Der Glasgarten von Gadreel_Coco ================================================================================ Kapitel 121: ...the bad... -------------------------- ~…the bad…~ Schuldig, der gerade noch Rans Profil aufgrund dessen Antwort mit einem ungläubigen Blick bedacht hatte, blickte jetzt nach Jeis Satz vorsichtig und sparsam zu Jei hinüber. Langsam dämmerte es ihm, dennoch sagte er erst einmal nichts dazu und war sehr gespannt wie sich Ran hier aus der Affäre ziehen würde. Zeit, dass der Sake kam, denn jetzt wurde das hier zu einem durchaus interessanten Schauspiel. Aya erinnerte sich nach ein paar Sekunden daran, dass er sein Herz zum Schlagen und nicht zum Stillstehen brauchte und holte tief Luft. Was in aller Welt wurde hier gespielt? War er gerade noch zu der Überzeugung gelangt, dass er sich an Schwarz gewöhnt hatte, so war dies hier ein neuerlicher Schock und zwar kein zu kleiner. Jei... wollte ihn?! Er WOLLTE ihn? „Also... ich...“, begann er, nicht wirklich wissend, was er sagen sollte, wie er sich am besten aus dieser speziellen Affäre ziehen sollte ohne fluchtartig das Bad zu verlassen oder ein Blutbad zu riskieren oder... „Das hat er zu mir gesagt.“ Wie... bitte...? Ruhig waren Jeis Worte gewesen und sein Blick wurde nachdenklich. „Sagt man das, wenn man sexuell interessiert ist?“, ging die Frage nun an Schuldig, weil er dachte, dass dieser in diesem Punkt mehr Erfahrung hatte, als der emotional aufgeregt wirkende Ex-Weiß. Schuldig wollte immer. Vielleicht hätte er doch Brads Platz als Stellvertretender Hellseherboss einnehmen sollen, denn er hatte wirklich darauf getippt, dass etwas Ähnliches nun von Jei zu ihnen geschalt wäre. Was nun eingetroffen war. „Unter anderem könnte ‚man’ das sagen, wenn ‚man’ sexuell interessiert ist“, sagte Schuldig langsam, weil mit nachdenklichem Unterton. „Welcher ‚Mann’ ist denn sexuell an dir interessiert?“, schickte er beiläufig hinterher und blickte zur Seite, da gerade Nagi im Yukatta hereinschneite und ihnen ihr kleines Tablett mit Sake ins Wasser schob. „Danke, Kleiner“, sagte er und wollte gerade zum Fläschchen greifen, als es von ihm in Richtung Ran glitt. „Hee!“, maulte er Nagi an, der schon an der Glastür war um die Baderäumlichkeiten zu verlassen. „Wer faul ist, braucht auch nicht den ersten Schluck zu tun“, schallte es gar unfreundlich zu ihm und entschwand über den Waschraum. Oh das Tablett kam ihm gerade richtig. Auch Aya hatte sich bedankt und griff nun zu dem Sakefläschchen, schenkte sich ein und stürzte den ersten Becher herunter, bevor er sich den zweiten einschenkte und das Tablett dann erst Richtung Schuldig schickte. Er musste trinken. Anders würde er dieses Gespräch hier nicht überstehen. „Kudou Youji“, erwiderte Jei ruhig. Aya hatte gerade einen Schluck Sake genommen und sich und sich in Richtung Schuldig gewandt um diesen mit einem Lächeln zu necken, als er auch schon die allzu klaren Worte hörte und den sich noch im Mund befindenden Sake in fein säuberlichem Sprühregen über Schuldig verteilte und sich schließlich wild zu Jei zurückdrehte. „WIE BITTE?“ Jei blieb ungerührt; sein Auge bohrte sich in Schuldigs grüne Gegenstücke, dann in die des Ex-Weiß, da dieser dem Blonden am nächsten stand. Brad hatte es gesagt, dass der Rote mit dem Blonden geschlafen hatte. Zumindest stand das in den Akten. Hatte Brad gesagt. Demnach musste er wissen, was Jei über Kudou wissen wollte. Auch wenn das Ausmaß der Verwirrung und der Ungläubigkeit schon erstaunlich war. Interessant. Schuldig stieß einen gespielt angeekelten Laut aus und wischte sich übertrieben den guten Sake vom Gesicht, vor allem seiner Wange. Danach wandte er sich wieder den wichtigen Dingen zu. Aber nicht bevor er sich zwei Becher Sake füllte und einen davon zu Jei hinüberschob. „Trink“ Er lehnte sich zurück, sank mehr ins Wasser hinein und sezierte Jei mit seinem Blick. Es dauerte Minuten bevor er sich bemüßigte zu antworten. „Was genau willst du wissen, Jei?“ „Er... schien sexuell erregt zu sein, als er in der Dusche stand. Meine Nähe erreget ihn“, begann Jei das wieder zu geben, was sein Problem darstellte und legte den Kopf schief, um das bunte Chaos im Innern des roten Japaners zu verfolgen. „Deine Emotionen sind chaotisch... du fühlst Wut. Erhebst du Ansprüche auf Kudou?“, fragte er Ran, der nur mit dem Kopf schüttelte. „Nein, das nicht, aber...“ Wieder verstummte der Ex-Weiß, was Jei nicht verstand. Er war verwirrt, doch warum war der Japaner so emotional unausgeglichen? „Wieso standet ihr unter der Dusche?“, fragte Aya völlig verständnislos. Diese Frage war für Jei unerheblich. So wandte er sich an Schuldig. Vielleicht konnte dieser ihm effektiver antworten. Schuldig sonnte sich in der Verwirrung seines Blumenkindes und freute sich jetzt schon diebisch auf den Zeitpunkt an dem sie eingekuschelt auf ihren Betten in ihrem Zimmer lagen und sich darüber ausführlich unterhalten konnten. Ran würde toben, er würde lachen. Perfekt. „Du hast immer noch keine Frage gestellt, Jei“, bemerkte Schuldig und machte Anstalten aus dem Becken auszusteigen. Er kletterte hinaus, behielt jedoch den Blick auf Jei gerichtet, als er sich auf die niedrige Bank setzte und die Seife aufnahm um sich erneut einzuseifen und mit Wasser nach und nach abzuspülen. Jei blickte verwirrt auf. Ja, hatte er nicht. Aber... er wusste auch nicht genau, wie er es formulieren sollte. „Wie...“, begann er nach ein paar Minuten des Stillschweigens, verstummte aber wieder. „Wieso errege ich ihn? War er denn von mir erregt? Habe ich zu stark auf ihn projiziert?“, veräußerte er dann nachdenklich. Ja... so konnte man es ausdrücken. „Bevor du an die Stärke der Projektion denkst, frage ich dich, hast du überhaupt auf ihn projiziert? Aktiv?“ Jei runzelte die Stirn. „Ich... nein... ich war abwesend. Ich habe nicht auf ihn projiziert. Ich habe eine Frau und einen Mann beobachtet, sie waren interessant. Währenddessen hat er mich… und meine Haare gewaschen. Vielleicht... hat ihn das erregt?“ Es war warm hier in dem Raum, zumindest legte sich die Hitze auf Jeis Wangen. „Erregt es dich, wenn er dir die Haare wäscht?“, fragte er Schuldig. Dieser blickte zu Ran, suchte den Augenkontakt, den er fand. Eine stumme Zwiesprache, bevor Schuldig zu Jei und dessen rote Wangen sah. Jei wurde vor Verlegenheit rot? Zweifel breiteten sich in Schuldig aus. Mit Sicherheit nur die Hitze des Bades. „Das ist nicht pauschal zu sagen, Jei. Es entspannt mich eher. Der Kontakt am Kopf ist sehr intim für manche Menschen. Allerdings…“, räumte er ein und legte sein Handtuch über seinen Schritt um es sich am Beckenrand auf der Bank bequemer zu machen. „… kann in der Anfangsphase des Kennenlernens zweier Menschen fast jeder Kontakt eine erregende Wirkung besitzen. Das hängt vom Grad des Interesses ab.“ Stumm die Stirn runzelnd, bedachte Jei Schuldigs Worte. Wenn Kontakt erregende Wirkung hatte, dann war es kein Wunder, wenn Youji die äußeren Anzeichen einer Erregung besessen hatte. Sie hatten sich geküsst, erinnerte sich Jei. Sie hatten sich berührt, er hatte sich an den anderen angelehnt. Nur weil sie sich berührt hatten. „Mag er es, geküsst zu werden?“, richtete er nun an Ran, dessen Gefühlswelt sich immer noch nicht signifikant geändert hatte. „Ja. Wer mag das nicht?“, sagte der Japaner äußerlich ruhig. Jei schwieg. „Gefiel ihm etwas besonders, als du mit ihm geschlafen hast?“ Die violetten Augen starrten ihn sprachlos an, die roten Wangen dazu bildeten einen hübschen Kontrast. „Woher... weißt du...?