Der Glasgarten von Gadreel_Coco ================================================================================ Kapitel 75: Frieden ------------------- ~ Frieden ~ In der Zwischenzeit erprobte Schuldig seine telepathischen Fähigkeiten an dem alten Mann. Allerdings kam er nicht sehr weit in dessen Gedanken, lediglich ein paar lose Bruchstücke konnte er greifen, was ihn erneut frustrierte. So saß er schließlich missmutig da und war zudem noch ungeduldig. Was laberte Ran auch so lange mit dem alten Kauz! Sich Schuldigs Ungeduld bewusst, nickte Aya ergeben. „Ja, wir sind nicht verheiratet. Aber es ist meine Familie“, sagte er und zuckte entschuldigend mit den Schultern. Es schien, als müsse er sich rechtfertigen, dass er nicht nach den alten Traditionen und Bräuchen lebte. Doch Todai schüttelte nur mit dem Kopf. „Ihr Städter seid komisch… ein Leben voller Hektik, nicht mehr heiraten…“, schmunzelte er und trank seinen Tee leer. „Aber das Glück, das ist das Wichtigste. Hauptsache, man ist hier drinnen glücklich. Mit wem, das spielt letzten Endes keines Rolle, ob Frau oder Freundin.“ Er fuhr sich nachdenklich über die Seite des Brustkorbs, unter dem sein Herz schlug, und sah ein weiteres Mal nach draußen. „Das Leben lernen… das ist wichtig.“ Er nickte langsam, auch wenn Aya sich keinen richtigen Reim auf diese Worte machen konnte. Doch… aus dem Kontext gegriffen hatte der Mann durchaus Recht. Auch er hatte das Leben lernen müssen. Was dauerte denn da solange? Hielten die beiden ein gemütliches Pläuschchen während er hier den grausamen Kältetod starb? Schuldig erhob sich vom Bett und begann auf und ab zu tigern. Er hatte Hunger, hier war es kalt und er wollte endlich zu seinem Ran! Verdammt, war das gemein, grollte er innerlich. „Aber ich rede dummes Zeug… sollte zurück ins Dorf“, sprach Todai die für Schuldig erlösenden Worte und erhob sich, noch bevor Aya die Möglichkeit hatte, dagegen zu protestieren. „Ich begleite Sie noch mit nach unten…ich muss noch die Handtücher aus dem Wagen holen“, gab sich Aya schließlich geschlagen und hörte im Hintergrund das verdächtige Geräusch nackter Füße auf dem Holzboden. Da wurde wohl jemand ungeduldig… Aya hoffte, dass Todai-san eben dieses Tapsen nicht vernommen hatte, als er ihn aus dem Haus begleitete und mit ihm nach unten ging. Dort vor dem Lastwagen stehen blieb. „Ich kann Ihnen nicht sagen, wie dankbar ich Ihnen bin, dass sie mir Holz verkauft haben“, verbeugte sich Aya voller ehrlicher Dankbarkeit. „Immer gerne wieder, Junge. Sag einfach dem jungen, alten Mädchen im Laden Bescheid und ich komme noch einmal.“ Aya lächelte und nickte und sah zu, wie sich der Mann in seinen Wagen schwang und schließlich davonfuhr. Während Todai davonfuhr, machte sich Aya daran, die Handtücher aus dem Kofferraum zu nehmen. Erst, als er den Wagen schon gar nicht mehr hören konnte, legte er die Plane drüber und kämpfte sich ein weiteres Mal mit den Handtüchern nach oben, schloss die Tür hinter sich. Und wurde sogleich von Schuldig stürmisch empfangen, samt der Tüte, die Ran noch im Arm hatte. „Gut gemacht, Geheimagent Red!“, grinste Schuldig und knutschte seinen Ran schmatzend auf die Lippen. „War er sehr misstrauisch?“, wollte er sogleich wissen, Neugierde sprach aus den blauengrünen Augen. „Ich denke nicht, auch wenn sich der große Agent Kullerpfirsich zum Ende hin beinahe verraten hätte“, grimmte er spielerisch böse. „Wenn du schon ungeduldig wirst, dann bitte etwas leiser! Oder hättest du ihm gerne jetzt schon erklärt, wer du bist, hmm?“, tadelte er kopfschüttelnd und schmatzte Schuldig nun seinerseits einen leidenschaftlichen Kuss auf die Lippen. „Am Besten war noch die Frage nach dem Ehering…“ Schuldigs Gesicht verzog sich angeekelt. „Ehe… was?“ Er gab Ran frei und ging wieder in die Küche. „Und was hast du ihm erzählt?“ Er war neugierig, wie Ran sich da herausgeredet hatte, nach seiner Familien- und Kinderlüge. Schuldig grinste hinterhältig, als er daran dachte, wie Ran wohl geschwitzt hatte bei dieser Frage. „Ganz einfach, ich habe ihm gesagt, ich wäre nicht verheiratet, dass ich aber dennoch eine Familie hätte. Woraufhin Todai-san meinte, dass das wohl der Lebensweg der modernen Städter wäre“, sagte Aya in den nun leeren Flur und grollte. Die Handtücher durfte er also auch noch alleine schleppen. Gut… gut… Schuldig hatte Schonfrist, NOCH. Aber nicht mehr lange. „Und es gab Gerüchte, dass ein Ausländer das Haus hier gekauft hat“, sagte er, während er ins Bad ging und dort die Handtücher deponierte. Mit das einzig Moderne hier war die Waschmaschine und in die stopfte er zumindest den Großteil der Wäsche, bevor er sie anschaltete. Zwei Tücher hingen hier für den Notgebrauch, alle anderen würden in den nächsten Tagen trocken sein. Doch da sie jetzt den Kamin und das dazu gehörige Feuerholz hatten, würde das Trocknen schneller gehen, viel schneller. Er kam wieder in die Küche und schnupperte dem verführerischen Duft entgegen. Unterdessen hatte Schuldig das Essen aus dem Ofen geholt und inspizierte es. Es war noch nicht ganz zusammengefallen, aber sie sollten es bald essen, sonst garantierte er für nichts. „Und brav Hände gewaschen?“ Schuldig wandte sich den Hängeschränken zu, nahm Geschirr heraus und deckte den Tisch. Er lächelte Ran an, der bereits zum Essen spitzte. „Du hast dich also geschickt aus der Affäre gezogen?“ Aya schnaubte und ließ sich auf seine Knie nieder. Ganz der Macho, der er war, ließ er Schuldig das Essen auftragen… dieses Mal aber alleinig aus dem Grund, dass er seine Arme nicht mehr wirklich heben konnte. Er war zu lange aus dem Training und die zwei Wochen hatten ihr Übriges getan, dass er sich langsam erst an das tägliche Konditionstraining gewöhnen musste, das nun folgen würde. „Was hätte ich denn machen sollen? Zuvorkommend die Tür zum Schlafzimmer öffnen und euch einander vorstellen? Du willst dich noch nicht zu erkennen geben, vergiss das nicht“, grimmte er und stützte sein Kinn auf die rechte Hand, schloss die Augen. „Ja, mein Kirschchen“, säuselte Schuldig und trug Ran sein Essen auf, küsste ihn herzig auf die Stirn. „Hast du toll gemacht!“ Er hoffte, dass er nicht zu dick auftrug, aber irgendwie drängte ihn geradezu etwas, Ran zu ärgern. Ihn aufzustacheln. Der Abend war lang, sehr lang, hier oben und… sie konnten es sich jetzt schön warm machen und Sake war auch noch da… und das Badewasser… und überhaupt. Schuldig begab sich selbst an den Tisch und lächelte hintergründig. Fast wie die Katze aus Alice im Wunderland. Nichts und doch alles sagend. „Guten Hunger!“ „Na dir auch…“…Möhrchen, lag Aya auf der Zunge, doch er verkniff es sich. Der große, böse Deutsche sollte sich nicht darüber echauffieren, sondern essen, auch wenn Aya nicht entgangen war, dass er hier gereizt wurde. „Das nächste Mal bist du derjenige, der die Wahrheit sagen wird, ich sage es dir!“, drohte er spielerisch, bevor er die Stäbchen in das Essen tauchte und eine Ladung voll nahm, langsam kaute und dann übertrieben schwer schluckte. „Also ich finde, das Gemüse hätte ruhig etwas knackiger sein können“, fachsimpelte er schließlich, spielte ihr altes Spiel. Schuldig, der Koch, Aya, der Kritiker… das hatten sie schon einmal gehabt. „So… hätte es?