Verliebt in Transsilvanien von abgemeldet (eine Fortsetzung von Tanz der Vampire) ================================================================================ Kapitel 6: Family Affairs ------------------------- „DA bist du ja! Ich dachte schon, wir müssten durch das ganze Schloss laufen, um dich zu finden!“, schmetterte meine Mutter. Und bevor ich mich versah, befand ich mich auch schon in ihren Fängen. Nachdem ich mich aus der doch recht festen Umarmung meiner Mutter befreit hatte, brachte ich schließlich ein „Guten Abend, Mutter. Guten Abend, Vater.“, heraus; stets bemüht freundlich zu lächeln. „Schön euch zu sehen.“, log ich weiter. Doch bevor ich überhaupt richtig zu Wort kam, setzte meine Mutter schon erneut an. „Wie lange ist es her, dass wir uns das letzte Mal gesehen haben? Das müssen ja schon Jahrzehnte sein…“ Als sich der plötzliche Schwindanfall gelegt und ich mich wieder gesammelt hatte, waren auch Sarah, Herbert und Alfred von ihren Plätzen aufgestanden, um den Besuch zu begrüßen. Obwohl ich von dem, was meine Mutter eben gesagt hatte nur die Hälfte wahrnahm, schaffte ich es dennoch interessiert zu wirken. Neben mir stand jetzt mein Vater. Verhalten räusperte er sich, wobei er mir einen leichten Stoß mit dem Ellenbogen in die Seite versetzte. Ich hatte doch glatt vergessen, die Beiden Sarah und Alfred vorzustellen! „Darf ich vorstellen: Richard von Krolock, mein Vater und Herberts Großvater; Marie von Krolock, meine Mutter und Herberts Großmutter.“, erläuterte ich kurz die Familienverhältnisse. „Mutter, Vater; das hier sind Sarah und Alfred. Sie weilen seit des letzten Mitternachtsballs bei uns.“ „Wie der Vater, so der Sohn. Nur die schönsten Frauen sind gut genug.“, kommentierte mein Vater mit einem charmanten Lächeln zu Sarah, danach zu Marie. Kurz darauf verfinsterte sich seine Miene allerdings wieder, „Jedenfalls schien das in den bisherigen Generationen der von Krolocks so zu sein…“. Er bedachte Herbert mit einem eisigen Blick. „Und Sie, Alfred. Was führt Sie in dieses Schloss?“, hakte er nach. Noch bevor Alfred etwas sagen konnte, antwortete Herbert für ihn, „Alfred ist Student, er kam mit einem Professor…Er interessiert sich für die Wissenschaft.“. Ehe ich mich über Herberts Aussage wundern konnte, wurde ich auch schon von Sarah weg gezogen. Auch meine Mutter folgte uns in den Speisesaal. Eigentlich kam es mir nur gelegen, dass es nun zwei Esser mehr am Tisch gab. So konnte Sarah mich wenigstens nicht mehr mit den vermeintlichen Leckereien quälen – schließlich gehörte es sich nicht, jemanden zu füttern, wenn man in Gesellschaft war. …Leider gehörte es sich auch nicht, einfach tot vom Stuhl zu kippen – was ich liebend gern getan hätte, angesichts der vorherrschenden Gesprächslautstärke. Nun ja, eigentlich war ich auch schon untot, aber warum zum Teufel mussten die Fünf sich auch so früh schon so angeregt unterhalten? Außerdem kannten Marie und Richard Sarah und Alfred doch gar nicht, was hatten die sich also zu sagen? Mit Herbert unterhielten die Beiden sich nie so ausgiebig… Für einen Augenblick dachte ich, es handle sich um Sarahs schrilles Lachen, das meinen Schädel fast zum Zerbersten brachte, doch da lag ich knapp daneben. Es war meine Mutter, die in heftiges Gelächter ausgebrochen war. Was war hier bitteschön so lustig?! …Und warum guckten die beiden mich auf einmal so komisch an?!?? Mir war es letztendlich egal, worüber sie lachten. Wenn die beiden die ganze Nacht so weitergackerten, würde ich wahrscheinlich doch noch irgendwann tot umfallen. Mir fiel es aufgrund der heftigen Kopfschmerzen, der Übelkeit und des Schwindelgefühls schon schwer genug, mich auf den Beinen zu halten. Aber wenn das so weiter ginge, würde ich es nie schaffen, das ganze weiterhin zu überspielen als wäre nichts… ***************************************** Unglaublich, wie gut man sich mit jemandem verstehen kann, den man vor kaum einer Viertelstunde erst kennen gelernt hat. Bei Marie hat man gleich das Gefühl, sich schon seit einer Ewigkeit zu kennen. Keine Ahnung, wie wir auf dieses Thema gekommen sind, aber wie es scheint, war der kleine Breda in seiner Jugend ein richtiger Draufgänger. Nur gut, dass Breda heute nicht so aufnahmefähig ist, wie sonst… Er hätte die Unterhaltung sicher sofort abgebrochen. Es war wirklich zu komisch, Marie wusste so einige interessante Dinge aus Bredas Kindheit zu berichten. Besonders lachen musste ich über die Babyfotos von ihm, die Marie in ihrer Geldbörse hatte. Ein total niedlicher, kleiner Wonneproppen der nackt auf einem Bärenfell spielt… Schon damals war er zum Anbeißen! Erstaunlich, wie viele Fotos man in einer so kleinen Geldbörse unterbringen konnte. Mir war es kaum mehr möglich, alle in der Hand zu halten, also begann ich, die Fotos auf dem Tisch auszubreiten. Das wiederum weckte Herberts Aufmerksamkeit, denn er stand von seinem Platz auf und setzte sich auf den freien Stuhl neben Marie, um eine bessere Sicht auf die Bilder zu haben. Keine Minute verging, in der er nicht einen dummen Kommentar von sich gab oder versuchte, sich in unser Gespräch einzumischen. So etwas nerviges! Konnte er sich nicht mal mit Richard