Der Glasgarten von Gadreel_Coco ================================================================================ Kapitel 96: Der treudoofe Knopfaugentyp --------------------------------------- ~ Der treudoofe Knopfaugentyp ~ Weil das Schicksal eine Frau war… Und Youji verfluchte eben diese Frau gerade. „Sein Verhalten ist absolut atypisch und wirr… ich denke, eine feste Hand, die ihn führt, wäre momentan genau das Richtige für ihn.“ Es war schon lange her, doch Youji erinnerte sich noch lebhaft an ihren einen Abend im Afterglow. Ran war ebenso unausgeglichen gewesen wie hier, trotzdem sie schon ihre Affäre begonnen hatten. Wo Sex nicht mehr reichte, hatte sich Youji entschlossen, zur Dominanz zu greifen und Ran für diesen Abend keine Wahl gelassen. Weder in der Meinungsfreiheit noch in der Bewegungsfreiheit… und obwohl er gedacht hatte, dass Ran ihn am nächsten Morgen dafür töten würde, hatte dieser das Gegenteil bewiesen und eine Gelassenheit gezeigt, die Youji erstaunt hatte. „Mir hat noch niemand eine zu schwache Hand nachgesagt“, sagte Schuldig und warf Kudou einen gelangweilten Blick zu. „Aber… bei unserer Vergangenheit und… der Sache, wie wir aufeinander getroffen sind, bin ich mir nicht sicher. Ganz und gar nicht mehr. Und das ist atypisch für mich.“ Wo sie gerade bei atypischem Verhalten waren. „Ich habe kein Problem ihn zu führen, solange er herumtobt, oder zumindest ansprechbar ist. Aber die Kombination aus Tränen und Fluchtinstinkt vor mir bremst meinen Enthusiasmus.“ „Nicht nur deinen“, lächelte Youji schräg. Er stand da völlig auf Schuldigs Seite, denn einem hilflosen, weinenden Ran etwas zu tun, stellte sich hier nicht zur Debatte. „Aber er kann so nicht da liegen bleiben, er muss wieder zu sich kommen und da nützt es nichts, ihn in Watte zu packen.“ Wovon Youji nicht sprach, war Grausamkeit, egal in welcher Hinsicht. Schuldig schwieg für lange Momente, dachte… an… „…mir fällt ein, dass er etwas Ähnliches schon einmal hatte. Als wir von unserem Urlaub zurückgekommen sind, habe ich ihn zum Grab seiner Eltern und seiner Schwester gefahren. Ich dachte es wäre an der Zeit, dass er sie besucht, mit dem Hintergedanken, dass wir nicht wissen konnten, was uns in Tokyo erwartete und er sie vielleicht zum letzten Mal besuchen würde. Er war geschockt von meiner… zweifelhaften Überraschung. Ich war schon soweit, dass ich dachte, besser wir würden wieder zurückfahren. Aber er hat es hinbekommen und ging zur Gedenkstätte seiner Familie. Ich hab ihn nicht alleine gehen lassen und wartete in Sichtweite. Er… kam nicht. Es war kalt und er kam einfach nicht. Also entschloss ich mich zu ihm zu gehen. Er saß einfach nur da. Ich konnte eine telepathische Verbindung aufbauen, was seltsam genug war und mir sagte, wie mitgenommen er war. Ich hab ihn zurückgeholt.“ Vorboten des Sturms… „Du konntest in seine Gedanken eindringen, einfach so?“ Das war doch ein Hoffnungsschimmer, den Youji vorher nicht gesehen hatte. Wenn Schuldig Zugriff auf Ayas Gedanken hatte, dann konnte er ihm auch so helfen. Zumindest konnte er unterstützend tätig werden. „Kannst du jetzt zu ihm durchdringen und ihn ein weiteres Mal zurückholen?“ Schuldig schnippte die Zigarette über die Brüstung, drehte sich um und warf im Gehen Kudou einen müden Blick zu. Er hatte vor in die Küche zu gehen. „Nein. Nicht im jetzigen Zustand. Seine Blockade ist zu hoch. Das gewaltsame Eindringen in seinen Geist kommt einer zerstörenden Vergewaltigung gleich. Jedes gewaltsame geistige Eindringen ist eine Vergewaltigung.“ Schuldig ließ den Blonden stehen und betrat die Wohnung, steuerte das Bier an. Youji blieb noch einen Moment länger draußen stehen und zog an den letzten Resten seiner Zigarette. Schuldig hatte Recht mit dem, was er sagte. Doch ob diese Selbsterkenntnis nun Hohn oder Erleuchtung war, mochte Youji nicht entscheiden. Vielleicht war sie ja wirklich beides. Er kam schließlich zurück zu Schuldig. „Dann werde ich mich um ihn kümmern und ihn zurückholen.“ Schuldig ließ den Reißverschluss seiner Jacke nach oben gleiten bis unters Kinn, zog sich die Handschuhe über die neben dem Sixpack lagen und sah Kudou währenddessen ununterbrochen an. „Du kannst ihn ficken“, sagte er langsam. „Du kannst dich von ihm ficken lassen. Aber falls das alles nichts bringen sollte, bist du morgen weg. Ich will nichts davon wissen, was zwischen euch gelaufen ist. Ich wills nicht mal im Ansatz wissen.“ Ansonsten würde er Kudou wohl umbringen. Er ging an diesem vorbei, mitsamt dem Bier und reichte ihm ein Mobiltelefon weiter. „Hier. Das gehört ihm. Meine Nummer ist die letzte. Ruf an wenn es etwas gibt, ich bin unten am Pier.“ Er konnte nicht in der Wohnung bleiben während er wusste, dass Ran nicht nach ihm rief und nicht ihn wollte sondern den Blonden. Er wollte den Kerl nicht in seinem Bett und nicht an Ran haben. Eine bessere Wahlmöglichkeit hatte er nicht. Aber es blieb ihm die Wahl, wie er die Sache durchstand. Ran brauchte ihn nicht, wozu sollte er hier bleiben? „Die Waffen sind auf der Galerie, die Alarmanlage ist aus. Falls du anrufst, geht der Anruf zunächst an Nagis Rechner, der leitet den Anruf um und an mich weiter. Sonst noch Fragen?