“ Wieso stellte der Ex-Weiß nur immerzu solche unerheblichen Fragen? Es war schlicht nicht wichtig. Auch wenn Schuldig seinen hauseigenen Rotschopf gerne in dieser Art misslicher Lage sah hatte er Mitleid. „Wäre es nicht effektiver du würdest es selbst herausfinden, als jemanden zu fragen, der womöglich ungenügende bis fehlerhafte Informationen liefern könnte? Schließlich unterscheidest du dich von ihm hier“, Schuldig nickte mit dem Kopf hinüber zu Ran. „Du kannst ihm diese Frage nicht stellen wenn du eine hundertprozentig richtige Antwort willst. Kudou gefällt vielleicht DAS was ihm mit Ran gefallen hat mit dir oder jemand anderem nicht. Die Menschen sind nicht beliebig austauschbar, Jei. Diese Frage kannst du nur mit ihm zusammen beantworten.“ Wieder herrschte Schweigen, nur unterbrochen durch Ayas hektischen Herzschlag, der sich zusammen mit der Hitze des Bades nun exponentiell steigerte. Auch er schälte sich nun aus dem Bad und kam zur Bank, legte sich ein Handtuch über die Körpermitte. Die Kühle der Bank tat gut. Sehr gut. Er betrachtete sich den ruhigen, nachdenklichen Iren, der sein Interesse an Youji entdeckt hatte. Ob das gut war, Aya wusste es nicht, konnte sich die Konsequenzen dessen auch nicht ausmalen. So rein gar nicht. Seit wann lief das so? Warum hatte Youji ihm nichts davon erzählt? Wollte er ihm überhaupt etwas erzählen? Aya vertagte es auf später, dann, wenn er in Ruhe darüber nachdenken konnte. „Als du ihn mir damals gegeben hast, hattest du diese Art von Komplikationen nicht erwähnt“, richtete Jei an Schuldig, die Stirn gerunzelt. „Willst du ihn loswerden?“, fragte Schuldig ironisch, seine Linke legte sich auf Rans Oberschenkel, blieb dort Kontaktsuchend liegen. Was auch gut so war, denn Aya glaubte in diesem Moment, nicht richtig zu hören. Gegeben? Loswerden? Sie sprachen über YOUJI! Schuldig hatte Youji VERHÖKERT! Ungläubig ruckte Ayas Blick zu seinem nach Kontakt suchenden Telepathen und er grollte. „Nein“, erwiderte Jei nach einem Moment intensiven Überlegens. „Er ist interessant. Aber er ist... so voller Emotionen, die ich nicht verstehe.“ Doch er würde Schuldigs Rat befolgen und Youji fragen. Vielleicht würde er dann wissen, wieso er den Weiß erregte oder ob er es überhaupt war. Also... waren diese Emotionen vielleicht nicht künstlich gewesen. Vielleicht hatte er sie selbst gar nicht hervorgerufen. Seltsam. Interessant. Neu... „Bist du fertig mit deinen Fragen an mich?“, hakte Schuldig nach. Jei überlegte, nickte dann und erhob sich. „Ja.“ „Gut. Denn jetzt habe ich Fragen an dich.“ Schuldig blickte zu Jei auf. „In welcher emotionalen Verfassung hast du Kudou angetroffen?“ Die Hände ruhig neben seinem Körper hängend kam Jei zur Bank und nahm sich das dritte Handtuch. „Er war... verwirrt, als er mich sah. Vorher war er... einsam. Rastlos. Unruhig. Aber... dann wurde er... erregt.“ „Ja. Das sagtest du.“ Schuldig wollte das leidige Kapitel um Kudous Libido abschließen. „Du schließt eine depressive, melancholische oder gar suizidale Stimmung aus?“ „Erstes und letztes definitiv. Er war melancholisch.“ Jei antwortete wahrheitsgemäß wie immer und war nicht überrascht, dass er Sorge von dem rothaarigen Japaner verspürte. Das empfand Schuldig nicht als besorgniserregend. Eine gewisse Grundmelancholie umschwirrte den Blonden stets. Das machte seinen unwiderstehlichen Charme aus, wie Schuldig zugeben musste. Damit zog er die Frauen in Scharen an. „Pass gut auf ihn auf“, meinte Schuldig leise und lächelte minimal, jedoch blickten seine Augen ernst und in stummer Zwiesprache mit dem Empathen. „Er zerbricht leicht.“ „Das sagte mir Brad bereits. Wenn er zerbricht, zerbricht das Team. Das liegt nicht in meinem Interesse.“ Er schlang sich das Handtuch um die Hüften und betrachtete sich den Telepathen. Jei wartete ab ob er noch Fragen an ihn hatte, doch Schuldig musste erst das verarbeiten was er gerade erfahren hatte. „Ich habe keine Fragen mehr an dich. Du kannst gehen, wenn du möchtest.“ Der Ire nickte und verließ das Bad, ließ einen perplexen Aya zurück, der ihm sprachlos hinterher starrte und dessen Gedanken Amok liefen. Youji und Jei... deswegen waren sie damals gemeinsam in der Wohnung aufgetaucht. Und Youji suizidal? Nein, das glaubte er nicht... oder war es vielmehr, dass er es nicht glauben wollte? Er wollte sich dem nicht stellen, dass Weiß nach Amerika gingen, dass Youji unter der Einsamkeit litt, dass er ihn nicht mehr so häufig zu sehen bekam. Aya vermisste seinen Freund, war jedoch glücklich mit Schuldig. Sollte er nun Schuldgefühle haben? Schuldgefühle, weil er keine hatte? Schuldigs Arme fanden Rans Körpermitte und zogen den stummen Japaner an seinen Oberkörper. Einen sanften Kuss erfuhr die warme Ohrmuschel. „Rede mit mir“, bot er den Einstieg in eine sicherlich ausufernde Unterhaltung. Jedoch war sie ihm lieber als dieses mahnende Schweigen. „Du bist so voller Zweifel. Erst in Osaka, als Brad seine Schwester erwähnte, dann am Flughafen, jetzt. Ich habs zwar zeitweise etwas geschafft dich abzulenken, aber irgendetwas Grundlegendes beschäftigt dich.“ Was sollte er denn sagen? Es gab so vieles, was er zu sagen hatte, so vieles, was er sagen musste und wollte. Aya blieb an Schuldig gelehnt. Am besten, sie begannen beim Aktuellen. „Du hast ihn Jei gegeben? Wieso?“, fragte er ruhig, leise. Wir sind nicht auf einem Basar, hatte er selbst Schuldig gesagt, hatte er mehrfach gedacht und diese Erinnerungen bargen nichts Gutes. Schuldig schwieg einen Moment. Sein Kinn ruhte auf Rans Schulter, bevor er den Kopf seitlich legte und seine Wange folgen ließ. Er pustete spielerisch in Rans Haar das zu einem wilden Zopf zusammengefasst war. Die ersten feinen Haare an den Schläfen trockneten bereits zaghaft. „Wenn ich sage: es war so ein Gefühl, klingt das sicherlich zu einfach für dich oder?“ „Ja“, erwiderte Aya ehrlich. „Ich kann dieses Besitzdenken nicht nachvollziehen, Schuldig. Mit welchem Recht verkaufst du ihn... an einen unberechenbaren Empathen?“ Aya lehnte sich an Schuldigs Wange an, ganz gegensätzlich zu seinen zweifelnden Worten. Schuldig seufzte und lange Minuten blieb es still zwischen ihnen. „Kudou ist innerlich sehr zerbrochen“, sagte er schweren Herzens. Er hatte nicht vorgehabt das Seelenleben des Playboys vor seinem Freund auszupacken. „Er trägt die Fassade mit sich herum, die wir sehen. Nichts davon ist echt. Das was ihm erst kürzlich widerfahren ist - durch einen weiteren Zweig einer irren Blutlinie, der ich auch angehöre - zermalmt lediglich die Splitter in kleine Brösel, die sein Selbst darstellen. Ehrlich gesagt habe ich nicht großartig nachgedacht, als ich den Handel mit Jei eingegangen bin. Für mich stand das als logischer Schluss in Anbetracht der Situation fest. Ebenso wie Omi Nagi gut tut. Die passende Komponente. Auch wenn es unerwünscht ist, oder war. Schieb es auf meine Telepathie. Was weiß ich“, seufzte er selbst zweifelnd. „Jei kann ihn heilen, Ran.“ Schlimmer, als Aya erwartet hatte. Schlimmer, als er Youjis Zustand eingeschätzt hatte. Aya durchfuhr trotz der Hitze ein Kälteschauer, der ihn erzittern ließ. „Omi und Nagi haben sich freiwillig gefunden. Aber du hast Youji an euren Empathen verkauft. Er sieht ihn als sein Eigentum an, Schuldig. Und was passiert, wenn er ihn heilt, indem er seine Emotionen umkehrt? Ist das Heilung oder umprogrammieren? Ich nenne das nicht Heilung. Wieso hast du sie sich nicht einfach so kennenlernen lassen?“ „Hey…“, raunte Schuldig sanft, umarmte Ran sanft. „Beruhige dich. Das Interesse von Seitens Jei bestand schon vorher. Weshalb sollte ich ihm sonst etwas vorschlagen was nicht von Interesse für ihn ist? Kudou ist nicht abgeneigt, das hast du doch gerade eben erfahren. Vergiss das nicht.“ Er schloss die Augen. „Jei kennt sich mit zerbrochenen Seelen aus und er weiß wie vernichtend die Illusion einer heilen Welt sein kann. Er selbst kann keine Lügen mehr leben, oder Lügen schenken. Dazu ist er selbst zu zerbrochen, Ran. Er würde Kudou keine heile Welt schenken und ihn wie eine kaputte Puppe reparieren. Jei… könnte für den Blonden zu etwas …Neuem … werden.