Der Glasgarten von Gadreel_Coco ================================================================================ Kapitel 108: Erzengel --------------------- ~ Erzengel ~ o~ Ayas Schlaf war unruhig gewesen, sehr sogar. Immer wieder war er zwischendurch aufgewacht, schier hochgeschreckt. Ihm war heiß und er schwitzte, kein Wunder, stellte er fest, da er seine Sachen noch trug. Sich in die Senkrechte kämpfend, entledigte er sich seiner Kleidung und pfefferte sie im Halbschlaf in eine Ecke des Raumes, nahm ebenso benommen wahr, dass noch jemand mit ihm im Bett lag. Schuldig. Erleichterung durchströmte ihn warm. Crawford. Crawford Aya konnte sich keinen Reim auf die Anwesenheit des Amerikaners in ihrem Bett machen, wenngleich er das Gefühl hatte, dass er es sollte. Demnach war es aber egal. Sich wieder auf die nun kühlen Laken fallen lassend, glitt er zurück in den Schlaf, nun in einen sehr tiefen Schlaf. Lange Zeit wurde er nicht wach, vielmehr glitt er in die aktive Traumphase, träumte von Dächern, weit über der Stadt, von Dämonen und Blut, sehr viel Blut. Er war das Blut, er floss, floss den Beton hinunter, die Stufen, das Dach. Er lief über den Abgrund… nein… er fiel, er fiel gen Abgrund, weil Schuldig… Schuldig hieß er, der Dämon, ihn hinuntergestoßen hatte. Grüne Augen folgten ihm in seinem stummen Fall und er streckte blutige Arme aus, um gehalten zu werden, doch er wurde fallengelassen und Schmerz explodierte in seinem Rücken, in seiner Seite, in seinem ganzen Körper, als… Keuchend kam Aya zu sich, tauchte aus dem Traum auf und fand sich auf dem Boden wieder, die Augen schreckensgeweitet, den Blick für einen Moment wild, bevor er in Ansätzen zur Ruhe kam. Er war nicht tot. Er war nicht mehr auf dem Parkdeck. Er war in Sicherheit. Sicherheit. Sein Blick hastete zum Bett. Schuldig. Crawford. Schuldig hatte den Abgang mitverfolgt, als er aus seinem leichten Schlaf hinüber zu Ran gegriffen hatte, dieser jedoch zu schnell über die Kante gerutscht war. Er beugte sich hinüber zu Rans Seite und streckte seine Hand aus um Ran an der Schulter zu berühren. „Komm wieder rein, es ist alles gut“, wisperte Schuldig und strich Ran sanft über den Hals. Im Raum war es sehr dunkel, nur Brads tiefe Atemzüge zeugten davon, dass dieser schlief. Rans Atemzüge jedoch hasteten wie getriebene Pferde von dessen Lippen und Schuldig schob sich weiter über das Bett zu Ran, dessen Haare völlig zerzaust waren und dessen Blick deutliche Angst zeigte. „Kommst du zu mir, hmm? Soll ich dir helfen“ Schuldigs Stimme war vom Schlaf rau und schuldbewusst leise. Sicherheit… Aya atmete tief ein und beruhigte seine schnelle Atmung mit reiner Willenskraft und eisigem Kalkül. Denk nach, denk ruhig und gelassen nach. Du kannst das, du musst nur analysieren, was passiert ist. Aya stöhnte frustriert auf und raufte sich die Haare, als nun tatsächlich Ruhe und damit auch Wut auf sich selbst Einzug hielt. Sein Blick traf Schuldigs und er versuchte sich erfolgreich an einem Lächeln, während er Schuldigs Hand nahm und sie mit einem Kuss bedecken wollte, als ihm der Baumwollhandschuh auffiel. Doch alles nacheinander. Den Handschuh mit einem leichten Kuss bedenkend, kroch er zurück ins Bett, zurück zu… den beiden. Ein langer Blick zu Crawford erfolgte, bevor er sich wieder an Schuldigs Seite bettete und sich züchtig bedeckte. „Wobei helfen? Sieht eher so aus, als müsste ich dir bei etwas helfen… deinen Händen zum Beispiel.“ Die Haare mussten herhalten um den Frust abzubauen, wie Schuldig mit einem kleinen verträumten Lächeln bemerkte. Schuldig umfasste Rans Mitte, sobald dieser wieder im Bett war, zog ihn von der Bettkante in seine Richtung und an sich heran, bis er spürte, dass er an Brads Flanke mit seinem Ellbogen stieß. Spätestens jetzt war dieser auch wach und stellte sich nurmehr schlafend. „Meine Hände sind in Ordnung“, murmelte Schuldig an Rans Oberarm mit seinen Lippen gebettet und schloss die Augen, den Duft der Haut einatmend. Die vertraute Intimität - selbst mit Brad - lullte ihn ein. „Sind sie nicht, du trägst Baumwollhandschuhe. Was da drunter ist, möchte ich gar nicht erst wissen“, grimmte er leise und zupfte an Schuldigs Unterarm, um näher an die Hände heran zu kommen. Also hatte er gestern doch richtig gerochen. Es war viel Blut gewesen, das er da gerochen hatte. Ayas Blick kroch über die schlafende Gestalt des Amerikaners, dessen Gesicht ihnen abgewandt lag, als könne dieser ihm Aufschluss darüber geben, was passiert war. Konnte er sicherlich, die Frage war nur, ob er es wollte. Es war komisch, Crawford hier zu sehen, komisch, weil es so bekannt war. Fast glaubte Aya, den warmen Körper des Orakels noch an sich zu spüren, der ihn damals gewärmt hatte. Doch jetzt sah er entspannt aus in der weiten, schwarzen Schlafhose, die er trug, mit der Decke, die ihm bis zu den Hüften hinab gerutscht war. „Lass, darunter sind Verbände“, quengelte Schuldig und schob seine Hand aus Rans zupfender Neugierde über dessen festen Bauch um sie dort ruhen zu lassen. „Ich habe die Scheiben zertrümmert, wie werden meine Hände wohl dann aussehen“, meinte er lapidar und verzog gleichgültig die Lippen. Die rechte, der beiden roten Augenbrauen schoss anhand von Schuldigs Worten in die Höhe und kurze Zeit später folgte ihr auch die linke. „Du hast WAS?“, fragte er entsetzt. „Wieso?“ Seine eigene Hand strich Schuldig über das Gesicht, die Haare, als müsse er sich versichern, dass noch alles dran und heil war. Wieso…, meckerte Schuldig in Gedanken. Die Fragen aller Fragen. „Ich dachte, das hättest du mitbekommen… die Scherben liegen immer noch im Wohnzimmer verstreut“, wich er etwas dem Kern der Frage aus. Aya war gnadenlos, was Schuldigs Ausweichen seiner Frage anging. „Das habe ich gesehen, ja. Aber ich weiß nicht, warum du die Scheiben zerschlagen hast.“ Vorsichtig befühlte Aya die Hand, die auf seinem Bauch lag und tastete, ob sie warm war. „Geht das auch etwas leiser“, fragte Brad im Halbschlaf und ein Seufzer war zu hören. Schuldig machte große Augen ob dieses neuen noch nie gehörten Geräusches und lächelte wie ein Kind, das etwas ausgeheckt hatte. „Geht“, flüsterte er und zwinkerte Ran zu. Dann jedoch wurde er wieder ernster und sein Blick verlor sich für lange Augenblicke in den Schatten des Zimmers, bevor er flüsternd antwortete. „Ich weiß auch nicht, da war so viel Durcheinander in mir. Ich fühlte mich ungerecht behandelt und dann wusste ich, dass ich dir etwas Schreckliches angetan hatte und wollte mich bestrafen. Ich dachte, du könntest es ohnehin nicht und… naja so in etwa eben. Fensterscheiben sind früher oft ein Opfer bestimmter Ausbrüche bei mir geworden. Deshalb waren die in der alten Wohnung auch aus Spezialglas, wie du gut genug weißt.