Streuner von -Elenya- (von Mia für Nic und John mit vielen freundlichen Grüßen) ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Streuner Für Nicolas, meinen kleinen Bruder und Kurai Kapitel 1 Schon wieder eine Vier in Mathe! Jetzt hätte ich eigentlich zur Nachhilfe gemusst. Ich hatte schon drei Vieren, eine Fünf und eine Zwei in Mathe. Wenn das so weiterging, würde ich auf dem Zeugnis 3,8 stehen. Eigentlich war ich sonst gar nicht so schlecht in der Schule, aber seitdem ich öfter rausging und mich mit Freunden traf, verschlechterte ich mich. Nun gut, mein Durchschnitt stand bei 1,8, aber diese Vier in Mathe regte mich auf. Ich heiße Mia, bin vierzehn und gehe in die achte Klasse. Ich hänge meist mit Jungs rum, mit Mädchen aber auch. Ich wohne in einem vierstöckigem Wohnhaus und habe zwei kleine Schwestern und einen großen Bruder. Der ist sechzehn und heißt John. Meine Schwestern heißen Lea und Meliane und sind acht und elf. Mein Vater kommt aus England und Mum hat ihn dort kennengelernt. Sie lebten einige Jahre auch dort, deswegen gaben sie meinem Bruder auch einen Englischen Namen. Unsere Wohnung hat vier Zimmer. Ich teile mir eins mit Lea und Meliane, was mir manchmal wirklich auf die Nerven geht. John hat sein eigenes Zimmer. Wir haben keinen Balkon und keinen Garten, aber wir wohnen am Stadtrand und da gibt es eine alte Ruine, wo Lea oft mit ihren Freundinnen spielt. Nun, ich hatte diese Vier in Mathe und wartete auf das Klingeln unserer lauten Schulklingel. Elizabeth, meine beste Freundin, packte neben mir schon ihre Sachen ein. Noch fünf Minuten redete unsere Mathe Lehrerin über die Arbeit, dann kam das Erlösende Klingeln. Ich warf meine Sachen in die Mappe und stürmte aus dem Raum. Elizabeth kam mir nach. „Nicht so schnell, warte mal `ne Sekunde!“, rief sie und ich hielt an. „Komm schon, die eine Vier...Die kannst du wieder ausbessern. Außerdem kann John dir doch helfen.“ Das hatte mir gerade noch gefehlt. John, der ein Mathe-Ass war, zog mich ständig damit auf, das ich nur Vieren in Mathe schrieb. „Lass mich bloß damit in Ruhe Liz.“, sagte ich zu ihr. Ich nannte sie immer Liz, obwohl ich nit einmal wusste, ob das ein Spitzname von Elizabeth war. Sie hielt ihren Mund und folgte mir zu den Fahrrädern. Mein Nachhauseweg führte über einen Fluss und durch ein kleines Wäldchen. Das war lustig, denn die Stadt war in der Mitte von einem Wald unterbrochen. Da wir eine sehr umweltfreundliche Regierung in der Stadt hatten, wurde der Wald da gelassen und Wanderwege und Spielplätze wurden gebaut. Ich benuzte jedoch nicht die Fahrradwege, sondern meine eigenen. Der Wald war so groß, dass ich jede Woche einen neuen Weg fand. Heute bahnte ich mir wieder einen, durchs Unterholz. Einmal musste ich abbsteigen und schieben und da musste ich irgendwie die Orientierung verloren haben. Ich sah plötzlich nur noch Bäume und sagte mir ich sollte ruhig sein. Ich versuchte mich zurecht zu finden und ging einfach den Weg zurück, von dem ich glaubte, dass es der war den ich gekommen war. Es wurde schon dunkel, denn ich hatte heute bis um fünf Unterricht gehabt und irrte wahrscheinlich schon eine Stunde im Wald herum. Hier musste doch irgendwann einmal ein Wanderweg kommen. Mein Handy hatte ich zuhause liegen gelassen. So ein Mist! Immer wenn man es brauchte hatte man es nicht dabei. Da ich sehr abergläubisch war, hätte ich es mir eigentlich denken können. Es war nämlich genauso, wie mit dem Regenschirm: Wenn man den Regenschirm mitnahm regnete es nicht, wenn man ihn aber zu Hause ließ, regnete es. Ich ging eine leichte Kurve und folgte einer Art Trampelpfad. Hoffentlich führte er aus dem Wald! Ich bekam fast einen Herzinfarkt, als ich jemanden sprechen hörte. Ich folgte jedoch der Stimme. Sie führte mich zu einer kleinen Lichtung. Ein Feuer brannte am Boden und ich sah zwei Gestalten darum sitzen. Es waren keine Erwachsenen, das sah man an der Größe und hörte man am Klang ihrer Stimmen. Ich riss mich zusammen und trat mit meinem Fahrrad zu ihnen. Sie sprangen sofort auf. Es waren ein Junge und ein Mädchen mit dunklen Haaren, die in der Dunkelheit schwarz wirkten. „Ich dachte im Wald darf man kein Feuer machen.“, sagte ich und der Junge erwiderte: „Ja, das dachte ich auch.“ „Was macht ihr hier?“, fragte ich, ohne auf diese sinnlose Erwiederung zu achten. „Das könnten wir dich auch fragen.“, sagte der Junge. „Wie heißt ihr?“, fragte ich weiter. „Warum sollten wir dir das sagen?“ „Hör auf meinen Fragen auszuweichen!“, sagte ich wütend. „Ich habe mich hier verlaufen und dachte ihr könntet mir helfen… Ich heiße Mia.