Der Glasgarten von Gadreel_Coco ================================================================================ Kapitel 115: Sonderermittler Oniwara ------------------------------------ ~ Sonderermittler Oniwara ~ Sie, zu dritt, für zwei Tage weg. Aya wusste nicht so wirklich, was er davon halten sollte, als er seine Sachen packte mit Banshee auf dem Arm, die sich begeistert an ihn schmiegte und schnurrte. Sie hatte wieder Vertrauen zu Schuldig gefasst, doch der war momentan eher damit beschäftigt, seine Sachen aus dem Chaosbereich, des begehbaren Kleiderschrankes zu ordnen und zu entscheiden, was er mitnehmen sollte. Aya für seinen Teil war da eher anspruchslos. Regenjacke, legere Kleidung, etwas zum Schlafen und diverse Toilettenartikel. So ließ er sich nun auf dem Bett nieder und schmuste ausgiebig mit der Kleinen, die in den nächsten Tagen Nagi als Babysitter haben würde. Ein gewöhnungsbedürftiger Gedanke, aber besser, als wenn sie alleine blieb. Banshee hatte sich prächtig entwickelt, sie war groß geworden und fraß ihnen beinahe die Haare vom Kopf. Eine stattliche Katze. „Meinst du, wir sollten ihr einen Spielgefährten besorgen? Sie ist so oft einsam, dass es vielleicht besser für sie wäre, sie hätte jemanden, mit dem sie, während unserer Abwesenheit spielen kann“, fragte Aya in Schuldigs Richtung und musste zugeben, dass ihm dieser Gedanke sehr gut gefiel. Schuldig hielt inne. „Einsam?“, echote er. „Wann denn? Meinst du in der Zeit, in der ich den ganzen Tag zuhause rumlungere, während du in der Arbeit bist oder, während der Zeit, in der du zuhause bist während ich unterwegs bin? Was nicht wirklich häufig der Fall ist.“ Das hörte sich jetzt danach an, als hätte er gegen Rans Vorschlag etwas einzuwenden. So war es nicht… doch… noch ein Tier? Noch etwas, dass Rans Aufmerksamkeit von Schuldig fort zog? „Du weißt, dass wir in Zukunft öfter beide weg sein werden um Aufträge durchzuführen oder zu arbeiten“, führte Aya an, der durchaus den minimalen Frust aus Schuldigs Worten herausgehört hatte. Schuldig war viel zu lange untätig gewesen, während er selbst arbeiten gegangen war. Er konnte ebenso wenig zuhause sein und nichts tun wie Aya auch. „Komm schon, ihr würde das gut tun und wir beiden hätten mehr Zeit, wenn sie beschäftigt ist... nicht, dass das heißt, wir würden dich dann weniger lieben“, murmelte Aya zu dem schnurrenden Bündel auf seinem Arm. „Das will ich auch hoffen, dass ihr mich dann nicht weniger lieb hättet!“, entrüstete sich Schuldig und kam zu seiner Reisetasche, in der er seine „Arbeitskleidung“ verstaute. Überwiegend dunkle Kleidung. Er würde mit einem Anzug nach Osaka fliegen und sich noch etwas zum Ausgehen mitnehmen. Aya hob die Augenbraue. „Du warst gar nicht gemeint, Schuldig. Es dürfte doch wohl klar sein, dass ich dich sowieso abgöttisch liebe, oder nicht?“, fragte er im Brustton der Überzeugung. „Das klingt jetzt ein wenig überzogen, Ran!“, meinte Schuldig skeptisch. „Wenn du möchtest suchen wir für Banshee einen Spielgefährten. Wie wäre es, wenn du das in die Hände nimmst?“ Aya schmunzelte. „Da bin ich einmal ehrlich und schon wird mir vorgeworfen, ich würde es nicht ernst meinen.“ Gespielt verzweifelt schüttelte er den Kopf. „Was meinst du Banshee, einen Spielgefährten für dich? Wir können ja schlecht Nagi oder Jei die ganze Zeit hierbehalten, hm? Ich schau mal, ob ich jemanden für dich finde.“ „Ehrlich? Du meinst wohl einschmeichlerisch. Manch einer würde das auch „schleimen“ nennen. Aber so etwas liegt dir ja ohnehin fern!“, Schuldig grinste selbstgefällig und ging wieder in das angrenzende Zimmer um sich einen Anzug herauszulegen. Was Aya dazu brachte, seine Kleidungswahl noch einmal zu überdenken. Immer noch mit der Katze auf dem Arm ging er noch einmal in das Zimmer und nahm nun seinerseits einen schwarzen Anzug mit orangenem Hemd heraus. Man konnte anscheinend nie wissen. „Ich habe es ernst gemeint“, sagte er schließlich zu Schuldig, nahm sich eine Kleiderhülle und kam ins Schlafzimmer zurück. Er wusste, dass es eine überschwängliche Äußerung war, für ihn besonders, aber er hatte sie ernst gemeint und im Nachhinein war es ihm fast peinlich. „Echt?“ Eine überflüssige Bemerkung wie Schuldig fand. Er blickte Ran nach. „Du liebst mich abgöttisch?“ hakte er nach und stand in der Verbindungstür zwischen Ankleide- und Schlafzimmer. Er hatte seine Arme verschränkt und betrachtete sich die geröteten Wangen seines Freundes. Offenbar war es ernst gemeint gewesen, denn sonst wären Rans Wangen nicht derart rot. Und nun wurde es noch peinlicher. Aya fragte sich allen Ernstes, warum er das gesagt hatte. Schuldig glaubte immer noch an einen Spaß, so wie er hier nachfragte und gerade das tat tief in ihm weh. Doch Aya würde den Teufel tun und das zugeben. „Vergiss es“, sagte er leise und drehte Schuldig den Rücken zu. Sein Gesicht fühlte sich zu heiß an, als dass es noch die natürlich Blässe hätte und das wollte er sich ersparen. Banshee absetzend, wollte er sich in Richtung Küche aufmachen. „Vergiss… was?!“ Schuldig nahm die Verfolgung auf, nachdem er begriffen hatte, dass Ran diese ganze Situation wohl als sehr unangenehm empfand. „Du spinnst wohl?!“Er pflückte ihn von seinen Füßen, zog ihn an sich und ließ sich mit ihm auf ihr großes Bett fallen, mitten zwischen die Reisetaschen. Er rollte sich mit seiner Last herum und blickte Ran aufmerksam ins Gesicht. „Sieh mich an“, forderte er leise. „Ach Schuldig...“, ergab sich Aya schließlich dem Drängen, des anderen und sah ihm in die Augen. Und wieder hatte Schuldig es geschafft, ihn zu überraschen, als er ihn hochgehoben hatte. Anscheinend war das Thema doch nicht so scherzhaft für ihn. Sein Blick war sanft, aber vorsichtig und versuchte die Wahrheit seiner Worte zu verbergen. „Du hast mich überrumpelt mit dieser beiläufigen Liebeserklärung. Noch dazu eine so… abgöttisch gute“, sagte Schuldig. „Wie sollte ich davon ausgehen, dass du – Ran, der Liebeserklärungsmuffel – so etwas zu mir, zwischen Tür und Angel sagen würdest? Das ist… irgendwie cool.“ Ein unpassender Begriff, aber es war so. Es war cool. Schuldig fühlte sich cool. „Ist dir das peinlich? Mir zu sagen, dass du mich liebst?“ Schuldig küsste Ran sanft auf die gerötete Wange. Aya schmiegte sich an diese Lippen und schloss die Augen. „Nein, natürlich nicht, nur wenn ich so etwas sage und es wie ein Spaß scheint, dann ist es mir peinlich, ja. Ich sage selten, was ich wirklich fühle, Schuldig.“ Wie intensiv er fühlte, meinte Aya, denn so verschlossen er manchmal war, so emotional konnte er auch sein. „Wieso ist es... cool?