“ Schuldig stand abwartend im Flur. Nein, Youji hatte keine Fragen mehr… nicht wirklich, schließlich hatte Schuldig jeden einzelnen Punkt abgedeckt, zu dem er hätte Fragen stellen können. Mit Ran schlafen? Sich von ihm ficken lassen? „Soweit alles klar“, sagte Youji nachdenklich und betrachtete sich den anderen. Was zeigte ihm mehr als dieses hier, wie sehr Schuldig an Ran hing und wie weit er gehen wollte, dass es seinem Partner gut ging. Er wollte mehr sagen, wusste aber nicht, wie er es in Worte fassen sollte. Schuldig ging den Flur hinunter, samt seiner sechs gut verpackten Freunde und verließ die Wohnung. Er hatte das Gefühl als würde ihm der Brustkorb zusammengequetscht werden und als würde das tiefe Luftholen, das er einleitete als er die Treppen hinabging nicht wirklich Besserung bringen. Im Erdgeschoss begegnete er der älteren Frau die mit ihrem Mann das Apartment ganz unten hatte und er grüßte sie freundlich, was sie wohlerzogen erwiderte. In den nächsten Tagen sollte eine kleine Kennenlernfeier stattfinden, denn alle fünf Parteien waren hier neu in diesem ehemaligen Fabrikgebäude eingezogen. Die Wohnungen waren verschwenderisch großzügig geschnitten. Bis auf eine Wohnung waren alle relativ schnell verkauft gewesen. Schuldig schlenderte über den Parkplatz hinunter und ging dort die befestigte Uferstraße entlang. Youji brauchte währenddessen etwas, um zurück zu Ran in das stille Schlafzimmer zu gehen. Er wusste nicht wirklich, wie er mit dem rothaarigen Japaner umgehen sollte, doch er hatte eine Idee. Eine leise Ahnung, nicht mehr, nicht weniger. „Hey Ran… erkennst du mich?“, fragte er die weinende Gestalt auf dem Bett, die eben dies nicht tat. Sie erkannte ihn nicht, so setzte er sich auf die weiche Matratze und legte sich ganz langsam, ganz vorsichtig zu Ran. Erst nur gegenüber, sodass der andere ihn erkennen konnte, wenn er dazu in der Lage war, dann jedoch stellte er den ersten Körperkontakt her, berührte Ran am Arm. Wie zuvor auch wich dieser der Berührung aus, wich zurück, alles mit Tränen in den Augen, die Youjis Inneres beinahe zerrissen. „Ganz ruhig. Ich bin es, Youji… hörst du, Youji. Niemand anderes… Youji…“, sagte er leise, sanft in seinen Tönen und umfasste Ran stärker, als dieser begann, sich zu wehren. Und… zu wimmern. Das war das Letzte, was Youji aus dem Mund des anderen hören wollte… das allerletzte. „Shht, alles in Ordnung, Ran, ich bin bei dir.“ Der körperliche Widerstand gegen seine Berührungen, seine Nähe wurde intensiver, verzweifelter, hatte jedoch letzten Endes gegen Youji keinerlei Chancen, da dieser sich schlussendlich auf Ran legte, ihn mit seinen Armen fesselte und dessen verzweifeltes Gesicht an seine Brust presste… den rothaarigen Mann ganz vereinnahmend. „Youji, ich bin Youji“, sagte er immer und immer wieder, unablässig wie ein Mantra, eine Beschwörung, ein Gebet. „Du bist Ran… du bist bei mir und du bist in Sicherheit, hörst du mich?“ Nicht, dass es Ran ruhiger machte… er konnte sich nur einfach nicht wehren und seine leisen Schreie wurden durch Youjis Pullover erstickt. Doch die Reste, die zu ihm empordrangen… grausam. Schuldig hatte unterdessen ein lauschiges Plätzchen für sich gefunden und saß auf einer Mauer, ein wenig geschützt vom Wind der über die Bucht zu ihm drang. Die erste Dose gab zischend den Startschuss für ein gepflegtes Besäufnis. Allerdings würde es nicht derart ausarten, leider, denn Alkohol beeinflusste seine Fähigkeiten immens und er konnte es sich in der jetzigen Situation nicht leisten, dem Alkohol zu sehr zu frönen. Ran wäre hilflos, er selbst besoffen und… ihr Schutz würde dann einzig und allein dem Schnüffler obliegen. Nein, danke. Youji vermutete, dass Ran heiser war, als die Lautstärke der Schreie abnahm. Er ließ seine Hand um den Hinterkopf des anderen weniger starr ruhen, weniger fest, doch immer noch bestimmend, immer noch mit den Worten auf den Lippen, dass er Youji war, dass er bei Ran war… Doch als die Laute schließlich gänzlich stoppten und wieder nur die Tränen übrig blieben, die nach und nach versiegten, hatte Youji die leise Ahnung, dass es etwas gebracht hatte und dass Ran ihm langsam glaubte… so sehr, wie er ihm eben glauben konnte. „Ran, rede mit mir, rede mit Youji, ich bitte dich. Rede mit deinem Beschützer.“ Pathetisch, aber wahr, denn Ran hatte danach verlangt, nach ihm verlangt und nun akzeptierte er ihn auch. „Ran, erinnerst du dich an mich? An unser erstes Zusammentreffen?“, fing er an, aus der Vergangenheit zu erzählen, als Ran ruhig wurde. Von diesem Drama nichts wissend, aber durchaus etwas ahnend begann Schuldig sich gedanklich treiben zu lassen. Er achtete jedoch penibel darauf, nicht in Kudous Kopf herum zu stöbern. Er wollte nicht wissen was die beiden machten. Und er hatte Angst zu lesen wie es Ran ging. „Oder erinnerst du dich an deine ersten Tage bei Weiß? Die ersten Wochen?“, fragte Youji weiter, als er ihr erstes Zusammentreffen abgehandelt hatte. Schritt für Schritt ging er ihre Erinnerungen ab, schöne, schreckliche, lustvolle, grausame und erzählte Ran ihre Vergangenheit, immer unterbrochen von dem Mantra, dass er Youji war und dass Ran, Ran war. Immer… Und schließlich zeigte es Wirkung, wirkliche Wirkung. Ran schloss die Augen, ruhig in seinen Armen, öffnete sie wieder. Ein erstes ‚Lebenszeichen’. Was Schuldig allmählich abhanden kam. Das Leben. Es war nämlich kalt. Saukalt, aber er wollte nicht gehen. Er wollte weder irgendwohin fahren, noch in die Wohnung zurückkehren. Er hatte bereits daran gedacht ins Blind Kiss zu fahren und sich da bei Kim und Toshi einzuquartieren, aber die Idee dann doch verworfen. Vermutlich lag es an dem sehr schlechten Gewissen, das er hatte und das sehr schwer auf ihm lastete. Dabei hatte er sich doch einmal hoch gerühmt so etwas wie ein schlechtes Gewissen nicht einmal im Ansatz zu kennen. Tja, so konnte es einem Bösewicht gehen, der sich in einen der Guten verknallt hatte. Dumm gelaufen. Schön blöd… Ein mageres Lächeln tauchte auf seinem Gesicht auf wurde aber sofort von einem Schluck Bier gelöscht. „Ran… erinnerst du dich, wie du Schuldig kennen gelernt hast? Wie ihr euch näher gekommen seid?“ Ja, auch das riss Youji an, wusste er doch, dass es immens wichtig war, dass Ran sich an den Gedanken, Schuldig in seiner Nähe zu haben, gewöhnte. Ein Zucken war die einzige Antwort darauf. Vielleicht aber auch die richtige. „Du liebst Schuldig, mehr als mich, ihr seid seit in paar Monaten ein Paar… geradezu exorbitant glücklich. Schlimm ist das, Ran!