“ Schließlich hatte Ran mit Sicherheit den einen oder anderen Fluchtversuch gestartet. Säuerlich traf Ayas Blick auf Schuldig. „Ja, weiß ich sehr gut. Die Feldstudie, die ich an deinen Fenstern durchgeführt habe, war – wie soll ich sagen – sehr ausführlich“, wisperte Aya zurück. Er war schließlich verzweifelt gewesen, damals. Damals. Aya platzierte einen sanften, zärtlichen Kuss auf Schuldigs Stirn, auf die Nasenspitze und dann auf die Lippen. Soviel Zeit musste sein. Für etwas anderes war die Zeit allerdings genauso reif; und zwar, dass sich die linke Hand des rothaarigen Japaners unheilvoll hob, sich der Zeigefinger aus dem Fingerreigen herauskristallisierte und mit einer Zielsicherheit sondergleichen auf Crawfords ungeschützte Seite traf. Man hätte meinen können, dass Aya Crawford kitzeln wollte. Blitzschnell zog sich das impertinente Subjekt jedoch wieder zurück und versteckte sich bei Schuldig. Schuldig dagegen schmuste mit seinen Lippen über Rans Wange. „Hör auf ihn zu ärgern. Das krieg nur wieder ich ab“, maulte er, dabei stahl sich seine Hand an Rans empfindliche Seite und opferte zwei seiner angeschlagenen Finger um Ran seinerseits nun zu kitzeln. Noch bevor Ran ausbüchsen konnte und um ein wildes unnützes Herumzucken zu vermeiden legte sich Schuldig halb auf ihn und stellte seine Kitzelattacke ein. Ein Grollen ertönte unter Schuldig und Aya versuchte nun seinerseits, Schuldig zu kitzeln, was nun aber in einem Schaukeln ausartete, von dem das ganze Bett ergriffen war und das Crawford sicherlich wach machte. „Ich ärgere ihn nicht, das warst doch du!“, grinste Aya von unter Schuldig teuflisch. Oh ja, die Rache des Amerikaners war gewiss und Schuldig verga゚ vielleicht für einen Moment, was gestern geschehen war. Oder dieser dachte da an weitere Ohrfeigen… „Das glaubt er dir eh nicht, vergiss es. Ich würde ihn nie stören beim Schlafen!“, behauptete Schuldig flüsternd und glaubte sogar damit Recht zu haben. Brad schlafen zu sehen war etwas …nun es hatte Seltenheitswert für ihn. „Jetzt sei still“, murrte er und sah Ran schmollend an. Die Anklage „Du bist gemein“ war deutlich in seinen Augen zu lesen. Aya verschloss demonstrativ seine Lippen, während in seinen Augen der eindeutige Schalk stand, der durchaus als gemein zu bezeichnen war. Allerdings hielt er sich ruhig, machte keine weiteren Anstalten, den Amerikaner oder Schuldig oder beide zu triezen. Es war das erste Mal, dass sie zu dritt in einem Bett lagen. Während Schuldig als tot gegolten hatte, hatte sich Aya das oft gewünscht, sehr oft sogar. Nun hatte er das, was er wollte und entgegen der Eifersucht, entgegen der Wut auf Schuldig und Crawford, die er vor zwei Tagen innegehabt hatte, war er nun ruhig und genoss die Persönlichkeiten, die hier aufeinandertrafen. Seltsam. „Tu nicht so als hättest du Ausdauer im Schweigen“, meinte Schuldig gelassen und streckte Ran die Zungenspitze langsam heraus, bevor er sich halb mit seinem Haupt auf diesen bettete und eines seiner Beine zwischen Rans schob. Die Decke wurde von ihm hochgezogen und seine Hände umschlangen den schlanken Körper. Er machte genießende Geräusche und küsste eine besonders weiche Hautstelle am Hals, als er nach oben blickte. „Zumindest mehr als du“, erwiderte Aya und musste trotz allem lächeln. Schuldig hatte seine Angst ihm gegenüber aufgegeben, wie es schien. Gleichzeitig waren die Arme und Hände jedoch eine wirksame und sanfte Fessel um ihn von weiterem Schabernack abzuhalten, der Crawford aufwecken könnte. „Nicht so laut… er könnte aufwachen“, reagierte er auf Schuldigs genießenden Laut und lachte leise. „Er ist schon wach, er tut nur so, als ob er schläft“, wisperte Schuldig und schloss ebenfalls die Augen. Sein Ohr lag auf Rans Brust und er hörte den ruhigen Atemzügen ein paar Minuten zu. „Es tut mir Leid. Alles.“ Er wollte jetzt nicht darüber reden. Nicht jetzt. Doch er fürchtete, dass Ran nicht locker lassen würde. Aber vielleicht hatte er ja Glück und Ran verschob die Standpauke bis später - wenn Brad nicht mehr anwesend war. Das Glück war Schuldig hold, zumindest dieses Mal, denn Aya hatte Gnade mit ihm. Seine Lippen gruben sich in die weichen Haare des Telepathen und bedachten sie mit einem sachten Kuss. „Ich weiß“, erwiderte er leise. „Mir tut es auch leid, dass ich dich dazu gebracht habe.“ Seltsam, dass es Aya gar nichts ausmachte, dass Crawford in diesem Moment zuhörte. Wirklich nichts. Es war… wie normal. So wirklich hörte Brad allerdings nicht zu, nur die Intonation der Worte hörte er und empfand sie im grünen Bereich, deshalb interessierte ihn das Gespräch nicht mehr, als es sonst getan hätte - also gar nicht. Schuldig dagegen lächelte erleichtert ob der Worte Rans und kuschelte sich noch mehr an, kroch schier in Ran hinein. Er schloss die Augen und ließ sich treiben. Aufstehen stand noch nicht zur Diskussion. o~ Aya war gerädert. Nicht so gerädert wie zuvor, aber gerädert. Gemeinsam hatten sie die Wohnung aufgeräumt, hatten alle Spuren des Exzesses getilgt. Fast alle, denn die Scheiben würden erst in drei Tagen eingesetzt sein. Wie gut, dass es Sommer war. Wie gut. Schuldig hatte die letzten Stunden über jegliche Gelegenheit genutzt, ihm aus dem Weg zu gehen, einem Gespräch andere Tätigkeiten vorzuziehen, war es nun das Aufräumen oder das Staubwischen oder das Glasscherben aus der Couch puhlen oder oder oder... doch nun war die ganze Wohnung blitzblank und der Telepath würde wenig Gelegenheit haben, ihm zu entkommen. Aya richtete sich auf und ließ seinen Rücken durchknacksen, sah sich nach Schuldig um, der ebenso schwer wie er auch am Arbeiten war. Die letzten Scherben aus der Couch gezogen, schloss Aya nun die Mülltüte. „Feierabend für heute.“ Schuldigs Hintern ragte gerade - gut verpackt in seine Dolce & Gabbana Jeans - in die Höhe, als er unter Rans Couch die letzten Glassplitter aufsaugte. Er stellte den Staubsauger ab und richtete sich halb auf. Er machte ein fragendes Gesicht, da er nicht die Bohne von Rans Worten verstanden hatte. Doch dieser sah mit seiner Müllsacktrophäe aus, als würde er bald die Segel streichen wollen. „Hast du was gesagt“ Mit Schuldigs Hintern zu sprechen war schon schön, aber dessen Gesicht war eindeutig schöner. Aya lächelte. „Ja, ich sagte, dass wir Feierabend für heute machen sollten, sobald hier keine Splitter mehr sind. Was meinst du Dann können wir uns gemütlich hinsetzen und reden.“ Das böse Wort, er hatte das böse Wort gesagt. Mal sehen, wie schnell Schuldig ihm davonrannte. Schuldig setzte sich auf seinen gutbekleideten Hintern und nickte. ‚Gemütlich’ und ‚Reden’ passte momentan für Schuldig nicht so gut zusammen, dennoch es blieb ihm wohl nichts anderes übrig. „Ich räum das Ungetüm hier nur schnell auf.“ Und dann konnten sie reden. Ihm grauste irgendwie davor. Er raffte sich auf und begann damit den Staubsauger zu verstauen. „In Ordnung.“ Aya machte sich daran, seine Tüte in die Küche zu tragen und dort noch eine Kanne Tee aufzusetzen. Zusätzlich dazu hatte er im Laufe des Tages, aus ihren noch vorhandenen Vorräten, kleine Häppchen geschneidert. Zumindest für ihr leibliches Wohl sollte gesorgt sein, wenn die Themen sie schon belasteten. Er holte die beiden großen Teller aus dem Kühlschrank und brachte sie ins Wohnzimmer. „Möchtest du sonst noch etwas“ „Bier!