“ Gute Frage. Schuldigs Hände pirschten sich auf der Suche nach Wärme Rans Flanke und Oberarm entlang, den er dem anderen, über den Kopf ausgestreckt hatte. „Keine Ahnung. Es fühlt sich nur so an. Einfach gut, einfach beruhigend, einfach gelassen und geil. Nicht erklärbar. Glücklich machend. Und jetzt finde ich sollten wir…“ Sex haben. Schuldig küsste Ran sanft auf die Lippen. Der Kuss wurde tiefer, inniger, Schuldigs Körper rutschte mehr auf Rans. Ayas Wangen und Ohren glühten vor plötzlichem Feuer und er war froh, dass Schuldig momentan eher damit beschäftigt war, ihn zu küssen. Schon seltsam, dass er, mit positiven Emotionen konfrontiert, in diesem Moment schier hilflos erschien, während er negative Emotionen spielend bekämpfen konnte. Die Absicht des Telepathen war eindeutig und Aya konnte nicht sagen, dass er abgeneigt war, ganz im Gegenteil. Sie waren sehr lange enthaltsam gewesen. Schuldig war unsicher gewesen in der letzten Zeit, wegen ihres letzten, sehr gewalttätigen Sex. Er schien Angst zu haben, Aya zu verletzen. Aya selbst hatte keine Angst davor, doch er wollte Schuldig nicht drängen, sondern ihm die Zeit lassen, die dieser anscheinend brauchte. „Es ist immer wieder faszinierend wie wenig es braucht um mich noch überraschen zu können. Ich wusste gar nicht, dass unser Rotfuchs derart rot im Gesicht werden kann“, drang das angenehme Timbre von Bradley Crawford an Schuldigs Ohr und dieser zuckte kurz zusammen, allerdings bemerkte das wohl nur Ran auf dem er halb lag. Brads schwer lesbarer Blick haftete auf Rans Wangen. „Ihr solltet euch beeilen, der Flug geht in drei Stunden und wir haben mit Nagi noch eine Besprechung.“ „Ja… schon klar“, meinte Schuldig genervt und schob sich vor Ran, drehte sich dabei halb zu Brad um. „Merkst du nicht wann du störst?“ Brad sah ihn für einen Moment ruhig an, bevor er sich umwandte und aus ihrem Sichtfeld verschwand. Schuldig seufzte. „Tut mir leid“, sagte er und verzog die Lippen. „Ich wusste nicht, dass er schon da ist. Ich hab ihn nicht gehört.“ Irgendwie fühlte er sich schuldig. Warum wusste er nicht genau. Es konnte schlimmer kommen, es konnte immer noch schlimmer kommen! Aya presste beide Handinnenflächen auf seine Augen und schüttelte wortlos den Kopf. Dazu gab es nichts mehr zu sagen. Vermutlich hatte Crawford auch noch alles mitgehört, als sie beiden beschäftigt gewesen waren. Ganz klasse, ausgerechnet Crawford. Der, der beinahe jegliche Gefühle vor seiner Umwelt verbarg, war nun Spanner Nummer eins. Als sie beide, so sehr in ihren Tätigkeiten versunken waren, dass jeder hätte kommen können. Jede Lust, die vorher noch in Ayas zirkuliert hatte, war nun verpufft, vollkommen. „Ich glaub das nicht, ich glaub das alles nicht.“ Einen Moment später nahm er seine Hände weg und versuchte sich aufzurichten. „Komm lass uns zu Ende packen.“ „Nein, warte“, sagte Schuldig fast schon panisch. „Hey, warte doch mal.“ Er ließ Ran halb hochkommen, doch war immer noch mit dessen Beinen verbunden. So ließ er sich neben Ran zur Seite gleiten und zupfte an dessen Armen. „Du willst mich doch jetzt nicht hier einfach so ohne eine warme Umarmung entlassen? Bloß, weil dieser blöde Brad aufgetaucht ist? Ran… bitte…“, Schuldig sah ihn sehnsüchtig an. Brad hatte ihm alles verdorben. ER wollte Ran an sich spüren und er wollte nicht, dass dieser sich schämte für etwas… Schönes. Aya betrachtete sich das große Kind, das hier vor ihm lag und verspürte momentan keine große Zuneigung für den Amerikaner. Das hatte Crawford mit Sicherheit absichtlich gemacht. „Eine Umarmung, dann wird gepackt“, stimmte Aya schließlich murrend zu und legte sich wieder zurück, doch er war angespannt und diese Anspannung verließ nur langsam seinen Körper. Er seufzte und schlang seine Arme um Schuldig, schloss die Augen. „Ich liebe dich“, sagte Schuldig und küsste eine der geschlossenen Lider. Um diesen schwergewichtigen Worten, etwas weniger Schwergewichtiges nachfolgen zu lassen, fiel ihm nicht wirklich etwas Besseres ein… „Ich könnte jetzt sagen: Ich werde das, was du sagtest immer in mir bewahren. Aber das würde zu schmalzig für mich klingen, also lass ich es, ja? Aber du könntest denken, dass ich sowas gesagt hätte, wenn ich der Typ dafür wäre. Was ich nicht bin.“ Schuldigs Gefasel sollte Ran aufmuntern. „Ich bin auch nicht der Typ dafür, das zu hören“, murmelte Aya und öffnete seine Augen, strich Schuldig über die Schläfe hinab zum Kinn. „Ich mag es, wenn du mir sagst, dass du mich liebst. Das andere jedoch, ich weiß, dass es so ist. Ich weiß es einfach...“ Aya wusste noch nicht so recht, was er davon halten sollte, diese Dinge in Hörweite von Crawford zu besprechen, aber vermutlich würde er sich daran gewöhnen müssen, wenn sie in Zukunft eine Dreierbeziehung führen würden... zumindest etwas Ähnliches. „Entspann dich. Der blöde Ami macht sich gerade einen Kaffee und ist weit weg“, meinte Schuldig beruhigend. Seine Hand strich über Rans Haar am Hinterkopf. „Ich vermisse den Sex, ich vermisse deinen Körper, Ran“, murmelte Schuldig leise. Er hatte nicht vorgehabt etwas zu sagen, aber die Situation bot sich an. Er brauchte das Gefühl von Ran an sich. Diesen deliziösen Geschmack von Rans salziger, erhitzter Haut, ihrer Körper, das unabdingliche Gefühl, der drängenden rohen Gier, die sich zwischen ihnen aufbaute. „Ich vermisse den Sex zwischen uns auch, Schuldig“, gab Aya zu, doch er sprach immer noch leise, wenngleich Crawford weit weg war. Kamen sie nun zum eigentlichen Problem. „Ich hätte gerne jetzt mit dir geschlafen, weil wir eben so lange nicht mehr miteinander geschlafen haben, doch...“...er wollte es nicht vor Crawford. „Vielleicht können wir es nach dem Auftrag probieren, was meinst du?“ „Probieren?“, kiekste Schuldig. „Was heißt hier probieren. Das wird einfach durchgezogen!“ Er kam wie eine aufgezogene Feder auf die Knie und beugte sich über Ran, grinste ihn unternehmungslustig an. „Und jetzt wird gepackt. Wer schneller fertig ist, darf den anderen poppen!“ Und schon war er fast fertig mit der Packerei… fast… Auch Aya kam nun in die Höhe, drehte sich zu seiner Tasche um, die schon fertig auf dem Bett stand, zog den Kleiderschutz unter seinem Hinterteil hervor und legte ihn aus seiner jetzigen Position fein säuberlich und vor allen Dingen schnell auf die Tasche. „So, fertig“, kam es staubtrocken und Aya legte sich zurück, die Hände hinter seinem Kopf verschränkt und die Beine übereinander geschlagen. „Pah!“, kam es von Schuldig zurück. Nun ja, wenigstens hatte er ein Mittel gefunden um Ran aufzumuntern: seinen Hintern. o~ „Wie... bitte...?