“ Youji lächelte und strich dem anderen über die Wange und dieses Mal wehrte sich Ran nicht dagegen. „Verstehst du mich… verstehst du, was ich sage?“, fragte Youji und zog Ran an sich… enger als vorher. Sein Freund sagte nichts, aber wurde weich, anschmiegsam… der Durchbruch? Schuldig hatte seinen Platz am Wasser verlassen und streifte durch die Gegend. Mittlerweile waren vier Stunden vergangen. Oder waren es… drei gewesen? Er hatte keine Ahnung, er wusste nur, dass er mittlerweile vom schlechten Gewissen zur Selbstanklage übergegangen war. Er war ein Feigling. Er hätte das selbst regeln müssen mit Ran und den Schnüffler erst gar nicht herholen sollen. So wurde das nie etwas mit dem…-für-Ran-Dasein Partner. Er hatte sich schändlichst aus dem Staub gemacht. Mit Bier. Das hatte er unten am Wasser stehen lassen. Stunden, in denen auch Youji nicht untätig gewesen war, in denen er Ran seine Beziehung mit Schuldig erklärte und alles, Detail für Detail, abging. Zumindest das, was er wusste. Er ließ nichts aus, wollte die unangenehmen Seiten gar nicht auslassen… denn sie gehörten mit dazu. „Schuldig hat sich für dich verändert… er ist nicht mehr grausam, zumindest nicht mehr auf die gleiche Art wie vorher. Und er liebt dich, macht alles für dich. Gerade jetzt ist er nicht da… hat mir angeboten, mit dir zu schlafen… aber das willst du nicht, nicht wahr? Du willst Schuldig. Und eigentlich willst du auch, dass er hier ist und dich in den Arm nimmt, dass er bei dir ist… er und ich. Wir lieben dich beide, Ran, jeder auf seine Art und Weise.“ Was er dem anderen nicht alles für einen Unsinn auftischte. Nötigen Unsinn, wie Youji aber für sich feststellte. Wo war Schuldig jetzt überhaupt? Noch unten am Pier? Oder war er hoffentlich schon auf dem Weg nach oben, dass Youji seine Theorie austesten konnte? Nein, Schuldig war gut einen Kilometer entfernt. Er stand gerade vor einem Schaufenster und besah sich den neuesten ausgestellten Schnickschnack was das mobile Telefonieren anging. Gleich daneben, die neueste Welt der Spielekonsolen samt zugehöriger Spiele. Davon ließ er sich einfangen und vertrieb sich die kalte Zeit. Er hatte sich schon längst seine Mütze hervorgekramt und seine Haare daruntergesteckt. Ihm war kalt und er fühlte sich beschissen. Ran hatte in der Zwischenzeit ermattet seine Augen geschlossen und war eingeschlafen, zumindest kündigte das seine gleichmäßige und tiefe Atmung an… doch es war kein ruhiger Schlaf, ganz im Gegenteil. Auch wenn er sich zumindest in Ansätzen beruhigt hatte. Youji griff in seine Hosentasche und wählte die besagte Nummer, wartete auf das Freizeichen und darauf, dass Schuldig abnahm. Der Vibrationsalarm riss Schuldig aus seiner Betrachtung und er zog das Mobiltelefon aus seiner Gesäßtasche. Ein flüchtiger Blick auf die Uhr bevor er abnahm. Es war kurz nach fünf Uhr. Die Nummer zeigte an, dass sie über Nagis Rechner lief. Entweder es war Nagi oder es war der Schnüffler. „Ja.“ Schuldig wandte sich von dem Schaufenster ab und machte sich wieder auf den Weg. „Er schläft jetzt, hat sich beruhigt. Ich würde vorschlagen, dass du zurückkommst und wir austesten, wie er auf dich reagiert.“ Ohne Umschweife, eine sachliche Darstellung der Lage. „Gut.“ Die Antwort kam müde, leise, mit rauer Stimme. Selbst in Schuldigs Ohren war sie lasch, doch er legte auf, steckte das Mobiltelefon ein und begann einen nicht zu schnellen Lauf in Richtung Wohnung. Als er das Treppenhaus betrat und das dunkle Treppenhaus hinaufging wurden seine Schritte jedoch weniger enthusiastisch. Schweren Herzens öffnete er die Tür und schloss sie hinter sich leise. Die Wohnung lag im Dunkeln. Es war still. Er zog sich die Mütze vom Kopf und warf sie auf die schwarze Ledercouch, die hier im Vorraum zum Sitzen einlud. Er zog sich die Stiefel aus und schlüpfte aus der Jacke. Youji löste sich währenddessen langsam von Ran und öffnete leise die Tür. Im Dunkeln erkannte er Schuldigs Umrisse, aber nicht nur daran wusste er, dass es wirklich der Telepath war. Banshee umstrich freudig miauend die Beine ihres Herrchens. Im Türrahmen stehend, verschränkte er die Arme vor seiner Brust und beobachtete Schuldig. Dieser hatte ihren Teenager bemerkt und strich ihr über den Kopf, dann kam er zu Kudou, den er bereits bemerkt hatte und der augenscheinlich auf ihn wartete. „Warum sollten wir ihn nicht schlafen lassen und stattdessen austesten wie er auf mich reagiert?“, wiederholte er die Worte des anderen am Telefon. „Vielleicht sogar die bessere Möglichkeit, wenn der Schlaf ihm gut tut.“ Was augenblicklich nicht der Fall zu sein schien, als die schlafende Gestalt auf dem Bett die Stirn runzelte und sich ein leiser Laut des Entsetzens den trockenen Lippen entrang. Doch es steigerte sich nicht in einen deutlichen Alptraum, sondern schien zunächst eine Ausnahmeerscheinung zu sein, so unterließ es Youji, sich zu Ran ein weiteres Mal auf das Bett zu begeben und ihn zu beruhigen. Er hatte erste Hilfe geleistet und Schuldig war zurückgetreten… er würde nicht über die Liebe des Telepathen spotten, indem er ihm ins Gesicht rieb, dass er es war, nach dem Ran rief. „Wie sieht deine weitere Planung mit ihm aus?“ Diese Frage hörte sich sehr danach an, als würde Kudou über jemanden sprechen, der nicht darüber bestimmen könnte, was mit ihm selbst geschah. Was tatsächlich so war. “Ich leg mich zu ihm.“ Schuldig sah Kudou für einen kurzen nichts sagenden Blick an, bevor er wieder zu Ran und dessen Gestalt blickte. „Er hat die Beine angezogen, das hat er in letzter Zeit nach meiner Rückkehr immer dann gemacht, wenn ich nicht bei ihm gelegen habe. Vielleicht wird er ruhiger, wenn ich mich jetzt doch zu ihm lege. Wenn nicht, dann braucht er Zeit und...