unterhalten, oder mit Alfred, wie er es immer tat?! Doch dann fiel mir auf, dass die beiden uns gar nicht in den Speisesaal gefolgt waren. Sie mussten wohl noch immer auf dem Korridor stehen. Vielleicht hatte Alfed ja jetzt endlich jemanden gefunden, mit dem er ausführlich über Wissenschaften unterhalten konnte. Sicher waren er und Richard in die Bibliothek gegangen, oder betrachteten eine der Ritterrüstungen, die hier im Schloss überall rum standen. Na ja, mir sollte es recht sein. Wenigstens war ich so vor Alfreds kläglichen Flirtversuchen sicher. „…Und einmal, da hat Breda sich heimlich aus dem Schloss geschlichen, um mit ein paar Freunden in eine Kneipe im nächsten Dorf zu gehen. Damals muss er so um die 16 gewesen sein…“, erzählte Marie. „Jedenfalls glaubte er, Richard und ich hätte nicht mitbekommen, dass er die Nacht über nicht zu Hause gewesen war. Erst am nächsten Abend war er gezwungen, uns die Wahrheit zu sagen. Genauer gesagt, haben wir ihm die Geschichte mit der Magen-Darm-Grippe nicht abgenommen.“, lachte sie. „Er und die andern Jungs haben wohl ganz schön einen über den Durst getrunken… Oder Breda verträgt einfach keinen Alkohol.“ Schallendes Gelächter diesmal nicht nur von Marie sondern auch von mir und Herbert. „Stimmt, sonderlich gut scheint mein Liebling den Alkohol wirklich nicht zu vertragen.“, grinste ich mit einem viel sagenden Blick zu Breda, was Herbert zu einer Gegenbemerkung veranlasste, „Na wenn man sich auch derart von dir abfüllen lässt – was hast du erwartet?!“. „Genau das!“, gab ich spitz zurück. Nun saß Marie mit leuchtenden Augen vor uns, „Was? Wer? DU hast Breda abgefüllt? Wann?“. Einen Moment lang sah sie Breda prüfend an, dann fuhr sie fort, „…und jetzt hat er nen Kater?! Na los, erzählt schon, was habt ihr gestern mit ihm angestellt?“, bat sie neugierig. Auf diese Bitte würde ich gern zurückkommen – auch wenn Herbert bereits jetzt genervt mit den Augen rollte. *************************************** Richard von Krolock, ein wirklich sehr weiser Mann. Alles, was ich aus den unterschiedlichsten Geschichtsbüchern wusste, war nichts im Gegensatz zu dem, was er aus eigener Erfahrung zu berichten wusste. Dass Vampire sehr alt werden konnten, wusste ich bereits, aber so alt? Einfach unglaublich. Man merkte schon an seinem Benehmen, dass er nicht aus diesem Jahrhundert stammen konnte. Sicher waren Anstand und eine gewisse Etikette noch heute wichtig für die gehobene Gesellschaft und manchmal wirkten seine Gesten schon etwas verstaubt, auch wenn er immer höflich und zuvorkommend war. Er war schon ein ganz besonderes Exemplar eines Vampirs – Professor Abronsius hätte seine helle Freude daran gehabt… Richard wusste wirklich zu jedem der schweren Ölgemälde an den Wänden und zu jeder der Ritterrüstungen oder Wappen etwas zu erzählen. Ich wusste nicht, wie lange wir nun schon durch die unzähligen Gänge und Räume des Schlosses gegangen waren und die unterschiedlichsten Gegenstände mehr oder weniger lange betrachteten. Das Geschlecht der von Krolocks schien eine weit reichende und bewegte Vergangenheit zu haben… Herbert hatte die Familie nie erwähnt… aber Richard hatte bei seiner Darlegung des Stammbaums auch Herbert ausgelassen, seine Cousins und Cousinen hingegen aber erwähnt. Schon merkwürdig… Was machten er und die anderen eigentlich in der Zwischenzeit? Vielleicht wäre es besser, wieder zu ihnen zu gehen? Das Schloss konnte man auch später noch genauer besichtigen. Als wir einige Minuten später den Speisesaal betraten, fielen uns zuerst Herbert, Sarah und Marie auf, die lachend am Tisch um irgendetwas herum saßen. Ein paar Stühle weiter saß der Graf, er wirkte leicht abwesend – wie schon den ganzen Abend. Da Richard geradewegs auf den Stuhl gegenüber dem Grafen zusteuerte, gesellte ich mich zu den anderen dreien. Die Stimmung war ausgelassen, Marie war offensichtlich weniger steif als ihr Gatte, was das Verhalten anging. Ich zog mir einen Stuhl heran, woraufhin die anderen sogleich ein Stück zusammen rückten, um mir Platzt zu machen. Als ich nach kurzer Zeit noch immer nicht genau wusste, warum alle so lachten, fragte ich unauffällig Herbert, der das alles nicht ganz so lustig zu finden schien. „Marie und Sarah amüsieren sich gerade darüber, dass Sarah meinen Vater gestern Nacht abgefüllt hat…“, murmelte er. „Sarah hat was?!“, konnte ich mir nicht verkneifen. „…Rat mal, wofür sie die Unmengen Wein sonst gebraucht hätte…“. Jetzt wurde mir einiges klarer. „Marie nimmt, das ganze wohl recht locker, oder?“ Herbert musste jetzt doch lachen, „Ja, sie ist nicht so ein konservativer, verstaubter Spießer wie Richard.“ Kaum hatte er den Namen seines Großvaters ausgesprochen wurde er wieder ernster. „Es würde mich allerdings interessieren, wie Richard reagiert, wenn er merkt, dass Paps total verkatert ist. Wenn er auch nur annähernd so streng ist wie Paps bei mir die Nacht davor war, dann könnte ich letztendlich mitlachen. Mal sehn wie ‚gerecht’ Paps so eine Moralpredigt findet, wenn er selber dran ist… Wenn Richard genauso rumbrüllt wie er, dann kann Paps nicht länger so tun, als wäre nichts.