“ Er schmunzelte. „Entschuldige das Wortspiel. Nur… könnte Jei ihm Stabilität geben. So seltsam das klingen mag, aber Jei tut das bereits. Kudou nimmt sich seiner an. Er kümmert sich freiwillig um ihn. Keiner zwingt ihn dazu. Warum tut er das? Will er sich verantwortlich fühlen? Für irgendetwas, dass ihm sinnvoll erscheint?“ „Er sucht Nähe, wo ich ihm sie nicht geben kann. Früher hat er mich unterstützt, mir geholfen, wenn es mir schlecht ging. Doch ich bin nicht mehr da, werde es in Zukunft noch weniger sein, wenn er in die Staaten geht und ich ihm... ihnen nicht folge.“ Verzweiflung schlich sich in Ayas Stimme. „Es scheint nur logisch, dass er sich an denjenigen wendet, der ihm gegenüber Interesse zeigt. Anscheinend so viel Interesse, dass er weiß, mit wem Youji geschlafen hat und dass er sich mit ihm schon nackt in der Dusche befunden hat! Ich wusste... nichts davon. Gar nichts.“ „Weshalb sollte er dir diese Details erzählen, wenn er vielleicht selbst noch nicht weiß wohin das laufen wird oder könnte? Hast du denn Kudou Einzelheiten unseres Sexlebens berichtet? Mal abgesehen von der Größe des Vibrators, die ihn durchaus erstaunt hatte“, offenbarte Schuldig, dass er von dem kleinen Gesprächsdetails wusste, welches die beiden Weiß Agenten ausgetauscht hatten. „Wenn er sich selbst unsicher ist, weshalb sollte er dir etwas erzählen was dir in deiner momentanen Verfassung – die zugegeben jetzt sehr gut ist im Vergleich zu vor ein paar Wochen – zusätzliche Sorgen aufbürden?“ „Du weißt ganz genau, was ich ihm erzählt habe und was nicht, Schuldig“, erwiderte Aya ruhig. Natürlich hatte Schuldig Youjis Gedanken gelesen... das war die Natur des Telepathen. Doch es gefiel ihm nicht. „Ich...“, begann er, verstummte dann jedoch. Es war ihm nicht gut gegangen, das stimmte. Doch Youji und er waren befreundet. „Ich will nicht, dass ihm etwas passiert... ich will aber auch nicht, dass er zerbricht. Doch was ist mit Jei? Wie unberechenbar ist er in einer solchen Situation?“ „Wie unberechenbar bin ich in manch einer Situation, die derer ähnlich ist und war?“, schickte er zurück. „Wir sind alle nicht berechenbar, Ran. Nicht einmal Brad. Wir sind unseren Fähigkeiten ausgeliefert und wir versuchen uns von Strohhalm zu Strohhalm zu hangeln in der Hoffnung, dass wir einmal einen erwischen, der uns stabiler als der vorherige erscheint.“ Keine zufriedenstellende Antwort, aber spontan hatte er nichts Besseres. Aya lächelte und das Lächeln war ernst gemeint. Schuldig versuchte, es ihm zu erklären, ihn zu beruhigen, doch wirklicher Erfolg wollte sich damit nicht einstellen. „Er könnte sterben dabei, Schuldig. Er kann sich doch nicht wehren. Nicht gegen Jei.“ Aya seufzte und schüttelte dann den Kopf. Was er hier betrieb, war Schwarzmalerei im großen Stil. „Er könnte sterben? Der Arme“, sagte Schuldig mit mildem Spott in der Stimme. „Sag mir wie oft hattest du schon die Klinge an deiner Kehle?“ Er schob Ran soweit von sich, dass er in das verschlossene Gesicht des Japaners sehen konnte, dessen Augen ihm die aufgewühlte Gefühlswelt hinter der antrainierten Maske zeigten. „Kannst du dich noch an den gemütlichen Keller erinnern, als ich dir den Deal mit den Haaren unterbreitete?“ Aya verzog missmutig den Mund, eine Winzigkeit nach unten. „Deal? Das war Erpressung.“ Schuldig winkte großmütig ab. „Haarspalterei. Ich habe dich allein gelassen. Dir ging’s Scheiße. Wie oft haben wir uns das Leben schwer gemacht? Wie oft waren wir dem anderen ausgeliefert?“ Er sah dem roten Haarschopf zu wie er vehement geschüttelt wurde. „Gut, das mag sein. Aber ich kann für die beiden nicht in die Zukunft sehen. Wann kommt der Augenblick in dem Jei genug vom Künstlerdasein hat und er seine Messer interessanter findet?“ Schuldig furchte die Stirn. „Er lässt sich freiwillig darauf ein. Und er ist erwachsen.“ Aya atmete tief ein und sein Blick ging durch die gläserne Abtrennung nach draußen zu den Waschplätzen, die für die Gäste des Ryokans eingerichtet wurden. „Jei sagte er sei nicht suizidal.“ „Ja. Das sagte er.“ Schuldigs Lippen berührten Rans Schläfen. „Ich mache mir zu viele Sorgen.“ Verlustängste, nannten sie sich, seine Sorgen. Schuldig fragte sich gerade ob Ran tatsächlich auch nur eine Sekunde lang glaubte, sich gegen ihn wehren zu können. „Sollen wir noch einmal hinein ins warme Nass? Nagi unser kleiner Misanthrop sollte auch bald kommen.“ o~ Es war früher Abend als Crawford beschloss in seine Stadtwohnung zu fahren. Ihn erdrückte die familiäre Stimmung im Ryokan. Seit er zurück war aus Osaka fühlte er sich rastlos und brauchte etwas Luft zum Atmen. Eine Runde Schwimmen und etwas Training im Dojo würden ihm gut tun, den Kopf frei machen. Er knöpfte sich sein Hemd zu, nahm seine Anzugjacke auf und ging ein Stockwerk nach unten um nach Naoe zu sehen. Der war nicht in seinem Zimmer. Die Bildschirme der Rechner gaben ihr Licht in ein menschenleeres Zimmer ab. Sein Weg führte ihn in die große Restaurantküche, dort sah er ihren Jüngsten wie er vor einem der beiden Herde stand. „Ich bin in der Stadt.“ Naoe drehte den Kopf. „Wie können wir dich erreichen?“ Brad atmete tief ein, verschränkte die Arme und lehnte sich an den Türrahmen an. „Gar nicht. Ich gehe trainieren.“ „Trainieren?“ echote der Junge und Brad rückte seine Brille zurecht, bevor er seine Tasche aufnahm. „Ja. Wir sehen uns morgen.“ Brad wollte die Küche verlassen, als er das Tapsen nackter Füße auf dem Boden hörte. „Warte!“ Doch Brad tat ihm nicht den Gefallen und ging in Richtung Eingangshalle um sich dort seine Schuhe anzuziehen. Er sah davon auf, als er Naoe ihm nacheilen sah. „Du fährst nicht nach Kyoto, oder?“, hakte der Telekinet unsicher nach. Brad hörte die Besorgnis in der jugendlichen Stimme. „Nein. Warum sollte ich?“ „Eine rein logistische Frage, der zeitlichen Einsatzp…“ Naoes Satz verlief ins Leere, als er zusah wie Brad die Tür hinter sich schloss. o ~ Er war nicht wirklich angemeldet und hatte auch wenig Hoffnung, dass Nagi da war oder ihm die Tür öffnete. Dennoch war Omi typisch für seine Abstammung starrköpfig und stur und hatte nicht vor, diese kleine Insel Glück einfach so aufzugeben, nur weil sie sich in dem Ryokan in Beppu nicht gut verstanden hatten und weil es Crawford mehr als schlecht gegangen war. Eine Kombination aus beidem war es wahrscheinlich gewesen, die Nagi dazu getrieben hatte sich noch mehr in sich zurück zu ziehen. Das würde Omi allerdings nicht mehr länger mit ansehen. Er wollte den Telekineten zurück, der bereit war, aus sich heraus zu gehen. Er wollte denjenigen zurück, der schüchtern und doch durchtrieben lächelte und der so oft einfach nur die Weisheit mit Löffeln gefressen hatte. „Ich kümmer mich drum“, rief Schuldig über die Schulter in Richtung Ran, der nach dem Baden hinauf in den zweiten Stock in eines der Zimmer gegangen war. Schuldig ging über die Flure zum Eingangsbereich und erkannte bereits währenddessen, wer dort draußen auf Einlass wartete. „Oh man… schon wieder einer von denen. Reicht es nicht wenn wir ständig über sie quatschen müssen? Nein, jetzt stehen die auch noch vor der Tür“, brummte er seufzend und wechselte das Schuhwerk auf der schwarzen Marmorplatte um danach mit wenig Elan zur Eingangstür zu schlurfen und zu öffnen. „Na… wen haben wir denn da? Hausieren und betteln verboten.“ „Warum haben sie dich dann nicht schon längst eingebuchtet?“, kam es prompt mit keckem Lächeln zurück und Omi schmiss sich in die beste Angeberpose, eine Hand lässig in seiner Hosentasche, mit der anderen tippte er sich gegen die Schläfe. Man hätte ihm diese Fassade fast abnehmen können, fast. Wären da nicht die sorgenvollen Gedanken gewesen. Schuldig tastete die Umgebung ab, sah sich um, während er im Türrahmen lehnte und ließ den Weiß Agenten eintreten. „Dein Make up war auch schon mal besser“, meinte Schuldig zweideutig und schloss die schwere Eingangstür. Erneut wechselte er das Schuhwerk und ging zu dem kleinen Bereich in dem sich die Gäste des früheren Ryokans an kleinen Tischchen niederlassen konnten. Er nahm die auf einem Tisch liegenden Zigaretten auf und zündete sich eine an. „Was ist los?