“ Das Mädchen reichte mir ihre Hand. „Ich bin Elanor. Freut mich dich kennenzulernen. Sei meinem Bruder bitte nicht böse.“ Er kam zu mir. „Ich heiße Nicolas, aber nenn mich bitte Nic.“ Ich nickte und fragte: „Was macht ihr hier?“ „Du darfst es niemandem verraten, aber wir leben hier.“, sagte Elanor. „Im Wald? So was geht doch gar nicht!“ „Unsere Mutter ist schon länger tot. Unser Vater hat uns verlassen. Wir haben keine Verwandten. In ein Waisenheim wollen wir nicht. Aber erzähle es nicht der Polizei, kapiert?“ Ich nickte. So etwas konnte ich mir gar nicht vorstellen. Wahrscheinlich lügten sie mich nur an, aber ich hielt den Mund. Nic hob mein Fahrrad auf und schob es neben mir. „Bis gleich Elanor, ich bring sie nach Hause.“ Elanor nickte und kletterte einen Baum hoch. Nic kämpfte sich durch das Geäst und half mir über Pfützen und andere Hindernisse. „Ähm...Nic? Ist Elanor ein in Deutschland zugelassener Name?“, fragte ich und Nic sagte: „Vielleicht. Ich weiß es nicht, aber sie heißt so. Äh...Wie alt bist du?“ „Vierzehn.“ „Ich auch...aber ich werd bald fünfzehn.“ Das hatte ich gar nicht gedacht, aber dieser Nic gefiel mir. „Ich wohne am Stadtrand...kommst du noch mit? Bitte!“, flehte ich und Nic schaute mich lange an. „Warum nicht?“ Er lächelte und ich hoffte er sah im Schein der Laternen nicht, dass ich rot wurde. Ich führte ihn an den Einfamilienhäusern vorbei bis zu unserem Haus. „Hübsch.“, sagte er und stellte mein Fahrrad an der weinroten Hauswand ab. Ich schloss es an und ging dann zur Tür. Meine Eltern waren heute nicht da. Sie wollten mit meinen Geschwistern zu einem Theaterstück gehen. Ich hatte also sturmfreie Bude. Wir stiegen die Treppen hinauf und ich schloss die Wohnungstür auf und stürmte rein. Mein Zimmer war gleich um die Ecke. Ich bat ihm an sich zu setzten und fragte: „Geht ihr zur Schule?“ Er schüttelte den Kopf. „Seit wann nicht mehr?!“, fragte ich weiter. „Seit ein und nem halben Jahr. Die von der Schule haben das bei den Zeugnissen gemerkt und sind uns auf die Schliche gekommen. Wir besorgen uns zu Essen, bei ein paar Kumpels. Aber wir haben auch schon Dinge im Wald gefunden, die uns schmecken.“ Ich verzog das Gesicht. Was das war, wollte ich gar nicht erst wissen. „Und wo bekommt ihr zu Trinken her?“ „Da wir hier in einer höheren Region sind, gibt es einige Quellen im Wald. Wir müssen uns zwar sehr oft neue Verstecke suchen, aber wir finden uns zurecht.“ Ich wollte gerade weiter reden, da hörte ich Schritte auf dem Flur und Schlüsselgeräusche. „Da rein!“, sagte ich zu Nic und öffnete meine Schranktür. Die Tür ging auf und ich hörte wankende Schritte. John! Ich ging raus und sah meinen mittelgroßen Bruder, mit seinen feinsten Klamotten und einer Bierflasche im Flur stehen. Er schien mich nicht zu beachten und trank noch einen Schluck aus der halbleeren Flasche. „John, du bist doch nicht schon wieder betrunken?“, fragte ich aufgebracht. Er drehte sich zu mir um und sagte: „Nein, Fräulein Oberschlau. Ich habe heute Abend nur ein Bier getrunken und dass ist das, welches ich gerade in der Hand halte…Ich habe gehört, wie du mit jemandem gesprochen hast…Oder führst du Selbstgespräche?“ „Das war das Radio“, erwiderte ich und schob ihn dann hinter in sein Zimmer. „Dein Kumpel hat angerufen…ähm…Sebastian. Du sollst ihn bitte zurück rufen, aber ich glaube er will nur mit dir reden.“ Sebastian war der beste Freund von John. John schaute mich misstrauisch an, verschwand dann jedoch in seinem Zimmer. Ich rannte in meins, nahm meinen Papierkorb und holte Nic aus dem Schrank. „Ich bring schnell Müll runter!“, rief ich und lief mit Nic hinaus. Nachdem ich den Papierkorb entleert hatte, sagte ich: „Danke für´s zurück bringen. Ich verrate euch ganz bestimmt nicht. Keine Sorge…ähm…Gute Nacht!“ Er nickte mir zu und drehte sich um. Dann verschwand er um die Ecke und ich lief schnell wieder rein, denn langsam wurde mir kalt. In meinem Zimmer suchte John wie es schien gerade nach etwas verdächtigem. „Was machst du denn hier?“ „´Ne Flohparty.“ Ich schaute ihn ernst an. „Ich habe Schritte gehört, die nicht nur von zwei Füßen stammen konnten.“, sagte er und ich erwiderte: „Das waren die Flöhe.“ Er lächelte mich böse an und verschwand wieder. John war echt ein komischer Typ. Aber ich fand ihn lustig – schon immer. Kapitel 2: ----------- Kapitel 2 „Aufstehen!