“ Schuldig hob spielerisch spöttisch die Brauen. „Wenn Mr. Macho früher zuhause gewesen wäre und die Holzscheite schneller hier herauf befördert und diesen alten Mann nicht noch eingeladen hätte, dann wäre das Gemüse jetzt… knack-ig!“, betonte er das letzte Wort abgehackt. Brav spielte er die keifende Ehefrau, wenn auch widerwillig. „Aber du kannst morgen gerne kochen“, bot er an. Er meckerte wenigstens nicht am Essen herum, grummelte er innerlich. Selbst das hatte er vermisst… dieses missmutige Brummen, diese aufsässigen, grünen Augen, die es gar nicht vertragen konnten, kritisiert zu werden und das auch noch zu Unrecht. Ja, selbst dafür war Aya nun dankbar, weil er Zeuge dessen werden durfte. Ein liebevolles Lächeln hatte sich auf seine Lippen gestohlen, als er Schuldig beobachtete und sich schließlich wieder seinem Essen widmete. Crawford und er hatten über Schuldig und seine Eigenarten gesprochen, darüber, wie sehr der Telepath sie manchmal auf die Palme treiben konnte… Erinnerung an alte Zeiten war es zu dem Augenblick gewesen, doch jetzt war es Realität. Eine zweite Chance… „Wir können auch gerne zusammenkochen“, schmunzelte er. Die Art wie Ran die Worte ausgesprochen hatte, ließ Schuldig aufhorchen und er sah kauend von seinem Essen auf. Das Schmunzeln, was Ran ihm entgegenbrachte, passte zum erfreuten Blick, doch trotzdem lag etwas Trauriges in Rans Augen. Schuldig schluckte seinen Bissen hinunter. „Was ist los?“, legte er den Kopf leicht schief, wie um zu sagen, dass er spürte, dass da etwas im Busch war. Lange Zeit herrschte Schweigen zwischen ihnen, bis Aya sortiert hatte, wie er es am besten formulierte. „Ich freue mich, dass du lebst“, lautete schließlich die Antwort und Aya ließ seine Stäbchen sinken, sah Schuldig offen in die Augen. Ich freue mich, dass du lebst und bin traurig über all das, was geschehen ist, lautete die volle Antwort, doch das musste er Schuldig nicht sagen… garantiert nicht. Was auch nicht nötig war. „Oh“, meinte Schuldig wenig geistreich, dafür aber ergriffen. Das war also die traurige Aura um das Lächeln gewesen, was Schuldig erfasst hatte. Er ließ seine Stäbchen ebenfalls sinken und damit seine Mundwinkel auch gleich. „Es macht nichts mehr… es ist Vergangenheit“, sagte Aya und seine Hand stahl sich zu der des Telepathen. Ja, das war es in der Tat, doch etwas, das er nie vergessen würde. Diese zwei Wochen hatten sich in seine Gedanken, in seine Erinnerungen gebrannt und ihm ein Stück seiner Ruhe genommen. Er hatte Angst, Schuldig auf einem erneuten Auftrag nun wirklich zu verlieren… ohne dass er hätte etwas tun können. Sie verschränkten ihre Finger ineinander und hielten sich fest, drückten sie zur Bestätigung ihres Hier seins, ihrer beider Existenz und in ihren Gefühlen zueinander. „Wir haben ziemlich zu tun …mit unserer Vergangenheit, nicht?“, lächelte Schuldig schmerzlich mit einem Anflug von Ironie. Ein tiefes Einatmen löste den inneren Druck auf seiner Brust, der ihm zeigte, dass er noch nicht wirklich gefestigt in sich selbst und auf der Höhe war. Viel zu anfällig für alles momentan. „Was hältst du davon, wenn ich abspüle und wir danach ein Bad nehmen?“ Er wollte das Thema wechseln, hatte genug von dieser Angst, dieser Sehnsucht und der Last von Vergangenem, das seine Klauen immer noch nach ihnen ausstreckte. „Was hältst du davon, wenn ICH das übernehme und du machst dich schon mal entspannungsfertig?“, fragte Aya dagegen und hob eine Augenbraue. Ähnlich wie Schuldig auch fühlte er, dass sie es langsam angehen mussten…ganz langsam. „Wir hatten schon vorher viel mit unserer Vergangenheit zu tun gehabt, also werden wir das hier auch noch schaffen.“ Es lag Überzeugung in Ayas Stimme, Überzeugung, die er auch in sich trug, denn er war gewillt, für ihren Frieden zu kämpfen. Schuldig begann wieder zu essen und verzog das Gesicht verstimmt. „Bevor ich mich entspannungsfertig machen kann, muss noch eingeheizt werden, das Wasser eingelassen und das Bad beheizt werden. Und diese Verbände jucken, ich muss die Dinger da abziehen!“ Einige der Kompressen waren in der Nacht schon stiften gegangen und der Rest war zwar noch drauf, doch er hatte morgens bei der Körperpflege nur einige inspizieren können. „Ich helfe dir dabei“, war Ayas automatische Antwort, da er sich die Wunden noch ansehen wollte, bevor sie ins Wasser stiegen. Vielleicht waren sie ja wirklich besser geworden, zumindest hoffte Aya das für Schuldig. „Wie wäre es, wenn du nach dem Essen eine Runde im Garten machst und Frischluft zu dir nimmst, während ich uns alles soweit herrichte? Klingt doch gut, oder? Finde ich auch!“ Er lachte leise und pickte sich das letzte Stück Fleisch von seinem Teller. „Nach draußen?“, rief Schuldig entsetzt aus. „Da raus? Da is es kalt. Ich hab schon frische Luft geschnappt, als ich auf dich gewartet habe!“, behauptete er nicht zu unrecht und aß genüsslich weiter. Ließ sich gar nicht aus der Ruhe bringen, schon gar nicht von solch komischen, Rantypischen Ideen. „Wir können das doch zusammen machen, Ran“, sagte er dann etwas ernster und lächelte Ran aufmunternd zu. „Das können wir… nachdem ich hier alles hergerichtet habe“, stimmte dieser zu und nickte bedächtig. „Aber du brauchst frische Luft. Ich möchte wetten, dass du in der letzten Zeit nicht viel davon gesehen hast.“ Aya gestikulierte mit seinen benutzten Stäbchen, bevor er sie in die Schüssel legte und sah Schuldig streng in die Augen. „Zu wenig, möchte ich sagen.“ Als ob er da viel anders wäre… nur er hatte den Vorteil, dass er das Holz hatte schleppen dürfen. Schuldig gab sich geschlagen. „Also gu~ut“, sagte er gedehnt und verdrehte theatralisch die Augen. „Aber wie soll ich mit diesen „Zierverbänden“, die ohnehin bei jeder Bewegung abfallen Spaziergänge machen? Hmm? Hmm?“ „Wir kleben sie einfach neu fest, was hältst du davon?“, fragte Aya und war zumindest für sich begeistert von der Idee. Dann konnte er sich um den Rücken des Telepathen kümmern und gleich nachsehen, ob die Verletzungen schon mit ihrem Heilungsprozess begonnen hatten. Danach konnten sie dann schön baden. „Eine Runde durch den Garten, wie wäre es? Ich führe dich auch an der Hand, wenn du willst“, neckte er den anderen Mann. Die Salbe war ohnehin schon eingezogen oder getrocknet und musste entfernt werden, murrte Schuldig in Gedanken, während er zu Ende aß. „Wie wäre es, wenn du mir die Teile komplett abzupfst und ich das langärmlige, blaue, hübsche, erotische„lange Unterwäsche Ensemble“ anziehe? Dann kann ich das mit Salbe einsauen ohne dass den Klamotten was passiert und nach dem Bad kannst du mir alles wieder draufpappen.“ Na, das war ja mal mit Begeisterung vorgetragen, wie er fand. Mit vollendeter Begeisterung, also gar nicht…befand Aya dagegen und musste wirklich schmunzeln. Doch es führt kein Weg daran vorbei, er würde Schuldig versorgen. „Gut, dann machen wir es so“, stimmte er zu und ließ das Wasser in die Spüle. „Die lange Unterwäsche hält übrigens wunderbar warm.