“ Dazu fiel mir wirklich nichts mehr ein. Sarah hatte den Grafen also gestern mit reichlich Wein abgefüllt. Dieser hatte jetzt einen Kater – den er aber gut zu überspielen wusste. Jetzt waren auch noch die Eltern des Grafen zu Besuch im Schloss… Richard unterhielt sich mit dem Grafen darüber, dass er und Marie sich gern mal in der Umgebung des Schlosses die Natur ansehen wollten und man das ganze doch auch als eine Wanderung mit allen gestalten könne. Als die Unterhaltung der beiden immer häufiger vom lauten Gelächter der Frauen gestört wurde, wendete sich Richard mit einem etwas schroffen Unterton an Marie, „Was ist denn da drüben so witzig, dass ihr dermaßen laut lachen müsst?!“. „..Ach nichts, Liebster.“, kicherte Marie als sie wieder zu Atem gekommen war. „Ihr lacht doch nicht über Nichts! Sagt schon, was gibt es, dass ich wissen sollte?“, beharrte Richard nun. „Ähm, nun ja…“, fing Sarah darauf hin an. „Nun…?“, fragte Richard erneut, stand von seinem Stuhl auf und kam zu uns herüber. Er war ruhig, aber dennoch irgendwie Angst einflössend. Ganz anders, als ich ihn bisher kannte. Das Vertrauen erweckende, leichte Lächeln war einem autoritären Gesichtsausdruck gewichen. **************************************** Oh, nein. Warum regte Richard sich so auf? Was passte ihm nun schon wieder nicht? Er kam geradewegs auf uns zu, sein Blick war eisig. Er mochte es nun mal gar nicht, wenn man ihn bei einer Unterhaltung störte. Aber das hätte Marie doch genau so gut wissen müssen, wie ich. Dass Sarah sich nicht weiter um so etwas kümmerte, war ja klar. Sie hätte aber auch kaum ahnen können, dass Richard eine so antiquierte Ansichte vom Bild der Frauen in der Gesellschaft hatte. „Über was lacht ihr so ausgelassen, während Breda und ich Konversation führen?!“, fragte er streng. „Ist nicht so wichtig, Richard, wirklich.“, versicherte Marie ihm. Ein gereiztes Knurren war zu vernehmen. „Alfred, Herbert! Was veranlasst euch zu so unsittlichem Benehmen?! Wenn die Frauen schon nicht antworten, dann erwarte ich zumindest von euch Aufklärung!“, forderte Richard in einem mittlerweile ärgerlichen Tonfall, wobei er Alfred kaum ansah, mir hingegen mit einem Ausdruck der Verachtung in die Augen blickte. In diesem Moment war ich mir nicht sicher, ob ich ihm antworten und die Wahrheit sagen, oder einfach den Raum verlassen sollte. Wir mochten uns noch nie sonderlich, aber DAS HIER war nun wirklich unter meiner Würde. Sollte er seinen ach so lobenswerten Sohn doch am besten selber fragen! „Herbert! Ich habe dich etwas gefragt! …Hättest du also die Güte, mir zu antworten?!“, schrie er mich an. Wäre nicht die halbe Familie anwesend, hätte ich wahrscheinlich im selben Tonfall geantwortet, aber so blieb mir nicht wirklich etwas anderes übrig, als ihm die Wahrheit zu sagen, „Wenn du es so genau wissen willst, fragst du am besten mal deinen Sohn. Der kann dir die Vorkommnisse der letzten Nacht sicher besser schildern als ich…“. Damit hatte Richard offensichtlich nicht gerechnet. Einen Augenblick lang sah er mich fragend an, ließ seinen Blick in die Runde schweifen und fokussierte danach meinen Vater. Für einige Sekunden herrschte Still. Richard ging langsam auf meinen Vater zu, setzte sich im gegenüber und fragte interessiert, „So, du kannst mir die Vorkommnisse der letzten Nacht genauer erzählen?“. Der Gesichtsausdruck meines Vaters schwankte zwischen beschämt, unsicher und selbstbewusst. Er fühlte sich also wirklich ertappt, „Letzte Nacht? …Nun ja, Sarah und ich haben zusammen zu Abend gegessen.“. „Ihr habt zu Abend gegessen?! Und dann?“ „Nichts, und dann.“ „Breda von Krolock…“ Wenn dieser Name fiel, wussten alle, was nun kommen würde…- „Komm doch mal mit…!“ - oder auch nicht. Richard stand auf, ging um den Tisch herum und zog Breda ein paar Meter weiter von uns weg. Das sah doch ganz nach einem der typischen Vater-Sohn-Gespräche aus. Wider Erwarten gab es kein Donnerwetter – ganz im Gegenteil… Standen die beiden doch zusammen und unterhielten sich, als wäre nichts gewesen. Zu gern hätte ich gewusst, was mein Vater Richard da gerade erzählte. Auf jeden Fall konnte es nicht die Wahrheit sein, soviel war klar. Auch bei seinem Lieblingssohn würde Richard nie so nachsichtig sein, dafür kannte selbst ich ihn schon zu lange. Wenn die anderen drei nur nicht so laut wären, hätte ich glatt verstehen können, was die beiden da beredeten. So blieb mir nichts anders übrig, als aus Richards Gesichtsausdruck zu lesen, denn mein Vater hatte uns den Rücken zugewandt. Ein paar Minuten saß ich nun so da und starrte Richard an. Er schien amüsiert – aber worüber?! Ich konnte beim besten Willen nicht komisches an der vergangenen Nacht finden. Auch als es um mich herum allmählich leiser wurde und auch Sarah sich beruhigt hatte, konnte ich leider immer noch nicht mehr von der Unterhaltung zwischen meinem Vater und Richard verstehen. Es hatte doch wirklich den Anschein, als würden die beiden eine nette Unterhaltung führen… Die Gesprächssituation wurde immer ausgelassener, dann lachte Richard sogar einmal laut auf. Ich verstand die Welt nicht mehr. Mittlerweile guckten auch Alfred, Marie und Sarah gespannt zu, was als nächstes passieren würde. Fast hätten wir die Sache als Ausnahme seitens Richards abgetan und uns einem anderen Gesprächsthema zugewandt, als Alfred plötzlich wieder ganz still wurde. „Gleich gibt es doch noch ein Donnerwetter…“, flüsterte er. Ungläubig schaute ich wieder hinüber und… Alfred hatte Recht. Richards Gesichtszüge verfinsterten sich von Sekunde zu Sekunde. Das Gespräch der beiden schien eine ungewollte Wendung genommen zu haben. „DU warst BETRUNKEN?!??