“, rief meine Mutter in unser Zimmer. Lea sprang sofort auf und lief zu ihrem Klamottenhaufen. Sie war ein sehr verschrecktes Mädchen und ließ sich leicht unterdrücken. Von wem sie das hatte wussten wir nicht, aber sie war das volle Gegenteil von uns. Meliane blieb liegen und streckte sich. Dann kletterte sie von ihrem Hochbett und machte das Radio an. Als sie den Schrank öffnete, um ihre Sachen rauszuholen schrie sie auf. „Iiie!“, sagte sie und ich stand sofort auf. „Was ist?“ „Der ganze Schrankboden ist voller Dreck, als hätte da jemand drin gestanden...“, sagte Meliane, die den Putzfimmel von meiner Mutter geerbt hatte. „Ich war´s nicht!!“, jammerte Lea und fing an zu schluchzen. „Ach hör schon auf!“, sagte John, der seinen Kopf ins Zimmer steckte. „Das waren Mias neue Freunde, die Flöhe.“ Ich schmunzelte, wandte mich jedoch ab und zog mich an. Dann gingen wir alle in die Küche. Wir mussten uns morgens immer etwas drängeln, aber eingetlich passten wir alle in die Küche. Ich sagte zu meiner Mutter: „Mum, ich hab ´ne Vier in Mathe...Aber ich verbesser es wieder! Beim nächsten Kurztest. Und ich rede mit ihr und sag ihr, das ich wieder rankommen möchte.“ Meine Mutter nickte. Sie war auch nie gut in Mathe gewesen. Zu meinem Übel, hatte John alles mitgehört. Er hielt sich zurück, doch auf dem Schulweg gings los. „Ha, Fräulein Oberschlau hat wieder ´ne Vier in Mathe! Sag mal, wie blöd muss man eigentlich sein?“ Ich ließ es über mich ergehen und hörte ihm nicht richtig zu. Mein Blick schweifte durch den Wald. Ob ich Nic und Elanor einmal wiedertreffen würde? Sie hatten mir gleich erzählt, warum sie im Wald waren, obwohl ich das der Polizei hätte sagen können. Ich träumte vor mich hin und schaute auf mein Rad. „Hörst du mir eigentlich zu?“, fragte John. „Nein.“, erwiderte ich schlicht und fuhr weiter. An der Schule angekommen ging John gleich zu Sebastian, der mir zuzwinkerte. „Danke!“, formte ich mit meinen Lippen und hob den Daumen. Elizabeth kam mir entgegen und umarmte mich. „Na du? Hast du schon mit deinen Eltern gesprochen ?“, fragte sie. Ich nickte und ging mit ihr in unser Schulhaus, ein altes Backsteingebäude an dessen Wänden Efeu rankte. Unsere erste Stunde war Deutsch und ich passte eigentlich nicht wirklich auf. Verträumt schaute ich aus dem Fenster in unseren Schulgarten. „...Mia?“, fragte die Lehrerin. Ich hatte die Frage nicht verstanden und schreckte hoch. „Mia, deine schulischen Leistungen haben sich wesentlich verschlechtert! Du musste mehr am Unterricht mitarbeiten!“ Ich nickte und riss mich zusammen. Sie hatte ja Recht, aber Elanor und Nic gingen mir nicht aus dem Kopf. Die nächste Stunde fand im Schulgarten statt. Nicht viele Schulen unterrichteten das Fach „Pflanzenkunde“ noch in der achten Klasse, aber bei uns wurde es mit Biologie verbunden. Elizabeth und ich arbeiteten am gleichen Beet. Ich erschrak, als ich hörte wie eine Stimme neben mir sagte: „Hallo Mia, lange nicht gesehen.“ Ich drehte mich um. „Nic...olas? Was machst du denn hier?“, fragte ich laut und verwundert. Nics dunkle Augen leuchteten und er grinste. „Das selbe wie du.“ Er hatte eine einfache dreiviertel Jeans an, die aber einige Löcher aufwies und trug ein schwarzes T-shirt. Die Sonne schien auf seine gebräunten, starken Arme. Schnell wandte ich meinen Kopf ab und pflanzte meine Tulpe fein säuberlich. „Du musst mir helfen. Ich möchte das du der Lehrerin sagst ich wäre dein Cousin aus England. Dann kann ich auch am Unterricht teilnehmen.“ Ich schaute mich nach Liz um, aber sie war gegangen und arbeitete an einem anderen Beet mit Peter. Anscheinend wollte sie mir zeigen, dass sie sich auch mit Jungs verstand. „Ich weiß nicht, was ist wenn das auffliegt?“, fragte ich und Nic schüttelte den Kopf. „Dann trage ich dafür Verantwortung.“, sagte er und schaute mich flehend an. Ich weiß nicht mehr, ob ich in diesem Moment nachgedacht habe, aber ich habe genickt. Nic stand auf und ging zur Lehrerin. Ich folgte ihm. „Ähm...das ist mein Cousin Nicolas aus England. Er ist eine Zeit lang hier und ich wollte fragen, ob er am Unterricht teilnehmen darf?“ „Wenn er dich nicht vom lernen ablenkt, gerne.“ „Thanks! I hope we´ll have a good time.“, sagte Nic und ich fand das es sich gut anhörte, fast als käme er wirklich aus England. Da ich zweisprachig aufgewachsen war, konnte ich fließend Englisch sprechen. John, Lea und Meliane konnten es ebenfalls. Ich ging mit Nic wieder zurück zum Beet und fragte: „Weiß Elanor davon?“ Er nickte, schaute mich jedoch nicht an. „Wie alt ist sie eigentlich?“ „Fünfzehn.