Vankylan von watersoul ================================================================================ Chapter Four ------------ Das fahle Sonnenlicht spiegelte sich blitzend auf der blanken Schwertklinge wider und warf geisterhafte Lichtspiele auf die umliegenden Baumstämme. Ein schwarzer Umhang lag am Rand, während eine blauschwarzhaarige Gestalt Trockenübungen mit ihrem Schwert machte. Mit angespannten Muskeln bekämpfte sie einen imaginären Gegner, der ihr gewachsen zu sein schien. Mit einer sagenhaften Geschwindigkeit bewegte Robin die Klinge und kontrollierte sie fast perfekt. Es war Mittag. In der Stadt schien die Sonne, hier war es sehr stark bewölkt. Dabei war es nur eine Distanz von etwa sechshundert Metern. Die Atmosphäre in diesem Wald war etwas Besonderes. Klar, dass es ihr zu Hause war. Um das Gewicht des Schwertes besser zu kontrollieren machte Robin zusätzliches Muskeltraining. Zwanzig Kilo waren immerhin kein Pappenstiel – im wahrsten Sinne des Wortes. Das nördlich an die Lichtung angrenzende Gebiet hatte sie immer beobachtet. Und in regelmäßigen Abständen war sie auch nachsehen gegangen. Und jedes Mal lief es auf dasselbe hinaus. Die Leiche wurde immer mehr abgenagt. Mittlerweile war sie schon zur Hälfte skelettiert. Doch das Gesicht blieb seit ihrem Besuch beim Bürgermeister unberührt. Warum verhielt sich dieser eigentlich so ruhig? Robin war vor zwei Tagen bei ihm gewesen. War er denn kein bisschen neugierig? Immerhin war es sein Sohn! Plötzlich hörte Robin Stimmen. Sie schienen aus Richtung Stadt zu kommen. Erst ganz leise, dann langsam aber sicher lauter werdend. Anscheinend war man auf den Weg hierher. Warum? Sonst war der Ort hier nie interessant gewesen für die Leute von Hellslobby. Im Gegenteil, sie fürchteten sich davor – ein weiterer Grund, weshalb Robin für bescheuert erklärt wurde. Sie versteckte sich. Wenn man sie mittlerweile schon hier aufsuchte, konnte das nichts Gutes bedeuten. Auf eine Auseinandersetzung hatte sie jetzt keinen Bock. Also nichts wie rauf auf den nächsten Baum. Aus einer Höhe von circa zehn Metern beobachtete sie ein paar Menschen, die mit Fackeln und einem ziemlich mies dreinschauenden Gesicht auf der Lichtung herumirrten. Anscheinend suchten sie etwas. Obwohl es erst gegen Mittag war, brauchte man die Fackeln. Die Lichtverhältnisse in diesem Wald waren schon ein wenig anders. Einen der Leute erkannte Robin unschwer als den Bürgermeister. Dieser schien den anderen irgendetwas zuzubrüllen. Überhaupt unterhielten sich die Menschen da unten verdammt laut. Aber es gab nirgendwo Geräuschquellen, die sie hätten übertönen müssen um sich gegenseitig zu verstehen. Robin ließ sich auf einen Ast weiter unten gleiten, fast geräuschlos. Aber selbst wenn der Ast gebrochen wäre, das hätte man durch das gegenseitige Anschreien nicht mitbekommen. Jetzt konnte sie ein paar Wortfetzen aufschnappen. Bald schon ganze Sätze. Dann durchsuchten zwei Männer genau den Bereich unter dem Baum, auf dem Robin saß. „Bist du sicher, dass uns diese Person nicht reinlegen wollte?“, fing der eine an. „Wenn man anfängt über Leichen zu spekulieren, sollte man schon die Wahrheit sagen! Da hört der Spaß dann auf!“, meinte der andere mit ernster Mine. „Aber hier ist nichts! Wie kommt ihr überhaupt darauf, dass die Leiche hier sein soll?“ „Denk doch mal nach, du Idiot!! Hast du das Weib denn schon einmal an einem anderen Ort gesehen als hier? Sie lebt hier, es muss hier sein!“, war sich der zweite ziemlich sicher. Es konnte gar nicht woanders sein! „Um ehrlich zu sein, ich hab sie noch GAR NICHT gesehen! Mir wurde immer nur von ihr erzählt.