“, fragte er diplomatischer und setzte sich im Yukatta in einen Sessel und beobachtete den Blondschopf wie er sich die Schuhe auszog. „Ich wollte nach Nagi sehen und schauen, wie es ihm geht“, sagte Omi ehrlich und trat in den ehemaligen Eingangs- und Empfangsbereich des Ryokan. „Nun... primär nach Nagi, allerdings kann Ran nicht weit sein, wenn du auch hier bist.“ Er grinste frech, wurde dann jedoch aber wieder ernst. „Nagi ging es nicht gut... vor ein paar Tagen… Wochen. Gar nicht gut.“ „Ran ist nicht hier. Ich vergnüge mich zurzeit mit jemand anderem“, meinte Schuldig lapidar und wischte ‚Ran’ mit einer abwertenden Handbewegung beiseite. Sein schmutzig beiläufiges Lächeln untermalte seine Aussage. Allerdings beschäftigten sich seine Gedanken mit der Tatsache, dass Nagi, die Sache mit Brads Alleingang und dem anschließenden Aufenthalt im Krankenhaus weniger gut weggesteckt hat. Seither war Nagi noch wortkarger als ohnehin schon und arbeitete wie ein Besessener. „Was Nagi betrifft. Ihn hat die Eskapade mit Crawford ziemlich mitgenommen. Es ist zwar besser geworden, aber er traut dem Frieden nicht. Er arbeitet viel.“ Schuldig drückte die Zigarette nach drei Zügen wieder aus, nahm den Aschenbecher auf und ging damit Richtung Küche, die über einen schmalen Flur zu erreichen war. Dort entsorgte er den Rest der Zigarette. Er sah für einen Moment zur Seite, als er den Mülleimer schloss und den Aschenbecher ausspülte, denn auf eine Predigt bezüglich der Ordnung im Ryokan konnte er dankend verzichten. „Wir können ihm in diesem Punkt keine Vorschriften machen.“ Das war eines der unausgesprochenen Gesetze bei Schwarz. Keine Kritik was den Arbeitseifer anbelangte, sofern dieser keine negativen Auswirkungen auf das Team hatte. „Du verstehst?“ „Natürlich verstehe ich das“, erwiderte Omi nach einer kleinen Weile des Nachdenkens. „Aber ich bin nicht ihr, wenngleich auch ich nicht das Bedürfnis verspüre, ihm Vorschriften zu machen. Ich möchte nur, dass es ihm nicht schlecht geht.“ Schritte auf der Treppe lenkten seine Aufmerksamkeit ab und wenig später erhellte Freude sein Gesicht. „Ah... du bist also derjenige, mit dem Schuldig Ran betrügt... werde ich ihm weitergeben“, grinste er Ran an, der ihn mit einer hochgezogenen Augenbraue umarmte. „Was machst du denn hier?“, kam ein seltenes Grinsen zurück, vollkommen entspannt, wie Omi bemerkte. „Dich besuchen und sehen, ob er dich auch gut behandelt...“ Ran lachte und wuschelte Omi durch die Haare. „So, mit wem betrügt mich Schuldig?“ „Mit so einem rothaarigen Teufel... auch Japaner... ganz schlimmer Mensch.“ Schuldig rollte mit den Augen, ließ die Schultern sinken und drückte sich an den beiden vorbei um hinauf in ihr Zimmer zu gehen. Zwei von denen auf einem Haufen und der liebste Telepath war kurz davor Amok zu laufen. Er nahm den Aschenbecher mit, stellte ihn an seinen Platz zurück, ging die Treppe hinauf, die sich im Flur neben dem Aufenthaltsraum anschloss und in ihr Zimmer in den zweiten Stock und dort direkt in das winzige Badezimmer um sich für die Nacht fertig zu machen. Währenddessen war Nagi bereits halb am Einschlafen, allerdings musste er noch einen Upload tätigen. Das neue Programm war noch nicht fertig geschrieben und er wollte heute noch daran arbeiten. Aber war da nicht noch etwas gewesen was er noch tun wollte… Er wischte sich über die Augen und ließ seinen Kopf in den Computersessel gleiten um ihn an den Seitenstützen anzulehnen. Schnell schob er sich die digitale Brille wieder auf die Nase um in der von ihm geschaffenen virtuellen Welt ungestört an einem aktuellen Programm arbeiten zu können. Ah jetzt wusste er wieder… er sollte die Daten aus Osaka noch sichten. Wie hatte er das vergessen können? Sie brauchten einen Abgleich, der bisherigen Informationen, die sie gesammelt hatten. „Wie wäre es, wenn du Nagi eine Tasse Kakao mitbringst, hm? Darüber würde er sich doch sicherlich freuen.“ Omi seufzte. „Ich hoffe es. Wo finde ich ihn denn?“ „Erster Stock, links hinten.“ „Danke dir, Ran... aber wie geht‘s dir?“ Nun war es an Aya, zu lächeln. „Soweit gut, wenn ich nicht daran denke, dass ihr bald weg seid.“ „Ich will nicht daran denken...“ „Es ist besser so. Ihr seid hier in Gefahr.“ „Und du nicht?“ „Ich schlage mich schon durch.“ „Ran, wenn es stimmt und sie Schwarz wollen, dann bist du sicherer bei uns!“ Überrascht sah Aya Omi an und musste schmunzeln. „Willst du mich etwa überzeugen, mitzukommen?“ „Ja!“, kam es inbrünstig und Aya schüttelte den Kopf. „Lass uns jetzt nicht darüber reden... jemand anderes braucht deine Unterstützung!“ „Raa~aan...“, quengelte Omi. „Und jemand Telepathisches braucht jetzt MEINE Unterstützung! Also... viel Spaß!“ Sprachs und war nach oben verschwunden, ließ Omi alleine. Er seufzte. Gut... zurück zum Wesentlichen. Kakao. Nagi. Omi machte sich daran, das Friedensangebot zu kochen und schlich sich schließlich nach oben, betrat ganz vorsichtig besagte Tür hinten links. Da saß er, der Telekinet, völlig versunken in seiner Welt und beim Näherkommen deutlich erschöpft. Omi seufzte und stellte sich neben Nagi, setzte die Tasse Kakao in weiser Voraussicht ab, bevor er an die nächste Wand gepresst wurde und das Heißgetränk sich über ihn, die Wand und das zugegeben übersichtliche Interieur goss. „Erschöpfungskontrolle. Wie ich sehe, halten Sie Ihr Ruhepensum nicht ein!“, sagte er bestimmt. Nagi zuckte heftig zusammen, seine Hände pressten sich auf die Oberschenkel, für einen Bruchteil von Sekunden noch wollten diese ihn verteidigen. Doch er hatte die Stimme erkannt, die Stimme, die nicht ins Ryokan gehörte, die ihn überraschte, sein Herz rasen ließ. Schon in der nächsten Sekunde rief er sich zur Ordnung und nahm sich die Brille von den Augen, die ihn von der Umgebung abschottete, um sie auf den Tisch zu legen. Er wandte den Kopf zur Seite und sah nach oben. „Ist etwas passiert?“, fragte er ehrlich besorgt. Seine Stimme hörte sich selbst in seinen Ohren ein wenig uninteressiert an. Omi kam ganz nah zu Nagi, stützte beide Hände auf die Lehnen des Stuhls. Sein Blick war ernst. „Ja, sehr viel, wie ich sehe.“ Er schüttelte den Kopf. „Muss ich erst wieder kommen, damit du dir etwas Gutes tust?“ Nagi blickte den anderen - dessen Augen fast auf gleicher Höhe mit seinen waren - an und wusste nicht sofort eine Antwort auf die Frage. Was sollte er sagen? Dass er sich gerne fallen lassen würde, dass er müde war, so dermaßen müde, dass er Angst hatte sich hinzulegen mit dem Wissen, dass er noch so viel zu tun hatte und sein ihm selbst auferlegtes Pensum nicht mehr schaffte. Es gab so viel zu antworten auf die Worte des anderen. Er wollte, dass Omi bei ihm war, aber … es war schmerzhaft, es war auch so sinnlos geworden. Weiß würden Japan bald verlassen. Wozu sollten sie sich treffen? „Ich.. habe… verfolge einen strengen Arbeitsplan.“ Wie blau diese Augen doch waren. Nagis glasig müder Blick versank in dem kräftigen Blau von Omis Augen. Omi musste wohl erst vorhin geduscht haben, er roch nach seinem Shampoo, nach dem Duschgel, das Nagi kannte und mochte. „Das sieht man. Ich auch. Und mein nächster Punkt ist, dich von deinem Schreibtisch in dein Bett zu befördern und dir eine Tasse heißen Kakao einzuflößen, aber nicht unbedingt in dieser Reihenfolge. Also, was sagt deine Nase zu diesem Vorschlag?