“ Ayas Blick kam, verengt auf Schuldigs breitem Lächeln zu Ruhen, das ihn begeistert anstrahlte, kam dann zurück zu dessen grünen Augen, die ihn noch begeisterter anstrahlten. Ihn, die schwarzdunkle Gewitterwolke, deren rechte Hand sich um seine Kaffeetasse schloss, als wolle sie sie zerdrücken. Die Begutachtung abgeschlossen widmete er sich nun Crawford, der in aller Ruhe in einem der bequemen Ledersessel saß und seinen eigenen Kaffee trank und dessen Blick ihm sagte, dass er sich doch gefälligst an den rothaarigen Telepathen zu wenden hatte, der ihn wie eine radioaktiv verseuchte Karotte anstrahlte. Letztere Beschimpfung stammte aus Ayas momentaner Laune, als er dachte, sich verhört zu haben, hiermit leider im Irrtum war. Er WUSSTE, dass es einen Haken an der ganzen Sache gegeben hatte, sein Gefühl hatte es ihm schon auf dem Flug gesagt, als Schuldig mehr als bedacht gewesen war, einen zuvorkommenden und entspannten Eindruck zu machen. „Habt ihr sie noch alle? Wessen Idee war das? Los, wen von euch soll ich als erstes kastrieren?!“ Brad fand es amüsant. Er wusste, dass der Rothaarige auf den Deal eingehen würde, allerdings… „Ich gebe zu, dass es meine Idee war.“ Bevor Ran eine Schimpftirade auf ihn niederprasseln lassen konnte, hob er seine freie Hand, um dieser Einhalt zu gebieten. „Keiner von uns beiden käme für diese Aufgabe in Frage. Keiner. Schuldigs Fähigkeiten in Puncto Verschleierung sind ohne Frage als meisterlich zu bezeichnen, allerdings eine komplette Polizeieinheit schränkt ihn derart in seiner Aufmerksamkeit ein, dass er sich kaum auf etwas anderes konzentrieren könnte.“ „So schlimm ist es nun auch wieder nicht“, begehrte Schuldig auf. „Willst du damit sagen, dass du nicht einen Teil deiner Kräfte für diesen Tag damit einbüßen würdest? Bist du dann noch zu etwas anderem als schlafen geeignet?“ „Ja~a gut, ich gebe zu für eine Massenhypnose brauche ich einen großen Vorrat an Energierese…“ „Ich selbst stehe außer Frage“, beendete Brad Schuldigs Erklärungsversuche. Er nahm einen Schluck Kaffee und wies mit der Tasse auf Schuldig bevor er sie abstellte. „Die hirnrissige Idee dir deinen Part, an diesem kleinen Ausflug erst jetzt mitzuteilen kam von unserem Spaßvogel, dort drüben. Ich war der Ansicht es wäre geschickter und diplomatischer gewesen dir, diesen Vorschlag früher zu unterbreiten.“ „Was die Sache keinen Deut besser macht, das lass dir gesagt sein, Ami! Wie nett, dass ihr mich einfach so in diese Angelegenheit mit einspannt, ohne mir VORHER BESCHEID ZU SAGEN, VERDAMMT!“ Die arme Kaffeetasse in seiner Hand wurde wutentbrannt auf den Tisch neben Aya abgestellt. Blitze entluden sich besonders auf Schuldig, nun aber auch auf das Orakel. Brad hob fragen eine Braue und sah sich den Ausbruch ungerührt an. „Es steht dir frei abzulehnen. Ich zwinge dich zu nichts. Ich für meinen Teil hätte, dich auch vor unserem Eintreffen hier über die ‚Möglichkeit’ einer Teilnahme, an dieser Unternehmung informiert. Warum diese Aggression in meine Richtung?“ Schuldig erhob sich, mit Wut hatte er zwar gerechnet aber verdrängt, dass sich diese Emotion auf Brad einschießen könnte. „Ist doch kein Problem“, meinte er gelassen. „Ich krieg das schon hin. Dann muss ich eben mit etwas Scharade und Camouflage zusätzlich ran und dann verbrauche ich nicht derart viel Energie!“ „Das könnte funktionieren“, stimmte Brad mit undurchschaubarem Blick zu, nahm die Hälfte eines mit Marmelade bestrichenen Toastbrotes auf und biss hinein. „Ihr wisst beide ganz genau, dass ich bei einer Bedrohung diesen Ausmaßes nicht die Füße hochlegen, und nichts tun werde!“, grimmte Aya. „Ihr wusstet es auch vorher ganz genau, als ihr beschlossen habt, mich nicht darüber zu informieren. Ich mache es, natürlich, aber Informationsweitergabe ist etwas anderes.“ Dunkel ruhte der Blick des Japaners auf den beiden anderen, im Speziellen auf Schuldig. „Zumal ich noch nicht einmal in Ansätzen verstehe, was dagegen gesprochen hat, mich vorher wenigstens zu informieren, wenn nicht sogar zu fragen.“ Er stand ebenso auf wie Schuldig und tigerte unruhig auf und ab. Aya stellte fest, dass er durchaus Probleme damit hatte, einfach übergangen zu werden, was die Planung betraf, dazu war er einfach zu lange selbst der Anführer eines Teams gewesen. Brad kümmerte sich nun um sein Frühstück. Das Thema war für ihn erledigt, denn der Japaner hatte zugestimmt, was ohnehin für Brad schon länger feststand. Für Schuldig war das Thema jedoch noch nicht abgehakt. Leider. „Naja… ich dachte du würdest vielleicht… ausflippen?“, versucht er zaghaft sich dem Kern der Sache zu nähern. „Es war eher eine spontane Eingebung, dass es viel leichter für dich wäre das Ding durchzuziehen, als für uns. Zumal es bessere Einblicke bringt, als wenn ich mich durch die einzelnen Köpfe klinke. Es dauert länger, es kostet mehr Energie…“ Schuldig verstummte. „Ja NATÜRLICH ist das so!“, kam es gewittrig aus der anderen Ecke des Raumes zu, begleitet von einer unwirschen, ungeduldigen Geste, als wolle Aya diese Begründung vom Tisch wischen. „Und du hast nicht daran gedacht, dass ich HIER ausflippen könnte, noch mehr, wenn ich vorher im Dunkeln gelassen werde, als wenn ihr es mir schon in Tokyo gesteckt hättet?“ „Doch das schon. Aber ich wollte nicht schon vorher deinem ‚Auftragsmodus’ ausgesetzt sein. Das erinnert mich so an früher und so warst du schön entspannt und gelöst… und jetzt bist du…“ Schuldig verstummte und blickte zerknirscht zu Brad hinüber und nahm gedanklichen Kontakt auf. ‚Sieh mich nicht so an, Schuldig. Dieser Gesichtsausdruck hatte noch nie eine Wirkung auf mich.’ ‚Meinst du es zieht bei ihm?’ ‚Kaum.’ „Das ist vollkommener Blödsinn, Schuldig, und das weißt du. Auftragsmodus. Als wenn ich bei einer simplen Undercovermission schon Stunden vorher im Auftragsmodus wäre und das noch auf einem Flug! Und was hast du jetzt? Jetzt bin ich sauer UND im Auftragsmodus.“ Aya bemerkte die minimale Stille, die Aufmerksamkeit, die sich die beiden anderen gerade schenkten. „Sprecht ihr gerade per Telepathie über mich?“, fragte er lauernd. „Nein. Über Schuldig hatten wir gerade gesprochen“, erwiderte Brad und begann damit sich, etwas von dem Rührei mit Speck auf den Teller zu geben. „Ran, hör auf so misstrauisch zu sein!“, brummte Schuldig. Brad blickte unterdessen auf seine Armbanduhr. „Ihr solltet langsam zu einem Konsens kommen. In einer Stunde wird Sonderermittler Oniwara am Flughafen landen. Bis dahin sollte einer von euch beiden sich dafür entschieden haben diese Rolle zu spielen.“ „Wie ich schon sagte, ich mache es, aber zufrieden mit eurer Vorgehensweise bin ich nicht.