“, hallte es auf einmal durch den Raum. Geschockt saßen wir auf den Stühlen und starrten die beiden noch immer an. Mein Vater hatte das ganze wohl als eine seiner üblichen Weibergeschichten abtun wollen – aber da hatte er nicht mit Richards Penetranz gerechnet. ***************************************** Als ob die Nacht nicht schon grausam genug gewesen wäre… Zu allem Überfluss war die bislang recht angenehme Unterhaltung mit Vater völlig aus dem Ruder gelaufen. Ich hätte es besser wissen müssen – Vater eine solche Unsittlichkeit als Heldentat zu verkaufen war nicht sehr klug. Bisher war es mir zugegebenermaßen recht gut gelungen, meine physische Verfassung zu überspielen. Bei der momentan vorherrschenden Lautstärke Vaters war an einen Konter jedoch nicht zu denken. „Wie kannst du dir so etwas erlauben?! Das ist ja wohl die Höhe! Wo ist der Anstand, den ich dir beigebracht habe?! Keine Selbstbeherrschung mehr, du wirst wirklich nie erwachsen! Das ist eine Schande für die Familie!“ Er stand unmittelbar vor mir, schrie mich aber an, als wäre ich Meilen von ihm entfernt. Ich hatte das Gefühl, das Echo seiner Worte hallte in meinem Kopf wider… Dieser Mann machte mich – den Grafen von Krolock – gerade vor versammelter Familie nieder und das, ohne auch nur ein einziges Mal Luft holen zu müssen. Etwas so entwürdigendes hatte ich schon lange nicht mehr erlebt. Für einen kurzen Augenblick glaubte ich, mir würde schwarz vor Augen. Ich konnte nur noch verschwommen wahrnehmen, dass Vater mich anbrüllte. Alles andere um uns herum schien in weite Ferne zu rücken. Dann war es ganz still. Hinter mir ertastete ich einen Stuhl, auf dem ich mich sogleich nieder ließ, in der Hoffnung, meine Sinne würden sich bald wieder schärfen. Allmählich fokussierte mein Blick sich wieder. Das erste, was ich sah, war mein Vater. Er stand mit einer Flasche Cognac in der Hand vor mir und lächelte kühl, „Da du so ein Frauenheld bist, sollten wir doch darauf anstoßen, findest du nicht auch?“. Noch immer rang ich mit der Fassung. Allein der Gedanke daran, auch nur einen winzigen Schluck des Cognacs zu kosten trieb die Übelkeit in mir beinahe zum Äußersten. Leider hatte ich nicht die Wahl und so drückte Richard mir prompt ein halbvolles Glas in die Hand, „Auf dich und deine glorreichen Heldentaten!“. Ohne Zweifel – er hatte es nur darauf abgesehen, mich zu foltern. Qualvoll trank ich Schluck um Schluck mein Glas leer. Mit aller Kraft hielt ich die Übelkeit zurück. Schweißperlen traten mir auf die Stirn. Triumphierend sah er auf mich herab, bis ich auch den letzten Tropfen hinuntergeschluckt hatte. Selten hatte ich etwas derart Demütigendes erlebt. Wäre ich jetzt aufgestanden, wäre ich sicherlich ebenso schnell zu Boden gegangen. Dessen war auch Vater sich bewusst und so konnte er nicht umhin noch einmal nachzusetzen, „Weißt du, Alfred und ich haben uns vorhin angeregt über Naturwissenschaften unterhalten...“. Auf was wollte er hinaus? „…Und da dachte ich, es wäre auch für Marie uns Sarah interessant, wenn wir die transsilvanische Landschaft einmal erkunden. Was hältst du also davon, wenn wir eine Wanderung unternehmen?“ Was ich davon hielt, wollte er gar nicht wissen. Es war ja wohl allen klar, was er damit bezwecken wollte. „Erwähntest du nicht mal eine Höhle ganz in der Nähe, in der es große Vorkommen seltener Fledermausarten gibt?“ Diese Nacht war ja wirklich ein voller Erfolg. Wäre ich nicht schon lange ein Vampir und somit untot, wäre DAS HIER ein triftiger Grund, sich umzubringen. Eine Wanderung mit meinen Eltern, einem Möchtegern-Wissenschaftler, Sarah und Herbert, die sich voraussichtlich die gesamte Exkursion über stritten… die nächste Nacht würde allem Anschein nach auch nicht wesentlich besser werden. Nur gut, dass sich nicht nur meine Kräfte, sondern auch diese Nacht sich bereits ihrem Ende neigten und Mutter und Vater noch ihr Gepäck auf eins der Gästezimmer bringen mussten. Es wäre wohl auch für mich das Beste, wenn ich mich auf den Weg in meinen Sarg machte, um Vater wenigstens morgen die Stirn bieten zu können. Ändern konnte ich an der ganzen Sache ohnehin nichts mehr. Gerade wollte ich mich von meinem bequemen Sitzplatz erheben, als mein Vater mich unsanft wieder auf diesen zurückbeförderte. „Nichts da, mein Lieber. Die Flasche ist noch halb voll und du willst mich doch wohl nicht kränken, indem du sie nicht mit mir leerst?!“ – Durfte man seinen Vater würgen? Ach, das würde ja nun auch nichts bringen... Ich zwang ein quälendes Lächeln auf meine Lippen und ließ ihn mein Glas erneut füllen. Innerlich seufzend prostete ich ihm zu, als er seinerseits das Glas erhob. Das Glas allein in meinen Händen wäre ja nicht das Problem gewesen... hätte mein Vater mich nicht dazu gezwungen es in angemessenem – seinem – Tempo zu leeren. Gerade, als er es zum vierten Male füllen wollte, schritt meine Mutter ein. – Hatte ich erwähnt, dass ich sie vergöttere?! „Liebling, meinst du nicht, dass Breda seine Lektion gelernt hat?!