“ Der Bär. Der Bär war schon einmal der Auslöser für die Rückkehr in ihre Realität. Wenn auch keine primär hoffnungsvolle. Aber wo war die Nervensäge mit den Knopfaugen? Wenn er Glück hatte, dann hatte Banshee den Stoffbären nicht in ihre Krallen bekommen. Schuldig ließ Kudou stehen und durchquerte das Schlafzimmer um in das Ankleidezimmer zu gehen. So wie er Ran kannte hatte er die Nervensäge mit den treudoofen Knopfaugen sorgfältig verräumt. Schuldig begann die Regale zu durchforsten. Youji folgte Schuldig mit einem nachdenklichen Blick auf Aya leise und besah sich den anderen Mann, wie er etwas suchte. Was auch immer… Youji wusste nicht genau, ob Schuldigs Plan aufgehen würde, doch er hoffte, dass der rothaarige Mann sich an seine Vergangenheit mit dem Schwarz erinnerte, zumindest so weit, dass er sich nicht gegen Schuldig wehrte. „Was, wenn er sich nicht beruhigt?“ Schuldigs Hände befanden sich noch zwischen zwei Shirts, als er sich zu dem Blonden umwandte, von dem er die Umrisse im Türrahmen im Gegenlicht des Schlafzimmers ausmachen konnte. „Woher soll ich das wissen? Sehe ich aus als wäre ich Hellseher?“ Langsam begann der andere mit seinen Fragen zu nerven. „Nein, aber Telepath.“ Youji schwieg für einen Moment. „Ich will, dass es ihm besser geht… bald besser geht.“ Deswegen wollte er sich möglichst genau über Schuldigs weiteres Vorgehen informieren. „Und ich nicht, was?“, bemerkte Schuldig zynisch und er wandte sich wieder der Suche zu. Seine Hände tasteten abgegriffenen Cord und danach sogleich Teddystoff. Darauf hätte er auch gleich kommen können… Er zog den Stoffbären hervor und betrachtete ihn für einen Moment bevor er zu Kudou ging und an ihm vorbei. „Was haben meine Fähigkeiten damit zu tun, dass ich weiß was ich tue wenn er nicht nach unserer Zeitvorgabe zurück zu sich findet? Ich werde ihm die Zeit lassen, die er braucht. Und wenn es länger dauert, dann dauert es eben länger.“ „Und was gedenkst du zu tun, wenn euch diese unbekannte Gruppierung angreift, er aber nicht Herr seiner Sinne ist oder sich richtig wehren kann?“ Youji spürte Schuldigs Anspannung nur zu deutlich und die unterschwellige Aggressivität, die damit einher kam. „Deine Fähigkeiten haben insofern etwas damit zu tun, dass du auf ihn einwirken könntest, wenn er dich schließlich in seine Gedanken lässt.“ Youji wartete einen Moment lang, bevor er Schuldig durch den stillen Raum folgte. „Ja, und erst dann werde ich ihm damit helfen können. Aber die Wahrscheinlichkeit ist nicht sehr hoch, dass ich dort reinkomme. Es sei denn ich ficke ihn, während er so drauf ist wie jetzt und dann habe ich vielleicht Glück.“ Schuldig setzte sich aufs Bett neben Ran und zog sich die Socken aus. Er sah abfällig zu dem Blonden hoch. „Ich habe keine Ahnung was ich machen werde. Geht das in dein Spatzenhirn rein?“ Er erhob sich und ging um das Bett herum. „Im Übrigen kann ich auch jemanden ohne telepathische Fähigkeiten töten. Ich bin durchaus in der Lage dazu. Ich kann ihn beschützen, falls du das wissen willst. Und deine dämlichen Fragen halten mich davon ab, das zu tun was ihm vielleicht helfen könnte.“ „Du hast dich selbst davon abgehalten, etwas zu tun, was ihm helfen könnte, als du dich mit einem Sixpack Bier nach draußen verzogen hast“, kam es beißend aus Youjis Mund zurück. Er hatte Unrecht gehabt… es war keine latente Gereiztheit, nein, sie war offensichtlich. Youji beobachtete, wie Ran das veränderte Gewicht auf der Matratze auch im Schlaf wahrnahm und unruhig wurde, bevor er die Augen aufschlug… die immer noch leeren, nichts sagenden Augen, die weder ihn noch Schuldig aktiv erkannten. Schuldigs Hand führte den Bären zu Ran und bettete diesen in dessen Hand, bevor er sich wieder erhob und zu Kudou kam. „Gut. Dann mach du das, wenn du mehr Ahnung hast. Er braucht dich. Hat er ja nur zu deutlich kundgetan. Ich will eurem Glück nicht im Wege stehen.“ Schuldig ging an Kudou vorbei Richtung Badezimmer und schloss die Tür hinter sich, verschloss sie und ging zum Waschbecken. Seine Hand zitterte als er das Wasser aufdrehte und sich das Gesicht damit benetzte. Er konnte jetzt keine Vorwürfe ertragen. Davon mal abgesehen, dass er sie nie ertragen konnte, aber jetzt taten sie ihm mehr als weh. Youji rollte mit den Augen und schnaubte abwertend. „Unserem Glück im Weg stehen. Arschloch.“ Als wenn Schuldig nicht genau wüsste, wem Rans Herz gehörte. Er kniete sich vor das Bett, sodass Ran ihm in die Augen sehen konnte, wenn er wollte… konnte. Youji sah, wie sich die schlanken Finger des Jüngeren um den Bären schlangen, nachdem sie ihn betastet hatten. „Das ist sein Bär, Ran. Schuldigs Bär… den hattest du schon einmal bei dir. Weißt du noch, damals?“ Damals, als deine Schwester gestorben ist. Doch das sagte Youji nicht noch einmal. Tränen traten in Rans Augen und Youji strich ihm sanft über die Wange, strich ihm eine der langen Strähnen zurück. „Lass ihn an dich heran, Ran… er will dir helfen…“ Der verhinderte Helfer löste sich von seinem Anker - das Waschbecken - und trocknete sich Hände und Gesicht ab, beobachte sich dabei im Spiegel. Er musste Ruhe bewahren. Ran zuliebe. Wenn es nur nicht so schwer wäre die provozierenden Worte des Schnüfflers außen vor zu lassen. Ohnehin machte er sich schon genug Vorwürfe und schimpfte sich einen Feigling - auch ohne Anschuldigungen von außen. Er war einfach nicht fähig gewesen mitanzusehen wie Kudou sich zu Ran legte und ihn umarmte, ihm das gab, was Ran von Schuldig nicht wollte. Deshalb hatte er die Wohnung verlassen müssen. Noch in Gedanken versunken verließ Schuldig das Bad, nachdem er sich erfrischt hatte, und soweit bereit war, dass er Ran und dessen Tränen begegnen konnte und vor allem Kudous anklagenden Augen. Drecksack. Schuldig kam wieder ins Schlafzimmer, blieb vor dem Bett stehen. „Verschwinde und nimm das Gästebett oben auf der Galerie“, seine Stimme war genauso ausdruckslos wie sein Gesicht. Zwei hellbraune Augenbrauen schossen zweifelnd in die Höhe, als sie Schuldigs Worte wahrnahmen. Verschwinden und doch hier bleiben? Na da war jemand aber sehr über seinen Schatten gesprungen. Eine