“ Aya ließ sich wieder in den Sessel fallen, schnappte sich seinen Kaffee und starrte aus dem Fenster. Natürlich hatten sie nicht über Schuldig gesprochen, das WUSSTE Aya, zumal es ihm noch nie so vorgekommen war, als würden die beiden in seiner Gegenwart auf diese Art und Weise miteinander kommunizieren. Das passte nun auch wunderbar zu dem Gefühl, dass er... kein Mitspracherecht hatte. Wie damals. Doch das war Unsinn, das wusste er selbst, nur es war da und ließ ihn auch nicht los. „Wie soll der Auftrag ablaufen?“, fragte er schließlich sachlich, keine Spur der vorherigen Wut mehr in seiner Stimme, sondern im Missionsmodus. „Wir haben eine Anfrage an die Sonderermittler in Tokyo abgefangen. Dieser Oniwara kommt erst morgen hier an. Wenn er eintrifft, wird er von mir instruiert und bekommt die Daten, die wir erhalten haben. Je nachdem ob es uns in den Kram passt, werde ich ihm einen kurzen Abriss seines Aufenthaltes hier in den Schädel pflanzen. Er wird nach Tokyo zurückkehren und alles wird in Butter sein. Für die Bullen hier wird Sonderermittler Oniwara heute schon hier aufschlagen. Am Flughafen angekommen wartest du, auf einen gewissen Typen mit Namen Kunihide. Er geleitet dich zur Polizeihauptwache. Du sollst dir Tatortbilder und einige Zeugenaussagen anhören und sie mit deinen Daten abgleichen. Nagi hat uns einen Laptop mitgegeben auf dem deine Recherchen zusammengetragen worden sind. Sie vermuten einen Zusammenhang zu den Morden in Tokyo und gehen von einem Serientäter aus.“ „Davon gehen wir auch aus“, nahm Brad den Faden auf. „Der Mord ähnelt dem, den ihr beiden am Hafen nur knapp verpasst habt. Gehen wir davon aus, dass Schuldig den Typen kalt gestellt hat, fragen wir uns wer jetzt weiter mordet. Vielleicht ein Nachahmungstäter, oder vielleicht sind wir der Gruppe auf der Spur, die uns schon mehrfach belangt hat? Wer weiß. Für meinen Geschmack ein oder zwei ‚vielleichts‘ zu viel.“ Schuldig setzte sich in die Nähe von Ran. „Nagi kam so schnell nicht an alle Bilder des Tatortes. Das was er gesehen hat deutet jedoch, auf eine weitere makabre Botschaft in unsere Richtung hin. Sicher ist er jedoch nicht. Bevor er sich mehr, um den Datendiebstahl kümmern konnte fing er eine Nachricht an die Sonderermittler, die mit dem letzten Mord betraut waren ab und wir beschlossen hier in Osaka zu erscheinen.“ „Was ist mit Polizeiuniform, Dienstmarke, Waffe und Aussehen? Meine Haare erkennt man zu leicht wieder. Mich erkennt man zu leicht, falls es tatsächlich eine Gruppe ist und diese Gruppe nur auf uns wartet.“ Informationsbeschaffung bei der japanischen Polizei... ein riskantes Spiel, aber mal sehen, ob sie dadurch nicht noch an andere Informationen gelangten. „Alles in dem Koffer dort!“, wedelte Schuldig mit der Hand und stand diensteifrig auf um besagtes Reisegepäck auf das Bett zu legen und zu öffnen. „Wann genau werde ich am Flughafen sein? Was macht ihr in der Zwischenzeit?“ Aya trank den letzten Schluck aus seiner Tasse und erhob sich dann, um den Koffer genauer zu inspizieren. Es war alles da, angefangen bei der Uniform, bis sogar zu einer Perücke. Sehr gut. „In einer Stunde und 47 Minuten. Du brauchst etwa 20 Minuten zum Flughafen. Dort wirst du dich in der Herrentoilette umziehen. Ich werde dir dabei helfen. Ich bin dein Backup. Ab dem Zeitpunkt in dem du, die Toilette verlässt wirst du, nicht mehr wissen wo ich bin, aber ich werde in deiner Nähe sein. Brad wird hier warten und mit Nagi in Kontakt bleiben, um bei Schwierigkeiten sofort handeln zu können.“ Schuldig setzte sich eine Brille Marke Bürodrohne auf die Nase. „Sobald alles abgeschlossen ist, verlasse ich dieses Hotel und wechsle ins Hyatt Regency. Morgen gegen 14.20 landet die Maschine von Oniwara. Schuldig wird sich um ihn kümmern und ihn mit dem Auftrag, am Abend einen Heimflug zu buchen, entlassen.“ Aya sagte nichts darauf, sondern ging zu seiner Tasse zurück und füllte sie sich neu. Es war alles soweit durchgeplant, ohne ihn, und er war nur dazu da, es auszuführen. Ein wenig Wut gestattete sich Aya, doch die wurde der Stadt zuteil, da er dem Hotelraum seinen Rücken zudrehte und einen Blick aus dem Fenster warf. Sie waren hoch über den Dächern der Stadt untergebracht, so hatte Aya einen guten Ausblick. Doch dieser Ausblick war nur von kurzer Dauer, denn er wandte sich ab und ging erneut zum Koffer, nahm sich Hemd, Krawatte, und Schuhe mit, die er jetzt schon anziehen konnte. Mit diesen Sachen ging er ins Bad und lehnte die Tür an, besah sich die Masse seiner Haare im Spiegel. In solchen Momenten verfluchte er seine langen Haare, waren sie doch unpraktisch und unhandlich. Schuldig packte unterdessen das ein, was er für seine eigene Verkleidung benötigte. Vor allem mussten seine verräterischen Haare unter eine Baseballmütze gestopft werden. Er band sie zu einem Zopf zusammen, schob sich die Kappe über die Haare und die Sonnenbrille vor die Augen. „Soll das reichen?“ Brads Stimme klang amüsiert. „Sicher. Wer würde mich unter dieser, exzellenten Verkleidung, schon erkennen?“, meinte Schuldig gelangweilt spöttisch. „Aber damit du keine Angst um mich haben musst werde ich meinen kleinen Trick, den ich so gut beherrsche, zur Anwendung bringen.“ Er vollführte eine kleine spöttische Verbeugung in Richtung Brad. „Ich habe weniger Angst um dich, als um deine Neugierde.“ Schuldig runzelte die Stirn. „Was soll das jetzt bedeuten?“ Aya lauschte der Unterhaltung der beiden eher im Hintergrund, während er sich umkleidete und danach das Bad verließ. Im Koffer selbst fand er schließlich eine Tüte, in der er, die restlichen Sachen verstaute, die er benötigte, um die formalen Anforderungen zu erfüllen. Uniformjacke, Hose, Ausweis... ganz der brave Polizist, wie er mit einem Blick auf die Perücke feststellte, die sich ihm hier mit aparten Kurzhaarschnitt und Seitenscheitel präsentierte. Aya seufzte, als er sie in seinen Händen hielt, doch das eher unbewusst. Brav, bieder, gesetzestreu. Ja, das war einmal. „Schick!“, behauptete Schuldig beim Anblick der Perücke. „Hab ich selbst ausgesucht. Toll was?!“ Er musste sich zusammennehmen damit er nicht zu dick auftrug. Es war schwierig genug eine Perücke zu finden, die zwar ordentlich aussah und den Anforderungen genügte, aber dennoch genug längeres Haar besaß um Rans Naturfülle, darunter verbergen zu können. „Ihr solltet euch beeilen“, merkte Brad an und erhob sich um den Koffer zu öffnen, in dem der Laptop verstaut war, mit dem er mit Nagi, die Verbindung halten konnte. Schuldig nahm einen Rucksack zur Hand und schulterte ihn. Darin befanden sich seine Waffe und für Ran Kleidung zum Wechseln. Aya verstaute die Tüte in eine Aktentasche, die er, als braver Polizist, dabei haben würde, wenn er das Flugzeug verlassen würde. Darin enthalten waren Laptop, Unterlagen und Ausweis. Er registrierte Schuldigs Bemerkung und sein Blick streifte den anderen, während er sich seine Regenjacke anzog, die er zur Not auch über die Uniform ziehen konnte. Seine Ablehnung des Vorgehens der beiden konnte er nicht wirklich, aus seinem Blick halten. „Wie gut, dass ich da kein Mitspracherecht hatte“, kam es auch dementsprechend ausdruckslos und gerade deswegen mit Vorwurf von ihm, während er die Aktentasche griff. Er wandte sich in Richtung Zimmertür. „Warte mal, Gewitterwölkchen!