“ Der erste schmollte ein wenig vor sich hin. Klar, jetzt war er wieder der Außenseiter. „Na dann wird es Zeit! Mal von ihrer Verrücktheit abgesehen, sie ist schon ein extrem steiler Zahn!“, lachte der zweite und hatte ein ziemlich lüsternes Grinsen auf dem Gesicht. Auf einmal fiel ein Stück Holz genau vor seiner Nase herunter. Er sah leicht irritiert hoch. Robin war schon lange verschwunden, sie konnte sich das Gesülze nicht länger anhören. Allerdings war da ein leicht verschwommenes Glühen zu sehen, das aber sofort wieder verschwand. Dem Mann lief ein kalter Schauer über den Rücken. Es sah aus wie ein Paar gelbe, weit aufgerissene Augen, aber er konnte sich auch getäuscht haben. Er schluckte schwer, tippte seinen Kameraden an und deutete ihm, sich schnellstmöglich zu den anderen zu gesellen. Robin indessen hatte sich von Baum zu Baum geschlichen, bis zum anderen Ende der Lichtung. Auch hier waren Männer damit beschäftigt, den Boden abzusuchen. Allerdings waren sie noch weit von der Leiche entfernt. Es fehlten noch einige Meter in Richtung Norden. Robin beschloss, die Suche zu beenden. Nicht, dass sie ihnen hatte helfen wollen. Sie wollte bloß ihre Ruhe. Die Leute sollten endlich wieder verschwinden. Sie nahm sich einen Ast, der schon ziemlich lose am Baum hing und durchtrennte das letzte Stück Rinde, das ihn noch mit dem Stamm verband. Dann warf sie das Holz zielgenau auf das Grab, möglichst so, dass es noch ordentlich Lärm im Unterholz veranstaltete. Sofort hörte sie Rufe und etwa zehn Männer stürmten gleichzeitig auf die Stelle zu. Allerdings hob nur einer den Ast auf – zumindest wollte er das, denn er hielt mitten in der Bewegung inne, sah die Skeletthand und stieß einen panischen Schrei aus. Nun kamen alle angerannt und gemeinsam gruben sie den Leichnam aus. Der Bürgermeister machte sich natürlich nicht die Hände schmutzig. Als man aber fertig war, stieß er alle anderen zur Seite und starrte auf den mittlerweile fast fleischlosen Kadaver. Nur das Gesicht war noch in erkennbarem Zustand. Robin beobachtete die Szene in sicherem Abstand von ihrem Baum aus. Shaw schien nicht sehr bestürzt. Aber das konnte ihr egal sein. Wichtig war nur, dass man ihr jetzt doch Glauben schenken musste. Sie war anders, aber nicht verrückt! Sie war nicht „normal“, aber von einem wie Shaw würde sie sich keine Geisteskrankheit diagnostizieren lassen. Ein unbeschreiblich schauriges Heulen durchschnitt die perplexe Stille der Stadtbewohner. Alle zuckten zusammen. Der Himmel wurde noch dunkler, als er ohnehin schon war. Obwohl es erst dreizehn Uhr sein konnte, sah es aus wie in sehr später Abenddämmerung. Langsam stieg allgemeine Panik in der Luft auf. Auch Robin schaute sich alarmiert um. Dann war ein aggressives Knurren zu hören – beängstigend nah. Sie konnte es genau unter sich ausmachen. Auf dem Waldboden bewegte es sich langsam und zielstrebig auf die kleine Menschenmenge zu. Und damit war die Starre gelöst. Hals über Kopf machten die Männer, dass sie wegkamen. Ohne überhaupt einen Plan zu haben, wo sie hinliefen, rannten sie ziellos durch die Gegend. Einer rannte genau in Robins Richtung – und somit zwangsläufig auf das Etwas zu, dass sie so verschreckt hatte. Alle schrien, aber dieser schrie anders … das war kein Angst-, sondern ein Todesschrei. Dann war ein unappetitliches Zerquetschen von Innereien zu hören. Auch Knochen zersplitterten unter einer ungeheuren Bisskraft. Es klang widerlich. Aber das schien niemand außer Robin mitzukriegen. Alle stoben kopflos durcheinander und fanden sich dann irgendwie zurück in die Stadt. Alle bis auf … „WO IST HARRY?!? Wo ist mein Mann?!