“ Ich wunderte mich immer, warum Nic sich nicht so benahm, wie andere Jungs in seinem Alter. Er war ruhig und still, aber auch lustig. Und er war nicht so ein Hip-Hop-Typ. Das gefiel mir. Nach der Schule taten wir so, als würden wir zusammen nach Hause gehen und liefen noch ein Stück zusammen. Wir waren etwas abseits von einem Wanderweg, als wir anhielten. Nic schloss die Augen und lauschte. Eine Amsel zwitscherte irgendwo über uns eine wundervolle Melodie. „Die Amsel ist mein Lieblingsvogel.“, sagte er und ich freute mich. Er war ganz anders als die anderen. Ich stimmte ihm zu. „Naja...bis morgen dann. Ich muss nochmal zurück, ich hab mein Fahrrad vergessen.“ Er nickte und ich ging los. Unterwegs kamen mir drei Jungs aus Johns Parallelklasse entgegen. Es waren dunkle Typen, vor denen ich schreckliche Angst hatte. Mein Herz pochte mir bis zum Hals, als sie auf meiner Höhe stehenblieben und mich umkreisten. „Man sollte aber nicht alleine in den Wald gehen, Kleine...“, sagten sie und lachten. Ich versuchte selbstbewusst auszusehen und sagte: „Lasst mich durch.“ Aber meine Stimme zitterte und das hatten die drei gehört. Ich konnte ihnen nicht ins Gesicht sehen sondern starrte nur auf meine Füße. Der Größte von ihnen packte mich am Arm und hielt mich fest. Ich schrie auf, doch er drückte seine Hand auf meinen Mund. Die andern suchten nach meinem Geld und meinem Handy. Dann wanderten ihre Finger meinen Körper entlang und ich wehrte mich wild. Gerade als ich dachte der eine würde mir meine Bluse hochziehen, hörte es auf. Der Größte ließ mich los und ich fiel hin. Als ich aufschaute sah ich, dass Nic da war und sich mutig vor mich stellte. „Was ihr da macht ist kriminell. Lasst sie in Ruhe und gebt ihr das Geld wieder!“ Ich konnte mich nicht beherrschen und Tränen schossen aus meinen Augen. Nic war doch viel kleiner als die siebzehnjährigen und trotzdem, beschüzte er mich. Ich wollte aufstehen, doch ich zitterte am ganzen Leib. Die drei Typen lachten und einer rannte mit erhobener Faust auf Nic zu. Dieser wich zur Seite aus und trat ihm auf den Hinterkopf. Die anderen Beiden rannten los und versuchten Nic zu schlagen, doch er traf sie mit seinem Fuß in der Magengegend. Der erste hatte sich wieder aufgerappelt und stürzte sich nun von hinten auf Nic. Ich schrie auf, als einer der anderen aufstand und Nic schlug. Der Größte hielt Nic von hinten fest, während jetzt die anderen beiden begannen sein Gesicht und Magen zu treten. Ich stand auf und riss an dem Arm des Größten. Er versuchte mich abzuschütteln, doch ich ließ nicht locker. Ich musste Nic helfen! Das war mein einziger Gedanke und ich schlug auf den Typen ein, verdrehte seinen Arm und schaffte es ihn aus dem Gleichgewicht zu bringen. Er fiel um und ließ den arg zugerichtetn Nic los. Doch die anderen beiden ließen nicht locker und traten weiter auf Nic ein, der jetzt die Arme hob um seinen Kopf zu schützen. Der Größte hielt mich fest und ich musste zusehen, wie sie Nic bewusstlos prügelten. Ich weinte und schrie, irgendjemand musste mich doch hören! Aber niemand kam. Als Nic aufgehört hatte sie zu wehren, ließen die beiden von ihm ab und rannten weg. Der Größte gab mir eine Ohrfeige und schubste mich. Dann verschwand auch er. Ich blieb kurz so liegen, dann erhob ich mich und kroch zu Nic. Er war bewusstlos und hatte überall Beulen und Kratzer. Wäre er nicht gewesen hätten diese Typen noch schlimmeres mit mir angestellt und ich umarmte Nic. „Danke.“, sagte ich und schüttelte ihn sanft. Ich nahm meine Wasserflasche aus der Tasche und befeuchtete damit sein Gesicht. Nach einer Weile kam er wieder zu sich und setzte sich auf. „Danke Nic! Ohne dich...“, ich stockte. Doch er verstand und lächelte nur. Am liebsten hätte ich ihn noch einmal umarmt, doch ich ließ es bleiben, da er sich schmerzerfüllt an den Bauch und ins Gesicht fasste. Ich half ihm auf und dankte ihm noch einmal. „Geht´s dir gut? Soll ich dich mit zu mir nehmen? Nic?“ Doch er schien mich nicht zu hören und fragte nur: „Hast du ein Taschentuch?“ Ich gab ihm eins und er betupfte seine Lippen und seine Nase. Als er den linken Arm hob, schrie er auf. „Was ist los?“, fragte ich erschrocken. „Nichts...es tut nur so weh, wenn ich an mein Handgelenk komme.“ Ich nahm seinen Arm und drückte an die Stelle die er meinte. Er zischte. Ich fragte: „Kannst du deine Hand bewegen?“ Er versuchte es, doch sie zitterte nur. Diese Typen hatten ihm die Hand gebrochen. Wir waren zurück zur Schule gegangen und ich saß jetzt neben Nics Bett im Krankenraum. Die Krankenschwester kam und schaute kurz auf Nic herab, dann sagte sie: „Prügelei?