“, bremste Schuldig Ran aus und schnappte sich dessen Aktentasche gewandt aus Rans Hand. „Den hier werde ich dir bringen.“ Artig öffnete er Ran, die Tür und wartete dienstbeflissen. Da die Tür sich schon geöffnet hatte und sie somit der Neugier anderer, vorbeikommender Hotelgäste ausgesetzt waren, enthielt sich Aya einer Antwort, sondern ließ sich die Tasche aus der Hand nehmen und wartete im Flur auf Schuldig. Gewitterwölkchen... jetzt wurde er also schon verniedlicht. Eine kleine, unfaire Stimme in Aya sagte ihm, dass es daher kam, dass er keine Kräfte hatte und sie ihn deswegen als Helfer und nicht als vollwertiges Mitglied eingeplant hatten. Aya versuchte dagegen zu argumentieren, dass es sicherlich nicht so sei, dass Schwarz ihn oft genug als Abyssinian hatten arbeiten sehen, doch ein Teil blieb in ihm. Sie gingen schweigend hinunter in die Lobby und von dort aus zu den Parkdecks. „Nagi hat uns einen Wagen besorgt und ihn hierher bringen lassen. Lass mal sehen…“ Schuldig blickte sich um und kramte aus seiner Tasche einen Schlüssel hervor um ihn kurz in die Luft fliegen zu lassen. Er zwinkerte Ran kokett zu und grinste. Dann setzte er sich in Bewegung und fand das zum Schlüssel gehörige Fahrzeug, eines Mietwagenanbieters. Er hielt Ran die Tür galant auf und setzte sich selbst hinters Steuer. Aya wartete, bis sie gestartet waren, dann entspannte er sich willentlich in seinem Sitz. „Ich finde es zum Kotzen, dass du mir nichts gesagt hast, dass ich überhaupt nicht in eure Planung einbezogen wurde und du dich auch noch darüber lustig machst. Liegt es daran, dass ich keine PSI-Kräfte besitze?“ Seine Stimme war sorgsam ruhig gehalten, auch wenn Wut in ihm schwelte. „Ähm… Nein! Wie kommst du jetzt darauf?“, hakte Schuldig nach und wandte sich halb zu Ran um, bevor er sein Augenmerk nach hinten richtete rückwärts aus der Lücke hinausfuhr. „Eigentlich sollte ich den Part übernehmen, aber dann… nun dann meinte Brad, dass du besser geeignet wärst. Es würde mich entlasten. Und ich könnte besser als Backup fungieren. Das war eine… spontane Entscheidung. Ebenso spontan dachte ich, dass es besser wäre es dir erst später zu offenbaren. Es gab keinen speziellen Grund, dich nicht in die Pläne einzuweihen. Du warst nur primär nicht eingeplant.“ „Du kennst mich mittlerweile gut genug, Schuldig. Du hast mich als Abyssinian erlebt. Hast du jemals allen Ernstes geglaubt, dass ich spontan informiert werden möchte, wenn ich Teil eines Auftrages bin?“ Schuldig antwortete nicht darauf, er empfand diese Frage, als rein rhetorisch. Er parkte aus und fuhr vom Parkdeck. Dann schlug er den Weg zum Flughafen ein. Wie gut, dass es ein Navigationssystem gab. Seine Ortskenntnisse hätte er, als schlecht bezeichnet, wenn er danach gefragt worden wäre. Keine Antwort war auch eine, eine, die Aya sehr viel verriet. So drehte er den Kopf zur Seite und ließ sich schweigend von der höflichen Frauenstimme durch die Stadt leiten. „Warum bleibt Crawford im Hotelzimmer?“, fragte er schließlich, als er darüber nachdachte, dass er Crawford selten im aktiven Geschehen gesehen hatte. Er schien die Fäden im Hintergrund zu ziehen, was aber vermutlich nicht den Grund der Faulheit hatte, den er manchmal spaßeshalber vorschob. Schuldig hielt an einer Ampel und warf Ran einen nachdenklichen Blick zu. Dann wurde sein Blick geheimnisvoller, verschwörerisch, bevor er die Scharade aufgab und mit den Schultern zuckte. „Er ist der Schwächste von uns. Er hat keine Offensivkraft, dient lediglich der Defensive. Er kann sich nur mit den üblichen Waffen verteidigen. Seine Kräfte sind nutzlos im offenen Kugelhagel. Er kann ausweichen, sich verteidigen, aber er kann nicht direkt mit seinen Fähigkeiten in den Angriff gehen.“ Crawford war der Schwächste von Schwarz. Das war neu... und das war die Erklärung für sehr vieles, das Crawford betraf. Seine Dominanz, seine Arroganz, die Strenge, mit der er sein Team führte, die Unnachgiebigkeit, wenn sie nicht gehorchten. Er wusste, wenn er nachlassen würde, wenn er weniger Disziplin und Dominanz an den Tag legen würde, würden ihn die Wölfe des Teams zerfleischen. Schuldig hatte schon bewiesen, dass er in die Gedanken des Orakels eindringen und ihm Schmerz zufügen konnte. Bei Jei war es vermutlich ähnlich gelagert und Nagi bedurfte nur einer einzigen Handbewegung, um ihn umzubringen. Und was hatte Crawford dem entgegen zu setzen? Nichts, außer seiner Voraussicht. Keine aktive Gabe. Verständnis für Crawfords Verhalten keimte in Aya auf, zwar keine großartige Akzeptanz, aber ruhiges Verständnis. „Trotzdem setzt er sich manchmal der Gefahr aus.“ „Natürlich. Er ist zwar der Schwächste, aber auch der Mächtigste von uns. Das ist durchaus ein Unterschied. Ich weiß nicht was die eine oder die andere meiner Handlungen im Gesamtgefüge anrichtet. Er schon. Anfangs mussten wir lernen ihn, als Anführer zu akzeptieren. Er musste nicht viel dafür tun. Wir sind von alleine draufgekommen. Jeder für sich.“ Die Ampel schaltete um und Schuldig fuhr wieder an. „Allerdings macht er sich nicht oft die Hände schmutzig“, fügte er gemeinerweise hinzu. „In China hat er sich die Hände schmutzig gemacht“, erwiderte Aya schulterzuckend und sah wieder aus dem Fenster. In China hatte er es getan und Schuldig damit abgelenkt... das waren Crawfords eigene Worte gewesen. Aya schloss das Thema für sich ab und wechselte in seine Rolle als Polizist. Er ging nochmal die einzelnen Details und Verfahrensabläufe der Polizei durch. Es war lange her, dass er eine andere Rolle gespielt hatte und er hoffte, dass nichts schief ging. Wenig später war Schuldig alleine im Wagen und ließ sich Zeit diesen zu parken. Er nahm die Tasche und den Koffer, den er für Ran vorgesehen hatte und machte sich gemächlichen Schrittes auf zum vereinbarten Treffpunkt. Aya hatte sich währenddessen in den beschriebenen Waschraum mit angeschlossenen Toiletten begeben und ging planmäßig in die mittlere Kabine, schloss hinter sich ab. Ein kurzer Blick in den Raum hinein hatte ihm gezeigt, dass sich momentan fünf Männer hier befanden. Bei keinem von ihnen hatte er große Aufmerksamkeit erweckt. Sehr gut. Schuldig kam jetzt bei den Toiletten an, ging jedoch nicht hinein, sondern wartete in der Nähe um sich in einen der Männer, die Ran umgaben einzuklinken. Er zählte die Anwesenden unauffällig und wartete bis sie den Waschraum nach der Verrichtung der Dringlichkeiten rasch verließen. Als der Raum sich langsam lehrte stieß er sich, von seiner Stütze – einer Wand – ab und ging hinüber um die Tür zu öffnen. Ein Mann war noch im Raum, der jedoch bereits beim Händewaschen angekommen war. Sehr löblich, bemerkte Schuldig schmunzelnd. Er konzentrierte sich darauf, dass jeder, der die Toilette betreten wollte, von ihm bemerkt und umgeleitet wurde. „Na… wo ist denn mein kleiner Polizist?