“ Das war Aya wichtig für Schuldig…dass der andere Mann sich wohl fühlte. Dass ihm warm war. Irgendetwas Undefinierbares knurrend hob Schuldig ihr gemeinsames Essen auf und stellte das Geschirr zusammen, bevor er sich erhob. Ran hatte also wieder seinen Willen bekommen, auch wenn Schuldig vorher schon abgewehrt hatte. Er hatte das Schmunzeln ganz genau gesehen, dieses „Ich habe gewonnen und es ist nur das Beste für dich“-Schmunzeln. Während er Spülwasser einließ, malte er sich aus, wie er Ran das nächste Mal am besten überlisten würde. Genau dieses Schmunzeln weitete sich nun zu einem Lächeln aus, als Aya sich von Schuldig wegdrehte und Pläne schmiedete, wie er den anderen Mann ins Bad locken konnte. Wie er ihm die Wunden versorgte, damit es Schuldig schließlich besser ging. „Der Garten ist wunderschön“, sagte er völlig aus dem Kontext gegriffen. „Aber er fordert viel Arbeit, wenn der Winter vorbei ist.“ Dass er am Liebsten selbst die Arbeit übernehmen würde, sagte er nicht, denn das ging nicht. Schließlich hatte er einen Job… und was würden Gabriele und Yuki sagen, wenn er jetzt kündigte? Nein… ausgeschlossen. Schuldig strahlte über das ganze Gesicht über diesen unerwarteten Satz. „Ja, fand ich auch. Ich musste an dich denken, als ich ihn gesehen habe und da war der Kauf schon so gut wie erledigt. Wir können ja öfter zusammen herkommen, oder du lässt jemanden dir den Garten machen, wäre doch nicht schlecht, anderen bei der Arbeit zuzusehen…“ Schuldig grinste, weil er schon wusste, dass Ran vermutlich eher nicht so dachte. Und ob Aya nicht so dachte. „Ich würde ihn lieber selbst machen, ich weiß nur nicht, ob ich Urlaub bekomme und wann… ich habe in einer Bar angefangen, während du weg warst. Als Barkeeper sozusagen. Die Leute sind nett und es ist ein guter Job.“ Es war ein Job gewesen um ihn am Leben zu erhalten, ihn nicht aufgeben zu lassen, wie Aya im Nachhinein erkannte. Er war unter Leuten, übernahm Verantwortung und vergaß sein eigenes Selbst; was hätte ihm in diesem Moment besseres passieren können? Bereits das Geschirr abgespült, wandte sich Schuldig nun mit dem Trockentuch und einem Teller um, mildes Erstaunen aber vor allem Stolz in seinem Blick. Stolz auf seinen Ran, der sich nicht hatte unterkriegen lassen. Und ein wenig Beschämung, dass er Angst davor gehabt hatte, dass Ran sich etwas antun hätte können. „Hört sich gut an“, lächelte er. „Du bist deinem Traum einen Schritt näher gekommen.“ War es vielleicht so, dass er Ran sogar gebremst hatte? Dass er sich viel schneller entwickeln würde, wenn Schuldig nicht da wäre? „Crawford ist meinem Traum etwas näher gekommen, er hat mir diesen Job besorgt“, erwiderte Aya und sprach damit unbewusst auf die Angst des Telepathen an… widersprach ihr. „Ich habe den ganzen Tag nur im Bett gelegen oder auf der Couch gesessen, bis er mit dem Vorschlag gekommen ist.“ Aya zuckte mit den Schultern. Er sagte nicht, dass er es Crawford überlassen hatte, sein Leben für ihn zu leben, weil er innerlich schon längst aufgegeben hatte…nein. Davon sagte er kein Wort. Schuldig musste daran denken, dass er Brad auferlegt hatte, für Ran zu sorgen. Zumindest hatte Ran ihm das erzählt. Er selbst wusste nichts mehr davon, sein verschrobenes Gehirn musste es wohl von der Festplatte gelöscht haben. Vermutlich erzählte Ran ihm nicht die ausgeschmückte, reale Version sondern eher die abgespeckte, damit er nicht noch im Nachhinein in schlechte Stimmung verfallen konnte. „Ihr nehmt euch nicht viel im Umsorgen, wenn’s drauf ankommt“, grinste Schuldig in sich hinein. „Willst du damit etwa andeuten, wir würden uns ähneln?“, fragte Aya und stierte Schuldig in die erfreuten, grünen Augen. Seine Stimme war lauernd, fast schon berechnend. Nagi hatte mal etwas Ähnliches gesagt, doch er konnte nichts finden, das sowohl Crawford als auch er innehatten. Oder wollte er nichts finden? Nein. Es gab nichts. Nicht das Geringste. Das Geschirr verräumend drehte Schuldig nur verstohlen lächelnd das Gesicht Ran zu. „Ja, ihr ähnelt euch, mehr als dir lieb ist.“ So, jetzt hatte er es Ran aber gegeben! Und wie! „Was erdreistest du dich zu sagen?“, empörte sich eben dieser und kam Schuldig nach, kesselte ihn am Geschirrschrank ein. „Du wagst es wirklich, einfach so zu behaupten, wir beide wären uns ähnlich, obwohl es dafür keine Anhaltspunkt gibt?“, grimmte er. „Oh, es gibt da so einiges Anhaltspunkte.“ Uh, jetzt fuhr Ran aber schwere Geschütze auf… wie er an sich spürte. „Zum Beispiel im strategischen Denken, oder das erwähnte ‚sich kümmern’…“ „Das kann man aber nicht in einen Topf werfen!“, behauptete Aya und unterzog Schuldig einer genauen Musterung. „Das pflegen wir jeweils zwei vollkommen unterschiedliche Handlungsweisen und Ansichten. Da ist nichts homogen! Rein gar nichts!“ „Und was ist mit eurer Vorliebe für Rothaarige?“, spielte Schuldig fies lächelnd – aber gut getarnt – seinen Joker aus. „Vorliebe für Rothaarige?“, fragte Aya stirnrunzelnd nach und maß Schuldig nachdenklich - scheinbar. „Also so weit ich mich erinnern kann, war Youji blond“, nickte er und sein Lächeln war teuflisch. Schuldig meinte, ihn austricksen zu können? Das konnte ER auch. „So, war er das? Nun, ich meine mich auch erinnern zu können, dass deine Gefühle für Yohji nicht die gleich intensiven waren – sind – wie für mich“, hob Schuldig eine Braue. Also war da doch mehr zwischen den beiden außer Sex?, sollte sein Blick sagen. „Es gibt Dinge, die sich nicht ändern…so auch deine Eifersucht“, knurrte Aya und bleckte spielerisch die Zähne. „Mit wem stehe ich jetzt hier? Mit dir oder Youji? Beantwortet dir das deine Frage?“ „Weich nicht vom Thema ab“, hatte er Rans List durchschaut. „Außerdem bist du genauso eifersüchtig, mein Kirschchen, nicht wahr?“ Schuldig schubste mit seinem Hintern Ran leicht in seinen Schritt und lachte neckend. „Du stehst auf Rote! Und Brad auch. Du hast sogar zwei davon, ich meine nämlich, dass Banshees Fell im Ton meinem Haar durchaus ähnelt.“ Kunststück, er hatte die Kleine danach ausgesucht, bemerkte er ironisch in Gedanken. „Also ich stehe ja eher auf den Inhalt als auf die Verpackung… nun, vielleicht doch ein wenig auch darauf“, begutachtete Aya eben dieser Verpackung, die ansprechende. „Dass es wie durch Zufall zwei Rothaarige sind… Zufall eben, nicht wahr?“ Ayas Arme schlängelten sich um die Mitte des Telepathen und zogen ihn an sich. „Natürlich bin ich das…ich muss ja zusehen, dass du dir nicht allzu viel Appetit holst, bevor du bei mir isst!“ „Solche Zufälle gibt’s nicht“, nein, es sei denn, sie waren von Schuldig höchst persönlich eingefädelt! „Also gib es zu, ihr seid euch in einigen Punkten ähnlich!“ „Niemals! Im Leben nicht!“, wetterte Aya und löste sich von Schuldig, ging geschäftig seinen Tätigkeiten in der Küche nach. Vielleicht mochte der Telepath Recht haben und Crawford und er besaßen einige gemeinsame Züge…doch nichts, was nicht Millionen anderer Menschen auch mit ihnen teilen würden. Nichts Besonderes also. „Wieso gehst du nicht schon mal ins Bad? Du wolltest doch baden…“ Rans hektische Betriebsamkeit verfolgte Schuldig mit einem kleinen wissenden Lächeln. „Wieso gehen wir nicht zusammen, die Küche ist aufgeräumt, wir müssen nur noch einheizen.