“ Ich wollte gerade mit „Ja“ antworten, da schüttelte Nic schon den Kopf. „Nein...das war ein Unfall. Ich glaube ich habe mir die Hand gebrochen...ähm...Ich bin geklettert und dann vom Baum gefallen.“ Ich schaute ihn verwundert an doch er starrte nur auf die Krankenschwester. Sie nickte und schob mich etwas beiseite. Dann untersuchte sie Nics Handgelenk und seine Beulen. Nach einer Weile sagte sie: „Du hast Glück, dein Handgelenk ist nur verstaucht. Ich werde einen Verband darum machen.“ Sie verschwand kurz und ich fragte Nic sofort: „Was sollte das? Die Typen haben dich verprügelt, wegen mir. Warum sagst du ihr das nicht?“ „Weil ich nicht möchte, dass sie dich noch mal so belästigen. Wenn wir das sagen, geht sie zur Polizei wegen Körperverletzung und sexuellem Missbrauchs und dann kommen die Typen erst recht wieder und die Polizei kommt zu mir. Kapiert?“ Daran hatte ich gar nicht gedacht, aber ich glaube ich wurde rot, als er meinte er wolle nicht, dass sie mich noch einmal belästigten. Die Schwester kam wieder und behandelte Nics Arm. Nebenbei fragte sie: „Gehst du auf diese Schule? Wie heißt du? Das muss ich wissen, damit ich den Krankenschein ausfüllen kann.“ Nic zuckte zusammen und zog seine Hand weg. „Können sie den Krankenschein nicht weglassen?“ Sie schaute ihn seltsam an und Nic wurde rot. „...Ich bin Mias Cousin aus England, wissen sie.“ Sie schaute noch seltsamer und ihr Blick fiel auf meine Wenigkeit. „Ja, er ist mein Cousin. Ich bin Mia.“ Endlich nickte sie und verband Nics Handgelenk weiter. „Du kannst aber schon gut Deutsch, für einen Engländer.“ Er nickte nur und sprang sofort auf, als sie fertig war. Er packte meine Hand und rannte raus. „Danke!“, rief ich noch schnell, um in einem guten Licht zu stehen. Draußen verschnauften wir erst einmal, dann sagte Nic: „Wir müssen aufpassen, damit wir diese Typen nicht noch mal treffen. Besonders du. Wenn du allein bist, und sie treffen dich, dann gibt’s keine Rettung mehr. Das sind richtige kriminelle und wer weiß, vielleicht können sie einen ja noch mehr als nur bewusstlos prügeln.“ Ich wurde rot. Wie er sich um mich sorgte! Es begann zu regnen. „Und was mach ich jetzt wegen meinem Geld? Mein Handy haben sie Einglück nicht gekriegt...vorher bist du gekommen...“ Ich kam ihm sehr nahe, doch er schob mich von sich weg. Mein Magen verkrampfte sich. Also sorgte er sich doch nicht um mich...Oder war es ihm peinlich? Ich drehte mich um und fuhr mit meinem Fahrrad nach Hause. Ich ließ ihn einfach stehen, im Regen. Warum ich das tat, weiß ich auch nicht, aber ich wusste, dass es falsch war. Als ich zu Hause war, überlegte ich mir eine Ausrede wegen dem Verschwinden meines Geldes. Es war zwar keine Gute, aber besser als nichts. Nachdem meine Eltern und Geschwister wieder da waren, beichtete ich es meiner Mutter. „Ich werde auch immer gut auf meine Sachen aufpassen und einen Zettel an das Schwarze Brett hängen. Morgen frage ich auch noch einmal im Sekretäriat. Ach ja und damit du mir glaubst...“, ich freute mich, denn ich hatte eine Gute Nachricht, „...Ich habe eine Eins in Mathe!!“ Meine Mutter jubelte und umarmte mich. Ich gab sie ihr zum Unterschreiben. Jetzt musste sie mir alles glauben. Sie nickte und ich verschwand in mein Zimmer. Ich warf mich auf mein Bett und begann zu weinen. Was war, wenn Nic mich jetzt nicht mehr leiden konnte? Hoffentlich konnte ich morgen mit ihm darüber reden. Es war nicht Nic, der da am Schultor stand. Es war Elanor. Sie trug ebenfalls eine Hose und ein schwarzes T-shirt. Als sie mich sah, stürmte sie sofort zu mir. „Weist du wo Nic ist? Ich habe ihn seit Gestern nicht mehr gesehen und er sagte mir nicht, wo er hin wollte, oder was er vorhatte.“ Also hatte Nic ihr doch nichts erzählt! Und dann hatte er auch noch draußen geschlafen, im Regen. Ich schüttelte den Kopf – ich wollte Nic nicht noch mehr verärgern. „Aber er sagte mir er kommt bald wieder.“, fügte ich bei Elanors bedrückter Miene hinzu. Ich war eine schlechte Lügnerin. Sobald ich damit anfing, bekam ich ein schlechtes Gewissen. Elanor schaute nun nicht mehr so bedrückt und sagte: „Wenn du mich brauchst ich bin da, wo du uns gefunden hast. Also wenn du Nic siehst, dann sag es mir bitte.“ Ich stimmte zu und Elanor verschwand. Nic war nicht da und die Lehrerin fragte: „Wo ist denn dein Cousin aus England?“ „Der hat sich gestern im Regen erkältet, aber er kommt bald wieder.