“ Omi lächelte und hauchte Nagi einen schnellen, kleinen Kuss auf die glatte Stirn, bevor er sich mit einem Zwinkern auf seinen Hosenboden zu Nagis Füßen plumpsen ließ, ganz der Zwanzigjährige, der doch so manches Mal verloren ging. Der Jüngere hob seinen Kopf, seine Beine lagen etwas erhöht und ausgestreckt auf dem ledernen, ergonomischen Liegesessel, die Arme lässig auf den Lehnen. Der Kuss prickelte noch an seiner Stirn, er fühlte die Wärme, dem Druck nach und lächelte innerlich darüber, weil es seiner Sehnsucht nach mehr Nahrung gab. Obwohl ihm der Besuch nicht recht war. „Du musst nicht hier herkommen, wenn du viel zu tun hast“, sagte Nagi leise und ließ den Kopf wieder sinken. Nur einen Moment, dann würde er sich aufsetzen. Aber… Wie von selbst bewegte sich die Tasse zu seiner Rechten, die schließlich das warme Gefäß umfassten. „Danke“, sagte er und nahm einen Schluck. Süß und warm. „Er schmeckt wie er.“ Anscheinend war sich Nagi nicht bewusst gewesen, dass er den letzten Satz ausgesprochen hatte, so nachdenklich und offen, wie er ihn veräußert hatte. Mit einem Lächeln auf den Lippen legte Omi sein Kinn in der Höhe von Nagis Knie auf dessen Oberschenkel, schaute mit großen, blauen Augen zu seinem Telekineten empor. „Wie schmecke ich denn?“ „Wie bitte?“, Nagi sah irritiert hinunter zu dem frechen Gesicht, welches ihm zugewandt war. „Du sagtest, dass der Kakao wie ich schmecke. Wie schmecke ich denn?“, spezifizierte Omi die Frage und die Finger seiner linken Hand krochen Nagis Bein entlang zum Oberschenkel. Nagi bemerkte die sich anschleichende Gefahr nicht, er fühlte nur wie sich plötzlich Hitze in ihm ausbreitete, vor allem in sein Gesicht kroch. „Oh“, hauchte er peinlich berührt. „Ähm… ich hatte nur so ein Gefühl… als“, stotterte er, seufzte dann aufgebend, als er in die vertrauensvoll blickenden Augen zurücksah. „Süß und warm“, sagte er und seine Linke fand den blonden Haarschopf, seine Finger glitten in die weichen Strähnen. Er fühlte sich ausgebrannt. Omi schmiegte sich dieser Hand entgegen und schloss die Augen. Es tat so gut, Nagi nahe zu sein, den anderen bei sich zu spüren. Seine Kopfhaut prickelte, wo Nagi sie berührte. „Du veräußerst wenig, was du denkst. Das ist schade.“ Nagi beobachtete wie sich Omi dieser Berührung entgegen schob, als würde er sie brauchen. Sie von ihm brauchen. Das war merkwürdig. Brauchte Omi ihn genauso wie er ihn brauchte? War es für Omi genauso schwer weg zu gehen, wie es schwer war für ihn selbst hier zu bleiben? „Brauchst du es?“ „Was meinst du?“, murmelte Omi durch die Wohltat hindurch, die Nagi ihm hier angedeihen ließ. Es war schon viel zu lange her, dass sie sich einander nahe gewesen waren. Vor allen Dingen Crawfords Eskapade im Krankenhaus hatte Nagi in sich zurückgetrieben, nebst ihrem kleinen Disput in Beppu. „Ob du die Berührung brauchst. Es sieht aus, als wärst du, wie soll ich sagen, ausgehungert, danach. Und ich wollte fragen, ob du es brauchst, dass ich veräußere was ich denke.“ Nagi nahm einen Schluck von seinem Kakao. „Ich bin ausgehungert danach. Ich möchte dich berühren, dich anfassen, dir nahe sein. Ja, ich brauche dich. Und ich brauche es, dass du mir sagst was du denkst. Du hast dich in den letzten Tagen und Wochen in dich zurück gezogen... du hast Augenringe und siehst beinahe ausgezehrt aus. Das macht mir Sorgen, weil du dich über das ausschweigst, was dich belastet.“ Ein einziger großer Vorwurf klang aus den Worten heraus. Nagis Mund bildete eine gerade Linie als er seine Hand aus dem Haar nahm und sich aufsetzte. Er glitt auf der anderen Seite aus dem Sessel und blieb mit dem Rücken zu Omi sitzen. Die Tasse hielt er immer noch in der Hand und er blickte in die dunkle Flüssigkeit. „Du weißt was mich belastet, das habe ich dir gesagt. Du brauchst mich auf eine Weise, die mir Angst macht. Vor allem jetzt, wo ich weiß, dass es lediglich eine reine Terminsache ist. Zeitlich terminiert. Begrenzt und sinnlos.“ Nagi wischte sich über die Augen. Sie brannten vor Müdigkeit. Omi starrte auf Nagis leeren Platz. „Sinnlos?“, echote er langsam. „Was ist sinnlos? Die verbleibende Zeit sinnvoll zu nutzen? Die verbleibende Zeit dazu zu nutzen, sie so schön wie möglich zu verbringen oder zu verdrängen, dass wir uns gut tun? Denkst du, ich habe vor, dich zu vergessen, wenn wir in… den Staaten sind? Denkst du das von mir?“ Fern lag die Frage nicht, denn Omi hatte schon einmal vergessen um nicht weiter verletzt zu werden. Er hatte schon einmal alles beiseitegeschoben. Er würde es wieder tun, wenn es keinen Ausweg gab, doch noch hoffte er darauf. Schweigen hüllte sie ein. Mehrere Minuten lang herrschte in Nagi einfach nur dumpfe Leere. Sein Kopf war wie leergefegt. Wo waren all die klugen Worte hin? „Als Crawford im Krankenhaus lag dachte ich, dass ich fallen würde, in ein Loch ohne Grund. Ich habe sonst niemanden außer… ihn. Ich kann nicht allein sein. Ich verliere den Halt, die Bodenhaftung, die Kontrolle in der Einsamkeit. Das habe ich erst bemerkt, als… als er in Gefahr war“, sagte er tonlos. „Das ist noch nie passiert. Er… ist derjenige, der sich um uns sorgt. Er hat immer auf mich geachtet. “ Omi schwieg zunächst, den Blick auf Nagis Rücken gerichtet. Er lehnte sich zurück und seufzte schwer. „Du hast nicht nur ihn. Er gibt dir Halt und Stärke, aber es gibt noch andere. Die geben dir anderes. Mehr als das.“ Omi spielte auf Schuldig an und auch den Iren... und auf ihn. Ja, auf ihn, denn er fühlte sich dafür verantwortlich, dass es dem schmalen Japaner gut ging und dieser eben nicht in der Einsamkeit ertrank und unterging. „Vielleicht. Doch er war derjenige, der mir einen Rahmen gab, Halt und auch ein Zuhause. Er holte mich von SZ weg. Und Schuldig… Schuldig ist unberechenbar. Zumindest in einigen Abständen. Er ist anders als Brad, unstet. Jei dagegen ist nicht kommunikativ, er handelt und lebt nach eigenen Gesetzen, auch wenn es scheint, als würde er auf Brad hören. Es ist kompliziert mit ihm. Und du… du gehst.“ ‚Du bist richtig für mich’, wollte er sagen, schwieg aber. Es hörte sich zu sehr nach Schwäche an, die er im Augenblick nicht bereit war zuzugeben. Er verachtete sie. Obwohl es klar war, dass er alles andere als stark in dieser Situation war. Allerhöchstens starrsinnig oder trotzig. Das war keine Stärke. „Ja... ich gehe. Weil ich gehen muss.“ Aber nicht gehen wollte. Er wollte niemanden hier in Japan zurücklassen. In allererster Linie Ran nicht, aber in der letzten Zeit war in Omi immer mehr der Gedanke aufgekommen, dass er Nagi ebenso wenig alleine lassen wollte. Und das bei ihm, dem gefühlskalten Takatorisprössling. Gefühlskälte, die nicht nur Reiji gezeigt hatte sondern auch Persha. Es war ein Familienfluch. Wer bürdete schon seinem eigenen Kind ein solches Leben auf? Omis Kiefer malten. Vergiss es. Lass es nicht nach oben kommen. Er schnaubte innerlich. Vieles war bei Kritikers Erziehung draufgegangen, in allererster Linie seine Fähigkeit, mit Leidenschaft zu lieben und festzuhalten. Doch langsam schien eben das wieder zu kommen. Langsam aber zu spät. Sie würden fliegen und vielleicht würden sie niemals wieder nach Japan zurückkehren. „Hast du ihm das gesagt, was du mir jetzt gesagt hast? Weiß er, was er für dich ist?“ „Glaubst du allen Ernstes Brad wüsste das nicht?“, fragte Nagi und erhob sich. „Er weiß was wichtig für mich ist.“ Nagi wandte sich zu Omi um, sein Gesicht bar jeder Emotion, doch in den Augen tobte ein Gewitter. „Sonst wärst du jetzt wohl kaum hier. Meinst du nicht?“ Er verzog den Mund missbilligend. „Schuldig hat mich rein gelassen, nicht er. Und zumindest euer Telepath scheint von meiner Wichtigkeit, was deine Person betrifft, überzeugt zu sein.“ Omi hob seine Hand Nagi entgegen. „Glaubst du nicht eher, dass es heißen muss: er weiß, wie wichtig er für dich ist?“ „Das ist unerheblich.“ Nagi ging um die Liege herum auf die Seite auf der Omi am Boden saß und blickte zu ihm hinunter. „Er hat dich akzeptiert und das nur um meinetwillen, damit du mir gut tust. Er weiß, dass er alleine für meine Entwicklung seelischer, geistiger und spiritueller Art nicht ausreichen wird. Er achtet auf mich.