“ Schuldig stand abwartend da, das Abtrockentuch noch immer über der Schulter hängend und die Arme verschränkt. Das konnte noch ein lustiger Abend werden… o~ Ein lustiger Abend war es garantiert, wie sie momentan beisammensaßen und Schuldig vorsichtig badete. Aya hatte ihn schnurstracks in das Kräuterbad verfrachtet. Wenn auch unter Murren und Protestlauten. Er war stringent gewesen und hatte sich nicht erweichen lassen mit dem Kommentar, man könne ja auch noch später beisammen sein und kuscheln. Keine schlechte Aussicht, befand Aya und legte den nach vorne gefallenen Zopf wieder nach hinten. Diese Zotteln waren schon wieder gewachsen…hörten gar nicht mehr auf damit. Irgendwann würden sie auf dem Boden schleifen, das sah Aya schon. Der rothaarige Japaner nippte an seinem Becher Sake und lächelte. „Jetzt fehlt nur noch eine dieser gelben Enten“, merkte er an. „Wie heißen sie noch mal?“ Schuldig lehnte am Rand, wohlweißlich nur mit den Schultern und dazu noch mit einem Handtuch am kantigen Beckenende abgepolstert. Spitzbübisch lächelnd legte er den Kopf leicht seitlich in den Nacken und sah Ran überkopf an. „Meinst du den komplizierten, schwer zu merkenden Namen: Badeente?“ „Sehr amüsant…wirklich sehr amüsant, Schuldig“, grollte Aya und biss dem schelmischen Telepathen in die vorwitzige Nase. „Das ist auch eine der westlichen Errungenschaften. Badeente. Wozu nimmt man ein Gummitier, das quietscht, mit in die Wanne? Völlig unlogisch.“ Er setzte sich wieder etwas zurück und betrachtete sich den anderen Mann. Schuldig wirkte zart in diesem Moment…seine Augen, die groß, aber tief in ihren Höhlen ruhten, die leichten Augenringe, die die vorherigen, wenig schlafintensiven Nächte bezeugten. Genau jetzt konnte Aya einen guten Blick darauf werfen, wie viel Schuldig eigentlich an Gewicht verloren hatte, da die Wangenknochen allzu deutlich hervorstachen. Es verlieh dem Deutschen etwas Durchscheinendes, begleitet von der blassen Haut und den Feuerhaaren. Als ob Schuldig zart wäre…was er definitiv nicht wahr. Die Muskeln mussten wieder her, ebenso etwas Speck auf den Rippen und Aya würde sein Bestes geben um Schuldig wieder aufzupäppeln. „Wozu?“ Schuldig rieb sich übertrieben seine geschundene Nasenspitze. „Um Gesellschaft zu haben und um damit zu spielen. Kleine Jungs tun das. Und wenn sie groß sind haben sie dann andere Dinge zum spielen.“ Klarer Fall! „Na da kann ich ja richtig froh sein, dass du keine Quietscheente mehr dein Eigen nennst, nicht wahr?“, fragte Aya mit einem Lächeln, das nicht ganz so überzeugt von der Theorie war. Seine Hand tauchte ins Wasser und schlug dort leichte Wellen, die den intensiven Kräuterdunst ein weiteres Mal aufstreben ließen. Wie zufällig strich er die Rippen entlang, fühlte ihre scharf geschnittene Form nach. „Große Jungs müssen aber auch viel essen….“ „Ja, das tun sie ja auch!“ Mit überzeugender – zumindest für ihn – schauspielerischer Leistung tat Schuldig seine Entrüstung kund und richtete sich sogleich in dem Becken auf, dass in den Boden eingelassen war und sah Ran vorwurfsvoll an. „Es waren nur zwei Wochen, Ran! So dürr bin ich ja nun auch wieder nicht geworden“, blickte er an sich hinab und zupfte an seinen Oberarmen. Nun gut, bei ihm merkte man es fast sofort, wenn er nicht genug nachlegte und die letzten zwei Wochen mit diesem Wasserbrei waren schon deutlich zu spüren gewesen, aber das war ja kein Problem. Genau wie Nagi achtete er stets ebenfalls auf seine Ernährung, zwar verbrauchte er nicht so extrem viel Energie wie Nagi, der Materie mittels Gedankenkraft bewegte und verformte, aber er hatte durch seine erhöhte geistige Aktivität ebenso einen erhöhten Umsatz. „Nein, das bist du nicht. Aber dünn genug, dass ich es merke. Was habe ich denn da zu beißen, wenn ich nur noch auf Knochen treffe?“, funkelte Aya und fuhr Schuldig sanft durch die Haare. Gerade jetzt war er trotz des leicht negativen Themas ruhig, ruhiger als zuvor, denn immer dann, wenn Schuldig nicht in seiner Nähe war, suchte er nach ihm - bewusst oder unbewusst - und war erst wieder ruhiger, wenn er den Mann an seiner Seite wusste. Ob sich das irgendwann einmal geben würde, wusste Aya nicht, aber momentan glaubte er nicht daran. Er hatte davon geträumt, Schuldig zu verlieren, wie er auch geträumt hatte, dass er neben Schuldigs Leichnam aufwachen würde und alles so war wie vor ein paar Wochen. Doch was sein Geist zu kompensieren versuchte, hatte Aya noch nicht annähernd verarbeitet. Zu tief saß noch der Schock über den maßgeblichen Tod des Telepathen. „Aber du bist ja auf dem Weg der Besserung und wenn du zwei Wochen meiner Fünf-Sterne-Küche genossen hast, wirst du dich nach Hause kugeln können.“ Die Frage war, wo Schuldigs Zuhause war…schließlich fühlte dieser sich nicht mehr sicher in seiner Wohnung. Doch gleichzeitig gab es noch eine andere Frage, die sich Aya plötzlich stellte und über die er nie nachgedacht hatte. Wo war eigentlich SEIN Zuhause? Sein Zimmer bei Weiß war so etwas Ähnliches gewesen, doch Schuldigs Wohnung…er wohnte dort, aber er hatte nicht das Gefühl, dort zuhause zu sein…er hatte das Gefühl, nirgendwo zuhause zu sein. Als wenn er gar nicht in der Lage wäre, so etwas zu fühlen. „Fünf- Sterne?“ echote Schuldig. „Überschätzt sich der Herr Meisterkoch da nicht ein wenig?“ Schuldig spritzte etwas Wasser neckend in Rans Richtung und grinste dreist. Es schien, als wäre Schuldigs Humor genau das, was Aya brauchte um aus seinen dunklen Gedanken aufzutauchen. Er tat es dem Deutschen gleich und spritzte mit einer etwas größeren Menge Wasser, grimmte pflichtschuldig und sah Schuldig aus verengten Augen kritisch an. „Nein, ich habe mein Können sogar noch unterboten!“, behauptete er dreist. Da drehte sich Schuldig gänzlich zu Ran um, verschränkte die Arme und bedachte Ran mit einem langen kritischen Blick. „Hmmm….“, machte er und verengte die Augen nachdenklich. Natürlich ordentlich übertreibend, Ran sollte ja neugierig auf seine weisen Worte die da folgen würden, werden… „Sag’s nicht“, erwiderte Aya und seine Augenbraue erhob sich leicht einschüchternd. Und Schuldig ließ sich brav einschüchtern, wandte sich wieder mit einer langsamen Bewegung ab. „Okay“, zog er das Wort in die Länge und schwieg sich aus. Er macht es sich an seinem Handtuch gemütlich, legte den Kopf in den Nacken und schloss entspannt die Augen. Noch ein paar Minuten dann musste er hier raus. Zu lange sollte er nicht in dem Bad bleiben, sonst weichte seine Haut auf und das bekam seinen Wunden nicht wirklich. Innerlich über Schuldigs ‚Gehorsam’ lächelnd, erhob sich Aya nach ein paar Minuten und nahm sich, als hätte er die Gedanken des anderen gelesen, eines der aufgewärmten Handtücher um Schuldig damit zu verhüllen, sobald dieser von der Wanne in die Dusche gewechselt hatte, damit er sich den Badezusatz vom Leib waschen konnte. „Wie wäre es, du erhebst dich aus deinem erhabenen Bad und trocknest dich ab, ziehst dich an und wir gehen anschließend eine kleine Runde im Garten spazieren um frische Luft zu tanken?“ Dass er vorher aber noch Schuldigs Rücken in der üblichen Prozedur einbalsamieren und verbinden würde, verschwieg Aya. Das brachte Schuldig nun doch dazu, die Augen wieder zu öffnen, den Kopf zu heben und ihn in zeitlupenhafter Geschwindigkeit zu drehen, mit einem Gesichtsausdruck der soviel ausdrückte wie: Bist du jetzt völlig wahnsinnig geworden? Willst du mich umbringen? „Und du willst behaupten, dass du mich aufpäppeln willst? Ich denke eher…“ Schuldigs Miene konnte als schockiert bezeichnet werden. „…du hast zuviel Misery angekuckt! Ich habe dich durchschaut! Du willst mich erst scheinheilig in Sicherheit wiegen, nackt und schutzlos wie ich bin, unterernährt und schwächlich noch dazu und dann willst du mich nach draußen im Winter in die Kälte jagen, damit ich nach einem Vollbad…wohlgemerkt eine richtige gemeine Grippe bekomme und du mich verhätscheln kannst. Somit ist gesichert, dass ich dir nie wieder davonlaufen kann.