“, fragte Schuldig in bester Psychomaniacmanier und blieb schließlich vor Rans Tür stehen. Das war so typisch Schuldig... Wortlos öffnete Aya die Tür und ließ den anderen hinein, nachdem er mitverfolgt hatte, dass der Waschraum nach und nach leerer wurde. Anscheinend war Schuldig auch schon in seinem Auftragsmodus, gemessen an dem spielerisch sadistischen Einschlag in seinen Worten und seiner Stimme. In der Mutmaßung von Kameras im Waschbereich der Toilette hatten sie es, in der Planung vorgezogen, dass Ran sich in einer der Kabinen umziehen sollte. „Hmm… schön eng“, war es natürlich nicht, dennoch musste Schuldig etwas sagen um Ran ein wenig auf Trab zu halten. Er hatte seit gestern das dringende Bedürfnis ihn zu reizen. Was ihm bisher auch bravourös gelungen war. Woran das lag konnte Schuldig nicht sagen, doch seine innere Stimme glaubte, dass es mit der Nähe zu Brad und zu Ran etwas auf sich hatte. „Hilf mir beim Umziehen“, erwiderte Aya mit einem Augenrollen darauf und schloss die Tür, machte sich daran, den Koffer zu öffnen, den Schuldig mitgebracht hatte und sich die Hose auszuziehen. Es würde mit der Perücke einfacher gehen, wenn er komplett umgezogen war. „Das fragst du mich doch nicht im Ernst jetzt?“, blinzelte Schuldig und seine behandschuhten Hände spitzten kurz unter Rans Unterwäschebund. Er lächelte versonnen. So ein entspannender Quickie, während eines Auftrages hatte schon etwas für sich. „Aber wenn du mich so darum bittest…“, mit einem kleinen Ruck war die Hose unten und Ran an Schuldigs Vorderseite gezogen. Aya war kleiner als Schuldig, etwas nur, doch es reichte, dass er bei dieser Nähe nach oben sehen musste. Der Blick, der Schuldig traf, war hart und dominant. „Lass mich los.“ Passend zu seinem Blick war sein Ton mit einer latenten Drohung durchzogen. „Ach? Ja? Und was passiert wenn nicht?“ Schuldigs Hand schob sich, auf Rans warmen Unterbauch, blieb dort mit sanftem Druck liegen. Seine Lippen strichen über Rans Ohr. „Willst du guter Bulle böser Gefangener mal andersherum spielen?“ Aya pflückte die Hand des Telepathen von seiner nackten Haut und zog seinen Kopf zurück. „Du hast dir heute genug geleistet. Denkst du, ich bin in Stimmung, dir meinen Arsch für ein kleines Stelldichein hinzuhalten?“ Er versuchte, sich von Schuldig zu lösen und sich wieder seiner Aufgabe zu widmen. Schuldig sagte nichts darauf, ließ Ran gewähren und lächelte lediglich ein wenig verschlagen vor sich hin. Er würde abwarten bis Ran bekleidet war und den gesetzestreuen und pflichtbewussten Polizisten mimte. Er hatte schon lange keinen Bullen mehr vernascht. Noch dazu einen, der ihm gehörte und einer der so herrlich verführerisch roch und einen, göttlich zu nennenden Körper besaß. Schuldigs Blick fiel auf die Handschellen, die unter einem nagelneu verpackten Ersatzhemd hervor lugten. Er bückte sich unauffällig um seinen Rucksack zur Seite zu stellen und Ran vermeintlichen Platz zu machen und nahm die Handschellen auf. Mal sehen wie sich der gute Polizist gleich gebärden würde, wenn der böse Teufel anrückte und ihm seine nicht mehr vorhandene aber vorgetäuschte Unschuld rauben wollte. Denn so wie sich Ran hier aufführte hätte Schuldig fast glauben können Ran fürchte sich vor dem Verlust seiner Jungfräulichkeit. Nun wo er Ruhe hatte, zog sich Aya in schweigender Eile um, entledigte sich zunächst seiner Hose und streifte sich die blaue Uniformhose eines Polizisten über, die er sauber mit einem Gürtel an Ort und Stelle hielt. Die Waffe wurde in die vorgesehene Halterung an seinem Gürtel geschoben, das Magazin in die kleine Ledertasche daneben. Dann kam der Horror... die Perücke. Aya schaffte es mithilfe eines mitgebrachten Spiegels, sich seine Haare eng an den Kopf zu stecken und auch wirklich ALLE verschwinden zu lassen, als er sich den aparten, biederen Kurzhaarschnitt auf den Kopf stülpte und die Ponyfransen so zurecht zupfte, dass man es nicht als Perücke erkannte. Schweigend den Koffer durchwühlend, fand er alles, bis auf... die Handschellen. Langsam sah Aya auf und ein unguter Verdacht keimte in ihm auf. Schuldig war in den letzten Minuten verdächtig still und zurückhaltend gewesen. Entsetzen schlich sich in seinen Blick und er war dabei, sich ruckartig umzudrehen... „Zu spät“, gurrte Schuldig, drängte Ran mit der Wange und dessen Unterkörper an die Kabinenwand, sodass es rumste. Er drehte ihm den Arm auf den Rücken und schon klickten die Handschellen. Mit einigen Mühen – denn Ran war ganz und gar nicht erfreut und noch weniger handzahm – gelang es ihm den anderen Arm ebenfalls auf den Rücken zu zerren und schon war Ran sauber verschnürt. „So…“ Schuldig und Rans Keuchen füllte den Raum zwischen ihnen und Schuldig drehte Ran zu sich um, lehnte ihn gönnerhaft lächelnd an die Kabinenwand an. „Jetzt kann ich endlich mal wieder einen biederen pflichtbewussten Polizisten ärgern! Das hatte ich schon seit Jahren nicht mehr“, bemerkte er bedauernd. Aya war in der Tat ganz und gar nicht davon begeistert... absolut nicht. Er war mehr als wütend und seine Wut war überschäumend. Er hatte sich gegen Schuldig gewehrt und dem Mann einiges an Kampf geboten, doch letzten Endes war es zwecklos gewesen, ABSOLUT zwecklos! Sich nicht um die Worte des anderen scherend trieb er sein Knie nach vorne, in der Absicht, es Schuldig in seine Weichteile zu treiben. Er hatte genug von dessen Sprüchen! Genug davon, dass Schuldig ihm Dinge versprach, die er nachher wieder brach, auch wenn Aya nicht einen Bruchteil der Angst verspürte, die er sonst anhand von Fesseln verspürte, eben weil sie in der Öffentlichkeit waren... eben weil er diese Dinger bald wieder los sein würde. Schuldig schnalzte tadelnd, fing das Knie ein und drängte es zurück. Er zwinkerte Ran zu, bevor er diesen recht unsanft auf den Toilettensitz beförderte. „Du weißt wie sehr es mich anturnt, wenn dieses Violett derart scharfkantig und Schmerzen versprechend auf mich niederfährt? Du glaubst doch nicht allen Ernstes, das würde mich von etwas abhalten, oder?