“, meldete Schuldig prompt aus dem Flur an und seufzte für sich in der Abstellkammer, stellte den Staubsauger ab und besah sich den Teil ihrer Schuhgalerie, der hier seinen Platz gefunden hatte. Sie hatten viele Schuhe, vor allem ein gut gezimmertes Sortiment an speziell auf ihre Bedürfnisse abgestimmte Stiefel. Schuldig zog eine gequälte Grimasse und verließ die Abstellkammer wieder um zu Ran zurückzukehren. Also ging Aya noch einmal zum Kühlschrank und holte für Schuldig eine Flasche Bier heraus. Wenn sich der andere damit wohler fühlte... wer war er, Schuldig dies zu verneinen Schließlich waren die Themen, die sie nun besprechen würden, schlimm genug. Der Tee war dann auch fertig und Aya ließ sich auf das nun wieder von sämtlichen Glassplittern befreite Sofa fallen, zog ihnen beiden zwei Decken heran. Es dauerte nicht lange, dann kam Banshee zu ihm, die vor ein paar Stunden von Crawford gefüttert worden war, nachdem sie ein solches Theater veranstaltet hatte, dass ihnen dreien kein Schlaf mehr gegönnt gewesen war. Interessant, wie sich der Amerikaner in ihre Lebensweise einfügte. Ein leises Miauen holte ihn aus seinen Gedanken zurück und er hob sie auf seinen Schoß, wo sie sich schnurrend anschmiegte. Mit Schuldig hingegen war es so eine Sache... Schuldig setzte sich zu Ran in seine Lieblingsecke in den Schneidersitz und beugte sich zu den Fressalien. Ein paar Teriyakispieße und ein wenig Glasnudelsalat wanderten auf seinen Teller. Als er sich häuslich und bequem eingerichtet hatte blickte er Ran erwartungsvoll an. Und begegnete erst einmal Banshees Fauchen, die Schuldig momentan weniger leiden konnte als alles andere. Doch das würde sich gegeben. Aya strich ihr beruhigend über ihr weiches Fell und gemahnte sie flüsternd zur Ruhe. „Hab ich dich jetzt vertrieben“, fragte Schuldig leise. Der rothaarige Japaner nahm die Tasse zu sich und trank einen Schluck des Tees. Seine Augen taxierten Schuldig genauestens. Daher wehte also der Wind… Schuldig war nicht schüchtern, er hatte ANGST, dass er – Aya – ihn verließ. „Wäre ich hier, wenn du mich vertrieben hättest? Hätte ich nicht noch heute die Gelegenheit genutzt um wegzugehen, wenn ich es gewollt hätte? Außerdem lag es doch in deinem Bestreben, mich zu halten… nicht mich von dir weg zu treiben, oder nicht?“ „Heute Nacht wärst du nicht weggegangen. Es sei denn, du wärst jetzt aufgestanden, hättest geduscht und wärst dann gegangen. Ich …“, Schuldig wandte den Blick von den sezierenden Augen ab, die ihn auseinanderzunehmen schienen. „…weiß nicht, ob du nicht immer noch gehst. Deine Entscheidung ist noch nicht gefallen. Und das, was ich getan habe, war nicht nach deinem Willen. Ich habe das getan, was Kitamura getan hat, um etwas zu erreichen, was Kitamura auch getan hat.“ Sein Blick ging ins Leere und seine Worte waren ebenso mit wenig Emotion gefüllt. Aya legte seine Hand um Schuldigs Kinn und zog es in seine Richtung zurück. „Du hast mich nicht vergewaltigt“, sagte er schlicht, als er Schuldigs großes Problem erkannte. Er verstand, warum Schuldig das dachte, doch er selbst dachte nicht im Leben daran, Schuldigs Vorwürfe zu teilen. Schuldig schauderte und entzog sich Ran. Er durfte nicht zulassen, dass der Kloß in seinem Hals und die Enge in seiner Brust sich entluden, wenn er länger in Rans Gesicht blickte. Wieder sah er zum Fenster hinaus. „Ich dachte… es wäre nur der Anfang… nur der Anfang wäre schwer und belastend und… später würde ich erkennen können, dass du es magst, aber…“ Er blinzelte, schluckte und setzte sich auf, dabei tief Luft holend. Ja so war es besser. Besser als wenn er heulte. Nichts da! „…aber es dauerte einfach zu lange. Erst zum Schluss hatte ich den Eindruck gewonnen, dass du es vielleicht gemocht hast. Aber… ich bin mir immer noch nicht sicher. Es hätte auch Resignation sein können. Es war immer das gleiche“, Schuldig schüttelte den Kopf und zupfte an seiner Bandage am Handgelenk herum, sah auf seine in Baumwollstoff gehüllte Hand hinab um sich abzulenken. „Am Anfang mochtest du es nicht und irgendwann hast du resigniert und dein Körper reagierte unweigerlich darauf und dann kannst du nicht mehr entkommen.“ Er verstummte und runzelte die Stirn. Das waren zwei Dinge… er… vermischte Ran… mit seiner eigenen Vergangenheit. Aber… war es nicht ebenso gewesen Ran hatte nie gesagt, dass er weiter machen sollte, irgendwann… hatte er aufgehört sich zu wehren, aber sagte dies etwas darüber aus, ob er es wollte? Und hier ging es um den freien Willen. Es spielte keine Rolle ob Ran körperlich darauf reagiert hatte, denn nur der Geist war frei. Der Körper war ihm unterjocht. Schuldig sah über diesen Gedanken mit Kummer im Gesicht auf. „Ran, ich habe dich vergewaltigt. Das lässt sich nicht weg reden.“ Aya schwieg. Jede Regung, jedes Anzeichen von sich verändernder Mimik und Gestik beobachtete er und analysierte es. Sie saßen beide auf einem Pulverfass, das in den nächsten Minuten hochgehen konnte, wenn dieses Gespräch falsch verlief. So wählte er seine Worte bewusst vorsichtig und bedacht, ließ sich nicht von seiner Wut leiten, die Schuldig am liebsten einen Kinnhaken verpasst hätte. „Als ich mir den Apfel geschnitten habe, wollte ich nicht, dass du mich anfasst. Ich wollte nicht, dass du mich fesselst und mich dominierst. Ich war wütend, weil ich wiederkam und du nicht da warst. Wütend, weil ich von eurem Kuss wusste und in dem Moment Angst hatte, dich zu verlieren. Hätte ich jedoch letzten Endes durch die Wut hinweg nicht gewollt, dass wir miteinander schlafen, dann hätte ich dir das gesagt. Mehrfach. Du glaubst doch nicht, dass ich einfach so resigniert hätte“ Es war eine dünne Linie zwischen gewaltsamen Sex und Zwang, das wusste auch Aya, doch für ihn hatte trotz allem Zwang, trotz aller Dominanz des anderen immer noch die Möglichkeit bestanden, das Ganze zu einem Halt zu bringen. Seine Augen suchten die des anderen. „Du wolltest mit deinem Handeln etwas zum Ausdruck bringen und das hast du geschafft.“ Schuldig spürte seine eigene Labilität und sah sie auch als seine Hände sich seinem Gesicht näherten und er es vor Ran verbarg. Er wischte sich über die Stirn, verzog den Mund zu einer schmerzenden Grimasse. „Ich kenne nur die Möglichkeit zu resignieren“, beantwortete er die Frage murmelnd. Er senkte die unruhigen Hände wieder. Ran… hatte verstanden was er ihm damit hatte sagen wollen Mit dieser von ihm auf den anderen ausgeübten Dominanz… „Kitamura hat dir andere Dinge angetan als du mir. Du hattest einzig und allein die Möglichkeit zu resignieren.“ Schuldig war von dem älteren Mann aus reinem Sadismus gefoltert worden… beides traf auf den gestrigen Abend nicht zu. Schuldig hatte ihn gequält, das stimmte, aber immer mit dieser einen verzweifelten Absicht dahinter, immer mit dem bindenden Charakter. Aya brauchte keine telepathischen Fähigkeiten um die Frage in Schuldigs Augen zu lesen. „Ich denke, dass du mich nicht verlassen wirst und genau das wolltest du mir damit gestern mitteilen.“ Er lächelte und strich Schuldig über die Wange. „Aber wenn du mich noch einmal fesselst, dann bringe ich dich um, hast du mich verstanden“, fügte er ruhig und ernst an, seine Augen nichtssagend. Als Schuldig geistesabwesend nickte, wie der verlorene Junge, der einen Kanten Brot gestohlen hatte und versprach das nie wieder zu tun, denn ansonsten würde er seinen Kopf an die Guillotine verlieren. „Ja, das tust du.“ Ihm war kalt. Und er wusste mit diesem letzten Satz, den Ran ihm gesagt hatte, dass er einen nicht wieder gut zu machenden Fehler begangen hatte. Rans Dominanz drückte ihn im hier und jetzt zusammen. Sein Inneres wich vor Ran zurück. Er fühlte sich nicht in der Lage diesem Blick und diesen Worten standzuhalten. Nicht mit diesem schlechten Gewissen, dass ihn plagte. Und nicht mit dem was danach geschehen war. Wiederum fing Aya Schuldigs Blick ein. „Ich will nicht, dass du meine Worte nachsprichst, sondern, dass du mir versprichst, es nie wieder zu tun. Denn das heißt, dass du aktiv in diesem Prozess drinsteckst, genauso wie ich selbst.