Bewegung aus dem Augenwinkel lenkte seine Aufmerksamkeit kurzfristig auf Ran, der den Bären langsam zu sich heranzog und… daran roch. Zumindest bewegten sich die Nasenflügel des Mannes, als er an dem verfilzten Plüsch roch. „Du wirst mich rufen, wenn es Komplikationen gibt“, erwiderte Youji und erhob sich, sah Schuldig fest in die Augen. Er ging an dem Deutschen vorbei, Richtung Flur. „Verpiss dich endlich“, wisperte Schuldig drehte sich aber nicht um, sondern gab der Tür einen sanften Schubs, sodass sie zwar in Richtung Türschloss glitt aber doch noch offen war. Er wollte Banshee die Möglichkeit geben herein zu kommen. Schuldig hatte mit dem Schließen der Tür dem Raum zwischen ihnen, der so unendlich groß erschien mehr Intimität verliehen. Er ging um das Bett herum und nahm die gleiche Haltung wie Kudou ein. Er kniete sich vor das Bett. Dann, nach einer Weile, in der er Ran betrachtet hatte, dessen von Verzweiflung zerstörtem Gesicht, legte er seine Hand nahe an Rans und strich mit dem Daumen über dessen Innenfläche der Hand. Mit leichtem Druck, versichernd und ruhig. Die ihn verdeckende Tür bekam einen Mittelfinger, bevor sich Youji das Gästebett suchte… auf der Galerie. Er hatte zwar weder Sachen zum Schlafen dabei noch zum Frischmachen, doch was tat man nicht alles für Ran? Falls es wieder Komplikationen geben würde, wäre er da. Ran war währenddessen weniger aktiv als Youji. Er war zurückgezuckt anhand der Berührung, weil sie allem widersprach, was in ihm wirbelte und ihm das Denken unmöglich machte. Doch Gedankenfetzen schwammen an die Oberfläche, blieben einen Moment haften und ließen ihn ein paar Dinge erkennen – den Bären, vertrauten Geruch… Wohltat anstelle von Leid. Schuldigs Kopf sank auf das Bett und er ließ sich auf die Seite gleiten, saß nunmehr auf dem Boden. Er fasste Rans Hand vorsichtig und hielt sie in seiner geborgen, während er die Augen schloss und seinen Geist treiben ließ. Ob das was bringen würde, wusste er natürlich nicht und er würde auch nicht versuchen die hohe Festung, die um Rans Geist aufgebaut war - und die sich vor ihm auftürmte wie ein Bollwerk - anzugreifen. „Blumenkind… komm zurück zu mir“, sagte er leise. Blumenkind… Blumenkind… Etwas schwirrte Aya in seinem Gedankenwirrwarr nach oben, ein Gesicht, eine Bezeichnung, ein Wort… Hass, Freude, Vertrautheit… Er blinzelte. „Blumen…kind…“, wiederholte er langsam für sich und eine Verbindung tauchte in seinem Hirn auf. „Schuldig…“ Ein Name, eine Bezeichnung… Klarheit, die sich auf leisen Sohlen anbahnte. Banshee kam in diesem Moment angespurtet und hopste auf die Decke, tapste leichtfüßig zu Ran und um dessen Kopf herum, schnupperte an dessen Stirn. „Ich bin hier, Blumenkind.“ Zwar war er keine Katze aber vielleicht half Banshee ganz gut mit. Entweder um ihn komplett zu verwirren oder um ihn zu beruhigen. Das Kitzeln auf seiner Haut schreckte Aya hoch, doch nicht so sehr, um die ihn selbst schützende Panik auszulösen. Er kannte auch diese Berührung, diesen Geruch, der ihn einen weiteren Namen denken ließ. „Banshee…“ Leise, beinahe unhörbar, doch er wusste, dass er Recht hatte… Seine Hand entließ den Teddy und kroch in Richtung Stirn, erfühlte, was er vermutet hatte, während seine andere Hand menschliche Nähe spürte. Sie waren zu dritt. Banshees Schnurrhaare taxierten Rans Haut, ihr Kopf hob und senkte sich tastend. „Sie hat gestern Abend wieder einmal ein kleines Bad in der Toilette genommen. Du hättest diesen Blick sehen sollen und das dazugehörige nasse Fell.“ Schuldig lächelte und strich mit dem Daumen über Rans Handgelenk. Laute formten sich zu Worten, Worte zu Sätzen, Sätze zum Verständnis. Aya schluchzte leise auf, als ihm bewusst wurde, dass die Stimme jenem Mann gehörte, den er liebte. Seine Hand griff in einer überrumpelnden Welle des Begreifens, in einem kurzen Aufflackern seines Kurzzeitgedächtnisses nach Schuldigs und klammerte sich an ihr fest… ganz fest, bevor dieser Funken an Erkennen wieder verschwinden konnte. Schuldig hob den Kopf leicht an und auch Rans Hand, legte die Innenseite an seine Wange und ließ Ran fühlen. Seine Haare strichen über die Hand. „Shht, ist gut, wir sind alle da und du bist nicht allein.“ Das war etwas… das war genau das auf das Schuldig so verzweifelt gewartet hatte. Dieses Zeichen, dass Ran ihn nicht ablehnte. Die Erleichterung darüber trieb ihm die Tränen in die Augen, die jedoch nur als dünner Tränenfilm sichtbar wurden und die er zurückdrängen konnte. Ebenso den lästigen Kloß im Hals. „Schuldig…“ Der Wust an ungeordneten Eindrücken wurde schlimmer, chaotischer, undurchdringlicher, so als wäre es ein letztes Aufbeben seines geschundenen Geistes vor der Klarheit. Doch ein kleines Bündel an Emotionen für Schuldig hatte sich zusammengerafft und ließ ihn nun die Stärke aufbringen, seine Augen zu heben, sich in Schuldigs festzukrallen. „Hilf mir…“ Rans Blick hatte sich gefestigt und er war so roh, so hilfesuchend, dass Schuldig einen Moment brauchte um seine Stimme wieder zu finden. Er überlegte einen Moment, ob das gut war… und dann erhob er sich und legte sich aufs Bett, nahe an Ran war er ohnehin schon, doch Ran hatte seine Beine schutzsuchend an sich gezogen und war immer noch wie eine kleine Kugel unter der Decke zusammengerollt. Zärtlich strich Schuldig ihm über den Hinterkopf, strich über die Haare. „Ich bin hier und ich bleibe hier. Keine Angst. Lass dich fallen und... ich fange dich auf... Ran.