“, schluchzte die Frau und sah Shaw anklagend an. Der hatte keinerlei Ahnung. Die Frau weinte nur noch geräuschvoller. Sie putzte sich lautstark die Nase und schien für Robins Begriffe sehr nach Mitleid zu lechzen. Zumindest war es der erste Eindruck, den sie von ihr hatte. Die Frau war definitiv eine von den Schlampen, die nichts Besseres zu tun hatten, als sich beim Kaffeekränzchen über andere Leute lustig zu machen, zu lästern und dabei penibelst auf ihr eigenes Image zu achten, anderen Frauen die Männer auszuspannen und eigentlich doch nur Stroh im Schädel zu haben. Jedenfalls stand Robin schon seit geraumer Zeit im Türrahmen und beobachtete die Szene aufmerksam. Offenbar schien sie aber keiner zu bemerken. Also musste sie sich wohl am Gespräch beteiligen, wenn sie nicht weiter ignoriert werden wollte. Allerdings war sie nie Freund von vielen Worten gewesen. Also ging sie lediglich aus dem Rahmen raus in das Zimmer. Alle Köpfe drehten sich sofort nach ihr um. Der Umhang erzeugte eine außerordentlich gespannte Atmosphäre bei den Leuten im Raum, aber Robin blieb die Ruhe selbst. Die Frau, die bis jetzt rumgeheult hatte, fing an sie bösartig anzufunkeln. „Natürlich, du bist es gewesen! Du hast ihn dir gekrallt und hältst ihn jetzt irgendwo gefangen, oder womöglich hast du ihn schon umgebracht!!“, schrie sie hysterisch. Robin riss langsam der Geduldsfaden. „Dann bin ich mal gespannt, wie sie mir das beweisen wollen!“, fauchte sie zurück. „Was sollte ich für einen Grund haben so etwas zu tun?!“ Leicht verschreckt hüpfte die Frau zurück und fing sofort wieder an mit flennen. Alle umstehenden murmelten und warfen böse Blicke in Robins Richtung. „… arme Frau … seelisch am Ende … kann nichts dafür … nicht so anschreien …“ Es war klar, auf wessen Seite sie standen. Bebend vor Zorn verschwand Robin aus dem Gebäude. Mal wieder war sie kurz davor, alles um sich zu zerschlagen. Funkensprühende Augen ließen die Leute, die ihr entgegen kamen, die Straßenseite wechseln. Ein Kind fing an zu weinen und die Mutter machte ein ziemlich verstörtes Gesicht, während sie ins Haus ging und ihr Kleines mitnahm. Wieso zum Henker war Robin immer an allem schuld, was geschah? Nachdem die Bürger von Hellslobby sich aus dem Staub gemacht hatten, war sie zu der frischen Leiche gegangen. Deren Mörder war wie von Erdboden verschluckt und hatte nicht die geringste Spur hinterlassen – zumindest nicht seine Person betreffend. Der Tote allerdings war mal wieder ein Fest für jeden Horror-Junkie. Blut und Innereien lagen in einem Umkreis von 6 Metern verstreut. Fast so, als hätte der Typ eine Bombe verschluckt, die im Magen hochgegangen war. Damit würde Robin also mit zwei Leichen in der Nachbarschaft leben. Warum auch nicht? Die beschweren sich jedenfalls nicht! Aus der Stadt zurück wieder auf der Lichtung machte sie sich gleich zum neuen „Mitbewohner“, weil sie wissen wollte, ob ihre Vermutung richtig war – und sie wurde bestätigt. Harry war schon angefressen, die umliegenden Organe waren auch verschwunden. Also lag hier nun der neue Vorrat des Mörders, den keiner kannte. Robin hatte zwar ein seltsames Gefühl bei der Sache, aber Angst war es nicht wirklich, denn wäre sie ein potentielles Opfer, wäre sie schon längst tot. Was immer es auch war, es war ständig in der Nähe, vielleicht beobachtete es Robin auch, aber es griff bis jetzt nicht an. Und mittlerweile waren seit dem Verschwinden von Shaws Sohn sieben Tage vergangen. Wozu brauchen wir einen Himmel? Die Hölle ist doch ganz nett … … to be continued … Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)