“ Nagi verstummte. „Wir feiern jedes Jahr Weihnachten zu Zweit“, sagte er leise und setzte sich auf sein Bett, damit er nicht so weit von Omi entfernt war. Er wurde seiner Tasse gewahr, die er immer noch in der Hand hielt und nahm jetzt einen Schluck von dem Kakao. Sich auf die Liege hievend, damit er nicht mehr ganz so starr nach oben sehen musste, schüttelte Omi lächelnd den Kopf. „Wer hätte jemals gedacht, dass Crawford ein so liebevoller Mensch ist. Ich nicht. Du hast anscheinend eine bessere Kindheit gehabt als ich.“ Das Lächeln glitt trotz des Zwinkerns in eine bittere Richtung. „Also sollten wir doch das Beste daraus machen. Und er hätte mich sicherlich nicht in deine Nähe gelassen, wenn ich dir nicht trotz unseres Umzuges gut tun würde.“ „W…“, Nagi runzelte irritiert die Stirn und verstummte. „Ich… denke… das könnte stimmen…oder?“, völlig verunsichert hob er die Augen zu Omis Gesicht und sah ihn zweifelnd an. Und dann schüttelte er den Kopf. „Das stimmt.“ Brad hätte niemals der Verbindung zugestimmt, wenn er vorausgesehen hätte, dass Nagi unglücklich dadurch werden würde. „Siehst du. Lass uns doch einfach auf euer Orakel vertrauen. Er wird schon die richtige Entscheidung getroffen haben“, erwiderte Omi und grinste. „Ich bin froh, hier zu sein und hier sein zu dürfen. Ich möchte deine Gegenwart nicht missen, Nagi.“ Fast schon sachlich hatte er diese Worte veräußert, aber eben nur fast. Ein Stich an Zuneigung war gut zu hören. Nagi hatte nur mit halbem Ohr zugehört, er nickte Omis letzten Satz ab, war jedoch in Gedanken immer noch bei seiner Argumentation. Wenn aber Brad zu sehr mit seinen eigenen Problemen beschäftigt gewesen war, hätte er Nagi vor beginnendem Kummer gewarnt? Er war schließlich selbst zu Schaden gekommen, Schwarz dadurch bedroht. Doch… damals, als sie sich vor ein paar Monaten näher gekommen waren, da hatte Brad sich nicht negativ geäußert zum jungen Takatori. Nagi war einen Moment lang von ihrem Gespräch abgelenkt und das nutzte Omi natürlich – gemäß seiner Abstammung – augenblicklich aus, als er mit einem Satz bei Nagi war und diesen rücklings auf das Bett geschubst hatte. Natürlich war der andere stärker als er, natürlich könnte er ihn mit einer bloßen Handbewegung zerquetschen, doch damit rechnete Omi nicht. Nicht mehr. „So... und was mache ich nun mit unaufmerksamen Telekineten?“, fragte er anstelle dessen dunkel, schnurrend beinahe. Nagis Hände hielten sich an Omis Oberarmen fest und er ließ von seinen grüblerischen Gedanken ab. „Du siehst unternehmungslustig aus.“ Er sah in die blauen Augen, die von Sicherheit und von Beständigkeit sprachen. Nagis Lippen zitterten. Er wollte, dass Omi bei ihm blieb, dass diese Beständigkeit für ihn von Dauer war. „Meinst du, sie würden uns hören?“, grinste Omi verschlagen und warf einen kurzen Blick zur Tür. „Wenn nein, bin ich SEHR unternehmungslustig!“ Seine Lippen bedeckten die bebenden Nagis und lockten sie, sich zu öffnen. „Was willst du vor einem Telepathen verbergen?“, fragte Nagi ernsthaft nach. „Wenn Schuldig neugierig ist, kann ihn niemand davon abhalten nachzuforschen. Selbst Ran nicht, der bekommt es nicht mit. Es ist wie atmen für Schuldig die Gedanken anderer zu lesen. Es geschieht fast ständig. Die einzige Möglichkeit um ihn abzuwehren ist sich so langweilig wie möglich zu präsentieren. Wenn es dir nichts ausmacht, dass Schuldig deine Gedanken liest, dann ist es mir ebenso gleich.“ Dann als hätte er bemerkt wie ernst er all das behandelte versuchte er sich an einem Lächeln. Er öffnete leicht seine Lippen, berührte die des anderen und fühlte in sich etwas Drängendes, was die letzten Tage von ihm unterdrückt worden war. „Wenn wir leise sind, dann hört niemand etwas…“, wisperte er an die Sanftheit der Textur von Omis Lippen. Er wollte Sex mit Omi, allerdings war es so schwer für ihn geworden nicht daran zu denken, dass es nur mehr Sex war. Dass Omi ihn verlassen würde. „Schuldig könnte uns überall hören, außerdem wird er gerade von Ran auf Trab gehalten – hoffe ich“, schob Omi nach. „Ansonsten bin ich Exhibitionist genug, um das durchzustehen, weil ich ja nicht IHN beachten will, sondern DICH. Dafür bin ich dann auch leise.“ Er zwinkerte und bedachte Nagis Lippen erneut mit einem zarten Kuss, wanderte dann zur Nase und zwickte hinein. „Du bist hungrig? Hast du noch nichts gegessen?“, fragte Nagi mit Vorwurf in der Stimme. Die Tonlosigkeit, die zuvor in seiner Stimme zu hören gewesen war verlor sich langsam. „Sehe ich aus wie dein Appetithäppchen?“ Nagi zierte sich noch ein wenig, entzog dem Älteren seine Nase. Das Grau seiner Augen richtete sich auf die fedrig geschnittenen Haare des anderen. Omi war offenbar beim Friseur gewesen. ‚Sie sind nachgeschnitten worden’, dachte er und berührte eine Haarsträhne an Omis Schläfe. „Oh ja... wie ein knuspriges, appetitanregendes Häppchen... an dem ich mich satt knabbern könnte“, gurrte Omi und bewegte seine Hüften gegen Nagis. „Weißt du eigentlich, dass du dich mit Schlagsahne und Schokosauce sehr gut machen würdest?“ „Das liegt einzig und alleine daran, dass ich einen hellbraunen Yukatta mit weißem Kreismuster trage. Das impliziert eine derart verwerfliche Assoziation in deinem von Sex geprägten Kosmos, dort oben“, Nagi tippte dem anderen an die Schläfe und hob eine Augenbraue. Empörung machte sich in den blauen Augen breit. „Du bist frech heute! Sehr frech! Warst wohl zu lange mit Schuldig unterwegs, was?“, neckte er den anderen und trieb seine Finger in Nagis Seiten. „Natürlich nicht“, kam die Antwort und Nagi begann bereits sich aus den gemeinen Händen winden zu wollen. „Im Übrigen bin ich intelligent genug um einen Sexbesessenen auch ohne ein Vorbild zu erkennen“, begann sich langsam ein leises Lachen seine Kehle empor zu bahnen. Doch ganz konnte er die Anspannung und Angst nicht loslassen. Und genau die versuchte Omi jetzt aus Nagi mit aller Macht heraus zu kitzeln, als er durch geschickte Gewichtsverlagerung etwas mehr über den anderen kam und diesen festsetzte. „An deiner Intelligenz habe ich überhaupt keinen Zweifel... aber ich hatte gehofft, dass du nicht GANZ so schlecht von mir denkst!“ Die Finger, die Nagi so grausam peinigten schienen überall dort zu sein, wo sie immensen Schaden anrichten konnten. Nagi konnte die nächste Lachsalve nicht unterdrücken und lachte dieses Mal laut und gelöst, bis ihm die Tränen kamen. Es glich einer Befreiung, als die Tränen liefen. Bis es keine Lachtränen mehr waren, bis er spürte wie das Lachen in Weinkrämpfe überging und er nicht mehr wusste, ob er noch immer lachte wegen dem Kitzeln oder ob er bereits weinte, weil die seelische Anspannung der letzten Tage ihn verließ. Er wandte das Gesicht ab, blieb liegen wie er war und versuchte sein Gesicht vor dem anderen trotz dem Gewicht auf sich zu verbergen. Zunächst war da Erstaunen gewesen, dass Nagi lachte... wirklich lachte. Dann waren da Zweifel gewesen, als Omi die Tränen gesehen hatte. Schließlich jedoch hatte er aufgehört, den anderen seiner grausamen Folter zu unterziehen und hatte ihn nunmehr gehalten, still und besänftigend, den zitternden Schopf mit seinen Händen berührend. Er sagte nichts, keinen Ton, sondern war einfach für ihn da. Es war erniedrigend und beschämend wie er sich hier in Anwesenheit des Älteren aufführte, rief sich Nagi - nach respektive lang erscheinenden Momenten im Tal der Tränen - zur Ordnung. Er zwang sich zur Ruhe und als die letzten Tränen verebbten, der Strom versiegte, wischte er sich über die Wangen und versuchte sich aufzusetzen. Ihm war es, als hätte er immer noch seine eigenen Schluchzer in den Ohren, die unnatürlich laut und hässlich geklungen hatten. Erbärmlich. „Ich bin wirklich das Letzte“, sagte er leise. Er war schwach. Er brauchte Brad. Er brauchte jemanden der ihm Stärke gab, denn er war nicht lebensfähig ohne einen festgesteckten Rahmen, ohne Halt. „Wieso?