“ Eine hieb- und stichfeste These. Er glaubte es ja nicht, jedes Kind wusste, dass man nach einem Bad ins Bett sollte, oder zumindest ruhen sollte und Ran torpedierte seine Genesung aufs Übelste. Aber er hatte ihn durchschaut, aber total! Aya war sich bewusst, dass er Schuldig anstarrte. Er war sich sogar bewusst, dass er vollkommen überfahren und daher leicht debil aussehen musste, doch seine Gedanken liefen immer noch der Logik dieser These hinterher und ließen gewisse andere Teile seines Gehirns im Stich. Er runzelte die Stirn, als sich wieder alles an seinen Platz fügte und er schließlich eine Augenbraue hob. „Daran hatte ich nicht gedacht“, meinte er nachdenklich. „Aber jetzt, wo du es gesagt hast, klingt das nach einem sehr guten Vorhaben.“ Er nickte und machte dann eine ungeduldige Handbewegung. „Also worauf wartest du? Raus aus der Wanne…je eher die Grippe Einzug hält, desto besser. Los, hopp, raus hier! Am Besten, ich jage dich gleich nackt in die Kälte.“ Und wie die violetten Augen glimmen konnten…so als ob sie hellauf begeistert von der Idee waren. Okay, jetzt war es an der Zeit die sexuelle Energie, die sich zwischen ihnen aufbaute und langsam Funken schlug mit etwas Verzweiflung in seinem Gesicht zu mildern… oder anzuheizen, je nachdem… Schuldig zog die Stirn in einen leicht verzweifelten Ausdruck und biss sich zur Tarnung auf die Unterlippe, rutschte etwas von Ran weg. Nur einen Hauch, damit es Rans Jagdtrieb etwas ansprach. Er sah in den violetten Augen, wie dunkel sie geworden waren. Ran hatte es heute definitiv auf ihn abgesehen. Schuldig hob eine Hand aus dem Wasser und strich sich eine nasse Strähne hinters Ohr. „So komme ich bestimmt nicht aus dem Becken, wenn du so gemein zu mir bist.“ „Soll das etwas heißen, dass ich dich erst holen kommen muss?“, fragte Aya, denn Schuldig HATTE definitiv seinen Jagdtrieb geweckt. Aya war sich dessen bewusst, doch seine hochgelobte Selbstkontrolle zerfranste mittlerweile an ihren Enden und machte ihm bewusst, dass er Schuldig wollte…mit Haut und Haar. Auch ein Überbleibsel…als müsste er sich auf jeder Ebene ihrer Beziehung versichern, dass Schuldig da war. Ups, da bahnte sich ein lockendes, verführerisch harmloses Lächeln auf Schuldigs Gesicht an. Und er konnte es nicht verhindern, obwohl er es mit aller Macht versuchte. Nagut, mit aller Macht auf Sparflamme… „Hier ist es aber sehr nass, Ran und deine Kleidung wird es dir nicht danken, wenn du sie mit in das Kräuterbad nimmst, das geht nie wieder raus…und so viele Yukatas hast du nicht…“, gab er leise zu bedenken. Sein betont harmloser Blick schrie jedoch förmlich: Hol mich! „Richtig…richtig…“, murmelte Aya und konnte einfach nicht mehr. Er konnte diesem Blick, dieser Verführung in Person nicht mehr widerstehen, auch wenn er wusste, dass Schuldig ihn lockte! Verdammt. Langsam erhob er sich und streifte sich bedeutungsvoll den Yukata von den Schultern. „So einfach ist das…“, sagte er und stand nackt vor Schuldig. Dieser hob bedächtig den Blick, angefangen von den Füßen über die langen Beine nach oben. In der Körpermitte angekommen, breitete sich ein laszives Lächeln auf Schuldigs Lippen aus und sie schoben sich zu einem überlegenden Schmollen zusammen, bevor seine Augen weiter hinaufglitten zu Rans Gesicht. „Aber…in diesem Wasser sind alte Hautschüppchen von mir, Wundsekret und lauter Kräuter. Das ist nicht gut für dich, Ran, überleg es dir noch einmal!“ Eigentlich waren Aya diese Dinge recht egal, vollkommen eigentlich, denn ihn interessierte der Mann, der in diesen Kräutern und anderen Dingen schwamm. Nichts anderes. Dieser laszive Blick interessierte ihn, diese Augen, diese Lockung. Er antwortete nicht, sondern kam ebenso in die Wanne und setzte sich rittlings auf Schuldigs Oberschenkel. „Perfekt überlegt. Und nun…?“ Ein wirklich böses, berechnendes Lächeln breitete sich auf Schuldigs Gesicht aus und er blickte zu Ran auf. „Und nun… wäscht du mir den Rücken! Aber schön vorsichtig, ja?“ Er reichte Ran den weichen Lappen, den sie schon zuvor als vorsichtiges Mittel benutzt hatten um die verschorften Stellen zu betupfen. Rücken waschen? Nachdem Schuldig ihn hier zu sich ins Wasser gelockt hatte? Sicherlich. Nein, wirklich. Sicherlich würde Aya Schuldig den Rücken waschen. „Ganz vorsichtig“, bekräftigte der rothaarige Japaner und ließ den Lappen zur Vorbereitung schon mal über den ihm dargebotenen Brustkorb gleiten. Stirnrunzelnd blickte Schuldig nach unten. „Das ist aber nicht mein Rücken, Ran“, klugscheißerte er und hob eine Braue. „Außerdem muss ich bald aus dem Wasser raus, weil das ja nicht gut ist, wenn die Wunden aufweichen, nicht?“ Oh, konnte er harmlos schauen. Wie ein Waisenjunge… Über diesen Gedanken musste er plötzlich lauthals lachen. Seine Hände griffen fester nach Ran und er prustete und gackerte, sodass das Wasser um sie herum wogte. Aya wusste nicht genau, was den anderen Mann so erheitert hatte, doch es machte ihm Freude, Schuldig so zu sehen, das Amüsement wiederkehren zu sehen. Denn Schuldig war immer der Verspieltere, der Lebenslustigere von ihnen beiden gewesen. Er ließ sich fassen und mitbewegen, lächelte immer noch mit dem Lappen in der Hand. Nur langsam bekam Schuldig sich wieder ein und lachte nurmehr leise an Rans Schulter. „Ich denke wir verlegen das Rückenwaschen in die Dusche, was hältst du davon?“ Wenn sie überhaupt dazu kamen….zum Rückenwaschen… „Bevor du mir ganz davonschmilzt, ja“, nickte Aya mit einem Lächeln und hauchte Schuldig einen Kuss auf das nasse Haar. „Ich kann nur so schlecht aufstehen und weiß nicht…wie man das beheben könnte.“ „Oh, ich hätte da schon eine Idee.“ Schuldigs Rechte schlich sich zu Rans Kehrseite, streifte den Spalt dazwischen und fasste Ran nah an seinen Schritt, nur um sich dann etwas auszubalancieren und aufzustehen. Er konnte nur hoffen, dass Ran sich festhielt, ansonsten würde das hier vielleicht unschön enden, denn er spürte ganz genau, dass er trainieren musste und seine Kraft war noch nicht wieder hergestellt. Ran war zwar schlank, aber weder zierlich noch klein und er hatte trotz seiner Schlankheit Muskeln und sollte von keinem unterschätzt werden, am allerwenigsten machte Schuldig das. Aber er konnte jetzt wohl kaum klein beigeben wenn er seinen Ran endlich wieder durch die Gegend schleppen durfte. Das wusste Aya und hielt sich fest. Gleichzeitig jedoch schloss er die Augen um sich das Drama, was sich sicherlich gleich abspielen würde, nicht mit ansehen zu müssen. Und wenn sie sich das Genick brachen, dann hätte Crawford sicherlich schon angerufen um sie zu warnen, oder? Nein… hätte er nicht, denn seine Visionen funktionierten nicht richtig. Aya betete stumm, dass alles gut gehen würde, denn Schuldig war bei weitem noch nicht in der Lage, sich derlei Kraftanstrengungen dauernd zu unterziehen. Bald…. bald wieder, doch jetzt… „Bist du dir sicher?