“ Die körperliche Berührung war schlimmer als jede Folter in diesem Moment für Aya, viel schlimmer. In seinem Innersten schrie und tobte es, wollte sich mit Gewalt seinen Weg nach draußen bahnen, sich durch Fleisch graben und reißen, wo es nicht ging. Geistiger Schmerz entlud sich in körperlichen, ließ Aya seine Augen starr zusammenpressen und seine Lippen zu einem gequälten Schrei öffnen, der heiser zwischen ihnen hervordrang. Er klammerte sich an Schuldig, bis seine Finger von der Wucht seiner eigenen Verzweiflung schmerzten und starr wurden. So funktionierte das nicht, dachte Schuldig plötzlich, als er bemerkte dass Ran innerlich zerrissen wurde. „Wehr dich gegen mich Ran. Hör auf, dich dagegen zu stellen, es kann nichts passieren“, wisperte er in Rans Ohr. „Unterdrücke nichts… schrei, tob…“ Er zog Ran näher an sich heran, provozierte eine Eskalation. Banshee hatte sich wohlweißlich verdrückt. Die Eskalation näherte sich leise, aber abrupt, bis sie zum tosenden Orkan wurde und Aya jegliche Kontrolle über sich selbst verlor. Was er tat, wie laut er schrie, was er dem anderen Mann antat, wusste er nicht, denn die Wucht seiner Emotionen überrollte ihn just in dem Moment, in dem Schuldig mit ihm gesprochen hatte, ihm die Befreiung gegeben hatte. Rans Körper war derart angespannt, dass Schuldig die Muskeln wie Stahl unter seinen Händen spüren konnte. Nach dem ersten Schlag kippte er leicht nach hinten und wäre beinahe vom Bett gefallen, wenn er sich nicht an Ran geklammert hätte um ihn ein wenig im Zaum zu halten. Während Ran schrie und tobte, keuchte und stöhnte Schuldig unter der Wucht. Ran zu bändigen war schwierig genug, denn Ran wehrte sich als ginge es um sein Leben. Unkontrolliert … und das war gut so, das war Schuldigs einziger Vorteil. Trotzdem wurde ihm das Knie in den Unterbrauch gerammt bevor er es seitlich unter sich bringen und Ran einkesseln konnte. Ein Schlag mit der Faust gegen die Schläfe knockte ihn für Sekunden aus in denen er aufs Bett glitt und nur marginal spürte wie Ran sich weiter wehrte. Er spürte die Schläge für Augenblicke nicht. Das hielt Aya nicht davon ab, weiterhin um sich zu schlagen, noch nicht zu verstehen, dass Schuldig ihn momentan nicht aufhalten konnte in seinem Drang, alles heraus zu lassen. Doch plötzlich waren da Arme, Hände, die ihn festhielten, die ihn von Schuldig wegzogen und auf die Matratze pressten. „Hör auf, das ist SCHULDIG!“, schrie Youji, aufgeschreckt durch Ayas Schreie und Schuldigs Stöhnen… natürlich hatte er zunächst gedacht, dass Schuldig seinem Partner etwas antun wollte… doch er wurde beinahe augenblicklich eines besseren belehrt, als er Schuldig wehrlos auf dem Bett liegen sah, blutend. „Komm zu dir, RAN! Verdammt noch mal!“ „Lass ihn…“, stöhnte Schuldig und rollte sich zur Seite. „ Er …“ seine Hand ging zu seinem Kopf und er spürte das Hämmern darin. Ran hatte einen ordentlichen Wumms drauf. Das hatte er ganz vergessen. „…soll sich austoben. Er… braucht es.“ Scheiße, hämmerte das. Youji entkam mit Müh und Not den nach ihm schnappenden Zähnen packte Ayas Kinn, presste seinen Kopf daran gegen die Matratze. „Bist du bescheuert? Er wird dich umbringen, wenn du so weiter machst!“, zischte Youji und warf sich auf Ran, stillte ihn damit größtenteils. „Wird er nicht. Ich bin immer noch stärker als… er“, murmelte Schuldig und fühlte etwas seine Wange kitzeln. Ran hatte ihm die Haut aufgerissen und als er hinfasste, fühlte es sich nass an. Er brauchte nicht hinzusehen um zu erkennen, dass es Blut war. Eine kleine Platzwunde… „So dramatisch ist das nun auch wieder nicht, Blondie.“ Schuldig setzte sich auf. „Er richtet die Gewalt nicht auf sich, das ist gut, Kudou. Wenn wir das unterdrücken, richtet er die Gewalt irgendwann auf sich und das hat er bereits begonnen. Er hält das auf Dauer nicht durch.“ Schuldig beeilte sich so schnell er konnte und so schnell sein Schwindel es zuließ, Rans Beine zu halten. „Und was gedenkst du zu tun? Ihn toben zu lassen, dich dabei verprügeln zu lassen? Klar bist du stärker als er, aber er ist unkontrolliert wütend… und sieh dir an, wie du aussiehst!“ Feurige, violette Augen trafen ihn mit ihrer vollen Wucht, ihrem vollen Hass. Jedoch ohne Erkennen… einfach mit Wut. „Du blutest, dir ist schwindelig…“, schnaufte Youji. „Scharfsinnig. Sehr scharfsinnig.“ Schuldig hatte die Beine unter seine Flanke gebracht und hielt Ran mit einem Hebelgriff in Schach. „Er kann nicht ewig so weitermachen. Er wird sich erschöpfen und zwar vor uns. Ich will ihm kein Beruhigungsmittel geben. Das hat das erste Mal auch nichts genützt. Er muss da durch.“ Ran atmete noch, er verletzte sich nicht selbst. Das war gut. „Ich… will das nicht…“, kam es leise und verzweifelt von eben jenem Mann, der aufschluchzte und sich aufbäumte, was in einem Wutschrei endete. Neben der Trauer, neben dem Beinahewahnsinn stand die bodenlose Wut… Wut, die sich monate- nein jahrelang aufgestaut hatte. Wut auf ALLES! Auf Schuldig, dessen angeblichen Tod, Wut auf seine Schwester, Wut auf sein Leben... „Wir sind bei dir, Ran… du bist nicht alleine!“, erwiderte Youji scharf. „Er wird müder“, keuchte Schuldig und sie boten Ran Widerstand, den dieser zu brauchen schien. „Falls es nicht funktioniert… gibt es nur noch eine Option.“ Ayas Rücken bog sich unter der Wucht durch, mit der er versuchte, die beiden Männer abzuschütteln und sich seine Freiheit zu erkämpfen… doch weder Schuldig noch Youji ließen ihn. „Was für eine Option?“, grollte Youji. „Jei.“ Jei würde Ran ruhiger bekommen, ohne große Probleme, ohne ihn zu überfallen, sondern schleichend und unbemerkt. Eine Möglichkeit, an die Youji nicht wirklich gedacht hatte, die aber mehr als nahe lag. „Mit Jei würdest du ihn genauso beeinflussen wie mit Beruhigungsmitteln und es würde sich wieder in ihm aufstauen.“ Die Muskeln unter seinen Händen wurden weicher, nachgiebiger, Rans Atem wurde schwerer. Der andere Mann war erschöpft, das merkte man. Welch eine Weisheit, die da aus dem Munde des Blonden tropfte, hämte Schuldig in Gedanken. „In gewisser Weise. Allerdings hat es dir zum Teil auch geholfen. Jei beherrscht Techniken, die auch etwas mit Verarbeitung zu tun haben. Er kann ihn soweit beeinflussen, dass Ran mich reinlässt… allerdings ist es mir lieber, er tobt sich aus.