“ Aya rückte etwas näher. „Zu dem, also zu unserer Bindung, die du mir gestern hast verdeutlichen wollen, mochte es gepasst haben, aber ich mag sie immer noch nicht und ich will nicht, dass es noch einmal dazu kommt, in Ordnung“ Im Gegensatz zu vorher waren seine Augen eindringlich. „Das heißt nicht, dass ich dir das, was gestern passiert ist, auf alle Ewigkeit vorhalten werde… nein. Ich habe verstanden, dass du mich nicht alleine lassen willst und ich bin dankbar, dass du es auf einem Weg getan hast, den ich verstanden habe. Die Unsicherheit hat mich fertig gemacht.“ „Ich verspreche, dass ich dich nie wieder fesseln werde und dass ich das nie wieder tun werde“, Schuldig nickte erneut zur Bekräftigung. Er hätte jetzt alles getan um die Scham in seinem Inneren und die Schuld Ran gegenüber zu bekämpfen. Er fühlte sich angeschlagen, kraftlos, aber der Kloß im Hals war nicht mehr ganz so drückend. „Ich habe dir schon einmal versprochen es nie wieder zu tun und… damals…“, damals hatte Ran ihm auch gesagt er würde ihn töten. War es Rans Schutz… diese Drohung „Ja, das Thema hatten wir schon einmal“, erwiderte Aya nachdenklich und sein Blick glitt auf die Couch. Er schwieg ein paar Momente lang. Doch gestern war es anders gewesen als beim ersten Mal. Beim ersten Mal war es feindliche Gewalt gewesen und negative Dominanz. Sadismus auch… und einfaches Vergessen, doch nun hatte Schuldig sich überwunden und es als Mittel für einen Beweis gebraucht. Ein Beweis, der für ihrer beider Liebe sprach. Für ihre Verbundenheit. Zumal Aya ohne Fesseln Schuldig angegriffen hätte im Zuge seiner bodenlosen, ungerechtfertigten Wut. Es war zu verzeihen… dieses eine Mal noch. Ein drittes Mal würde er eine gewaltsame Fesselung jedoch nicht mehr verzeihen. Er seufzte und warf einen Blick hinaus in den beginnenden Abend. „Bleibt jetzt nur noch der Tag danach.“ Ein bitteres Lächeln umspielte Ayas Lippen. „Ich wollte dich umbringen, was gibt es da zu besprechen, Ran“, fragte Schuldig nach, den Blick immer noch stoisch auf Ran gerichtet, die Stimme wieder gefestigter. Die Sprache kam nun zu dem beinahe geschehenen Kapitalverbrechen und Schuldig fühlte, wie sich die trügerische Kälte in seinem Inneren ausbreitete. „Du sagst es, als würde es dich gar nicht tangieren“, sagte Aya und Schmerz stand deutlich in seinen Augen. Ihn hatte das Ganze sehr wohl schockiert, sehr sogar. Er sah immer noch die Augen über sich, die funkelten, die Hand, welche zitterte und ihn fallen zu lassen drohte. Schuldigs Blick flackerte, doch er konnte sich beherrschen. „Glaubst du, dass dem so ist?“ Für ihn wog seine Tat sehr schwer und er würde sie sich nie verzeihen. Nie, egal, warum es dazu gekommen war. Für ihn gab es keine Diskussion darüber. „Ich hoffe es nicht. Aber ich will nicht, dass es zwischen uns steht, was passiert ist. Ich will, dass du dir nicht die Schuld dafür gibst. Das warst nicht du, oder zumindest doch, aber dein verzweifelter, hassender Teil.“ Dass Aya eine Weile noch damit zu kämpfen haben würde, war nur wahrscheinlich, doch er wusste, dass er es schaffen konnte, wenn er es nicht wieder in sich hineinfraß. „Darauf hast du keinen Einfluss. Das muss ich mit mir selbst ausmachen.“ Schuldig nahm einen Schluck des kühlen Bieres. Er hielt Rans Blick für einen Moment noch fest, sah dessen Unsicherheit darin und blickte wieder hinunter zu der Bierflasche, dessen Etikett bereits halb von ihm abgepuhlt war. „Und du denkst, ich bin dadurch nicht betroffen, wenn du es mit dir selbst ausmachst“, fuhr Aya auf, beruhigte sich jedoch wieder. Es brachte nichts, nun laut zu werden, zu schreien oder ähnliches. Er sah ebenso wie Schuldig auch das Etikett. Wenigstens zeugte das davon, dass Schuldig nicht gänzlich so emotionslos war, wie Aya dachte. „Was hast du in dem Moment empfunden?“ „Oh man“, rief Schuldig plötzlich genervt aus und wandte sich entsprechend ruppig von Ran ab. „Was soll das, Ran? Wie soll ich mich schon gefühlt haben? Halbwahnsinnig Gibt’s das überhaupt als Gefühl? Beschissen habe ich mich gefühlt. Oder sah ich so relaxt aus?“ Seine Hand löste sich von der Flasche und er wischte sich zitternd über das Gesicht, die Haare nach hinten. „Verdammt noch mal!“ Banshee hatte sich schon bevor Aya nun auf Schuldig losging, von seinem Schoß verabschiedet, war in Sicherheit gesprungen. Aya wiederum kam zu Schuldig, kam über ihn und riss ihn herum, kniete sich über ihn, die Augen vor Wut brennend. „Nein, das tust du NICHT, aber ich versuche die ganze Scheißsituation zu entwirren und das Beste daraus zu machen, weil ich ANGST hatte, ANGST vor DIR! VERDAMMT!“ Schuldigs mühsam aufrecht erhaltene Miene bröckelte und fiel in sich zusammen, als er in Rans Gesicht über sich blickte. Seine Augen füllten sich mit bedauernden Tränen, während er seine Hand an Rans Gesicht schlängelte und dessen Wange berührte. „Ich… weiß doch“, seine Stimme brach. „Das… das weiß ich doch, Ran.“ Sein Kopf suchte Nähe an Rans Brust, wo er seine Stirn anlehnte und die Tränen dem inneren Druck ein Ventil boten. „Ich weiß… es doch. Ich weiß es doch.“ Schuldigs Tränen waren schlimm, doch sie waren auch heilsam, denn das, was der Telepath ihm gerade gezeigt hatte, war nichts als eine Fassade gewesen. Rein gar nichts anderes. Die aggressive Haltung von gerade aufgebend, setzte sich Aya auf Schuldigs Schenkel und umarmte den anderen, umarmte ihn fest. „Ich weiß nicht mehr was ich tun soll. Ich dreh ab, flippe aus, wenn… früher war das auch so, nur… jetzt bist du in der Schusslinie. Das ist so abgedreht.“ Schuldigs Stimme verlor sich. Er hatte das Gefühl den Halt zu verlieren und mehr denn je verspürte er den Drang und den Wunsch sich in Gedanken abzuseilen. Dem Problem in sich zu entfliehen. Ran hielt ihn im Hier und Jetzt, hielt ihn in seiner Schuld. „Was hast du früher getan, wenn so etwas passiert ist Hast du dich eingeschlossen, die Leute um dich herum gemieden, was? Was können wir jetzt tun, damit es dir besser geht, Schuldig?“Rans Blick fiel auf den Ring an der Kette, den er nun schon seit beinahe anderthalb Tagen trug und nach dessen Herkunft er Schuldig schon längst hatte fragen wollen, aber bisher nie dazu gekommen war. „Was kann ich tun“ Schuldig schüttelte den Kopf, hob ihn und legte seine Wange an die weiche Struktur von Rans Oberteil. „Es ist vorbei. Ich hätte vorher weggesperrt gehört. Irgendwohin wo ich keinen Schaden anrichten kann. So etwas wie den stillen Raum, wo mich niemand hört und sieht.“ „Es ist nicht vorbei, Schuldig. Wir denken beide noch an das, was geschehen ist und daran müssen wir arbeiten.“ Aya pustete auf Schuldigs Haare und grollte leise. „Ja, aber du kannst doch nichts erzwingen, verdammt! Nur weil es von der psychologischen Seite her das Richtige wäre etwas zu verarbeiten, hei゚t das nicht, dass das sofort nach dem Ereignis am nächsten Tag sein muss. Warum bist du so penetrant und versessen darauf? Du kannst das nicht ‚mal schnell regeln’. Gib mir doch einfach Zeit.