“ – Oh, ja! Das hatte ich wahrlich! Nie wieder würde ich es meinem Vater erzählen, wenn ich getrunken hatte! „Vielleicht hast du Recht, Marie.“ – Ja! – Nein... das war irgendwie zu einfach... „Cognac ist wirklich nicht sehr geeignet für diese Art von Konversation. Hatte ich nicht noch einen alten schottischen Whiskey mitgebracht, meine Liebe?!“ Ich fühlte, wie sich das Zimmer um mich herum zu drehen begann... **************************************** Nun, mir wurde Marie von Minute zu Minute sympathischer. Jetzt spielte sie die liebende Mutter... – Natürlich war ich überzeugt davon, dass sie dies nicht nur spielte. Man musste Breda einfach lieben. Aber auch ich hatte langsam Mitleid mit ihm. Richard war wirklich nicht sehr zimperlich was seine Moralpredigten anging... Und meinem armen Mann dann – nach der Nacht mit mir – auch noch zusätzlich Alkohol einzuflößen! Das war nun wirklich das Äußerste! So etwas durfte nur ich! Allerdings sah Breda wirklich nicht sehr gesund aus. Er hätte dem Schnee draußen mit seiner Gesichtsfarbe Konkurrenz gemacht. Ein wirklicher Kontrast zu seinen tiefen, dunklen Schatten unter den Augen. „Marie, hattest du nicht deine Violine mit hierher gebracht?“, fragte Richard. „Ja, Liebling. Aber was willst du damit? Du spielst doch gar nicht.“ Etwas verwirrt schloss ich mich dem Gesichtsausdruck Maries an, die ihren Mann fragend musterte. „Nun, meine Liebe. Dann muss ich dich wohl auf dem neuesten Stand meiner Kenntnisse bringen. Ich habe vor einigen Wochen ein wenig Unterricht genommen und würde unserem Sohn nun gern die Ergebnisse präsentieren. – Natürlich nur, wenn du gestattest, meine Liebe.“ Er wusste, dass Marie nicht nein sagen würde. Und dies tat sie auch nicht. Freudestrahlend ging – ja hüpfte beinahe – sie aus dem Zimmer, um ihre Violine zu holen. Währenddessen ging ich auf Breda zu, der glasigen Blickes in seinem Stuhl saß. Sein Blick schien sich jedoch zu klären, als ich vor ihm stand. Beinahe Hilfe suchend sah er mich an. „Ist dir nicht gut, Liebster?“, fragte ich besorgt und musterte ihn. Bevor er jedoch nur zu einer Antwort ansetzen konnte, fiel Richard ein – wie unhöflich! „Nach der gestrigen Nacht müsste es ihm prächtig gehen, nicht wahr?!“ Breda nickte schwermütig – es ging ihm also wirklich nicht gut... Wenn ich doch bloß etwas tun könnte... In just diesem Moment kam Marie wieder ins Zimmer und hielt eine Violine in der einen und eine Flasche – wahrscheinlich mit Whiskey – in der anderen Hand. Breda würde wirklich noch zu leiden haben... Aber so wie es aussah, war Marie auch keinesfalls erfreut darüber, dass ihr Ehemann ihren gemeinsamen Sohn (nochmals) abfüllen wollte; skeptisch, wie sie die Flasche betrachtete, die sie ihrem Mann gab. Dieser ging daraufhin zu einer kleinen Vitrine, in der mehrere Gläser standen und holte zwei heraus – einen verächtlichen Blick auf Herbert werfend. Mitfühlend legte ich die Hand auf Bredas Arm, als sein Vater ihm ein recht volles Glas Whiskey in die Hand drückte und dann nach der Violine griff... **************************************** Was sah Richard Herbert eigentlich so an? Mochte er ihn nicht, oder wie? – Immerhin war er sein Enkel... Allerdings war mir auch keinesfalls das offenkundige Missfallen über Herberts Vorlieben entgangen. Ich schloss daraus, dass Richard etwas gegen homosexuelle Vampire hatte. Scheinbar hatte er aber auch etwas gegen trinkende Vampire. So, wie ich sehen konnte, ging er nämlich nicht gerade zimperlich mit dem Grafen um; schenkte ihm sogar noch zusätzlichen Alkohol ein. Da war ich doch ziemlich froh, dass er nicht MEIN Vater war... Auch Herbert schien seinen Großvater nicht sonderlich zu mögen... untertrieben gesagt. „Alfi? Begleitest du mich ins Kaminzimmer?“ Warum wollte Herbert ins Kaminzimmer? – Zugegeben... Willkommen wäre es mir schon. Ich fröstelte ein wenig und etwas fehl am Platze fühlte ich mich auch. Immerhin saßen Herbert und ich die ganze Zeit nur tatenlos auf unseren Stühlen, während Richard damit beschäftigt war seinem Sohn eine gehörige Moralpredigt zu halten. Sarah und Marie... nun ja... Sie würden den Grafen wahrscheinlich aus seiner Misslichen Lage retten; so beschloss ich, Herberts Frage zu bejahen. Strahlende blaue Augen sahen mich an, als ich dies ausgesprochen hatte. Sofort zog er an meinem Arm und mich somit mit sich aus dem Raum. „Was glaubst du, wird dein Großvater mit deinem Vater machen?“, fragte ich Herbert auf dem Flur, während ich neben ihm herlief. Er zuckte zusammen, als ich das Wort „Großvater“ aussprach. „Ich weiß es nicht. Aber so wie ich ihn kenne, nichts Nettes. – Ach, und bitte nenne ihn in meiner Gegenwart NIE wieder ‚Großvater’!