Verliebt in Transsilvanien von abgemeldet (eine Fortsetzung von Tanz der Vampire) ================================================================================ Kapitel 15: Kein Lächeln war je so kalt --------------------------------------- XV. Kein Lächeln war je so kalt Sarahs mitleidiger Blick war seit einiger Zeit auf mich gerichtet. Wie spät es wohl war? Die Vorhänge der Kutsche waren wie üblich zugezogen. Würde schon bald der Morgen dämmern? Ich stöhnte kurz auf, als die Kutsche über eine Unwegsamkeit holperte. „Alles in Ordnung?“, fragte Sarah, die mir gegenüber saß. „Na ja…“, antwortete ich etwas gepresst. Daraufhin bemerkte sie nur beiläufig, „Die haben dir ja ganz schön zugesetzt.“. Dann stand sie abrupt von ihrer Bank auf, holte ein weißes Spitzentaschentuch aus ihrem Mantel und setzte sich neben mich. Ich sah sie fragend an, „Was hast du vor?“. „Willst du so zu Hause erscheinen?“ Ohne eine Antwort abzuwarten begann sie, mir mit dem Tuch das Gesicht zu säubern. Erst wenig später, als ich das ehemals weiße Spitzentuch ansah, wurde mir bewusst wie heruntergekommen ich aussehen musste. Sie hatte Recht, so konnte ich meinem Vater wirklich nicht entgegentreten. Allein die Tatsache in eine so unstandesgemäße Auseinandersetzung verwickelt gewesen zu sein war unerhört. Aber dann auch noch als Verlierer hervorzugehen… Eine Schande. „Jetzt guck nicht so! Meinst du Breda hat sich früher nie geprügelt?“, wollte Sarah mich aufmuntern und verpasste mir einen leichten Stoß in die Seite. Nur mühsam unterdrückte ich ein weiteres Stöhnen und verzog schmerzlich das Gesicht. „Entschuldige.“ ***************************************** Wie aufs Stichwort öffnete sich das Schlosstor, als ich die Treppe von der Galerie in die Eingangshalle hinunter schritt, und Sarah trat ein; dicht gefolgt von Herbert. Noch unschlüssig, ob ich wütend sein, oder mich doch eher freuen sollte, mein Sternkind endlich wiederzuhaben, ging ich weiter auf die beiden zu. „Da sind wir wieder, Schatz!“, strahlte Sarah und gab mir einen Kuss, „Sind wir etwa zu spät?“. „Nun… nein, eigentlich nicht.“, knurrte ich, da es der Wahrheit entsprach. „Na siehst du.“, lächelte sie kokett und fügte mit einem Zwinkern hinzu, „Gegessen hab ich zwar schon, aber ein Dessert wäre jetzt nicht schlecht.“. Unersättlich, diese Frau! „Ja, Schatz, gerne… Vorher möchte ich jedoch noch ein Wörtchen mit deinem Begleiter reden.“. Angesprochener stand weiterhin regungslos hinter Sarah und befand es nicht mal für notwendig, mich anzusehen. „Herbert! Hättest du wohl die Güte, mir zu erklären, was du dir dabei gedacht hast?!“, donnerte ich ohne Vorwarnung. Dieser zuckte zusammen und stelle allen Ernstes seine obligatorische Frage, „Wobei gedacht?“. Ich war ohnehin kurz davor zu explodieren. „Du…! Wenn du mit MEINER Geliebten hinter meinem Rücken etwas anfängst – ist das nachvollziehbar… Die Natur eines Mannes. Wenn dir DEIN Liebhaber langweilig geworden ist und du dich nach Abwechslung sehnst – verständlich.“ „Paps, ich weißt wirklich nicht, wovon du redest!“, wurde ich unterbrochen. „Fall mir nicht ständig ins Wort! Ich denke du bist alt genug, um zu wissen was du tust und mit den Folgen zu leben.“ Allmählich wurde ich ungehalten. „Aber… Welche Folgen? …Das sieht schlimmer aus als es ist, mir geht’s gut…“, stammelte er. „SEI STILL! Sei verdammt noch mal still!“, brüllte ich, „Außerdem hast du ohne meine Erlaubnis die Kutsche genommen, obwohl du ganz genau weißt, dass sie nur für wichtige Geschäftsreisen da ist! Findest du es nicht auch geradezu lächerlich, durch so etwas zu Ruhm und Anerkennung unter den Menschen kommen zu wollen?!“. „Aber Paps!“, wehrte er sich. „Jetzt ist endgültig Schluss mit deinem ewigen ‚aber Paps’! Erklär mir lieber, warum du es nicht mal für angebracht hältst dich ordentlich zu kleiden!“ **************************************** Oh, Breda mal richtig temperamentvoll heute… So hatte ich ihn doch am liebsten. Das versprach ein angemessenes Finale zu werden. Der krönende Abschluss. Noch eine Weile ein bisschen Rumgeschreie auf beiden Seiten, bis die eine Seite verzweifelt nachgab… Stille. Wie? Das war’s schon? Dass Herbert aber auch so schnell die Argumente ausgingen, also nein. „Breda, sei doch froh, dass deinem Sohn nichts Schlimmeres passiert ist.“, warf ich ein, um die Auseinandersetzung in Gange zu halten. „Nichts Schlimmeres?! Ihm?“, entgegnete Breda empört, „Sarah, was wäre, wenn DIR etwas zugestoßen wäre? Er hat mit seinem unmöglichen Verhalten euch beide in Gefahr gebracht. Was glaubst du hätte er getan, wenn diese Narren DICH angegriffen hätten – Wo er doch nicht mal sich selbst verteidigen kann!