Vankylan von watersoul ================================================================================ Chapter Two ----------- Rot. Alles war rot, der Boden, auf dem nur spärlich Gras wuchs, die Glasscherben, die überall verstreut lagen, ihr aschblondes Haar und auch das schmutzigweiße Kleid, das die Frau anhatte. Da lag sie, regungslos … und alles war rot gefärbt von ihrem Blut. Das Mädchen stand daneben, nicht älter als acht Jahre. Ihr Röckchen flatterte etwas im Wind, ihre dunkelblauen Zöpfe wehten, aber sie selbst blieb bewegungslos stehen und sah auf die tote Frau. Die Augen der Kleinen waren leer, das Gesicht neutral. Außer dem Wind, der um die Häuserecken pfiff, war nichts zu hören. Und keine Menschenseele war zu sehen – nur das Mädchen neben der Leiche. Ihr Gesicht änderte langsam den Ausdruck, kaum merklich, nicht sichtbar. Der Unterkiefer senkte sich, die Augenbrauen zogen sich zusammen. Verzweiflung machte sich in Zeitlupe breit, die man aber erst als solche erkannte, als der Mund schon weit offen stand. Der Brustkorb hob sich, die Luft strömte durch die offenen Kiefer in die Lunge des Mädchens. Immer noch herrschte Stille. Als das Zwerchfell keine weitere Luft in den kleinen Körper saugen konnte, trat diese den Rücktritt ins Freie an – über die Stimmbänder! Sie schrie, schrie aus Leibeskräften, schrie ihre Verzweiflung und Fassungslosigkeit, ihren Schock hinaus. Der Schrei hallte an den grauen Häuserwänden wider und verschwand unbeachtet in der leeren, kalten und feuchten Gasse. Dem Mädchen rannen Tränen über das Gesicht und sie fiel auf die Knie. Neben ihrer toten Mutter weinte sie weiter, wusste nicht wie lange, schlief irgendwann ein und wachte in der Nacht wieder auf. Die Leiche war weg. Nur sie war hier liegengelassen worden. Von wem? Wer hatte ihre Mutter weggebracht? Und was sollte sie jetzt tun? Warum war ihre Mutter eigentlich gestorben? Das Mädchen verstand es nicht, kapierte nicht, dass ihre Mutter wegen ihr starb, wegen der Tatsache, dass sie auf der Welt war. Sie, die eigentlich nicht hätte geboren werden dürfen. Aber sie war erst acht. Wie hätte sie verstehen können, dass es ein verfluchtes Schicksal ist, als das Kind von Geschwistern auf der Welt zu sein. Ihre Mutter war nie ein Musterbeispiel gewesen. Wenn ihr Mann nicht da war, empfing sie immer wieder Freier, obwohl sie ihm gesagt hatte, dass diese Zeiten vorbei waren. Das Kind wurde dann immer elegant ignoriert, egal, was es auf dem Herzen hatte. So lernte die Kleine Selbstständigkeit. Und sie konnte damit leben, auch wenn es schwer war. Diese Frau war als Mutter untauglich, dennoch hatte das Mädchen ihr ihre Liebe geschenkt. War aber bisher immer enttäuscht worden … Aber warum wurde das Kind plötzlich so gehasst? Was hatte sie falsch gemacht? Der Name Robin war das einzige, was ihr noch von ihr geblieben war. Alles andere war einfach weg, war mit ihrer Mutter gestorben. Ist ebenfalls aus dem Fenster gerauscht und irgendwo hin verschwunden. Oder liegt auch in Scherben auf dem Boden. So wie das Fenster und Robins Herz. Ihr Vater … was machte er, wo war er gerade? Lag zu Hause – zumindest körperlich, zwangsläufig. Sagte früher aber immer, er hielte es dort nicht mehr aus. Da lebte ihre Mutter noch. Vor allem lebte sie da noch zu Hause. Irgendwann kam es zu einem Gespräch zwischen einem seltsamen alten Mann und ihren Eltern. Sie selbst sollte nicht zuhören. Also verschwand sie in ihr Zimmer und spielte mit ihren Puppen. Ab diesem Abend änderte sich alles schlagartig. Ihre Mutter wurde irgendwie komisch, war noch abweisender zu Robin, hysterisch gegenüber ihrem Mann, ließ niemanden an sich heran … Sie war nicht mehr die gleichgültige Frau von früher, die Robin so in ihr kaputtes Herz geschlossen hatte. Diese Frau war jetzt eine Fremde. Auch griff sie des Öfteren zum Lederriemen. Da Robin keine Freunde hatte, konnte sie niemand fragen, woher denn die roten und blauen, teilweise blutigen Striemen auf ihrem Rücken kamen. Ihr Vater war zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr an diesem Ort zu Hause. Ließ sich nur blicken um etwas zu holen oder zu essen, meistens aber, um sich Geld einzufordern. Dann kam der Tag, an dem Robins Eltern mal wieder eine Auseinandersetzung in Weltkriegausmaßen hatten. Das Ende vom Lied war, dass er wieder verschwand und die Tür dabei vor Wut aus den Angeln riss, sie saß in der Küchenecke und heulte und lachte abwechselnd mit blutverschmiertem Gesicht. Robin aber lag zitternd unter ihrem Bett und wollte nicht wieder raus kommen. Letztendlich wurde sie wieder hervorgezerrt und weitere Male fanden auf ihrem Rücken Platz. Aber am nächsten Tag kamen ein paar Männer, die nicht zuhörten. Sie nahmen Robins Mutter mit und achteten nicht darauf, wie sehr sie schrie und sich wehrte, wie verzweifelt sie weinte und dableiben wollte. Die Männer sagten nichts und nahmen sie mit. Robin stand daneben und sah dem Geschehen fassungslos zu. Auf sie wurde überhaupt nicht geachtet, sie wurde nur zur Seite gestoßen. Ihre Mutter landete in einem Transporter, wo die Türen hinten ein Gitter vor dem Fenster hatten. Alles ging ganz schnell, das Mädchen stand einsam und verlassen im kaputten Türrahmen und sah dem Wagen nach, der gerade ihre Mutter wegfuhr – auf den geschlossenen Türen war der Name der städtischen Irrenanstalt zu lesen. Robin konnte sich denken, wer das Ganze veranlasst hatte. Stumme Tränen rannen über ihr regloses Gesicht. Bis sie merkte, dass sie beobachtet wurde. Ihr Kopf drehte sich zur Seite und sie sah ihren Vater auf der Veranda stehen, ruhig, gelassen, aber nichts desto trotz hatte er etwas Hasserfülltes an sich. Robin beschlich eine leise Angst, die ganz langsam ihre Beine herauf kroch wie ein widerwärtiger Dämon, der ihren Verstand einnehmen wollte. Sie sah ihrem Vater in die Augen. Sah nichts. Was für ein Pokerface! Mit einem Schock musste Robin allerdings feststellen, dass er den Lederriemen in der Hand hielt – in der einen, in der anderen hielt er ein abgebrochenes Tischbein. Sie wollte weg, konnte sich aber vor Angst nicht bewegen. „Du gottverdammte kleine Höllenbrut!“, zischte er. „Du hast sie verrückt werden lassen! Wegen dir ist sie jetzt in St. Darrol! ICH BRING DICH UM!!!!“ Robin rannte um ihr Leben. Sie hatte eine unbeschreibliche Angst. Sie rannte um die Ecke. An der Haustür vorbei. Den Podest herunter. Sie musste das Gartentor erreichen! Dann die Straße zur Stadt weiter laufen! Er würde sie dann nicht mehr einholen können! Da fiel sie. Etwas hatte sich um ihre Füße gewickelt – der Lederriemen. Er hatte ihn nach ihr geworfen. Jetzt war er über ihr. Er hob das Holz und schlug zu. Robins Schlüsselbein gab mit einem Geräusch nach, das an einen Biss in eine Knäckebrotscheibe erinnerte. Mit zehnfacher Lautstärke. Noch einmal schlug er zu und traf den Rücken des sich unter den Schmerzen windenden kleinen Wesens unter ihm. Dieser Schlag riss ihr die Haut auf und sie sah auch ein paar Holzsplitter durch die Gegend fliegen. Noch einmal setzte er an und Robin war sich sicher, der nächste Schlag würde sie töten. Aber Herrgott noch mal, sie konnte sich doch nicht von so jemandem umbringen lassen! Jemand, der die eigene Frau in den schlimmsten Zeiten verlässt und dann auch noch seine Tochter dafür verantwortlich macht. Sie weinte und bebte vor Wut. Aber so zerschunden wie sie war, konnte sie ihm kein Paroli mehr bieten. Das war’s dann wohl … Der letzte Schlag kam nicht. Sie öffnete die Augen wieder, die sie, den Tod erwartend, geschlossen hatte. Was sie sah, zerschlug sogleich all ihre Hoffnung auf ein eventuelles Überleben. Das Gesicht ihres Vaters war wutverzerrt, Wahnsinn spiegelte sich in seinen Augen wider. Robin wartete fast schon wieder auf die Männer, die nicht zuhörten. Die hätten ihren Vater auch gleich abholen können. Aber dieser fauchte ihr jetzt etwas ins Gesicht, das sie ihr Leben lang nicht vergessen würde, auch wenn sie es noch nicht richtig verstand: „Weißt du, was passiert, wenn Geschwister ein Kind zeugen? Dieser Bastard ist verflucht! Er wird nie zur Ruhe kommen, oder ein glückliches Leben führen können! Einem Leben in der Hölle wirst du nicht entkommen! Du bist verflucht! ICH VERFLUCHE DICH!!!