“ – Volltreffer! Er mochte seinen... seinen... seines Vaters Vater wirklich nicht. Eigentlich hätte ich ihn jetzt gern gefragt, warum die beiden sich offensichtlich nicht ausstehen konnten und ob es einen konkreten Grund dafür gab, denn es interessierte mich wirklich. Mir gegenüber schien Richard nämlich recht umgänglich. In Anbetracht Herberts Reaktion auf die soeben gestellte – vergleichsweise belanglose – Frage verkniff ich mir jedoch jede weitere Erwähnung seines… wie auch immer. Gerade als wir das Kaminzimmer erreicht hatten und uns auf die Sitzgruppe vor dem Kamin zu bewegten, schlug Herberts miese Stimmung plötzlich um und er grinste bis über beide Ohren. Versteh einer diesen Mann… Nun ja, egal was diesmal seine Stimmungsschwankungen verursachte, ICH würde mich jetzt ein bisschen vor dem Kaminfeuer aufwärmen. Auch wenn Vampire so etwas wie Körperwärme nicht wirklich brauchten, es war entschieden zu kalt und zugig in diesem Schloss. Wenn ich es mir recht überlegte, hatte ich seit meiner Ankunft hier so gut wie immer gefroren. Außer als… Herbert sich neben mich gesetzt und mir seinen Arm um die Schultern legte hatte… …Herbert hatte WAS?! Augenblicklich löste ich mich aus seiner Umarmung, stand entschlossen vom Sofa auf und ging zum Feuer. War es denn zu fassen? Kaum gab man einen Moment lang keine Acht darauf, wo er gerade seine Hände hatte, befand man sich auch schon in seinen Fängen. Nicht, dass ich seinen Kontakt scheute, aber Herbert war einfach ZU kontaktfreudig für meinen Geschmack. Ich hatte bereits drei Holzscheite nachgelegt, die das Feuer an dem ich nun stand auflodern ließen. So langsam wurde es Zeit, sich wieder zu setzen. Vielleicht hatte ich mir doch etwas zu viel Zeit gelassen. Wenn mich nicht alles täuschte, war es genau dieser Blick, den Herbert seinem Gegenüber zuwarf, kurz bevor er eingeschnappt und erhobenen Hauptes aus dem Raum stürmte. Im Prinzip wäre das nicht weiter schlimm gewesen, nur die Tatsache, dass diesmal nicht Sarah oder der Graf, sonder ich der Anlass dafür waren löste in mir Unbehagen aus. Also beeilte ich mich, die Situation zu entspannen. „Findest du nicht auch, dass es jetzt viel gemütlicher ist?“, fragte ich unschuldig lächelnd. Als Herbert ebenfalls lächelnd nickte war ich sehr erleichtert. Wer konnte schon wissen, was er alles anstellte, wenn er mal wieder eingeschnappt war. Im Fall der Fälle wollte ich durchaus nicht das Zielobjekt seiner schlechten Laune sein. Gezwungener Maßen setzte ich mich ‚freiwillig’ neben ihn zurück auf das Sofa… und ließ seinen Arm gewähren. Was tat man nicht alles für ein harmonisches Betriebsklima… „Alfred?“ Na super, noch eins dieser gezwungen netten Gespräche deren einziger Zweck es war, die Zeit tot zu schlagen. „Ja?“ „Mal ehrlich, magst du Richard wirklich?!“, fragte Herbert betont gleichgültig. Das musste ja kommen, diese Frage war sogar schon lange überfällig. „Ich weiß nicht – als Wissenschaftler scheint er ein guter Gesprächspartner zu sein…- “ „- Und weil ich von Wissenschaft keine Ahnung habe, mag er mich nicht.“, beendete Herbert den Satz. Ja klasse, erst stellte er eine Frage und dann unterbrach er mich auch noch. „Er hat mich noch nie gemocht… noch nicht mal als ich noch jünger war.“ Wenigstens brauchte ich mich jetzt nicht mehr raus reden. „Bist du dir da sicher?“, fragte ich vorsichtig, da bereits wieder dieses kaum merkliche Zittern in seiner Stimme lag. „Ja… Er hasst mich!“, antwortete Herbert energisch, wobei er einen leicht schluchzenden Unterton nicht verbergen konnte. „Das glaube ich nicht. Er ist dein Großvater, warum sollte er dich hassen?!“, gab ich prompt zurück. Doch das war ein Fehler, ein fataler Fehler – zu allem Überfluss hatte ich die Formulierung ‚Großvater’ verwendet. „Verstehe schon, ihr ‚Wissenschaftler’ haltet zusammen… Warum gehst du nicht wieder zur den anderen? Ihr habt doch sicher viele wichtige Dinge zu besprechen, die für jemanden wie MICH viel zu hoch sind?!“, fuhr er mich an. Dass er den Tränen nahe war, konnte er nicht mehr leugnen. WARUM IMMER ICH?! Ich atmete einmal tief durch und tat das einzige, was in so einer Situation nicht zum Supergau führen würde – ich nahm Herbert in den Arm. „Herbert, ich bin nicht bei den anderen, weil ich viel lieber hier bin. Und Richard hasst dich ganz sicher nicht. Er weiß nur nicht, wie er damit umgehen soll, dass du… na du weißt schon. Er ist einfach unsicher, was er mit Abweisung dir gegenüber ausdrückt.“ Kaum zu glauben, dass diese Worte eben von mir kamen… **************************************** Nicht, dass ich – ein gestandener Mann von Rang und Würde – anfangen würde zu jammern, aber dieses ohrenbetäubende Gefiedel meines Vaters war einfach nicht auszuhalten. Irgendwie schaffte er es, ohne auch nur einen Moment das Instrument aus der Hand zu legen, mir immer wieder nachzuschenken, sobald ich den Inhalt meines Glases hinunter gewürgt hatte. Marie war mir da auch keine große Hilfe. Sie schien heute Nacht die ‚Zuckerbrot-und-Peitsche’ Methode zu bevorzugen… Während man noch das Gefühl vermittelt bekam, sie würde ihrem Gatten Einhalt gebieten, plante sie auch schon die nächste Hinterlistige Aktion… Wie zufällig sie doch diese Flasche bei sich hatte… Nur Sarah schien ehrlich Mitleid mit mir zu haben. Oder jedenfalls spielte sie das überzeugender als meine Mutter. Es kam eigentlich auch nur darauf an, dass sie mir beistand – nicht, dass ich diesen Beistand benötigt hätte. Aber es war schon eine