“, säuselte er in ruhigem Tonfall. Er warf einen Blick auf die Uhr. Sie hatten noch genügend Zeit. Schließlich hatte er die Zeitplanung in der Hand gehabt. Er sah von seiner Uhr auf Ran hinunter, auf dessen braven fedrigen Haarschnitt. „Kurze Haare stehen dir durchaus“, bemerkte er und kam nahe an Ran heran, sodass er breitbeinig vor ihm stand und sich an dessen erst kurz zuvor sorgfältig geschlossenem Gürtel zu schaffen machte. Die Hose zippte auf und Schuldigs Hand fand Rans Glied, koste mit seinen Fingern begrüßend darüber. „Es kommt mir fast wie eine kleine Ewigkeit vor, dass ich dich berühren durfte“, wisperte er und seine Augen fanden das harte Violett. Das harte Violett, das keinen Millimeter weicher wurde. Aya konnte sich der körperlichen Reaktionen auf Schuldig nicht erwehren, dafür war es zu lange her, dass sie das letzte Mal Sex gehabt hatten, doch er wollte es nicht. Er empfand Schuldigs Position, seine eigene, als eine momentane Bedrohung und Ablenkung vom eigentlichen Auftrag. Seine Augen suchten ein weiteres Mal, die des anderen und mit mühsam unterdrückte Rage erwiderte er: „Ich habe es dir nicht erlaubt.“ Schuldigs Hand hielt inne, noch bevor sein Gehirn ihm vermeldet hatte was Ran gesagt hatte, was es bedeutete. Er blinzelte und ging in die Hocke, außer Acht lassend, dass Ran sein Knie nur hochschnellen lassen musste um ihn auszuknocken. Wie sollte er jetzt weitermachen? Er fühlte sich völlig aus dem Konzept gebracht, mit diesem Satz von Ran. So einfach war es nicht darauf zu reagieren, in dieser Situation. Er durfte nicht zeigen, wie sehr in diese Abweisung traf, denn Ran sollte nicht abgelenkt werden. Er war selbst Schuld an dieser Situation, hätte voraussehen sollen, dass Ran so reagieren würde. Es war noch zu früh. Obwohl er in Rans Augen deutlich sehen konnte, dass dieser nicht wollte, sagte dessen Körper etwas anderes, dennoch durfte er Ran nicht übergehen. Das war genau der springende Punkt bei ihrem letzten Sex gewesen. Er beugte sich zu Rans Glied hinab, platzierte einen weichen Kuss auf das halb erigierte Fleisch. Ein schelmisches Lächeln später, zwinkerte er Ran zu, verpackte dessen Männlichkeit und erhob sich. Es wäre so praktisch gewesen, während des Manövers in Rans Gedanken zu sein, ihn begleiten und absichern zu können. Jetzt musste es auf die herkömmliche Weise von Statten gehen. „Du hast noch zwanzig Minuten. Das Flugzeug landet in zehn Minuten. In deinem Mobiltelefon ist die oberste Nummer Brad zugeordnet, die darunter Nagi und dann komme ich. Falls es Schwierigkeiten mit den Behörden, den Zuständigkeiten oder Ähnlichem… gibt, dann melde dich bei ihnen. Ansonsten bin ich in der Nähe. Schuldig zauberte die Schlüssel zu den Handschellen hervor, half Ran beim Aufstehen und fahndete nach dem Schlüsselloch. Währenddessen sah er Ran an, rechnete mit einem Racheakt und sah diesem gelassen entgegen. Die Handschellen öffneten sich. Der Racheakt blieb zunächst aus, denn Aya war sich nicht ganz sicher, ob er dem anderen eine runterhauen sollte oder nicht. Viel in ihm plädierte für ein Ja, einiges jedoch für ein Nein, da er Schuldig kannte. Nur zu gut kannte. So sagte er erst einmal gar nichts, sondern schloss nur seine vorher geöffnete Hose und den Gürtel wieder. Er war froh, dass es keinerlei weiterer Kämpfe bedurft hatte, um seine Hände von den Handschellen zu lösen. Um aufzustehen und ihm zumindest das Gefühl der Bedrohung zu nehmen. Allerdings ein Gutes hatte es... die Wut auf die Missachtung seiner Meinung, bei der Planung des Auftrages war momentan in den Hintergrund getreten. Er nickte zu Schuldigs Worten und sah kurz hoch, begegnete für den Bruchteil einer Sekunde den grünen Augen, die darauf warteten, dass er auf die Situation gerade reagierte. Schuldig verstand, dass Ran ihn kaum ansehen konnte. Er war wütend und beinahe hätte Schuldig ihm das gleiche angetan wie noch vor wenigen Tagen. Aber dieses Mal hatte er auf Ran gehört, hielt er für sich selbst einen Pluspunkt bereit. Wenn auch nur einen. Schuldig nahm seinen Rucksack auf. „Ich bin in der Nähe, pass auf dich auf“, lächelte er versöhnlich. Er fühlte das dringende Bedürfnis Ran zu berühren in sich aufkommen. Doch er unterließ es. „Bis später und scheuch die armen Bullen nicht so gemein herum!“ Er löste seine geistige Aversionsblockade für den Toilettenraum und schon kam ein Besucher herein. Schuldig wusch sich die Hände und verließ dann die Toilette um sich in der Nähe ein Plätzchen zu suchen, welches einen guten Überblick bot. Für andere Menschen wurde er zum Nebelgespinst. Ein Namenloser für sie, die sie, für ihn keine Gesichter hatten. Schuldig war gegangen und Aya blieb noch einen Moment lang in der Kabine, atmete tief durch. Es war nicht exakt das, was er vor einem Auftrag brauchte, aber geschadet hatte ihr kleines Intermezzo seiner Konzentration nicht. Dafür war seine Disziplin einfach zu hoch. Innerhalb weniger Augenblicke war er der biedere, brave Polizist, der die Toilettenkabine verließ. Er zog einige Blicke auf sich, doch die ignorierte er und verließ den Vorraum, trat hinaus in das geschäftige Treiben des Flughafens. Adrenalin putschte seinen Puls hoch und ließ ihn innerlich lächeln. Ja, er hatte es vermisst. o~ „… und niemand hat etwas gesehen“, merkte Nakazawa an. „Geschweige denn etwas gehört. Die drei Opfer waren auf einer Party und sind anschließend für einen kleinen Absacker zur Tatwohnung gefahren. Allesamt Studenten. Studierten Psychologie an der hiesigen Universität.“ Nakazawa kratzte sich nachdenklich durch seinen Drei-Tage-Bart und deutete auf die Bilder, die auf dem großen Bildschirm prangten. „Wenn sie mich fragen, dann hat man sie gezwungen das Zeug anzuziehen. Oder sie hatten eine ziemlich lustige Party“, fügte er nachdenklicher hinzu. „Wir sind jedoch zu dem Schluss gekommen, dass dies am Unwahrscheinlichsten ist.“ Nakazawas forschender Blick glitt über die Bilder und kurz zu Sonderermittler Oniwara. Sein Vorgesetzter hatte sich nach einer kurzen Vorstellung verabschiedet und ihm die Aufgabe überantwortet Oniwara ins Bild zu setzen. Allerdings hatte man IHM nichts davon berichtet und IHN von seinem wohlverdienten Feierabend – nach wohlgemerkt drei Tagen ohne wirklichen Schlaf – noch die Aufgabe erteilt dem Sonderermittler aus der Hauptstadt ihre Daten zu präsentieren. Entsprechend wenig vorbereitet war er und entsprechend hoch war auch die Beleidigung – in seinen Augen – die man dem Sonderermittler damit entgegenbrachte. Nakazawa wusste um das Zuständigkeitsgerangel der einzelnen Abteilungen, welches hier herrschte. Dennoch hatte er darauf plädiert, die Sonderermittler hinzuziehen und den Fall „zusammen zu lösen“ was auch zu bedeuten hatte, dass sie Daten abglichen und wenn es nötig war den Fall abgaben. „Das vermute ich auch.