“ Er wiederholte sich nur. „In Ordnung… dann soll er sich austoben…“ Ein letzter, zweifelnder Blick auf Schuldig und Youji brachte sich mit einem uneleganten Satz aus dem Bett in Sicherheit, hinterließ einen für den Moment geschockten Ran, dass er plötzlich frei war und einen Schuldig, der genau drei Sekunden Zeit hatte, um sich eben diese Situation zunutze zu machen. Er war auf den Boden gefallen und sah nun von dort aus zu Schuldig hoch. Soviel zum Teamwork. Schuldig musste Rans Beine frei geben um sich nach oben zu begeben und dessen Arme festzupinnen. Er hockte auf dessen Unterbauch, so trafen Rans Knie wenn er diese anhob nur marginal an seinen Rücken. „Ich dachte du hättest Mitleid mit mir armen geplagten Mann.“ „Habe ich… nur wenn er sich austoben soll, dann kann er es nicht, wenn wir ihn beide festsetzen. Außerdem… das letzte Mal, als er derart danach verlangt hat, Gewalt auszuüben, habe ich ihn solange gefickt, bis er nicht mehr konnte – das ist jetzt deine Aufgabe, nicht mehr meine.“ Dennoch blieb Youji in der Nähe, um eventuell einzugreifen, wenn Ran zum letzten Stoß ansetzte… zum letzten Aufbäumen. „Das mag sein, Schlaukopf. Wenn er danach verlangt. Aber jetzt… jetzt will er es nicht und egal was ich jetzt tue, ich würde ihn vergewaltigen. Und DAS ist nicht meine Aufgabe, kapiert?“ Schuldig schrie die letzten beiden Sätze fast schon außer sich. „DAS nicht!“, fügte er wieder und wieder an, bis die Worte leiser wurden. „Das nicht…“ „Das weiß ich“, sagte Youji in die Aufregung des anderen hinein. Trotz allem Misstrauen, trotz aller Ablehnung wusste er eines… dass Schuldig Ran niemals auf diese Art und Weise wehtun würde. Auch sonst nicht.. „Du liebst ihn“, sagte er schlicht. Aya war währenddessen anhand der lauten Worte zusammengezuckt und ruhiger geworden… erschöpfter. „Hilf mir…“, bat er Schuldig in einem klaren Moment erneut… sah er doch genau in dessen grüne, verzweifelte Augen. „Ja.“ Schuldig antwortete Ran, er ließ dessen Hände frei und legte sich mit dem Oberkörper auf ihn, zog ihn so nahe an sich, dass Rans Kopf an seiner Brust lag. Er drehte sich auf die Seite und fesselte Rans einen Arm auf dessen Rücken. Der andere Arm war ohnehin bewegungseingeschränkt durch Rans eigenen Körper, da dieser auf der Seite lag. Ein Bein hatte Schuldig zwischen Rans gefädelt. „Ich helfe dir.“ Ganz gegensätzlich zu seinem Aufbäumen presste Aya seine Stirn an Schuldigs Brust, akzeptierte dessen Gewalt ihm gegenüber, die Dominanz, die Schuldig zeigte. Er zitterte am ganzen Körper unter der Wucht seines inneren Kampfes. Youji erhob sich lautlos und sah auf die beiden hinab, wusste, dass es Schuldig schaffen würde und dass alles, was jetzt kam, zwischen den beiden passieren musste. Er hatte seinen Teil geleistet. Es sei denn… „Brauchst du mich noch?“, fragte er leise an Schuldig gerichtet. "Leg dich hin, nimm dir, was du brauchst", sagte Schuldig abgekämpft, hielt Ran aber immer noch unnachgiebig. "Aber lass das Spielzeug von Banshee in Ruhe", setzte er freundlicherweise hinzu. Schuldigs Wange kam auf Rans Kopf zu liegen. Rans Kleidung war nass geschwitzt und Schuldig fühlte das Zittern des anderen. „Ich denke nicht, dass ich derlei Spielzeug jetzt gebrauchen könnte…“ Youji seufzte mit einem letzten Blick auf die Beiden, besonders auf Ran und hoffte, dass es nun ruhiger werden würde. Er drehte sich erschöpft um und verließ das Zimmer, lehnte die Tür hinter sich an. Schuldig würde das schaffen, da war er sich sicher. Aya war unterdessen erschöpft durch seinen langen Kampf gegen sein Innerstes, gegen die Emotionen, die ihn gefangen gehalten hatten. Er wusste in Ansätzen, dass Schuldig bei ihm war, er konnte ausmachen, dass der Telepath bei ihm war, doch sein Verstand weigerte sich noch, auf den anderen mit etwas anderem als Gewalt zu reagieren. Sein Körper schmerzte, auch das nahm er erst jetzt wahr, seine rechte Schulter besonders… was auch daran liegen mochte, dass er seinen rechten Arm nicht bewegen konnte. Als Schuldig so da lag, fiel ihm der Bär auf, der sehr weit abseits am oberen Bettende lag. Verlassen und verloren. „Jetzt ist der nervige Knopfaugentyp da hinten ganz allein. Magst du ihn denn nicht mehr, hmm?“ Schuldig sprach leise und dennoch mit einer sanft liebevollen Note. Jemand Fremdes? Ein letzter Rest an Widerstand bäumte sich in Aya auf, ließ ihn seine Muskeln, in einem von vorneherein, verlorenen Kampf anspannen. „Niemand… Fremdes…“, veräußerte er gepresst, nicht verstehend, was Schuldig meinte. Oh Man. Ran war völlig daneben. „Den kennst du schon. Der ist braun und hat dunkle Knopfaugen und ein Fell. Ah, und du hast ihn schon einmal genäht mit ein paar Stichen. Er ist ganz weich und gerade mal zwei Hand groß.“ Momente lang herrschte Stille zwischen ihnen beiden, dann entspannte sich Aya in Schuldigs Griff. Der Bär. Der Teddy… Er hatte ihn genäht… ja, er erinnerte sich. Aya klammerte sich auch an dieses Stück Erinnerung, aus Angst, es zu verlieren. „Magst du ihn haben, Ran?“, fragte Schuldig und seine Lippen strichen zärtlich über die klamme Stirn, die sich etwas von seiner Brust gelöst hatte. „Ja…“ Er wollte das Stück Erinnerung. Schuldigs Berührung, die kurz zuvor noch Panik in Aya ausgelöst hatte, beruhigte ihn nun… zum gewissen Teil. Er konnte seinen rechten Arm immer noch nicht bewegen… er musste ihn sich verstaucht haben. Es dauerte ein paar Augenblicke bis Schuldig sich sicher sein konnte, Rans Arm loszulassen und diesen sanft und vor allem vorsichtig nach vorne in eine physiologische Haltung zu bringen. Er strich über die malträtierten Stellen und drehte sich dann langsam mit Ran herum, sodass sie einmal herumrollten und er näher am Bär war. Mit seiner freien Hand hangelte er nach dem Bären und schmiegte ihn Ran an die Wange, bevor er ihn zwischen sie legte und Rans Hand hin führte. „Hier ist er. Der Knopfaugentyp.