“. Dieser Blick hätte Herbert vermutlich umgebracht, wäre er nicht schon lange tot. So in Rage hatte ich Breda ja wahrhaftig noch nie erlebt. Sehr unterhaltsam. Auf jeden Fall war ich mir nun sicher, er liebte mich wirklich. „Da dein heutiges Verhalten nicht nur unentschuldbar ist, sondern dem Ganzen lediglich die Krone aufsetzt, werde ich mir diese sinnlose Konfrontation nicht länger antun! Du weißt, was du getan hast und jetzt musst du mit den Konsequenzen zurechtkommen – tritt mir NIE WIEDER unter die Augen!“ Erschreckend, mit welcher Entschlossenheit mein Liebster da soeben seinen Sohn vor die Tür setzte… Wegen mir! Ich war glücklich – nein, mehr als das. Ich empfand eine zutiefst befriedigende Genugtuung. Endlich! Endlich hatte ich etwas erreicht im Leben. Endlich war ich jemand. Und ENDLICH musste ich den Mann an meiner Seite mit absolut niemandem mehr teilen! Jetzt hatte ich allein die Macht über ihn – und somit über alles hier. ***************************************** Niemals zuvor waren meine Gefühle für jemanden so ambivalent wie in diesem Augenblick. Ich hasste ihn – weil ich ihn liebte! Ich konnte nicht sagen, wie lange ich bereits auf der Galerie stand und dieses Szenario mit ansah. Der Graf war viel aufgebrachter, als ich erwartete. Er ließ Herbert nicht mal den Hauch einer Chance, sich zu rechtfertigen. Und dieser stand einfach nur fassungslos da. Was sollte er auch sagen? Alles sprach eindeutig gegen ihn. Vermutlich hatte er nicht damit gerechnet, wie schnell sein kleines Abenteuer die Runde machte. Ich hätte einfach mehr von ihm erwartet als das… zumindest Ehrlichkeit mir gegenüber. Ein weiters Mal wurde ich in der Ansicht bestätigt, nur mir selbst vertrauen zu können. Abschließend verschwand Sarah zusammen mit ihrem Grafen in einem der weniger beleuchteten Gänge und so blieb Herbert allein in der großen Halle zurück. Noch hatte er mich anscheinend nicht bemerkt, also ging ich nun ebenfalls die breite Treppe hinunter. Innerlich hin und her gerissen stand ich ihm gegenüber. Er hielt den Blick gesenkt, sah mich nicht an. Das machte es mir nicht gerade leichter, denn er sah wirklich furchtbar aus. Eine kleine Platzwunde über der rechten Augenbraue, eine geschwollene Lippe, eine blutige Nase und eine blau-violett schimmernde Prellung entlang des Wangenknochens zierten sein sonst so makelloses Gesicht. Dieses Mal schien Herbert sich ja einiges geleistet zu haben. Die Emotionen verhinderten, auch nur einen einzigen klaren Gedanken zu fassen. Sollte ich ihn anschreien oder in den Arm nehmen? Ich wusste es nicht, ich wusste es beim besten Willen nicht! Insgeheim wünschte ich, Herbert würde wenigstens irgendetwas sagen, mich zumindest ansehen! Ich hielt das erdrückende Schweigen nicht länger aus, „Nur eins will ich noch wissen: Ist es wahr, was dein Vater mir erzählt hat? Warst du in dieser bestimmten Nacht mit Sarah in dem Schlafzimmer, nachdem du mich noch ins Bett gebracht hast?“. Mir stockte der Atem. Das war tatsächlich alles, was ich jetzt wissen wollte – und alles, was ich noch wissen musste, um Klarheit zu haben über meine Gefühle. Angespannt wartete ich auf Herberts Antwort. „Alfred, es ist nicht so…-“, begann er. „Ja oder nein?“, fragte ich gleichgültig. Ein langes, schier endloses Schweigen trat ein. „…Ja.“, war die einsilbige und erlösende Antwort. **************************************** „Danke, dass du es mir gesagt hat.“, sprach Alfred stumpf. Sein Blick war so leer. Alles in mir krampfte sich zusammen. Na los, Alfred, schrei mich an! Stille. Schweigen. Nichts. Kein Wort, keine Bewegung. Nur ein einziger tiefer Blick… dann ein Lächeln. Und er ging! Er ging ohne sich noch mal umzudrehen, ohne einen Abschied. Er ging einfach so – und ich wusste, es war endgültig. Was waren schon ein paar gebrochene Rippen gegen den Schmerz, den ich in diesem Moment fühlte? Noch Minuten später stand ich einsam in der riesigen, finsteren Halle am Fuße der großen Treppe. Ich fühlte nichts. Ich glaubte nichts mehr fühlen zu können außer diesem quälenden Schmerz tief in meinem Herzen. Da versuchte ich zum ersten Mal, das zu tun, was andere von mir erwarteten. Alfred zuliebe hatte ich mich um ein besseres Verhältnis zu Sarah bemüht. Mein Vater hatte von mir erwartet, Sarah als vollwertiges und gleichgestelltes Familienmitglied anzusehen. Und Sarah wollte einfach nur Spaß am untoten Leben haben, es in vollen Zügen genießen. Ich hatte es allen Recht machen wollen und bin letztendlich an meiner altbewährten Selbstüberschätzung gescheitert. Vom eigenen Vater verstoßen, vom Geliebten verachtet… Sollte es das nun gewesen sein?! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)