“, fragte er ruhig. So schwächlich war er jetzt nun auch wieder nicht, empörte sich Schuldigs Stolz und er nahm die zwei Stufen aus dem Becken mit Bravour. „Wenn du so ruhig wirst, ist das immer ein Zeichen davon, dass du der Sache nicht ganz traust. Oder hast du Angst, mein Kirschchen, dass ich mit dir auf dem Arm der Länge nach hinschlage?“, grinste er grimmig. Genau das. Und dass sie sich beide an der Beckenkante das Genick brachen. Oder den Kopf einschlugen. Es gab vieles, was passieren konnte, sehr vieles. Doch Aya wusste erst seit jetzt, dass er angeblich so reagierte, wenn ihm etwas nicht geheuer war. „Du machst das schon, du starker Mann!“, lächelte er nun doch und sah hoch. Diesen Blick hielt Schuldig fest, bis sie in der Dusche angekommen waren und er Ran an die Wand pressen und ihn küssen konnte. Wie samtig und so wundervoll passend diese Lippen doch waren. Genießend schloss er die Augen und schmeckte Ran ausführlich, wollte ihn mit all seinen Sinnen aufnehmen. Sie nahmen sich Zeit… viel Zeit um das zu erkunden, was sie kannten und doch jedes Mal wieder aufs Neue entdeckten. Aya kostete ebenso wie Schuldig, neckte ihn und lockte ihn zu sich. Wenn es nach Aya ging, konnten sie hier sofort Sex haben…nach Ayas hormongesteuerter, ausgehungerter Seite. Die rational denkende wagte es, ihn auf Gleitcreme und Kondome hinzuweisen, die noch in der Tasche waren...und als letzten Hinderungsgrund auch auf Schuldigs Rücken. Nach einer kleinen Weile löste sich Schuldig und betrachtete Rans Gesicht. „Dir ist kalt“, grinste Schuldig und schaltete mit der einen nun befreiten Hand die Dusche an, die sie zunächst mit einem kalten Schauer beglückte bis er sie warm drehen konnte. Er kroch schier in Ran hinein als der kalte Schwall Wasser über ihn kam. „Verdammt.“ „JETZT ist mit kalt“, grollte Aya und bibberte, harrte in Schuldigs Greifarm-Position schier wehrlos aus, bis sich das Wasser zumindest etwas aufheizte, doch da war es schon zu spät. Leicht zitternd hielt er den Blick des Telepathen durchaus mit Vorwurf darin…aber wie es schien, hatte nicht nur er Schnapsideen, sondern auch Schuldig. „Sieh mich nicht so an, dafür kann ich ja wohl nichts“, murrte Schuldig und schob seine Lippen schmollend vor. Aber nichts desto trotz bot es sich jetzt umso mehr an Ran näher an sich zu kuscheln, zwecks Aufwärmung, verstand sich! „Wird doch gleich wieder warm. Du kommst mir ja schon beinahe vor wie Nagi…“, schob er noch nach und umfasste Ran an der Taille. „Richtig“, bestätigte Aya mit ironisch hochgezogener Augenbraue. Nur weil Schuldig sein Blumenkind mit eiskaltem Wasser goss, wurde eben dieses gleich mit Nagi verglichen, dessen Körperhaushalt vermutlich nie dazu geboren worden war, warm zu werden. Natürlich fror er im Winter auch, aber nicht so schnell. Er räkelte sich und spannte die Muskeln in seinen Oberschenkeln an, um sich Schuldig etwas näher zu ziehen. Um ihn fühlen zu lassen, dass er durchaus angetan von dieser Position war. „Kommen wir jetzt zur Sache?“, fragte er mit einem Lächeln. „Ach ja!“, rief Schuldig erfreut aus und nickte dümmlich. Er ließ seine Hand von Rans Seite gleiten, sodass dessen Stütze nun fehlte, signalisierend, dass er ihn nun nicht mehr halten würde und Ran sich gar nicht so festzuklammern brauchte. „Den Lappen hast du ja noch, dann kanns ja losgehen, damit mein Rücken endlich von diesem Wasser hier wegkommt.“ „Genau….dein Rücken“, stimmte Aya diesem Ausruf bekräftigend zu und nickte nach etwas längerer Zeit. Schuldig verarschte ihn, schon die ganze Zeit, doch wer war Aya, dass er das nicht zu kontern wusste? „Los, dreh dich“, befahl er und wischte nun, wieder festen Boden unter den Füßen, unwirsch mit der Hand durch die Luft. Und Schuldig folgte gehorsam mit einem schlussendlich leisen Lächeln. Klar wusste Ran, dass er ihn neckte, aber dafür würden sie hinterher umso mehr Spaß haben… Er nahm seine nassen Haare nach vorne um Ran besseren Zugang zu verschaffen. „Hast du noch etwas von der Kräuterpaste? Die war wirklich nicht schlecht. Die Striemen spannen nicht mehr so und das Brennen hat auch nachgelassen“, sagte er leise. Es schien ihm als wäre dies ein intimerer Moment als den Sex den sie teilten, besser noch nicht teilten, denn ihre letzte Vereinigung lag schon ein paar Wochen zurück. Aber dieses Offenbaren seiner Schwäche, zuzulassen, dass Ran diese Schwäche umsorgte, sie in seine Hände hüllte…war als würde man an seinem nackten, blutigen Herzen raue bloße Hände lassen. Und diese rauen, bloßen Hände waren vorsichtig, als sie nun mit dem Lappen vorsichtig über das geschundene Fleisch wischten und die letzten Rückstände aus der Badewanne entfernten. „Ich habe noch sehr viel davon…die alte Frau hat schließlich vorgesorgt und mir gleich mehr davon mitgegeben. Aber man sieht, dass es gut getan hat…“, merkte er nachdenklich an. Ein ‚Es sieht besser aus’ kam nicht über seine Lippen, da es das eben nicht tat. Es sah immer noch schlimm aus. Als Aya fertig war, stellte er die Dusche ab und ging zu den Handtüchern, reichte Schuldig eines, damit dieser sich an der Vorderfront abtrocknete. Er selbst nahm sich das zweite und fuhr sich ruppig über den eigenen Körper, der sich nun wieder etwas abgekühlt hatte. Knapp und präzise schlug Aya sich das Handtuch um die Hüfte und ging ins Schlafzimmer, wo er die Paste hatte. Er wollte schnell damit fertig werden, damit Schuldig sich nicht lange damit herumschlagen musste, dass er ihn versorgte…dass er diese Verletzungen sah. Dieser hatte sich auf einen der beiden Hocker gesetzt und wartete mit bedecktem Schoß, dass Ran zurückkam. Er hielt ihm ein kleines Handtuch hin, damit Ran die noch feuchten Stellen an seiner Rückfront zwischen den Striemen trocknen konnte. „Meinst du wir können die Pflaster weglassen? Sie nerven mich und es stört höllisch“, fragte er kleinlaut als Ran wieder zurückkam. „Dann kannst du dich weder auf den Rücken legen, noch kannst du etwas anziehen…es sei denn, wir opfern einen Yukata“, erwiderte Aya und trocknete derweil Schuldigs Rücken ab. „Hinknien geht dann auch nicht, denn deine Kniekehlen müssen versorgt werden…ebenso wie dein Hintern.“ Er runzelte die Stirn. „Und deine Fersen…“ Er begann damit, die Paste aufzutragen und vorsichtig zu verreiben. „Dann opfern wir eben einen“, kam es voller Verdruss zurück zu Ran. „Ich kann ja Socken anziehen…hab ich ohnehin an. Es juckt auch ohne die ziependen Pflaster und ich könnte mir die Haut langsam schon runterkratzen.“ Während Ran sich an seinem Rücken zu schaffen machte, kümmerte sich Schuldig um die eigenen nassen Haare, die er zwar in einen Zopf am Hinterkopf zusammengenommen hatte, die aber trotzdem beim Duschen teils entkommen waren und nun am unteren Teil nass waren. Er musste sie morgen sowieso waschen, aber heute hatte er keine Lust dazu. Heute hatte er Lust auf…etwas anderes… „Wie du willst“, lachte Aya leise und platzierte einen kleinen Kuss auf den freigelegten Nacken. Selbst hier befand sich eine oberflächlich geschlagene Wunde. „Ich hole dir gleich einen, dann kannst du dich darin einwickeln…und die Socken gleich mit dazu.