“, fragte Omi schlicht, hielt Nagi aber sicher in seinen Armen und war darauf aus, möglichst viel von dem Telekineten zu spüren. Nagi atmete tief ein, machte sich umständlich aber bestimmt vom anderen los, blieb jedoch auf seinem Platz neben Omi sitzen. Die ständige verständnisvolle Gegenwart machte ihm langsam zu schaffen. „Ich heule hier herum, dabei gibt es keinen Grund, es ist peinlich und beschämend, wie ich mich hier aufführe.“ „Gibt es denn nicht? Du erlebst gerade, wie deine Welt auf den Kopf gestellt wird. Die Sicherheit, die vorher ein Schild für Schwarz war, ist mit Auftauchen dieser neuen, unbekannten Gruppierung weg, die anscheinend uns beide bedroht. Erst stirbt Schuldig, dann ersteht er wieder von den Toten auf. Anschließend wird dein Halt und deine Stärke verletzt, kommt ins Krankenhaus, schwer verletzt. Und du willst mir sagen, dass es keinen Grund gibt? Nagi... ich habe wegen weitaus geringerer Tragödien Tränen vergossen. Und... es tut GUT. Es BEFREIT.“ Omi überlegte einen Moment lang. „Außerdem ist es menschlich.“ Er lächelte leicht und streifte mit seinen Fingern das Nass auf Nagis Wangen. Dessen herabhängende Mundwinkel wollten nicht so recht zur vorherigen Form zurückkehren. Nagi zuckte mit den Schultern. Er ließ sich wie ein nasser Sack auf das Bett zurückfallen, seine Haare verteilten sich fedrig um seinen Kopf und er wischte sich mit der Hand über die heiße Stirn. „Was für eine unnötige Aufregung.“ Ein leiser Seufzer entschlüpfte seinen Lippen. „Es gab früher durchaus schlimmere Momente. Doch früher… da war etwas anders.“ Er wusste nur nicht was. „Was war denn anders?“, fragte Omi, sich der Unwissenheit des anderen nicht bewusst. War es die Kälte gewesen, mit der Nagi sich umgeben hatte? Die Rücksichtslosigkeit, mit der Schwarz gegen ihre Gegner vorgegangen war? Vor Jahren hätten sie nicht die Chance gehabt, sich so nahe zu sein, wusste Omi. Sie hätten sich umgebracht. Ohne zu zögern. „Ich bin schwächer geworden“, sagte er nach einer kleinen Weile, in der er selbst keine Antwort auf diese Frage erhalten hatte. „Inwiefern schwächer?“ Nagi richtete seinen Blick von der Zimmerdecke zu Omis Gesicht, welches für ihn schwer lesbar war. Wie sehr sich dieser stetig gute Laune mimende Takatori Sprössling doch von eben diesem zu demjenigen welchen unterschied, den Nagi kannte und auch ein Stück weit brauchte. „Sieh mich doch an“, sagte Nagi leise, mit einer gewissen Dringlichkeit in der Stimme. „Ich erkenne, dass ich dich brauche. Dass ich Crawford brauche. Geradezu auf euch angewiesen bin, damit ich… funktionieren kann. Ich fühle mich getrieben, als hätte mich jemand von der Kette gelassen und ich wüsste nicht wohin es zu rennen gilt.“ Er brauchte die Kette. Die Kette, die ihn früher gehalten hatte. „Du hast dir Zeit gelassen mit dem Ausbrechen... und nun ist es umso schwerer für dich. Lass mich raten, du hast dein ganzes Leben unter Führung verbracht? Unter starken Persönlichkeiten, die dir gesagt haben, was du tun sollst? Und nun entscheidest du zum ersten Mal Dinge selbst, die dich persönlich betreffen. Himmel, was meinst du, was ich damals für einen Schiss hatte, Nagi? Und ich verfüge nicht über Kräfte, die ganze Häuser einstürzen lassen können. Es ist NORMAL, dass alles ätzend ist, scheiße und ungewohnt... unsicher.“ Omi strich in aller Ruhe über Nagis Wangen. „Und ich brauche dich ebenso.“ „Warum?“ Nagi erstaunte der letzte Satz von Omi. „Warum gerade ich? Ich verstehe diese Hartnäckigkeit der letzten Zeit mir gegenüber nicht. Unsere Auseinandersetzung sollte dir doch gezeigt haben, dass…“, er verstummte, denn er verstand es nicht. „Du könntest jeden anderen haben, der dir zusagt. Ich… mein einziger Vorzug ist es diese Art Fähigkeit zu haben, meine Intelligenz, ansonsten gibt es nichts was mich anziehend für dich macht. Mein Aussehen ist bestenfalls mittelmäßig, meine soziale Kompetenz verkümmert. Ebenso meine körperliche Statur.“ Omi schraubte sich langsam über Nagi und betrachtete sich den anderen für einen langen Moment schweigend. Härte schlich sich in seine Züge. „Hör auf damit“, sagte er ernst. „Du bist dein eigenes Gesamtpaket. Und dein eigenes Gesamtpaket hat mich fasziniert. Deine Kräfte... interessieren mich nicht, es sei denn, du benutzt sie für interessante Dinge.“ Er zwinkerte, wurde dann jedoch wieder ernst. „Du bist so stark, dass du einer der gefährlichsten Menschen bist, die ich kenne. Aber das hat mich garantiert nicht gereizt. Deine menschliche Seite, die hat mich gereizt. Die Art, wie du mit Fremdwörtern um dich wirfst, wenn du wütend bist, die Art, wie du die Nase hochziehst, wenn dir etwas gegen den Strich geht, die Art, wie du mich ansiehst, wenn dir etwas besonders gut gefällt, die Art, wie du mich ansiehst, wenn du mich willst. Die Art, wie du kleine Geräusche von dir gibst, wenn ich dich anmache, oh man. Du bist so viel mehr als Telekinet, Soziopath und schmalhüftiger Jüngling!“ Nagi hatte der Zurechtweisung mit reduzierter Atemtätigkeit gelauscht und ihrer verdutzt geharrt. Nun jedoch musste er dem Drängen seiner Lachmuskeln nachgeben. Es platzte förmlich aus ihm heraus. Sein rechtes Bein fädelte sich unter Omis und brachte ihn zur anderen Seite zu Fall, er setzte sich über ihn, kopierte dann dessen vorherige Stellung. „Und du sagst das nicht alles, weil du den schmalhüftigen Jüngling nackt und… erregt sehen möchtest?“ Nagis Hände führten Omis Arme über dessen Kopf und hielten sie dort locker über den blonden Schopf auf dem Bett fest, während er sich zu Omis Lippen beugte und diese zögerlich zart mit seinen berührte. Während er sich damit beschäftigte und er darauf wartete, dass Omi sich seiner annahm, begann er eines seiner erlernten Kunststücke aufzuführen und öffnete mittels der feineren Sinne, die ihm zur Verfügung standen, die kleinen durchsichtigen Knöpfe an Omis Hemd. Nagi... überrumpelte ihn. Er hatte ihn überrumpelt! Verdammt nochmal! Omi war begeistert, hellauf begeistert! Und… also wenn Nagi keine dritte Hand gewachsen war, so war es seine Telekinese, die ihm so sanft das Hemd öffnete, beinahe schon kitzelte. Omi grinste und schnappte nach Nagis Lippen um sie mit sanften Küssen zu bedenken. Die Art, wie Nagi ihn hier hielt, wie er Dominanz ausübte, war berauschend. „Würde mir im Leben nicht einfallen!“ „Diese defensiven Worte sind lediglich einer gewissen Angst geschuldet, dass ich jetzt machen könnte was ich wollte, denn ich habe dich in meiner Hand und du bist klug genug um mir Komplimente zu machen, um dir meine Gunst zu sichern“, meinte Nagi und öffnete ebenso wie zuvor die Hemdknöpfe nun auch Omis Gürtel samt Knöpfen und Reißverschluss. Noch immer kniete er zu beiden Seiten des Beckens des ihm Ausgelieferten und gab die Arme nicht frei, die er mit sanftem Streicheleinheiten bedachte. Omi stöhnte und wölbte sich Nagi entgegen. Egal, was es war, das den anderen ritt... es war GUT. „Ja... sehr klug bin ich...“, raunte er und reckte seinen Hals empor, entblößten ihn. Doch so recht wusste Nagi nicht wie er nun diesen unterschwellig gefügigen Takatori Sprössling nun behandeln sollte. Macht über andere war schön und gut, aber Macht über jemanden den man nicht verletzten, sondern erregen wollte, das war nicht gut… für so etwas wie ihn. Was ihm ein wenig seine Unsicherheit nahm, war das eindeutig geäußerte Wohlgefallen, dass er Omi zu bescheren schien. Seine Lippen fanden ihren Weg über die Wärme der Wange zum Ohr. „Du überlässt deinen empfindsamen Körper, jemanden wie mir?“ Mittels unsichtbarer Hände zerriss er die Unterwäsche des anderen und übte sanften Druck auf das weiche Gewebe darunter aus. Seine Zungenspitze stippte entlang der Ohrmuschel über die Haut bevor sich seine Lippen darum bemühten die Feuchte weg zu küssen. Omi zischte, doch keinesfalls aus Missfallen... eher im Gegenteil. Ihm gefiel es außerordentlich, wie Nagi mehr und mehr Selbstvertrauen dazu erlangte. „Ja... dir. Das ist meine Risikofreude, weißt du doch!