“ Violette Augen suchten aktiv, was ihnen angepriesen wurde und sahen den Bären, den er mit einem Mal anfassen konnte… mit beiden Armen. Schuldig hielt ihn immer noch, dessen war er sich bewusst, doch es machte ihm nichts aus… nicht mehr so viel wie am Anfang. Wann auch immer der Anfang gewesen war… er konnte sich nicht daran erinnern. Er konnte sich an gar nichts aktiv erinnern… „Schuldig…“ „Ich bin hier, Kirschchen“, sagte er halb lachend und der Kloß in Schuldigs Hals war wie auf Knopfdruck wieder da, als Ran seinen Namen sagte. „Wie fühlst du dich? Kannst du mir das sagen?“ Die Frage überforderte Aya… bei weitem. Fühlen? Er fühlte das Chaos, die Verzweiflung, das Durcheinander. Er fühlte alles und nichts… er fühlte sich nicht mehr. „Ich weiß nicht… ich… weiß nicht…“ Unruhe kam in Aya auf. Er wusste wieder etwas nicht, wie seine Erinnerungen… sie würden verschwinden, alles würde verschwinden, er würde verschwinden… Gerade das erkannte auch Schuldig. Die Frage war von ihm zu früh gestellt worden. „Es ist alles… durcheinander, nicht? Und… du hast das Gefühl es wird nie mehr in Ordnung kommen, hmmm?“ Er begann Ran ein wenig zu wiegen ihm das Gefühl für sich selbst zu geben in dem er über seinen verschwitzten Rücken strich. „Du bist hier und du wirst hier bleiben. Und ich werde auch hier bleiben. Bei dir. Du wirst dich nicht verlieren, weil wir… wir sind doch verbunden! Weißt du das nicht mehr? Du kannst dich nicht verlieren, weil wir verbunden sind, Ran.“ Das wiederholte er leise und beschwörend. Ran musste ruhiger werden. Durch die durcheinander wirbelnden Eindrücke vernahm Aya Schuldigs Worte, deren Sinn ihn beruhigte… ihn besänftigte, zumindest zum Teil. Er war nicht mehr alleine, er hatte Hilfe, er wurde umsorgt. Schuldig half ihm, nicht zu vergessen, niemals zu vergessen, niemals Schuldig zu vergessen. „Ich kann nicht… denken… klar denken…“, brachte er mühevoll hervor und schloss die Augen. Wieso kostete ihn dieser eine Satz soviel Kraft? „Ich… will nicht… will dich nicht… loslassen… verbunden.“ „Das kannst du gar nicht, weil ich dich festhalte. Ganz fest. Du weißt doch… Krake und Klette, hmm? Deine Krakenarme klammern sich an mich.“ Schuldigs Lippen lagen an Rans Stirn und fuhren sanft darüber. Ayas Augen fokussierten sich auf Schuldig, auf dessen Haut, jedoch noch nicht auf die Augen. „Ich… bin dein… Krake…“, stellte er für sich fest. Er wusste es noch. „… und du bist… mein Zackelschaf.“ „Hmpf. Und ich mag diese Betitelung immer noch nicht“, lächelte Schuldig und seine Finger strichen über Rans Lippen. „Aber… weißt du was es morgen zum Essen gibt? Extra für dich? Einen Kuchen… einen tollen Apfelstrudel, mit Sahne und dazu eine heiße Schokolade!“ „Ja… das ist gut… das… schmeckt.“ Ayas Lippen betteten sich an Schuldigs Haut, spürten die Wärme dort. Ruhe floss in sein Wesen, langsam aber stetig. „Vor allem aber ist es extrem süß.“ Schuldig redete noch mehr von diesem belanglosem Zeug, bis er Rans gleichmäßig ruhigen Atem hörte und dessen Brustkorb sich ruhig hob und senkte. Rans Gesicht wirkte entspannt in dem Dämmerlicht. Irgendwann danach hörte Schuldig auf zu reden und glitt selbst in einen oberflächlichen Schlaf hinüber, eine Art Wachschlaf. Als er aufwachte, hielt er Ran immer noch in der gleichen Haltung. Er bemerkte, dass es Zeit wurde dem Ruf der Natur zu folgen und löste sich sanft von dem noch Schlafenden. Mit einem verhaltenen Gähnen rutschte er vom Bett und schlich sich auf leisen Sohlen zur Schlafzimmertür. Er öffnete die Tür weiter und ließ den hellen Spalt größer werden sodass er hinaus schlüpfen konnte. Dabei fiel der helle Strahl auf Rans Gesicht, der auf dem Rücken lag. Es war vom Weinen rot und geschwollen. Im Badezimmer bot sich ihm, ein nicht wirklich ansprechendes Gesicht im Spiegel. Das Areal unter der aufgeplatzten Haut war angeschwollen und das ausgetretene Blut verschmiert. Nachdem er dringenderen Dingen nachgekommen war begann er damit sich zu säubern und die Wundränder abzutupfen. Danach kroch er in die Dusche, wusch sich die Haare und achtete darauf etwas mehr Duschgel und Shampoo zu benutzen. Ebenso verfuhr er mit dem After Shave nach dem Rasieren. Zu viel war zwar auch nicht gerade gut, aber er wollte, dass Ran ihn riechen konnte, damit er im Schlaf Sicherheit fühlte. Ein Blick auf die Uhr verriet Schuldig, dass er eine dreiviertel Stunde dafür gebraucht hatte und dass es bereits Mittag war. Er verließ das Badezimmer in Richtung Küche und holte eine Flasche Wasser samt zwei Gläsern heraus. Kudou war nicht in Sicht, er hatte sich am morgen verdrückt, nachdem er einen Kontrollblick ins Schlafzimmer geworfen hatte. Während er für Banshee das Futter richtete… scheinbar hatte Kudou das Frühstück für ihren Katzenteenie schon serviert, wie er sah… füllte er seinen eigenen Wasservorrat auf. Vermutlich war Banshee ihm solange auf den Geist gegangen bis Kudou sich schweren Herzens von seinem Lager erhoben hatte. Das lockte doch glatt ein kleines gemeines und zufriedenes Lächeln auf Schuldigs Gesicht. Mit einem Glas und einer frischen Flasche Wasser bewaffnet trat er wieder seinen Weg ins Schlafzimmer an. Dort angekommen setzte er sich zu Ran und strich ihm eine zeitlang über den Hinterkopf und über den Rücken, die Hoffnung hegend ihn damit einigermaßen sanft wach zu bekommen. Vor allem wollte er so auch herausfinden wie Ran nach einigen Stunden ruhigem Schlaf emotional drauf war. „Hey… Blumenkind. Hast du Durst? Trink etwas, hmm was meinst du?“ Er rechnete nicht damit, dass Ran wirklich adäquat wach werden würde, aber vielleicht brachte er ihn dazu ein paar Schlucke zu trinken und vielleicht konnte er ihm die verschwitzten Kleidungsstücke ausziehen. Fortsetzung folgt... Vielen Dank für‘s Lesen. Bis zum nächsten Mal! Gadreel & Coco Diese und unsere anderen Geschichten findet ihr auch unter http://gadreel-coco.livejournal.com Viel Spaß beim Stöbern! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)