“ Es tat gut, dass sie hier über alltägliche Dinge sprachen und dass sie sich umeinander kümmerten…irgendwie. Ja, das war eine prima Idee! Er konnte sich einwickeln und Ran nachher auswickeln! Hervorragend. So war das ein guter Plan. Yukatas waren wie Geschenkverpackungen, für ihn zumindest. Bunt, mit einem Haufen Wickelband und immer war Nettes darin verpackt. Nichts von Schuldigs blasphemischen Gedanken ahnend - wie denn auch? - stromerte Aya ein weiteres Mal nackt durch das Haus und suchte Schuldig einen neuen Yukata und dicke, warme Wollsocken. Er brachte seine Beute mit ins Bad zurück und legte sie auf die Ablagefläche unweit von dem Telepathen. Er konnte die Vorfreude auf Schuldigs Gesicht lesen, konnte erahnen, was der andere wollte, doch der eigene Teufel in ihm hatte da andere Pläne… Auch Aya nahm schließlich seinen Yukata auf und zog sich an. Endlich Wärme, stellte er erleichtert fest, auch wenn das nicht so ganz stimmte, wie er selbst zugeben musste. Dank des Feuerholzes und der langsam warm laufenden Heizung war es im ganzen Haus angenehm temperiert…mollig warm. Es musste vermutlich nur am kurzen Schock des kalten Wasser gelegen haben, dass er nun fror. „Wie wäre es, du legst dich hin und versuchst ein wenig Schlaf nachzuholen und ich lese noch etwas?“ „Jetzt schon?“ kam es von Schuldig und er wandte sich fast schon erschrocken um. „Es ist doch gerade einmal um …ich denke acht Uhr?“ Das war ja wie früher als Kind im Waisenhaus. Da hatte er auch umsonst gebettelt länger aufbleiben zu dürfen. Schuldig band sich einen neuen Zopf am Hinterkopf und kam zu Ran. „Haben wir noch etwas von dem guten, alten Sake übrig?“, lächelte er. „Dann schlaf ich sicher schnell ein.“ „Davon ist nichts mehr da… wir haben gestern alles ausgetrunken“, log Aya frei heraus und das auch noch glaubwürdig. „Aber ich kann dir einen Kräutertee machen, der beruhigend wirkt…damit wirst du sicherlich auch gut schlafen.“ Ayas Blick wanderte über den Yukata und er kam nicht umhin, die Kunstfertigkeit zu bewundern, mit der dieses Kleidungsstück erstellt worden war…mit welcher Liebe zum Detail…und wie sehr das Blau dem in Schuldigs Augen ähnelte. Schuldig trat nun näher zu Ran, die Linke auf Rans Hintern klapsen lassend. „Ah…da haben aber Lügen sehr lange aber hübsche Beine, was?“, grinste er diabolisch aber wissend und stolzierte fluchs erhobenen Hauptes in die Küche zum noch vorrätigen Sakebestand – wie er wusste. Aya hob die rechte Augenbraue und zuckte dann mit den Schultern. Lächelnd machte er sich daran, das Badezimmer wieder aufzuräumen. So…Schuldig dachte also daran, sie beide mit Sake abzufüllen und dann wilden, leidenschaftlichen Sex mit ihm zu haben? Darauf würde Schuldig sehr lange verzichten müssen…denn Rache war süß und Aya war schon immer jemand gewesen, der seine Rache besonders renitent verfolgt hatte. Tja, da stand Schuldig nun in der Küche, samt wippenden Zopf und einer Flasche Sake und stellte sie schlussendlich wieder in das Schränkchen. Was sollte er hier Sake trinken, wenn niemand mit ihm mit trank? Allein war das nun wirklich nicht sein Ding. Also fügte er sich in sein Schicksal – ohne Sake und trottete ganz der geschlagene Krieger ins Schlafzimmer, zuvor die Lichter löschend auf seinem Weg dorthin. Da war aber jemand sehr artig heute…wo er doch gerade noch so elanreich den Sake hatte holen wollen um doch einen Versuch zu starten, sich zu betrinken. Aya musste darüber grinsen und nahm sich tatsächlich den Gedichtband mit Haiku, den er in dem kleinen Laden erstanden hatte aus dem Wohnzimmer mit ins Schlafzimmer. „Was freue ich mich auf einen gemütlichen Abend“, proklamierte er und ließ sich erschöpft auf die Matratze fallen…erschöpft vom Nichtstun. Ja, einen gemütlichen, langweiligen, sterbensöden Abend, jammerte Schuldig in Gedanken. Dennoch löschte er das große Licht, nachdem er Ran eine der kleinen Lampen nahe ans Bett gestellt hatte und setzte sich aufs Futon. Er löste den Haargummi aus den Haaren und schüttelte sie etwas auf. Immer noch feucht, murrte er nun doch, nicht wirklich begeistert von dem über ihm liegenden Kräuterduft. Jetzt hing der Geruch auch noch in seinen Haaren. Erst dann schlüpfte er unter die Decke und wandte sich Ran zu, um ihm beim Lesen zuzusehen und darüber vermutlich an elendiger Langeweile zugrunde zu gehen. Aya war sich des Blicks wohl bewusst, ebenso wie dem Drama, das sich hier neben ihm abspielte…der qualvolle Niedergang des Telepathen an Langeweile. Während er hier las. Schlimm war das, schlimm von ihm, dass er sich erdreistete, Schuldig so zu ignorieren. Doch Aya führte in aller Ruhe das fort, was er hier begonnen hatte…denn auch wenn seine Selbstbeherrschung zuweilen Schiffbruch erlitt, so war seine Geduld doch untergangssicher. Die Minuten verrannen und Schuldigs Laune sank rapide. Seufzend drehte er sich um und sein Mund war ein einziges schmollendes stummes Lippenbekenntnis. Erst nach vielen langen Momenten brach er das Schweigen, nachdem er sich in seinem Selbstmitleid gesuhlt hatte. „Warum musst du ausgerechnet dann plötzlich lesen, wenn ich dich spüren will, hmm?“, kam es frustriert aus der Decke heraus, nicht wirklich auf eine Antwort wartend. Es war echt gemein. Wenn sie nicht vorhin im Wasser gewesen wären …alles kein Problem…aber jetzt, jetzt musste Ran ja lesen…. Eine rote Augenbraue erhob sich und violette Augen richteten sich auf den äußerst bedürftigen Mann an Ayas Seite. „Aber du spürst mich doch…ich bin direkt neben dir!“, behauptete Aya frech und sein Blick sprach von einer Unschuld, die er vermutlich noch nicht einmal mit Namen nennen konnte. Klasse. Jetzt wurde er schon die ganze Zeit verarscht … und das auch noch wenn er heute seinen Hintern herhalten wollte. Das passte seinem Stolz so überhaupt nicht. Nicht wenn er sich innerlich dazu entschlossen hatte. „Stimmt“, murmelte er und zog die Decke ein Stück höher. Etwas Liebevolles stahl sich in Ayas Blick, als das Elend nun auch noch sein Antlitz vor ihm zu verbergen suchte…und ihn mit einer armen, bauschigen Kugel konfrontierte, die ihn anschuldigte, das böseste Übel zu sein, das es gab. „Da schwebt ein ganz großes Aber über deinem Haupt…“ „Idiot“, kam es von Schuldig und er verengte die Augen. „Da gibt’s kein Aber.“ Gut, er schmollte…immer noch. Aber wenn Ran hier auch so blöd lesen musste. „Nicht? Dann kann ich ja weiter lesen, wenn du damit zufrieden bist…“ Nun hatte Ayas Grinsen etwas durchaus stygisches, wie er selbst zugeben musste. Schuldig hatte ihn in der Dusche auf den Arm genommen und das hier spiegelte sich jetzt… „Oder habe ich da etwa etwas falsch verstanden?“ „Nein, was gibt’s da falsch zu verstehen? Du liest, ich schlafe, ist doch alles klar.“ Schuldig seufzte und gab auf. Ran machte die Retourkutsche Spaß, ihm nicht. Ganz im Gegenteil. Er war eben momentan noch nicht für diese Späße wie sie sie früher zu genüge gespielt hatten aufgelegt, wie es schien. Das frustrierte ihn selbst. Ach was solls, dachte er sich innerlich achselzuckend. Dann eben morgen! Morgen war auch noch ein Tag. Aya merkte es…wie konnte er es auch nicht anhand des Tons in der Stimme? Er legte den Kopf schief und lächelte, während er Schuldig eine seiner Feuersträhnen aus dem Gesicht strich. „Wer ein Spiel anfängt muss auch damit rechnen, dass der Ball zurückgespielt wird, mein Lieber…“, entgegnete Aya der abgewandten, schmollenden Gestalt und zupfte an besagter Strähne. Schuldig stob förmlich missgelaunt auf und wandte sich zu Ran um. Blau und Grün konkurrierten um die Vorherrschaft in den blitzenden Iriden. „Ja sicher, nur weil ich nicht in der Dusche von dir gepoppt werden und das ganze etwas netter wollte?