Erleichterung, als sie meinen Vater in seinem Violinenspiel, sofern man DAS überhaupt Spielen nennen konnte, unterbrach, indem sie erneut auf die naturwissenschaftliche Exkursion zu sprechen kam. Zugegeben, das war wirklich äußerst unhöflich, Richard einfach so zu unterbrechen – doch er sprang sofort darauf an und war kurz darauf in eine Diskussion verwickelt. Ja, meine Sarah wusste eben, wie sie es anstellen musste, wenn sie einen Mann aus dem Konzept bringen wollte. Es war einfach eine Wohltat, diesen Lärm nicht länger ertragen zu müssen…obwohl die Gesprächslautstärke der drei auch nicht ohne war und sie wurde leider immer lauter, sodass ich bald keinen klaren Gedanken mehr fassen konnte. Wie war es möglich, dass drei Vampire einen derartigen Geräuschpegel hatten?! Man könnte fast meinen, Herbert wäre anwesen. Moment mal – wo war Herbert überhaupt? Und Alfred war auch nicht da. Wüsste ich nicht, dass Alfred lieber die gesammelten Werke Aristoteles’ übersetzen, als die Nacht mit meinem Sohn verbringen würde, wären mir glatt unsittliche Einfälle gekommen… „Und, Breda? Was hältst du davon?“, riss mich Richard aus meinen Gedanken und hielt mir eine riesige Landkarte unter die Nase. Irritiert sah ich zuerst ihn an, dann in die Runde. Wovon war gerade die Rede gewesen? „Bist du einverstanden mit dieser Route, oder hast du einen besseren Vorschlag zu machen?!“, definierte er seine Frage genauer – und diesmal, zu meinem Leidwesen, erheblich lauter. Ich musste mich kurz sammeln, um überhaupt einen zusammenhängenden Satz zu Stande zu bringen. Dann antwortete ich, versucht überzeugend zu wirken, „Ich bin sicher, diese Route hat viele Vorteile, aber ich denke wir sollten auch Alfred zu Rate ziehen. Immerhin ist es vor allem für ihn von wissenschaftlichem Interesse.“. Für einen Augenblick herrschte Stille. Sollte ich es wirklich geschafft haben, ihn zu überraschen? „Nun gut, dann solltest du ihn vielleicht holen, wenn du es für angebracht hältst?!“, erwiderte er. Bedauerlicher Weise hatte ich nicht darüber nachgedacht, dass ich jetzt nicht mehr umhin kam, aufstehen zu müssen. „Also, worauf wartest du noch, Breda?! Wir haben schließlich nicht ewig Zeit.“, drängte Richard mich. Darauf hätte ich erwidern können, dass wir sehr wohl ewig Zeit hatten, doch ich hatte nicht vor, diese Zeit noch länger mit meinem werten Vater zu verbringen. So raffte ich mich auf und stand langsam, unter höchster Konzentration nicht zu schwanken, aus meinem Sessel auf. „Ich werde mich unverzüglich auf die Suche nach ihm begeben.“, sagte ich rasch, um davon abzulenken, dass ich etwas länger als gewöhnlich brauchte bis ich sicher aufgestanden war. Noch immer wusste ich nicht so recht, worüber die drei gesprochen hatten. Über diese Exkursion, klar, aber was genau, bereits besprochen worden war konnte ich beim besten Willen nicht sagen. **************************************** Allmählich verspürte ich das Bedürfnis, in das Geschehen hier einzugreifen. Es konnte doch nicht sein, dass Richard leichtes Spiel hatte! Außerdem sah es ganz so aus, als hätte Breda für heute genug. So beschloss ich, dem Ganzen etwas auf die Sprünge zu helfen. „Ich werde mitkommen! Zu zweit finden wir Alfred schneller.“, verkündete ich und hakte mich bei Breda unter. Gemeinsam machten wir uns auf den Weg… ja wohin überhaupt? „Breda, weißt du, wo Alfred und Herbert sind?“, fragte ich ihn etwas irritiert. „Was? …Nein, ich habe keine Ahnung wo sie sind…“, murmelte Breda bevor er kurz stehen blieb. „Sollen wir etwas an die frische Luft gehen? Da vorne ist ein Balkon.“, schlug ich vor. Daraufhin lächelte er mich nur dankbar an. Als wir kurz darauf auf dem Balkon in der kühlen Nachtluft standen, ging es Breda schon etwas besser. Eine seichte Brise ließ mich erschaudern, was meinen Liebsten dazu veranlasste seine starken Arme um mich zu legen, um mich zu wärmen. Noch nie war mir aufgefallen, was für eine wunderschöne Aussicht man von hier hatte. Wenn es nach mir gegangen wäre, hätten wir noch Stunden so stehen bleiben können. „Es ist schön hier, nicht?“, wandte ich mich an Breda, der ebenfalls verträumt in den Nachthimmel blickte. „Ja, eine wirklich milde Nacht. Vermutlich wird bald das Tauwetter einsetzen… -“ „- und dann kommt endlich der Frühling!“, vervollständigte ich seinen Satz. Noch ein paar Minuten verbrachten wir auf dem Balkon, bevor Breda daran erinnerte, dass wir ja Alfred suchen sollten. Dank meiner weiblichen Intuition fanden wir ihn auch sehr bald im Kaminzimmer, wo er mit Herbert auf einem Sofa saß. Ich konnte mir ein leises Kichern nicht verkneifen, als Alfred erleichtert aufstand und Herbert mich böse anfunkelte, sobald wir den Raum betraten. „Alfred, würdest du bitte mitkommen und uns bei der Planung der morgigen Exkursion helfen?“, richtete Breda das Wort an Alfred. „Ähm, ja. Natürlich, gern…“, antwortete er hastig und beeilte sich, aus Herberts Reichweite zu kommen. Herbert hingegen blieb auf dem Sofa sitzen und verschränkte beleidigt die Arme vor der Brust, „Ich werde dann hier warten.