“ Oniwara – alias Aya – sah sich die Fotos genau an. Jedes einzelne betrachtete er sich, nahm Details auf, betrachtete sie unter einem anderen Licht als die anderen zwei. Hier lag Schuldig. In dreifacher Ausführung. Effektheischendes Grün, reines, blutbeschmutztes Weiß, gleißendes Orange. Dazu arrangierte Details, die ihm nur allzu bekannt vorkamen. Es waren Gegenstände aus Schuldigs alter Wohnung, Gegenstände, die sie nur allzu gut kannten. Er erkannte die grottenhässliche, kitschige Kerze in SD-Mecha-Form, er erkannte das aufgeschlagene Deutsch-Japanische-Wörterbuch mit seinem Lesezeichen darin. Aya hatte damals beim Apfelstrudel ein kleines Stück Papier hineingesteckt mit einem Pfeil nach unten... und das war er. Es war arrangiert. Alles und genau das war das Grausame an diesen Fotos. Einer der Jungen war... wie Schuldig auf den damals retuschierten Fotos gestorben, ein Loch in der Brust, die Augen geschlossen, es war wie damals, als er sich die Bilder im Leichenschauhaus angesehen hatte. Das Mädchen trug eine orangene Perücke, die ihr halb vom Kopf gerutscht war und ein grünes Jackett... giftgrün. Die Sonnenbrille, die sie vorher in den Haaren gehabt hatte, lag zersplittert auf dem Boden. Der weiße Rock war ihr bis kurz über ihre Scham hochgeschoben worden. Jemand hatte ihr mit Blut das Wort „Schlampe“ auf die linke Oberschenkelinnenseite geschrieben. Die dritte Leiche war... es fehlte etwas und was genau das war, konnte Aya erst nach einem Moment erkennen, da sein Gehirn sich weigerte, das anzuerkennen, was deutlich auf dem Bild zu sehen war. Der Junge war ganz in Schwarz gekleidet und hielt die Hände wie eine Schale vor sich. In dieser Schale lag... sein Gehirn. Auf dem Gehirn befand sich ein kleiner Käsewürfel, der mit einem kleinen Spieß an das Gehirn gestochen worden war. Dieser Spieß hatte eine Fahne. Es war die deutsche Fahne. „Die Berichte des Kriminalpathologen liegen hier vor“, Nakazawa scrollte auf dem Laptop die Berichte herunter und sie erschienen für den Ermittler aus Tokyo auf dem flachen Wandbildschirm. „Wenn sie mich fragen ist das eine Botschaft. Nur von Wem an wen? Einige Mutmaßungen haben wir bereits, allerdings ohne Beweise… wir fanden Fingerabdrücke. Sie finden die Auswertung auf den folgenden Seiten des Berichts.“ Aya lehnte sich zurück und las sich schweigend die Berichte durch, die Mutmaßungen. Es gab Fingerabdrücke, doch die waren nicht bekannt. Entweder sie waren von den namenlosen Unbekannten oder... wie so vieles aus der Wohnung von ihnen. Es war ein leichtes, Fingerabdrücke zu nehmen und fälschlicherweise auf den Tatort zu projizieren. Wenn dem so war, müsste sich Nagi in den Polizeicomputer hacken und die Daten ändern... aber erst einmal mussten sie herausfinden, was das für Abdrücke waren. „Welche Mutmaßungen haben Sie, wenn ich fragen darf?“, fragte er schließlich und bedachte Nakazawa mit einem ausdruckslosen Blick. Nakazawa erhob sich aus seiner gemütlichen Position heraus und stand auf. Er ging zum Fenster hinüber und blickte hinaus auf die wenig spektakuläre Aussicht eines gegenüberliegenden Gebäudes. „Vor ein paar Jahren… vier oder fünf könnten es gewesen sein, gab es ähnliche Vorkommnisse in ihrem Zuständigkeitsbereich. Ich war damals noch nicht hier in Osaka, sondern in Tokyo stationiert. Damals arbeitete ich an einigen Fällen.“ Er machte eine Pause und wandte sich kurz zu Nakazawa um. „Sie verstehen… an ‚unlösbaren’ Fällen. Kurz nachdem die Akten geschlossen wurden erledigten sich diese Fälle auch in schöner Regelmäßigkeit. Ich vermutete ein Sondereinsatzkommando. Es ging das Gerücht um, dass eine Untergrundgruppe diese speziellen Fälle erledigte. Mit unsauberen Mitteln und unter Umgehung der Gesetze.“ Er räusperte sich. „Wie dem auch sei.“ Er zuckte elegant mit den Schultern. „Damals gab es ähnliche Morde wie diese. Weniger arrangiert, dennoch die gleiche Art Grausamkeit. Vielleicht sollten wir diese Fälle wieder hervorholen.“ Er drehte sich um und sah sich den Ermittler an. „Möchten Sie noch eine Tasse Tee Herr Oniwara?“ Es war interessant zu hören, wie die Polizei über sie dachte. Aya sah auf und nickte. „Sehr gerne, Herr Nakazawa, das ist sehr freundlich von Ihnen“, lächelte er. Ja, er erinnerte sich an die Morde damals. Sie hatten die Psychopathen, die diese Morde damals begangen hatten, getötet. Mit unsauberen Mitteln und ohne Gesetze. „Glauben Sie, dass diese Untergrundgruppe diese drei Menschen getötet hat?“, fragte er und lud sich auch diese Daten auf seinen eigenen Laptop, damit sie alle Berichte zusammen hatten. „Sie sehen müde aus, Herr Nakazawa, aber wäre es Ihnen vielleicht möglich, mich später zum Tatort zu begleiten, damit ich mir ein eigenes Bild von der Lage machen kann?“ „Selbstverständlich. Entschuldigen Sie mich einen Moment.“ Nakazawa verließ das Büro und kümmerte sich persönlich um den Tee seines Gastes. Er war hundemüde und er freute sich schon jetzt auf sein Bett. Dennoch musste er die nächsten Stunden noch so gut, als möglich über die Bühne bringen. Zurück im Büro setzte er sich wieder an den Schreibtisch. Er genoss den Vorzug den Vorführungsraum als momentanes Basislager seiner Ermittlungen zu okkupieren. „Diese Untergrundgruppe verschwand soweit unsere Unterlagen stimmen. Die letzten Jahre wurden mir über meine noch bestehenden Kontakte nichts über dergleichen wie damals berichtet. Vielleicht lag es am Wechsel der politischen Führung. Wer weiß.“ Er blickte erneut auf die Bilder. „Nein, ich glaube dass es einer alleine war, der diese Tat begangen hat. Und er hat keine Skrupel, geschweige denn Berührungsängste mit Blut, Fleisch und… generell Körperteilen. Menschen scheinen ihm nur Mittel zum Zweck.“ Ein grüblerischer Ton hatte sich in seine Stimme gelegt. Der Polizist hatte Verbindungen, die ihm etwas über diverse Untergrundorganisationen berichten konnten? Das war gar nicht gut, so ganz und gar nicht. Schuldig musste sich den Mann einmal ansehen und ‚Weiß‘ sollte auch über ihn Bescheid wissen. Ärger mit der Polizei konnten sie nicht gebrauchen, ganz und gar nicht. Aya deutete eine Verbeugung an und schlang seine Hände dankbar um den Tee. Warm war es hier nicht. „Mir scheint es auch ein Einzeltäter zu sein. Das würde auch erklären, warum die Todeszeitpunkte der Opfer sich um ein paar Stunden verschieben.“ Fortsetzung folgt… Vielen Dank für’s Lesen. Bis zum nächsten Mal! ^.^ Coco & Gadreel Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)