“ Er setzte noch einmal zum Schlag an, aber Robin trat in ihrer Angst aus. Sie traf ihn zwischen die Beine. Er keuchte und sank auf die Knie. Sie machte, dass sie ein paar Meter Abstand zu ihm bekam. Ihr Hals und ihr Schultergürtel schmerzten höllisch. Ihr Rücken hinterließ dunkelrote Schlieren auf dem braunen Gras. Ihre Hände tasteten nach hinten, da berührte sie das abgebrochene Stück Holz. Sie betrachtete es. Auch hier klebte Blut. Plötzlich wurde Robin von glühendem Hass überschwemmt Sie sah ihren Vater an, der sie ebenfalls ansah. Er war nicht minder wütend als vorher, aber das war ihr jetzt egal. Es galt alles oder nichts! Sie schnappte sich das Holz und stürzte sich auf ihn. Er war auf diesen Überraschungsangriff nicht gefasst gewesen. Dementsprechend blieb die Reaktion aus. Er sah sie nur mit großen Augen an, Wut wich Perplexität. Aber sie zögerte nicht – nun nicht mehr! Mit einem Hieb rammte sie das Holz in seinen Hals. Blut spritzte erst in einem Zug, dann im pulsierenden Rhythmus der Halsschlagader. Ein Röcheln, zu mehr war er nicht im Stande. Zumal seine Stimmbänder zerfetzt waren. Das Blut floss weiter. Er konnte nicht mehr atmen, das Holz steckte quer in seiner Luftröhre. Ob es nun der Blutverlust oder der Sauerstoffmangel war, der Tunnelblick setzte bei ihm ein, alles wurde taub. Er kippte zu Seite und dämmerte langsam weg. Wahrscheinlich bekam er noch nicht einmal mehr mit, dass Robin das Holz aus ihm herauszog um ihm jede mögliche Überlebenschance zu nehmen. Der rote Bach, der ihm die Schultern herunter lief, versickerte ganz langsam im Boden. Robin sah reglos zu, wie ihr Vater starb. An diesem Tag war etwas in ihr gestorben. Es war ermordet worden. Sie begrub es in ihrer Seele, behielt die Erinnerung daran und war doch nicht in der Lage es wieder zum Leben zu erwecken. Ihren Vater ließ sie so liegen. Er verdiente kein Grab. Nicht in ihren Augen. Sollten sich doch die Krähen die nächsten Tage darüber hermachen. Prima, dann hatten die Süßen wenigstens ordentlich was zu futtern! Im Haus nahm Robin einen Kanister nach dem anderen, drehte die Kappe ab und begoss damit das Haus von oben bis unten mit Benzin. Sechs Kanister wurden so geleert. Dann ging sie in die Küche und öffnete den Schub mit den Küchenmessern. Die vier größten und schärfsten steckte sie sich in den Gürtel. Das Geld der Freier aus der Dose auf dem Schreibtisch ihrer Mutter ließ sie auch mitgehen. Dann ging sie zurück zur Leiche ihres Vaters und zog ihm sein Feuerzeug aus der Tasche. Seine Augen waren geöffnet. Robin schob die Lider zu. Trotz der Tatsache, dass er tot war, hasste sie Leichen mit offenen Augen, denn das gab ihr immer das Gefühl, beobachtet zu werden. Das Feuerzeug ließ sie aufschnappen und warf es auf die benzinüberflutete Veranda. Eine Feuerwand schoss empor, der Robin mit regloser Mine zusah, wie sie das Haus auffraß. Sie drehte sich um und ging durch das Gartentor. Die Straße entlang. Richtung Stadt. Als erstes brauchte sie einen Arzt. Sollte er ihr Fragen stellen, würde sie ihm einfach ein bisschen Geld in den Kragen stecken. Zwei Tage später starb auch ihre Mutter. In der Anstalt in ihrem Zimmer sah sie eine Erscheinung, von der sie glaubte, dass sie sie für diese Todsünde namens Robin bestrafen wollte. In ihrer Panik rauschte sie durch das türgroße Fenster ihres Zimmers im vierten Stock. Und Robin musste es mit ansehen – die wollte gerade zu Besuch kommen und stand am Eingang, als ihre Mutter neben ihr auf dem Boden aufschlug. Immer wieder fragte sie sich, warum; Was ihr Vater als letztes gesagt hatte, würde sie erst Jahre später verstehen. Es war ein Fiasko. Jetzt war sie frei … Doch der Dämon in ihr war geweckt worden. Sie würde nie wieder so sein wie früher. Wohlgemerkt, sie war erst acht … Solange es dich nicht erschlägt – Gute Nacht … … to be continued … … to be continued … Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)