“ Jedenfalls hoffte ich das. Der Tag ging schnell zu Ende und immer hoffte ich, dass Nic wie am vorigen Tag, einfach an meiner Seite erscheinen würde, doch er kam nicht. Nach der Schule schlich ich mich durch das Gebüsch dorthin, wo wir uns „verabschiedet“ hatten. Niemand war hier, genauso wie gestern. Doch da lag etwas. In einer kleinen Pfütze lag ein Lederband. Das hatte Nic getragen, daran erinnerte ich mich noch. Ich hob es auf und trocknete es. Ein kleiner Anhänger aus Holz war an ihm befestigt. Wie hatte Nic die Kette verloren? Sie war doch fest um seinen Hals befestigt gewesen. Nachdenklich steckte ich sie in meine Jackentasche. Es war wieder etwas kälter geworden und ich machte mich auf den Weg durch den Wald zu Elanor. Vielleicht war Nic ja bei ihr. Ich erreichte die Lichtung bei Dämmerung und spähte vorsichtig durch die Äste der jungen Linden und Buchen, die ihre neuen Blätter dem Himmel empor streckten. Elanor saß auf einem Ast einer verkrüppelten Eiche und spielte eine traurige Melodie auf einer selbst geschnitzten Flöte. Ich trat auf die Lichtung und Elanor erblickte mich. „Da bist du ja! Hast du Nic gefunden?“ Ich schüttelte den Kopf. Sie seufzte und meinte dann: „Er treibt sich bestimmt wieder irgendwo rum. Hoffentlich passiert ihm nichts. Ich habe wirklich keine Lust darauf von ihm bei der Polizei verraten zu werden. Die suchen nämlich schon Jahre nach uns. Wenn sie Nic finden ist´s aus mit unserm fröhlichen Waldleben. Obwohl ich auch gerne einmal wieder in einem normalen Bett schlafen würde...“ Ich hob meinen Kopf und sah ein Baumhaus in den Ästen der Eiche. „Darf ich da mal hoch?“, fragte ich und Elanor nickte. „Mein Zimmer ist gleich vorne, Nics ist etwas höher.“ Ich zog meine Jacke und Stiefel aus und kletterte den Baum hoch, indem ich mich an Ästen und Knoten festklammerte. Elanor fing wieder an zu spielen und ich bemerkte, wie schwierig es war, diesen Baum zu erklettern. Schnaufend erreichte ich Elanors „Zimmer“. Es war wie eine kleine Kammer, dessen Wände aus kleinen Tannen und Zweigen geflochten waren. Auf dem Boden stand ein Baumstumpf, der wohl als Tisch zu deuten war und dahinter lag eine Decke mit einem Federkissen. Über dem Lager war in der „Wand“ ein kleines Loch ausgeschnitten. Ich begab mich dorthin und schaute heraus. Man konnte auf den Waldboden und auf die gegenüberliegenden Äste und Bäume sehen. Das Dach ihres Zimmers war ebenfalls aus Tannenzweigen und großen Blättern. Der Boden war aus Ästen und Brettern. Ich machte mich auf, um in Nics „Zimmer“ zu gelangen. Es war ein Stück höher angelegt und die Abendsonne schien auf sein Dach. Sein Zimmer war genauso aufgebaut wie das von Elanor, nur etwas kleiner. Auch er hatte eine Art Fenster, welches aber etwas größer war. Wenn man aus seinem Zimmer noch ein Stück höher kletterte, erreichte man eine Art Plattform, von der man einen guten Blick nach unten und über die anderen Bäume hatte. In Nics Zimmer befanden sich auch die Essens- und Trinkvorräte. Langsam kletterte ich wieder herunter und sagte zu Elanor: „Wirklich gemütlich habt ihr´s hier. Und von hier unten sieht man das Baumhaus gar nicht richtig.“ „Das haben wir beim Bau alles eingeplant. Vielleicht kannst du morgen ja den ganzen Tag bleiben, schließlich ist Samstag.“ Ich nickte. „Und Ferienbeginn. Das ist so schön, das jetzt endlich Ferien sind. Die Schule hängt mir nämlich langsam zum Hals raus.“ Elanor stimmte mir zu. „Deswegen gehe ich auch nicht zur Schule. Wegen dem und weil sie uns sonst entdecken könnten. Weißt du, Nic hat sich komisch verhalten, seit du aufgetaucht bist. Er redete immer nur von dir und von der Schule.“ Ich wurde wieder einmal rot. Also hatte er mich doch gemocht. Warum hatte ich ihn stehen lassen? Das war so dumm von mir, vor allen Dingen, weil es ja meine Schuld war. Nic wollte nicht, dass ich ihm zu nah kam und ich hatte ihm dafür die Schuld gegeben, dass ich weggefahren war. Was war passiert? War er jetzt irgendwo im Wald, oder in der Stadt, oder hatten die Typen ihn wieder gefunden? Wo hatte ich ihn nur mit hineingezogen? Ich hätte sterben können vor Wut und Sorge. Elanor beobachtete mich und sagte dann: „Mach dir keine Sorgen, Nic war schon so manches Mal weg. Er hat auch schon drei Tage und Nächte ohne mich im Wald verbracht.“ Ich schaute sie an und fragte dann: „Kann ich heute Nacht hier bleiben?“ „Wenn du darfst.“ Ich holte mein Handy raus und wählte die Nummer meiner Eltern. „Hallo? Mum? Ich bin bei einer Freundin aus der Klasse. Darf ich hier übernachten? Ihre Eltern sagen es geht, ich komm auch morgen früh gleich wieder. Schlafzeug ist hier...und?...Danke Mum! Gute Nacht!