versprachen. Er ging in Richtung Schlafzimmer, blieb aber an der Einmündung zum Badezimmer stehen. „Sag Bescheid, wenn du dich fertig gewaschen hast, dann hole ich die Kräuterpaste“, rief er Schuldig zu und wartete auf Antwort, die – so konnte er sich schon fast denken – ausweichend oder negativ ausfallen würde. „Ich bin fertig… aber… ich denke im Liegen wäre es besser oder?“, sprachen aus Schuldig echte Zweifel, wie Ran das hier im Bad bewerkstelligen wollte. Er zog den Yukata nur locker drüber und ging ins Schlafzimmer. Die Socken in der Hand, setzte er sich auf die Liegstatt. „Das ist besser, das stimmt.“ Aya nickte und legte seinen Kleidungsstapel neben dem Futon ab und ging wieder zurück in die Küche um dort die Kräutermischung und die Verbände zu holen. „Wenn ich also bitten dürfte, Schuldig-san“, schlug er den strengen Ton ihres Hausarztes an, der Weiß hin und wieder einige derbe Verletzungen versorgt hatte… „Machen Sie sich frei und begeben Sie sich in die Bauchlage.“ „Und du? Das ist doch völlig… ungut… zieh dich auch um“, blockte Schuldig ab. Er war hier allein in der traditionellen Klamotte und… „Ich hätte dich gern bei mir, auch so… und dass wir dann gleich hier kuscheln und du nicht gleich wieder aufspringst danach. Wir können doch alles fertig machen. Den Sake wärmen und herstellen, dass wir danach nicht mehr ausm Bett müssen!“, schlug er vor und wagte einen vorsichtigen Blick in das strenge Antlitz über sich. Ja, Aya wurde schwach… was konnte er diesen verführerischen grünen Augen schon abschlagen? Er seufzte tief. Genau das hier. „Ich muss nachher so oder so noch einmal ins Bad um mir die Hände zu waschen… und den Sake mache ich warm, während die Kräuter einwirken und ich mich schnell wasche… das kann ich alles nachher machen und dann kuscheln wir in aller Ruhe ohne Störungen.“ „Das ist ungemütlich. Ach Ran… ich will dich doch bei mir haben“, zog Schuldig Ran an sich, der noch stand, schmiegte seine Wange an dessen Hüfte, die noch mit der Anzughose bekleidet war. „Bitte…“, sah er hoch auf dem Futon sitzend. Er fand es blöd… wenn Ran hier durch die Gegend sprang und der Moment doch so viel intimer war und schöner, wenn Ran sich gleich zu ihm legte danach. Jetzt wurde das mit dem Widerstehen schon etwas schwieriger, befand Aya und wagte einen Blick in die Augen, die ihn so aufmerksamkeitsheischend ansahen. Schuldig wusste, welche Fäden er bei ihm zu ziehen hatte… er wusste es nur zu gut. „Na gut. Dann werde ich jetzt den Sake aufsetzen, mich waschen und umziehen und dann zu dir zurückkommen. Genehmigt?“ Ein wirklich frohes Lächeln antwortete ihm und Schuldig entließ Ran wieder. „Genehmigt!“ „Ich kümmere mich in der Zwischenzeit um die Kerzen.“ Die Heizdecke wärmte bereits schön, wie er an seinem Rücken fand, da er an sie etwas lehnte. Er freute sich auf den Abend, trotz der kleinen unangenehmen Zwischeneinlage, die ihm vielleicht noch bevorstehen mochte. Sie waren zusammen, mitten im Nirgendwo und die Stille, die hier draußen herrschte, hätte er mit niemand anderem außer Ran teilen wollen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)