“, erwiderte er etwas atemlos. Nagi entledigte sich des Haltebandes seines Yukattas, während er sich auf den anderen bettete, sodass sich ihre bloße Haut berührte. Seine Linke streichelte sich über die Arme einen Weg auf Omis Brust, schob das geöffnete Hemd auf einer Seite beiseite um die warme Haut darunter zu berühren. Ein Glitzern stahl sich in Omis Augen und er schmunzelte. Der Andere hielt ihn nicht mehr ganz so starr, so nutzte Omi die Gelegenheit um sich die Vormachtstellung zurück zu erobern. Einfach um zu spielen. Leise keuchend vollzogen sie den Stellungswechsel, Nagi überrascht, Omi glücklich über die Überrumpelungstaktik. Er grollte leise und vergrub seine Hände in den Haaren des Telekineten. Sein Ausflug in die Welt der Dominanz hatte Nagi genossen, dennoch war er froh darüber Omi dort zu wissen wo er hingehörte, über ihn, ihn haltend, ihn führend und ihn vereinnahmend. Nagi spürte den rauen Stoff der Jeans auf seiner Haut, fühlte die Erregung des Älteren an seiner. Seine Hand stahl sich über Omis Flanke zu dessen Bauch, über die geöffnete Hose bis hin zu der halb erstarkten Männlichkeit, die er wie immer etwas scheu umfasste. Omi zischte erneut und streckte sich Nagi entgegen, den Kopf in den Nacken legend. Einen Moment lang genoss er die elektrisierenden Berührungen, einen Moment lang ließ er Lust in seinen Unterleib schießen. „Nagi...“, gurrte er und ließ seine Hand über dessen nackte Brust gleiten. „Ich habe dich vermisst“, wisperte Nagi und küsste die Stellen derer er über sich habhaft werden konnte, in diesem Fall das Schlüsselbein, während seine Hand damit begann Omis sanft aber nachdrücklich zu stimulieren. Er spürte wie von Omi verschwenderisch Hitze zwischen seinen Fingern hindurch auf seine Haut strömte. „Gott... du sprichst mir aus der Seele“, wisperte Omi und ließ sich von Nagi treiben, überließ diesem im Moment die Regie. Nun würde er erst einmal fühlen... würde erst einmal fahrig über den Oberkörper des anderen streichen, hinunter zur Körpermitte. „Ich möchte mehr von dir.“ Nagis Stimme kroch über Omis erhitzten Körper als sich seine Lippen an dessen Hals gütlich taten. „Das reicht mir nicht… nicht mehr… ich will mehr.“ Er steigerte seine Bemühungen, fühlte wie Omis Erregung hart und prall in seiner Hand lag. Kaum mehr in der Lage zu denken, geschweige denn, den Worten des anderen zu folgen und sie zu verstehen. Mehr? Wie... mehr? Mehr als sie sonst hatten? Hier? Aber... was wäre... „Du willst mit mir schlafen... hier?“, fragte er, schaudernd ob der Reizung. Aber was... wenn es erneut zu einer telekinetischen Entladung kam? Wenn es dieses Mal um einiges stärker wurde? „Ja…“, noch bevor er zu einer Erklärung ansetzen konnte klingelte das Telefon und er hielt für einen Augenblick inne in seinem Tun. In zweitem Moment jedoch streckte er die Hand aus, die zuvor Omis Oberarm in Beschlag genommen hatte und nahm seine Handreichung mit der Rechten wieder auf. Er nahm ab und blickte in das gerötete Gesicht, welches über ihm schwebte, lächelte ein wenig atemlos aber auch fast schon gemeingefährlich zu nennen. „Crawford?“, meldete er sich. „Urrgs“, kam es ausgesprochen leise von Omi und er schmollte, stillte jedoch seine Berührungen, um Nagi nicht in prekäre Situationen zu bringen, zumindest nicht vor dem sadistischen Orakel. Was diesen anscheinend aber nicht tangierte, so wie er ihn hier reizte und Omi schaudern ließ. Die Zähne in die Unterlippe getrieben, versuchte er sich an vollkommener Stille, als Nagi sein empfindliches Fleisch wahrlich unter Druck setzte. Der sich entgegen seiner Absicht darüber amüsierte und das Gespräch hinauszögerte. Vermutlich einem just auftretenden sadistischen Anfall geschuldet. Brad dagegen hatte klare Anweisungen für ihn: „… könnte ernsthafte Schwierigkeiten nach sich ziehen.“ „Mit Sicherheit könnte es das“, sagte Nagi darauf, als Erwiderung tonlos und kühl wie stets. „Dann siehst du die Notwendigkeit einer Ortsverlagerung oder der Einstellung eures momentanen Vorhabens ein?“ „Ich sehe die Notwendigkeit ein“, vermeldete Nagi pflichtbewusst und legte auf. „Ich denke, der Mann ist ein Hellseher... wie kommt es, dass er immer in den unpassendsten Momenten stört?“, grollte Omi und drängte sich Nagi entgegen, senkte seine Lippen auf die des anderen. „Der unpassende Moment liegt im Auge des Betrachters. Für ihn ist der Moment so passend wie jeder andere, wenn wir uns entschließen einen Anschlag auf das Haus auszuüben“, meinte Nagi uns verlor wieder etwas seiner Kühle. Die Kuppen seiner Finger touchierten die pralle Spitze, pumpten harsch das heiße Fleisch in seiner Hand. Er genoss den Atem den Omi an seine Haut entließ. „Wenn du so weiter machst... bin ich auf dem besten Weg, dass mir das egal ist...“, keuchte Omi und vergrub seine Stirn auf Nagis Brust. „Da fällt mir ohnehin noch etwas ein…“ mit einem vorgeblich zuvorkommenden Lächeln löste sich Nagi von Omi, wischte sich den Yukatta samt Bindeband um den Körper und lief leichtfüßig zu einen seiner Rechner, nur um nach einem Blick auf die Versorgungskurve zurück zum Bett zu hasten. Er küsste Omi harsch auf die Lippen. „Nicht davon laufen und auch nicht ohne mich weitermachen. Ich muss mich nur schnell um etwas kümmern.“ Omi auf dem Bett zurücklassend, holte er aus dem Wandschrank auf dem Flur einen weiteren Yukatta in ähnlicher Größe wie seiner und kehrte ins Zimmer zurück. „Zieh das an. Ich bin gleich wieder da.“ Er wischte wieder aus dem Zimmer und eilte hinab… Wie... bitte? Was zum Teufel war denn jetzt los? Himmel Herr Gott nochmal, Nagi konnte ihn doch verdammt nochmal nicht einfach so hier liegen lassen! Er... er war scharf bis in die Haarspitzen und MUSSTE kommen! Omi überlegte allen Ernstes, dem ein Ende zu bereiten, doch er hielt sich davor zurück. Nein... dafür war er doch zu gut... zu Weiß. Er wollte Nagi ja schließlich seinen Spaß nicht verderben. Seinen sadistischen, bösen Spaß. Dieser suchte den Waschraum im Erdgeschoss auf, durchquerte ihn und erreichte somit den Raum, der den hauseigenen Generator beheimatete. Er startete ihn und wischte hinüber zum Computerraum, indem sie ihre Einsätze abstimmten und ausführten und schaltete den Strom auf den Generator um. Es dauerte einen Wimpernschlag lang dann schalteten sich die unwichtigen Geräte, das Licht in Einzelfällen und die Rechner deren Wichtigkeit von niederer Rangfolge waren ab. Dann musste er noch in ihren Raum mit den Einsatzgerätschaften, ihren Waffen… „Was zum Teufel“, wisperte Schuldig und fand sich im Dunkeln wieder, nur beschienen vom Licht, der Straßenlaterne auf der anderen Straßenseite und dem Schein der Himmelskörpern, der durchs andere Fenster fiel. Er war gerade dabei Massageöl auf die Haut des Mannes zu träufeln, der ohnehin schon weich wie Wachs in seinen Händen war. Schuldig stöhnte frustriert und richtete sich auf, stellte das Fläschchen zur Seite und massierte im Halbdämmer Rans Oberarm zu Ende. Schade um das vergeudete Öl. Er konnte keine Angreifer um das Haus oder in der Nähe ausmachen, was nichts zu bedeuten hatte. Denn das Licht war nicht ohne das Zutun feindlich gesinnter Individuen ausgegangen. Und wer würde ihm schon die Aussicht auf diesen so malerisch hingegossenen Mann verwehren? Welcher böse, hinterhältige Übeltäter? Das konnten nur sehr böse Menschen sein! Omi blinzelte verwirrt und wartete nun ebenso im Dunkeln wie die beiden anderen auch, nur dass er sich größte Mühe gab, mit seinen Fingern von seinem Gemächt wegzubleiben und auf Nagi zu warten, der... irgendetwas machte. Was in aller Welt hatte Crawford Nagi gesagt? Fortsetzung folgt… Vielen Dank für’s Lesen. Bis zum nächsten Mal! Coco & Gadreel Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)