“ Er schnaubte und pflückte sich die Decke vom Körper. Pah, er würde sich doch den Sake holen, sich voll laufen lassen und dann wäre alles kein Problem mehr! Schon gleich gar nicht sein Stolz, der gerade flöten gegangen war. Er verließ das Schlafzimmer mit grimmiger Entschlossenheit Richtung Küche. Das war es also gewesen… Aya atmete tief ein und klappte langsam den Haiku-Band zu. Er glaubte zu wissen, was Schuldig nun so hatte reagieren lassen und nickte für sich. Da hatten sie beide sich wohl falsch verstanden, denn zumindest Aya hatte sich in der Dusche darauf eingestellt, dass er es sein würde, der unten lag, nicht Schuldig. Er verharrte still und lauschte den Geräuschen aus der Küche, blieb jedoch hier. Entweder, Schuldig wäre sauer…aus verletztem Stolz, dass er ihn in seiner Absicht, unten zu liegen, abgewiesen hatte, und würde erst einmal nicht wiederkommen oder er kam zurück und sie würden darüber reden. Wenn Schuldig nicht reden wollte, dann würde Aya ihm diesen Freiraum lassen. Genau aus dem Grund blieb er auch nun hier sitzen, legte das Buch zur Seite und ließ sich zurückfallen auf die Matratze. Schuldig stand mit verschränkten Armen neben dem Herd samt sich erwärmenden Sake und starrte vor sich hin. Warum musste Ran alles so verkomplizieren…? Über diesen und viele andere natürlich seinem Trotz geschuldeteten Gedanken füllte er den Sake in die kleine Karaffe und stellte zwei Trinkbecher dazu, falls Ran der Abstinenzler, wie Schuldig ihn bösartigerweise in Gedanken bezeichnete wider Erwarten doch Sake wollte. So ging er ins Schlafzimmer zurück und stellte das kleine Tablett auf den Boden ab, Ran mit einem neutralen Gesichtsausdruck betrachtend, während er das tat. Aya erwiderte diesen Blick schweigend und sah auf das Angebot in Form von zwei Sakebechern. Er wusste, dass sich Schuldig auch sonst nicht scheute, die Wahrheit zu sagen und dass es dieses Mal keinesfalls etwas zu tun gehabt hatte, dass der andere Mann es in irgendeiner Art und Weise hatte nett ausdrücken wollen. Es war der Stolz gewesen…müßig aber, noch weiter darüber nachzudenken. Aya streckte Schuldig seine Hand entgegen. „Komm her“, befahl er sanft. Und Schuldig kam…allerdings mit einem gefüllten Sakebecher, den er Ran reichte. Er selbst setzte sich in den Schneidersitz und nahm einen Schluck des warmen Getränks, fühlte sich danach gleich wohler, als hätte er alles Negative damit weggespült. Aya hatte diese Geste wohl verstanden, sagte aber nichts dazu. Schuldig hatte sich ihm verweigert, ihm nur den Reiswein gegeben, den Aya komplett hinunterstürzte, bevor er den Becher an seiner Seite abstellte. Das machte die Sache, das Gefühl in seinem Inneren allerdings nicht besser, eher schlimmer und sein Blick ruhte auf dem ältlichen Einband des Buches. Sie waren vom Spiel auf eine ernste Ebene abgeglitten und Schuldig hatte sich ihm verweigert. Wie so oft im Traum auch schon…nur dass er sich im Traum verweigert hatte, zurück zu kommen, wieder zu leben. Aya durchfuhr anhand dieser Erinnerungen, der Gedankenbilder, ein stechender Schmerz. Müde fuhr er sich über die Augen, als könne er diese Eindrücke dadurch vertreiben, doch dem war nicht so. Sie waren da. Eingebrannt. Schuldig schüttete den nächsten Sakebecher seine Kehle hinunter bevor er den Becher zurück zur Karaffe stellte. Er hatte während seines Trinkens diese unbeachtete Geste von Ran gesehen, die er selten ausführte. Außer wenn es ihm emotional nicht gut ging. Da Schuldig nun beide Hände frei hatte, legte er sich zur Seite um, mit dem Kopf auf Rans Bauch und blickte nach oben zu seinem Ran. Aya erwiderte diesen Blick und lächelte nach ein paar Augenblicken schwach, nicht wirklich überzeugend. Er wusste, dass er sich freuen sollte, dass Schuldig wieder da war…und das tat er auch ohne Zweifel, doch das tilgte die zwei Wochen nicht… die Angst, dass nochmal etwas geschehen würde. „Was ist?“ Schuldigs Stimme war leicht belegt, fast schlafesschwer, doch das war es nicht, es war eher die Stille, ihre Nähe die sie beschwerte. „Bist du sauer?“ „Nein…ich habe mich nur erinnert“, sagte Aya, als wenn das alles erklären würde, als wenn Schuldig nun wüsste, was er meinte. „An die Zeit davor.“ Wie feige er doch war, selbst das nicht auszusprechen, nicht auszusprechen, dass er an die Zeit gedacht hatte, in der Schuldig noch als tot gegolten hatte. „Du hast mich auf den Arm genommen, ich habe es bei dir getan und sieh, was dabei herauskommt.“ Mehr zu sich als zu Schuldig schnaubte Aya bitter auf. Schuldig erhob sich etwas und kam auf alle Viere, sodass er Ran genau in die Augen sehen konnte, so stupste er Rans Nase mit seiner eigenen auffordernd an. „Hey, komm schon. Ich wollte dich nur necken und uns einen schönen Abend bescheren, aber dort war es so ungemütlich, Ran. Und du wolltest es mir heimzahlen. Na …wer wären wir denn, wenn wir da nicht mit harten Bandagen kämpften? Weicheier, oder? Aber das sind wir ja nicht, wir tapferen Recken, kämpfen bis auf den letzten Blutstropfen um unsere Narrenehre, hmm?“ Schuldig zog ein heldenhaftes Gesicht. Es tat gut, dass Schuldig nicht auf seine Worte einging, dass er mit Humor an die Sache heranging. Es brachte Aya weg von dieser dunklen Masse, die immer noch in ihm lauerte. „Ich liebe dich, Schuldig“, sagte er in aller Ernsthaftigkeit und völlig aus dem Kontext gegriffen, doch es war das, was er genau in diesem Moment für den anderen Mann fühlte. Nicht mehr, nicht weniger. Das brachte Schuldig nun endgültig zum Einbruch. Er plumpste mit seinem Hintern auf Rans Oberschenkel und verzog seine Lippen zu einem breiten aber liebevollen, geradezu liebestollen Lausbubenlächeln. „Ran…Ran…da versuche ich zu deiner Spaßseite zu sprechen und was machst du…? Du schickst den Ernst vor…so wird das nichts mein Lieber…mein Liebster, hmm?“, setzte er weicher, ernster hinzu und berührte so zart, fast nur einem Hauch des Windes gleich Rans Lippen, spitzte dabei in die ernst blickenden Augen mit seinen aufgewühlten, lächelnden Blick. „Alles wird gut“, wisperte er an die Lippen. „Ja…ja, das wird es“, bestätigte Aya. Er wollte daran glauben und würde das auch tun…doch jetzt war noch Vorsicht in ihm. Doch auch er musste lächeln und er umschmeichelte Schuldigs Lippen mit seinen… anstelle einer Antwort. Ja, es würde alles gut werden… „Wir sind nicht nur Meister im Necken, sondern auch im…Honig um unsere Mäulchen schmieren, nicht?“ Schuldig haschte daraufhin beherzter nach Rans Lippen, drang beinahe sofort zwischen die Lippen, als würde er ihn einnehmen wollen und nie wieder hergeben, gänzlich gegensätzlich zu seinen neckenden Worten. Eingedenk Schuldigs Verletzungen zog Aya den Telepathen vorsichtig, aber fest an sich und erwiderte den Kuss ebenso leidenschaftlich. Nicht nachdenken, handeln…das war es. Einfach fühlen und handeln…nichts weiter. „Nicht nur Honig…“, murmelte er schließlich, versiegelte Schuldigs Lippen gleich darauf wieder, als ob er sich nicht die kleinste Gelegenheit entgehen lassen dürfte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)