“. Schon machte sich wieder diese Unsicherheit bei Alfred bemerkbar. Er zögerte kurz, kam dann aber auf die geistreiche, Herbert darauf hinzuweisen, dass dieser noch gar kein passendes Outfit für die Wanderung hätte. Ganz klar, dass Herbert sich so etwas nicht zweimal sagen ließ. Schon war er an uns vorbei gerauscht und höchst wahrscheinlich auf dem Weg in sein Ankleidezimmer. Nach einigem Hin und Her hatten wir uns endlich auf eine Route geeinigt. Das war zwar mehr eine Kompromisslösung, als eine sinnvolle Wanderroute, aber da niemand von seinen Vorstellungen einer sehenswerten Landschaft abgehen wollte, war es die einzige Lösung. **************************************** Na das war ja wirklich eine tolle Nacht… Kaum war man den bösen Blicken Richards entkommen und hatte Alfred so weit, dass er etwas zutraulicher wurde, kam diese Sarah dazwischen. Und jetzt mussten wir auch noch so eine blöde Wanderung durch die Pampa machen… Warum sollte eigentlich nur Alfred bei der Planung helfen?! Als ob ich das nicht mindestens genauso gut könnte! Ich hing meinen Gedanken nach, während ich in den vielen Schränken meines Ankleidezimmers meine unzähligen Kleidungsstücke durchwühlte, auf der Suche nach einem passenden Wanderoutfit. Das konnte doch nicht so schwierig sein, etwas Passendes zu finden? Nichts erschien mir geeignet, um damit durch die Wildnis Transsilvaniens zu latschen. Seidene Rüschenhemden und Gehröcke waren definitiv nicht dazu bestimmt, bei derartigen Veranstaltungen zerschlissen zu werden. Andererseits besaß ich kaum etwas anderes. Wenigstens durch mein Aussehen sollte die Tristesse der kargen, winterlichen Landschaft aufgeheitert werden. Es mussten Stunden vergangen sein, bis endlich eine einfache schwarze Samthose aufgetaucht war, zu der ich auch noch ein passendes bordeauxfarbenes Hemd gefunden hatte. Wenn man das Ganze noch mit dem einen oder anderen Accessoire kombinierte – mir fiel da spontan ein weißer Seidenschal ein – wäre das Outfit ganz passabel. Fehlten nur noch die Schuhe… Schwarz oder Braun? Lack oder Leder? Oder doch etwas Farbiges und mit Schleife?! Diese Entscheidung konnte ich unmöglich ohne ausführliche Beratung treffen. Allein schon aus dem Grund, dass es schon recht spät war und ich ja morgen ausgeschlafen sein musste. Also beschloss ich, Alfred zu Rat zu ziehen. Nun ja, ob Alfred der richtige Ansprechpartner für Modefragen war? Doch jemand anderes fiel mir nicht ein, den ich hätte fragen können… außer…nein! Langsam öffnete ich die große Tür und trat zu den anderen in den Raum, die ihr angeregtes Gespräch unterbrachen und mich verwundert ansahen. „Herbert. Was machst du denn hier?“, brach mein Vater das kurze Schweigen. „Genau, solltest du dich nicht mit deinen Kleidern beschäftigen oder Gedichte lesen?!“, raunte Richard leiser, aber für mich dennoch gut hörbar. „Entschuldigt die Störung…“, begann ich, „Ich wollte nur kurz Alfred etwas fragen.“. „Ja?“, fragte Alfred leicht genervt. Scheinbar waren ihm diese ewigen Diskussionen mit Richard und Vater genauso unangenehm wie mir. Zum Glück hatte ich einen guten Grund, ihn hier raus zu holen. „Könntest du bitte mal mitkommen und mich beraten? Ich wäre dir sehr dankbar…“, bat ich mit einem Lächeln auf den Lippen. Noch bevor Alfred irgendetwas antworten konnte, meldete mein Vater sich wieder zu Wort, „Geh nur, Alfred. Wir haben ja alles Wichtige für Morgen besprochen und sollten jetzt schlafen gehen. Es ist immerhin schon spät.“. War ja klar, dass alles WICHTIGE ohne mich besprochen worden war… „Also, Alfred. Diese braunen Lederstiefel hier, oder diese schwarzen Lackschuhe?“, bat ich zu wissen, während ich ihm beide Paare nacheinander vorführte. „Kommt ganz drauf an, was du dazu tragen willst.“, entgegnete Alfred. Leicht überrascht von dieser Frage zeigte ich ihm das Outfit, welches ich zuvor auf einem Sessel ausgebreitet hatte. „Wenn ich ehrlich bin, passen die brauen Stiefel nicht so gut zur schwarzen Hose.“, meinte Alfred darauf hin. Offenbar hatte ich sein Modebewusstsein unterschätzt. Wenn das so weiterginge, würde es keine Stunde mehr dauern, bis ich wüsste, welche Schuhe ich morgen tragen würde. „In Ordnung“, lächelte ich. „Findest du diese Lackschuhe mit Schleife besser, oder doch lieber diese halbhohen Stiefel?“ Diesmal überlegte er länger. Aber die Entscheidung war auch wirklich schwierig. „Du kannst ehrlich sein.“, zwinkerte ich ihm zu. „Meiner Meinung nach sind Lackschuhe doch etwas … ungeeignet, um damit wandern zu gehen…“, brachte Alfred zögerlich hervor. Das ließ die Auswahl dann doch schon etwas kleiner werden. Es waren nur noch zwei schwarze Paar Stiefel übrig. Eines aus Wildleder mit einem langen Schaft, Blockabsatz und einer Schnalle; das zweite Paar war aus glänzendem Leder und hatte einen kürzeren Schaft sowie einen etwas höheren Absatz. Bei Letzteren handelte es sich um meine Lieblingsstiefel. Auch diese beiden Paare führte ich Alfred nacheinander vor. Er schwieg eine ganze Weile bevor er antwortete, „Also wenn du solche Stiefel passend findest zum Wandern, dann trag sie von mir aus.“. Super, so weit war ich auch schon, „Und welches der beiden Paar?“. „Ist egal. Die sehen beide… gut aus…“, druckste Alfred nun herum. Letztendlich war man doch wieder auf sich gestellt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)