“ Schuldig verstand nicht, warum Ran ihn so drängte. Aya schob sich etwas von Schuldig ab und betrachtete den anderen für einen Moment schweigend. „Ich bin so versessen darauf, weil ich gesehen habe, was passiert, wenn man es aufschiebt“, erwiderte er ruhig und ließ sich nun neben Schuldig auf die Couch sacken. Er hatte gesehen, was er sich selbst antat, wenn er Dinge in die letzte Ecke seines Bewusstseins schob. „Aber ich kann und will dich nicht zwingen. Wenn du nicht darüber sprechen möchtest, dann reden wir über etwas anderes. Diesen Ring hier zum Beispiel.“ Schuldig zog die Beine an und schlang seine Arme darum, das Bier nach wie vor in der Hand. Er ignorierte die Frage nach dem Schmuckstück wohlweislich. „Was willst du denn von mir hören? Dass es mir leid tut? Klar tut es das. Doch das zu sagen macht diese Tat nicht ungeschehen, oder leichter für dich. Es nimmt dir auch nicht die Unsicherheit oder Angst oder das Misstrauen mir gegenüber. Was also soll ich sagen zur Verarbeitung des Ganzen? Ich wei゚ nicht, was ich sagen soll.“ Ja, was genau brauchte Aya? Er wusste es selbst nicht so ganz genau. Das Einzige, was er mit Sicherheit sagen konnte, war, dass es nicht unausgesprochen zwischen ihnen stehen bleiben konnte. Außerdem... was sollte er Soziopath, der noch nie gut in zwischenmenschlichen Dingen gewesen war, schon einen völlig ausgereiften Plan haben, wie sie die Sache angingen Aya seufzte schwer. „Ich habe absolut keine Ahnung“, gestand er nun laut ein und starrte auf die untergehende Sonne. Schuldig hatte das Kinn auf seine Knie gelegt und hob nun den Kopf und wandte sein Gesicht Ran zu. „Wie soll ich dann eine haben“, fragte Schuldig leise. „Ich weiß überhaupt nicht, was ich jetzt tun soll. Das ist, als würden wir wieder von vorne anfangen“, murmelte er und beugte sich vor um die Flasche abzustellen. „Dann lass uns doch von vorne anfangen“, erwiderte Aya recht hilflos und bedachte Schuldig mit einem Seitenblick. Er zuckte mit den Schultern. „Du hast mir gezeigt, dass du mich nicht verlassen wirst und du hast mir Angst eingejagt... ich weiß nicht, was ich daraus machen soll. Jetzt noch nicht. Vielleicht nie.“ „Warum willst du dann von mir genau dieses Wissen erzwingen? Ich weiß auch nicht, was ich daraus machen soll.“ In gewisser Weise wusste er es schon, aber es endete wohl wie so vieles in einer Sackgasse. Schuldig schwieg betreten. Er fühlte sich nach wie vor scheiße. Sogar fremd in Rans Nähe. Er hatte Angst ihn zu berühren, ihn direkt anzublicken, ihm in die Augen zu sehen. Er schämte sich. Und diese Scham, die aus der Schuld geboren war ließ sich nicht mit ein bisschen Reden wieder auslöschen. Die Resignation in Schuldigs Stimme ließ Aya schweigen. „Wir waren beide verzweifelt die letzten Wochen über. Es ist verständlich, dass du dich entschlossen hast, eben jenes Mittel der ultimativen Bindung und des Vertrauens zu nutzen… was dich nicht davor retten wird, für die nächsten beiden Monate das Bad zu putzen“, sprach der liebevolle Geschäftsmann aus Aya. Schuldig sah auf, beinahe hoffnungsvoll, aber nur beinahe. Seine Mundwinkel zuckten. Seine Augenbraue ebenfalls. „Zwei volle Monate“, versuchte er den Fassungslosen zu spielen. Es gelang ihm nicht ganz, denn die Erleichterung war ihm anzuhören und anzusehen. Er sank förmlich in sich zusammen. Die Angst aus Schuldigs Augen war verschwunden… Das sah Aya erst jetzt, als er die entspannteren Züge des Mannes vor sich bemerkte. Er hatte ihm gedroht, ihn zu töten, seinen Partner zu töten, wenn er ihm noch einmal Angst machte und Erinnerungen hochkommen ließ, die für Aya immer noch ein Trauma waren. Youji hatte ihm nicht nur einmal das Wort Soziopath an den Kopf geworfen und Aya hatte es damals angenommen. Damals war er für sich alleine gewesen, nicht zu zweit. Damals war er überzeugt davon, niemanden nahe genug an sich herankommen zu lassen, dass er sich verletzlich zeigen würde. Doch Schuldig hatte ihn verletzlich gemacht und das nicht ausgenutzt. Was also hatte da aus ihm heraus gesprochen Der Soziopath. Aya seufzte. Er hatte seine Drohung ernst gemeint, das wusste er. Doch war sie überhaupt verhältnismäßig Gab es nicht noch andere Wege „Du klingst erleichtert. Dir reichen also zwei Monate nicht Du kannst auch das ganze nächste Jahr übernehmen“, erwiderte Aya schließlich stirnrunzelnd. Zeit, sie beide aus den dunklen Gedanken heraus zu lösen. Auch mit dieser „Strafe“ wäre Schuldig zufrieden gewesen, aber wenn er dies zeigte, dann würde Ran vielleicht noch etwas anderes Unangenehmes einfallen. Aber… er konnte nicht anders als erleichtert sein. Sein Gesicht spiegelte nun einmal viel zu oft viel zu viel seines Innenlebens wider. Er schüttelte den Kopf, brachte aber ein Lächeln zustande. „Das ist schlimm genug.“ Sein Kopf fühlte sich nach dieser emotionalen Anstrengung leicht und schwerelos beinahe an. Sein Körper dagegen schwer und müde. Die vergangenen zwei Tage waren schlimmer als nach einem Auftrag für ihn gewesen. Jetzt, da die Angst von ihm fiel, leuchteten seine Augen schier und in seinem Bauch kribbelte es vor Aufregung, dass Ran nicht mehr ganz so böse auf ihn war. Dass er bei ihm bleiben würde. Der Dämpfer, der dem Ganzen aufsaß und ihm sagte, dass Ran ihm nicht vertraute, da er diese Drohung nicht ausgesprochen hätte, diesen Dämpfer schob er beiseite. Der Mull aus seinem Verband war stellenweise aufgedröselt und die weißen Flusen hatten sich auf die Couch verteilt, aber er konnte seine Hände nicht ruhig liegen lassen, aus dem einfachen Grund, dass sie nicht liegenbleiben würden. „Komm her… ich möchte dich umarmen“, sagte Aya, aber anstelle schließlich zu warten, kroch er selbst zu Schuldig und zog den Telepathen zu sich. Schuldig hatte ihm Verbundenheit versprochen mit seinem gestrigen Handeln, also würde Aya die auch einfordern. „Ich hätte gestern nicht wütend sein sollen… ich hätte dir vertrauen sollen“, murmelte er an die Halsbeuge Schuldigs und seufzte. Schuldig nickte, bettete seine Wange an Rans Haar. Hatte Ran das schon einmal so gesagt? Dass er ihn umarmen wollte? So bewusst? So direkt? Schuldigs Dämme brachen und seine Arme legten sich mit den dazugehörigen zitternden Händen um Ran und er klammerte Ran an sich. Er war glücklich und er bemerkte nicht, wie ihm Tränen in die Augen traten. Welch ein Kontrast zu Schuldigs gestrigem Verhalten… es zeigte wie nichts zuvor die Verzweiflung, die den anderen erfasst hatte. Aya bemerkte die Tränen sehr wohl, kommentierte sie aber nicht. Er barg Schuldig an seinem Körper und seine Wange fand ihren Weg auf Schuldigs Haar und bettete sich zur Ruhe dort. So schwiegen sie einige Zeit, bis Aya durch eine Bewegung an seinem Hals darauf aufmerksam wurde, was er noch vergessen hatte. Aya nahm langsam den Ring ab, samt Kette ab, der um seinen Hals gebaumelt hatte und ließ ihn vor seinem Auge schwingen. „Da ist mein Name eingraviert.“ Schuldig holte tief Luft und schob Ran ein wenig von sich weg. „Da steht Ran drauf.“ Ein lausbubenhaftes Grinsen erfasste sein Gesicht und wischte die Verzweiflung weg. Auch wenn es komisch aussah, da das Grinsen zwar echt wirkte, die Tränen auf den Wangen allerdings noch in Restfeuchte vorhanden war. Er hatte sich wieder gefangen und schnippte gegen den Ring, der von der Kette baumelte. „Schon probiert ob er passt?“ „Nein, noch nicht.