“ Ich jubelte auf, doch Elanor machte eine Geste und ließ mich verstummen. Wir räumten die Lichtung auf und kletterten ins Baumhaus. Zuerst gingen wir zu Elanor und erzählten. Als es dunkel wurde zündete sie eine Kerze an und holte ein Kartenspiel aus einer Ecke. Wir spielten und es stand schon zwei zu drei für mich, als wir ein Geräusch von unten hörten. Wir steckten unsere Köpfe durch die Öffnung und erblickten drei große Gestalten unter uns. Ich erstarrte. Es waren die drei Typen. „Wir finden die Kleine schon.“, sagte einer und ich wusste sofort, dass ich gemeint war. Elanor löschte die Kerze und wir hielten den Atem an. „Wenn die was der Polizei sagt und wir bekommen davon Wind, dass nach uns gesucht wird, dann ist er dran.“ Die anderen Beiden stimmten zu. Mein Herz begann wie wild zu rasen und ich lauschte weiter. „Wir suchen uns hier irgendwo ein Versteck und warten, bis wir sie haben.“ „Und dann? Bringen wir sie dann um?“ Der Größte bewegte sich kurz. „Ich muss nochmal drüber nachdenken. Es ist gefährlich, aber ich bin jetzt achtzehn und da hat man schon viel Grips im Kopf. Außerdem hat er keine Eltern und niemanden, der sich um ihn sorgen würde.“ Er lachte laut und ein paar Vögel erwachten aus ihrem Schlaf und flogen in die warme Frühlingsnacht hinaus. „Was machen wir jetzt?“, fragte einer. „Erstmal holen wir ihn. Das machst du, aber pass auf dass er nicht Alarm schlägt. Ich hab keinen Bock vors Gericht zu kommen, aber da sie uns gesehen haben, geht’s nicht anders.“ Der Typ nickte. „Was ist mit dem, was er gesagt hat, von wegen er sagt kein Wort?“, fragte der Letzte. „Darauf können wir uns nicht verlassen. Wir werden auch mit Tom über sie reden. Diese Beiden sind mir sowieso egal...also los schaff ihn in unser neues Versteck! Meinetwegen hau ihm eine rüber wenn er Schwierigkeiten macht, Hauptsache er gibt Ruhe.“, befahl der Größte und einer löste sich von der Gruppe und rannte weg. Die anderen Beiden verschwanden in die andere Richtung. Ich saß da, wie gelähmt. Elanor vestand kein Wort, aber ich wusste es. Sie hatten Nic! Ich atmete tief durch und sagte zu Elanor: „Hör mir jetzt gut zu, OK?“ Und dann erzählte ich ihr, die Geschichte von vorne. Sie hörte mir gespannt zu und ihre Miene veränderte sich immer mehr zu einem Ausdruck des Grauens. Als ich geendet hatte fragte sie: „Und glaubst jetzt die Typen haben Nic und wollen dich auch noch, um euch dann umzubringen...Das ist doch absurd! Die sind achtzehn! Da müssen die ja schon geisteskrank sein, um so was zu tun.“ „Vielleicht sind sie es ja, so wie der gelacht hat...Außerdem wissen wir nicht wie alt dieser Tom ist, von dem er gesprochen hat. Vielleicht ist der ja geisteskrank und hat den einen Haufen Geld versprochen? Aber wenn es stimmt und sie Nic wirklich haben, dann müssen wir ihm helfen.“, sagte ich entschlossen und konnte gar nicht glauben, in was ich da hinein gestolpert war. Ich kletterte in Nics Zimmer und schlief erst sehr spät ein. Der Wind pfiff durch die Äste und ich stellte mir die schrecklichsten Dinge vor. Als wir beide schon schliefen, bemerkten wir nicht, wie zwei Gestalten die Lichtung überquerten. Kapitel 3: ----------- Kapitel 3 Ich blinzelte, als die Sonne mir direkt ins Gesicht schien. Ich hörte einen Vogel zwitschern und sah, das auf dem kleinen Ast vor Nics Fenster eine Amsel saß. Sie schaute mit ihren dunklen Augen ins Zimmer und zwitscherte kurz. Ich sah einen Beutel neben mir und öffnete ihn. Darin befanden sich Sonnenblumenkerne. Ich nahm eine Hand voll und streckte sie der Amsel entgegen. Und tatsächlich – sie landete auf meiner Hand und pickte die Körner auf. Nic musste sie gezähmt haben. Und da fiel er mir wieder ein. Nic! Diese Typen hatten ihn entführt und ich wusste, dass sie mich auch suchten. Ich bekam schreckliche Angst und freute mich das Ferien waren. Dann kletterte ich zu Elanor hinunter. Sie saß am Fenster und stieß Rufe aus, die sich wie von einem Vogel anhörten und sehr laut waren. „Was machst du da?“, fragte ich und Elanor antwortete: „Wenn Nic hier in der Nähe ist, wird er mich hören und antworten. Ich war heute morgen schon draußen und bin etwas rumgegangen und habe das Selbe getan. Ich habe eine leise Antwort bekommen, aber nach einer Weile hörte es auf.“ Ich nickte. „Versuche es bitte weiter. Ich muss nach Hause und meinen Eltern sagen, dass ich jetzt öfters weg bin.“ Ich zog meine Jacke über und wollte gehen, doch Elanor hielt meinen Arm fest. „Keine Polizei, verstanden? Dann müssen wir ins Heim und das will Nic sicher auch nicht. Wir müssen ihn da anders rausholen.