“ Aya fing den Ring ein und betrachtete ihn sich. Er löste den Ring von der Kette, steckte ihn sich an den rechten Ringfinger. Er war zu groß… schlackerte ein wenig. „Ist das jetzt ein gutes oder ein schlechtes Zeichen“, fragte er mit zweifelnd hochgezogenen Augenbrauen. „Ich fürchte, ein Schlechtes.“ Schuldig zog ein kritisches Gesicht. Er zog einen seiner Handschuhe vorsichtig herunter, schob die schmale Bandage gen Hanggelenk und streckte Ran eine Hand hin. Die Salbe, die er heute Morgen aufgetragen hatte war eingezogen und nun waren lediglich die roten, offenen Schnitte zu sehen. „Probier mal da, einer muss ja passen!“ Er sah Ran breit lächelnd und erwartungsvoll an. Sein Gesicht schrie förmlich: Los mach, mach! Aya blickte seine Hand an, dann Schuldigs und dann Schuldigs Gesicht und der Groschen fiel. Der Ring war gar nicht für ihn… Er steckte Schuldig den Ring an seinen rechten Zeigefinger und sah hinauf in höchst freudige, grüne Augen, die ihn anstrahlten. Aya erwiderte dieses Lächeln. „So… und nun?“ „Und nun…“ Schuldig hob sich leicht und seine Hand schlüpfte in seine Hosentasche, holte den gleichen Ring hervor, nur war dieser etwas kleiner im Durchmesser. Er steckte ihn Ran an den Finger. „Ich glaube, der passt wie angegossen, hmm“ Schuldig konnte den Blick gar nicht von Rans Finger lassen, als er ihn endlich aufgesteckt hatte. Das ging Aya genauso. Genauso wie Schuldigs Ring war auch seiner in schlichtem Weißgold, einfach passend… es war...ein Ring. Ringe, die sie sich gerade angesteckt hatten. Sie hatten sich Ringe angesteckt. Aya durchfloss ein derart warmes Gefühl, dass er meinte, gleich in Tränen ausbrechen zu müssen. „Ja, der passt“, nickte er, zog ihn jedoch gleich darauf ab. Wenn sein Name in Schuldigs Ring graviert war… was stand dann bei ihm Eine sehr gute Frage. Das eine war zweifelsohne Deutsch… das andere konnte er nicht wirklich entziffern. Er runzelte die Stirn. „Was steht hier?“ Der Kater war neugierig! Schuldigs Grinsen milderte sich zu einem Lächeln und er legte sich zurück auf die andere Seite der Couch, Ran die Beine um die Hüfte schlingend. „Deine Gedanken sind frei.“ Er zuckte die Schultern. „Ein sehr altes Lied aus meiner Heimat. Es heißt eigentlich „Die Gedanken sind frei.““ „Oh.“ Mehr fiel Aya wirklich nicht dazu ein… es stimmte perfekt. Seine Gedanken waren frei, doch genauso wie die seinen waren es auch Schuldigs in seiner Gegenwart, da Schuldig ihn nicht lesen konnte und er… seine Freiheit besaß. Das Thema hatten sie schon Desöfteren besprochen und es hatte seine Manifestation in dieser kleinen Zeile gefunden, die doch so viel mehr aussagte. Nun war es an Aya, wirklich gerührt zu sein und zu schlucken. „Wie schön…“ Sein Blick wanderte weiter zu dem Zeichen was sich dort anschloss… oder als erstes stand… das war kein Kanji, aber auch kein deutscher Buchstabe… ineinander verschlungene Linien. „Und was heißt das?“ „Ach das…“ Schuldig zögerte. Ran war gerührt, das sah und hörte er an Blick und Stimmlage des Japaners. „…nur eine Verzierung.“ Das war zu nonchalant um zu stimmen! Doch nicht nur das! „Bei dir steht aber MEIN Name… dann kann das doch keine Verzierung sein!“, maulte Aya und rückte Schuldig ein wenig näher. „Außerdem ist dein Ton zu harmlos. Also los, was ist das?“ Vermutlich lag es daran, dass Schuldig eine Spur zu harmlos gewesen war, vermutete er. „Also gu~ut“, gab er sich geschlagen und seine Mundwinkel hingen trotzig herab und seine Lippen schoben sich entsprechend - auch dem Trotz geschuldet - vor. „Die Initialen meines Namens.“ „Also sind das Buchstaben“, dachte Aya laut nach und versuchte noch einmal zu entziffern, was sich ihm da bot. Da es kein Japanisch war, konnte es nur Deutsch sein, so ging Aya alle Buchstaben des Alphabetes durch. „Das erste ist ein D… nein, ein G, oder“, fragte er stirnrunzelnd. „Oh man“, Schuldigs Kopf schlug auf der Couch auf und er kniff die Augen zusammen. Jetzt hatte er etwas angerichtet. Aus der Sache kam er nie wieder heil raus! „Ein G.“ „Also zwei Buchstaben. Und das zweite ist ein… W, nein, das ist zu viel, ein V, ja, ein V oder“ Ayas Augen leuchteten interessiert. G.V. Das hie゚ garantiert nicht Schuldig. Aber was dann Also Schuldigs richtiger Name „Was heißt es denn ausgeschrieben“ „Das ist nicht wichtig, Ran“, meinte Schuldig. Sein Nacken lag entspannt auf der Couch und er blickte gen Decke. „Ich habe es nur der Form halber drauf schreiben lassen. Mach nicht so einen Wirbel drum“, brummte er verlegen. Das war allerdings ein gefundenes Fressen für Aya. „Das ist dein Name! Dein richtiger Name! Natürlich ist das wichtig… los, sag, was die Initialen bedeuten!“ Schuldig hatte ihn oft wegen seiner Neugierde aufgezogen und hatte vermutlich jetzt jeden Grund dazu, denn Aya sprühte geradezu davor. Ohje… nichts wie weg. „N… ein.“ Schuldig wandte sich flink auf den Bauch und entzog Ran seine Beine, hievte sich auf die Ellbogen und machte Anstalten von der Couch zu flüchten. Ein fruchtloses Unternehmen, denn Aya warf sich vor Schmerz aufstöhnend der Länge nach auf Schuldig und brachte den Mann so platt wie eine Flunder zum Erliegen. „Nichts da! Du kannst mir keinen Ring schenken und dich dann in Schweigen hüllen!“ Seine Finger trieben sich gemeinerweise in die Seiten des Telepathen. Was diesen natürlich erst zum Stöhnen, dann leider zum Lachen brachte. „Hör auf. Ich sag nichts! Weils einfach nicht wichtig ist… Ra~an… Schuldig ringelte sich zusammen und ging zum Gegenangriff über, versuchte Rans Finger in Schach zu halten. „Also gut… ich sags! Aber hör auf, ja“ Abrupt hörten Ayas Bemühungen auf und er lauschte gebannt. „Ja, ich höre“, sagte er gespannt und stützte sich auf seine Unterarme. „Nicht so hastig.“ Schuldig sah die blanke Neugier in Rans Augen und hob die Brauen. „Lass mir erst einmal mehr Platz.“ Er robbte sich unter Ran hervor und setzte sich artig hin. Dieser beäugte ihn misstrauisch, ließ ihn aber ziehen und hielt den Ring fest verschränkt in seiner Hand. Seine Augen gruben sich in die des Telepathen und versuchten, sich den Namen vorzustellen, doch so recht wollte sich da kein Vorschlag einstellen. Aber alles beäugen half nichts als Schuldig plötzlich reißaus nahm und schelmisch lächelte. Er ging Richtung Küche und streckte Ran die Zunge raus. „Ich hab ihn dir schon einmal gesagt, zumindest den Vornamen.“ Er holte sich noch ein kühles Bier aus dem Kühlschrank. Diese Miniflaschen waren stets viel zu schnell ausgetrunken, murrte er in Gedanken. Enttäuschung folgte ihn in Form von großen, traurigen violetten Augen, die doch gehofft hatten, dass sie Schuldig vertrauen konnten und nun über den Rand der Couch hinweg Schuldig vorwurfsvoll hinterher sahen. Schuldig hatte ihm den Namen schon einmal gesagt Aber er erinnerte sich nicht daran… „Du bist gemein zu mir“, kam es leidend von der Couch. Klar war er das. Ständig. „Du weißt doch, dass diese großen Kulleraugen… nicht wirklich bei mir wirken, oder?“ Aber Ran sah trotzdem sehr anbetungswürdig damit aus. Weil es so selten war… Schuldig stellte seine Bierflasche ab und nahm seinen Teller auf. „Iss erst einmal etwas. Du hast mir heute Nacht schlapp gemacht, weil du gestern gehungert hast, oder“, sagte er milde und nahm sich auch ein paar der Häppchen. „Ich habe schlapp gemacht, weil du es drauf angelegt hast, mich in die Bewusstlosigkeit zu treiben“, schmollte Aya und schob sich etwas zu essen zwischen die Lippen. Es schmeckte sehr gut und er merkte, wie groß eigentlich sein Hunger war. „Aber lenk nicht vom Thema ab, was bedeuten die Initialen“ Er hätte es wissen müssen. „Wenn dus jemanden erzählst, schick ich dich über die Planken, Matrose!“, brummte Schuldig wie ein echtes Raubein. „Gabriel… Gabriel Villard.“ Er setzte sich und sah Ran für einen Augenblick mit einem Lächeln in den Augen an. „Und keine Sprüche über Engel.“ Genau die schwelten gerade an der Oberfläche von Ayas Lippen und schrieen geradezu danach, hinaus gelassen zu werden. Gabriel Ja… den Namen kannte er schon… er hatte Schuldig schon einmal gefragt, wie er hie゚. „Du hast mich damals angelogen!“, sagte er empört und Schuldigs Teller mit den Häppchen wackelte bedrohlich, als sich Aya auf Schuldig warf. „Ich habe den Namen schon erraten, du ERZENGEL!“ Aber Gabriel Villard… Ein schöner Name. Gabriel… passte irgendwie… auch wenn Schuldig die meiste Zeit einfach das Gegenteil war. „Nein, hab ich nicht“, behauptete Schuldig und lachte. „Ich habe dir nur einige Namen angeboten und dich ganz bestimmt nicht angelogen! Und ich will auch keine Sprüche über ERZengel hören“, drehte er sich zu Ran halb um der ihm im Nacken hing und küsste die quengligen Lippen. „Sonst darfst du dir einige Sprüche über deinen Namen anhören…“ „Von jetzt ab nenne ich dich nur noch Erzengel! Oder nein, besser noch Erzbengel! Das gefällt mir!“ Aya grinste breit und schaukelte mit Schuldig hin und her. Er wusste nicht, warum es ihn so glücklich machte, dass er endlich Schuldigs richtigen Namen erfahren hatte, doch es war da… warm und flauschig. „Aber du musst mir meinen Ring jetzt auch noch anstecken!“ „Hab ich doch schon“, brummte Schuldig geplagt und schob sich eines seiner Häppchen in den Mund. „Aber…ich kann ihn dir noch öfter anstecken, einer meiner leichtesten Übungen.“ Er hob die Hand um sich den Ring reichen zu lassen. „Flosse her…“, nuschelte er mit halbvollem Mund. Er fühlte sich geradezu überschwänglich gut bei Rans Laune. Und das nur… wegen seines ollen Namens. Gerade jetzt in diesem Moment waren die letzten Tage wie weggewischt. Er konnte sich vieles einreden, aber es freute ihn… sehr. Aya der Fisch reichte Schuldig der Qualle seine Flosse und sah zu, wie dieser ihm den Ring ein zweites Mal ansteckte. „Dankeschön, mein Erzbengelchen“, schmunzelte er und schmatzte Schuldig einen dicken Kuss auf das noch von ihm malträtierte Ohrläppchen. Gleichwohl stahl er sich eines von Schuldigs Häppchen und kaute es genüsslich. „Ran!“, rief Schuldig aus und verzog das Gesicht ob des feuchten Schmatzers auf sein Ohr. Er wischte sich darüber und sah Ran vorwurfsvoll an. Dieser wusste genau, wie sehr Schuldig diese Art Kuss auf sein Ohr schätzte. Nämlich gar nicht. Es erinnerte ihn immer an diverse Damen, die ihn im Waisenhaus aufsuchten um ihn vielleicht zu adoptieren. Vielleicht. Schuldig fand Rans Wandlung, seit er ihm den Namen gesagt hatte bemerkenswert. Geradezu ekstatisch gut gelaunt. Oder wars der Ring So genau wusste er es nicht. Oder beides „Aha? Soll ich dich lieber wieder beißen?“ So wie letzte Nacht, fügte Aya in Gedanken hinzu, veräußerte es jedoch nicht, denn das würde die Stimmung bei Schuldig zerstören. Bei ihm nicht, denn soweit er die letzte Nacht als das in Erinnerung behalten konnte was es war – nämlich ein schlichter Beweis – und die Fesseln verdrängte, dann konnte er damit leben und das, was sich ihm gerade aufgetan hatte, so richtig genießen. Ein Ring… nein, zwei. Mehr Zeichen konnte Schuldig nicht setzen, befand Aya und verwarf den Gedanken anschließend gleich wieder. Doch, konnte er. Denn jetzt kannte er Schuldigs richtigen Namen. „Darf ich dich jetzt Gabe nennen?“, fragte er kauend und stieß Schuldig mit seiner Schulter an. „Kannst du gerne machen, allerdings musst du dann mit Seidenräupchen leben.“ Schuldigs Worte waren so beiläufig, dass er sich selbst darüber freute, wie wenig Schadenfreude er in seine Stimme gelegt hatte. Er schob sich eine des Sushis in sich hinein. Eine rote Augenbraue hob sich zweifelnd langsam und Aya überdachte diese Möglichkeit. „Warum denn, ich finde den Namen liebevoll und passend.“ Und Schuldig fand SEINEN Namen liebevoll und passend, das konnte sich Aya schon denken. Seine Finger trieben sich wieder in Schuldigs Seiten und er lehnte sich schwer auf den Rücken des anderen. Schuldig fing Rans Hände ein und zog dessen Arme um seinen Körper, verschränkte seine mit Rans Fingern. Er lehnte sich nach hinten um Ran zwischen Rücklehne und ihm selbst einzukesseln und reckte das Gesicht zu Ran. „Siehst du, so sehe ich das auch. Der Name passt irgendwie nicht mehr zu mir. Er ist zu sehr mit Erinnerungen beladen. Und dann doch wieder nicht.“ Schuldig lächelte unschuldig und legte den Kopf in den Nacken sodass dieser auf Rans Schulter lag. Schon wieder jemand, der seinen wirklichen Namen nicht mehr tragen wollte, weil sich die Dinge im Laufe der Zeit verändert hatten. Aya verstand das – wie denn auch nicht Er war selbst nicht besser oder schlechter, je nachdem, wie man es nahm. Er brummte leise an Schuldigs Wange und nickte schlie゚lich. „Also ist Gabriel auch tabu?“ „Mir wäre es lieb, wenn du ihn nur… in deinem Herzen trägst“, schmalzte Schuldig, aber er meinte es trotz der schmalzigen Note tatsächlich ernst. „Es erschreckt mich und bringt mich aus der Ruhe wenn ich diesen Namen höre. Es macht vieles ernster. Und… ist nicht alles schon ernst genug“ „Warum ernster? Schuldig ist doch der Name, unter dem du Dinge getan hast, die Gabriel zu dem Zeitpunkt sicherlich noch nicht gekannt hatte“, fragte Aya erstaunt nach. Ganz konnte er die Sichtweise des Telepathen nicht nachvollziehen, eigentlich gar nicht. Schuldig brauchte ein paar Momente der Stille zwischen ihnen, in denen er über die Frage nachdenken konnte. Als er schließlich antwortete, sackte er leicht in sich zusammen und schloss die Augen, den Kopf seitlich mit der Stirn an Rans Wange gelehnt. „Vielleicht ist es so, weil ich dann traurig werde. Dieser Name mahnt mich über die Unveränderlichkeit des Schicksals an. Von Anfang bis zum jetzigen Zeitpunkt war alles darauf geprägt aus mir den Teufel zu machen, den meine Mutter in mir gesehen hat. Und dabei… habe ich mich sogar dagegen gewehrt.“ Er lachte leise auf, aber es war ein trauriges Lachen. „Sie hat mich Gabriel genannt. Und mir als Schutzpatron einen Engel zugedacht. Doch irgendwie… muss wohl was schief gelaufen sein.“ „Willst du bestreiten, dass unter diesem großen, bösen Mann auch noch eine liebe Seite steckt Würde ich an deiner Stelle nicht, Schuldig, denn sonst wäre ich nicht hier.“ Sondern tot, oder noch als hasserfüllter Killer im Dienste von Kritiker oder Schuldig wäre nicht hier, weil er ihn schließlich getötet hätte oder oder oder. Es gab so viele verschiedene Möglichkeiten, wenn Schuldig nicht der wäre, der er wirklich war. „Natürlich bist du ein Teufel… aber ein lieber und liebesbedürftiger Teufel. Du hast dich dagegen gewehrt, aber nicht immer kann man erfolgreich damit sein.“ Nein, er … war nie erfolgreich damit. Bis auf… bis auf… als er Ran wollte. „Den Kampf das erste Mal gewonnen hatte ich allerdings erst, als du etwas für mich empfunden hast. Das erste Mal… in meinem langen, langen Leben“, sinnierte er altersweise und grinste. „Besser spät als gar nicht. Und den Sieg, den du da für dich verbuchen kannst, der ist schon erheblich. Ausgerechnet bei mir… ein leichteres Ziel hast du dir nicht aussuchen können, was?“ Aya zwinkerte und seine Hände drückten Schuldigs. Schuldig lächelte. „Ich glaube nicht, dass ich mir dich ausgesucht habe. Vielleicht war es anders herum? Wer weiß das schon. Mir hat einmal …“ Schuldig setzte sich auf, es war als… würde er sich an etwas erinnern, etwas dass er… vergessen hatte. Oder jemand… den er vergessen hatte. Er machte sich von Ran los und fuhr sich nervös geworden übers Gesicht. „Wer oder was hat dir einmal?“, fragte Aya geduldig und wartete ebenso ruhig ab, ob Schuldig sich wieder beruhigte aus seinem momentanen aufgewühlten Zustand, der so plötzlich gekommen war. Aya wusste zwar nicht warum, doch vielleicht würde Schuldig sich gleich erklären… Schuldig stand auf und blickte flüchtig zu Ran, der dort so abwartend saß und ihn ohne Eile anblickte. Es beruhigte Schuldig und half ihm diesen silbernen Faden, der vor ihm im Dunkeln aufblitzte im Auge zu behalten und ihm zu folgen. „Ich erinnere mich an… jemanden. Ich schien… diesen Jemand vergessen zu haben, aber ich weiß nicht warum.“ Er verstummte und ging hinüber zum Fenster, die Arme verschränkt, die Stirn kritisch in Falten gelegt. „Warum?“, flüsterte er. „Ich kann mich an sein Gesicht nicht erinnern, es ist verborgen vor mir selbst. Aber er sagte ‚Von jedem, dem viel gegeben wurde, wird viel erwartet werden.’ Ich glaube Lukas… ja das steht in den Schriften von Lukas, einem der Apostel Jesu. Meine Mutter… hat viel von dem Zeug gelesen.“ „Weil deine Fähigkeiten dich Dinge und Personen vergessen lassen“, erwiderte Aya, blieb jedoch sitzen. „Selbst ich ohne deine Telepathie habe Dinge vergessen, die weit in der Vergangenheit zurückliegen. Das ist normal, Schuldig. Vor allen Dingen, wenn du noch klein warst.“ Was die Worte desjenigen nicht weniger wahr machten auf eine gewisse Art und Weise. Aya seufzte. „Ich erwarte auch viel von dir und hast du mich bisher enttäuscht Nein, denn ich bin immer noch hier.“ Aya schwieg einen Moment lang. „War es vielleicht dein Vater?“ Eine abstruse Idee, da es jeder Mann gewesen sein konnte, aber warum nicht Es lag nahe diesen Verdacht zu hegen, denn Ran wusste darum, dass er nichts über seinen Erzeuger wusste. „Hmm, kann sein. Ich weiß es nicht. Er muss mir zumindest so nahe gestanden haben, dass mein Gehirn es für wert gefunden hatte, es emotional derart belastend empfunden hatte um es zu… ‚vergessen’. Somit kann es nicht irgendjemand x-beliebiges gewesen sein. Denn im Gegenzug zu vielen normalen Menschen, bis auf wenige Ausnahmen, vergesse ich nichts. Ich sortiere es ab und kann es bewusst wieder hervorholen. Dinge, die ich jedoch durch Belastung in einen Bereich verschiebe zu dem ich keinen Zugang mehr habe… diese Dinge kann ich nicht bewusst hervorholen. Aber…“ Er wandte sich zu Ran um, der dort immer noch verlassen saß und ihn anblickte. Schuldig lächelte, als seine Augen über die Knutschflecken huschten, die er an vielen Stellen auf Rans Körper hinterlassen hatte - so auch an dessen Kiefer und Hals. „…was ich eigentlich damit sagen wollte. Dass es durchaus sein kann, dass ich mir dich nicht ausgesucht habe, sondern es durch das Schicksal so gewollt war.“ Er grinste. Aya wusste, auf was Schuldig sah und weswegen er lächelte. Na warte, Freundchen… „Zweieinhalb Monate Schuldig, plus die Küche und drei Wochen Sperre.“ Sein Lächeln war teuflisch, da konnte der Telepath momentan nicht mithalten. Doch dieser stellte sein Grinsen nur auf eine niedrigere Wattzahl. „Sicher“, meinte er nur und ging zu Ran hinüber um sich zu ihm hinunter zu beugen. „…das tapfere Ran-chan hält diese drei Wochen natürlich locker aus. Vor allem wenn es so ein tolles Halsband geschenkt bekommen hat, nicht“, spöttelte er um Rans Durchhaltevermögen in die Kritik zu bringen. Ayas Augen lagen ruhig in den spielerisch aufgelegten, grünen, als er seinen Hals emporreckte und kurz vor Schuldigs Lippen anhielt. „Das Halsband werde ich nur dann tragen, wenn mir auch danach ist und wenn ich dir etwas zu Schauen bieten will. Da dass gestern schon der Fall war, reicht das erst einmal. Du sollst dich schließlich nicht daran gewöhnen. Außerdem… kennst du doch meine Selbstbeherrschung, oder Wenn ich etwas will, dann bekomme ich das… egal, mit welchen Mitteln. Und wenn du Rache verdient hast, dafür, dass ich aussehe wie ein Marienkäfer auf Liquid-X, dann wirst du diese Rache auch bekommen. Gerne sogar. Dumm nur, dass ich keinerlei Make-up besitze, dass so etwas verdecken könnte… wenn, dann hättest du vielleicht noch eine Chance gehabt. Vielleicht.“ „Ich hab was übrig, kannst was von meinem haben!“ Schuldig knutschte Ran platt auf die Lippen bevor er sich löste und um die Couch herumstolzierte. „Dann werde ich mal gehen und das Halsband verstauen, nicht dass es noch einstaubt, die nächsten Monate…“ Er lächelte in sich hinein und überlegte sich ein gutes Versteck wo es vor allzu neugierigen Augen sicher sein würde. „Mach das, aber bevor du es einmottest, kannst du es mir noch mal einmal zeigen. Ich möchte mal wissen, wie es bei Tageslicht aussieht“, rief Aya Schuldig hinterher und nahm noch ein Häppchen. „Und nein, deins ist nicht meins, das zählt nicht!“ Alles Definitionssache, aber man konnte ja immer eine Begründung finden, warum man die nächsten drei Wochen als Strafe für die Knutschflecke am Hals, am Kinn und an der Wange keinen Sex mehr haben wollte! „Ich bezweifle, dass du überhaupt IRGENDETWAS von diesem Halsband heute Nacht mitbekommen hast“, schickte Schuldig zurück und verschwand um die Ecke in den Flur hinein. Er holte das Schmuckkästchen und setzte sich auf die Kante des Bettes im Schlafzimmer. Er zog die Schatulle auf seinen Schoß, öffnete sie und sah sich wie schon oft zuvor die Edelsteine und die wunderschöne Arbeit an. Seine Finger strichen über die Metallplättchen. „Wo kann ich dich vor neugierigen Katzen verstecken“ „Ich habe genug mitbekommen… wie du eine der losen Ketten dafür missbrauchst hast, meinen armen Schwanz zu quälen“, kam es laut und deutlich von Aya, sodass Schuldig es auch garantiert am anderen – fernen – Ende der Wohnung hören konnte. „Außerdem habe ich durchaus mitbekommen, wie du es mir angelegt hast und die losen Ketten habe ich ebenso gespürt. Quod erat demonstrandum!“ Das hatten sie immer unter ihre mathematischen Beweise schreiben müssen früher, weil ihr Lehrer ein Deutschlandfan gewesen war. Ja, Schuldig hatte es gehört, zumindest den interessanten Teil, oder amüsanten Teil, der durch die Wohnung zu ihm schallte. Der Teil mit dem armen, geplagten Geschlechtsteil. Schuldig murmelte spöttische Abfälligkeiten über Rans verwöhnte Körperteile und schloss den Deckel der Schatulle wieder um sich zu erheben und einen geeigneten Platz zu finden um es für die nächste Zeit unsichtbar werden zu lassen. Er würde es natürlich so verstecken, dass Ran es in einer sehnsüchtigen Anwandlung finden und anlegen konnte. Fortsetzung folgt... Vielen Dank für's Lesen. Bis zum nächsten Mal! Gadreel & Coco Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)