“ „Aber es geht hier um deinen Bruder! Warum wollt ihr Heim vor Leben stellen? Ich vertsehe das nicht...Und selbst wenn wir ihn befreien, werden die Drei oder Vier immer noch auf freiem Fuß sein und nach uns suchen!“, wiedersprach ich ihr. Elanor blieb trotzig und ich drehte ihr den Rücken zu. Dann machte ich mich durch das Gebüsch auf nach Hause. Ich zog die Kapuze meiner Jacke weit über meine Augen, falls die drei auftauchen sollten. Doch ich kam unbemerkt aus dem Wald nach Hause. Mit einem lauten Klirren öffnete ich die Haustür. Auf dem reich gedecktem Frühstückstisch lag ein Zettel auf dem stand: Sind mit Lea und Meliane ein bisschen draußen. Macht euch ein schönes Frühstück! Mum und Dad. Ich lächelte – Johns Teller war unbenutzt. Er hatte gestern wohl irgendwo durchgefeiert. Leise ging ich vom Flur aus zu seinem Zimmer. An der Tür hing ein Zettel mit der Aufschrift : Betreten heute Nacht verboten! Ich schmunzelte und öffnete die Tür. In Johns Zimmer sah es so aus, als wäre eine Bombe eingeschlagen. Überall Klamotten die hier und da verteilt herum lagen. Angefangene, oder leere Spritebüchsen waren im Zimmer verstreut und unter einem besonders großen Haufen von T-shirts lugte ein Bierkasten hervor. Das Zimmer zu betreten war für meine Eltern und Schwestern strengstens verboten, rund um die Uhr. Vorher musste man immer dreimal anklopfen und sich umdrehen. Dann kam John raus, schloss die Tür wieder und fragte, was sei. Bei mir war das nicht so. Ich durfte rein und raus, wann immer ich wollte, außer natürlich es hingen Warnschilder an der Tür. Die musste sogar ich einhalten. Doch ich hatte es nicht getan und war einfach reingegangen. John lag ausgestreckt auf seinem Bett und neben ihm lag ein schwarzhaariges Mädchen, was halb aus dem Bett fiel, da John sich so breit machte wie ein Elefant beim kneipschen Wassertreten. Und gerade als ich mich leise entfernen wollte, wachte John auf. Ich blieb wie angewurzelt stehen. „Hast du das Schild nicht gelesen?“, donnerte er, „Das gilt auch für dich, Nervensäge!“ Er packte eine Spritebüchse, von der er nicht wusste, dass sie noch halbvoll war und schleuderte sie nach mir. Einglück hatte ich gerade da die Tür wieder geschlossen und hörte noch, wie die Büchse an die Tür knallte, der Inhalt im Zimmer herumsprizte und das Mädchen angewiedert aufschrie. Schnell lief ich in die Küche und beschäftigte mich damit aufzuräumen, jedoch für John und seine Freundin noch etwas stehen zu lassen. Dann ging ich in mein Zimmer. Und da fiel er mir wieder ein : Nic! Ich musste ihm doch helfen! Doch die Polizei konnte ich nicht rufen, denn dann würden sie auf Nic und Elanor aufmerksam werden. Aber ganz allein konnte ich auch nichts tun, denn dann würden sie uns wahrscheinlich umbringen. Schweiß trat mir auf die Stirn. Was sollte ich tun? Ich hörte Schritte auf dem Flur. John öffnete meine Tür und stand, mit Boxershorts bekleidet und einem Besen in der Hand, wütend im Türrahmen. „Hier du Hexe, du kannst jetzt bei mir sauber machen!“, zischte er und drückte mir den Besen in die Hand. Dann schob er mich in sein Zimmer, wo sich seine neue Freundin - er schleppte jeden Monat eine Neue an – gerade anzog. Ich seufzte und begann aufzuräumen. Doch dabei konnte ich gut nachdenken. Nachdem ich alles sauber gemacht hatte und sogar sein Zimmer aufgeräumt hatte räumte ich das Wischwasser und den Besen in die Küche und setzte mich neben John, der gerade telefonierte. John war der einzige,dem ich richtig vertrauen konnte und ich hatte beschlossen ihm die ganze Geschichte zu erzählen. Am Telefon führte er gerade ein sehr hitziges Gespräch. „Nein das hab ich nicht, aber du hast gesagt, dass du nicht mehr mit ihr zusammen bist. Such dir doch ´ne andere, du bist doch so ein Mädchenschwarm...was meinst du mit: sie muss dir auch gefallen? So ein Quatsch!...Ach leck mich doch am Arsch!“, schrie John in den Hörer und legte auf. Ich hatte gleich gewusst, mit wem er da telefoniert hatte. Mit seinem Klassenkamerad Pierre. Der kam aus Frankreich, war blond und hatte lange Haare. Mein Geschmack traf er nicht, aber in seiner Jahrgangsstufe war er der absolute Mädchenschwarm – neben John, denn der war auch nicht schlecht. Pierres Traum war es Designer zu werden. Dafür, dass ich ihn nicht wirklich leiden konnte, kannte ich ihn recht gut. Jedenfalls war er nett. In diesem Telefongespräch ging es anscheinend um das schwarzhaarige Mädchen, aber interessieren tat es mich nicht. John schaute mich böse an. „Was willst du schon wieder?“ Ich setzte meine Unschuldsmiene auf. „Ich muss mit dir über ein ernstes Thema reden nd ich möchte, dass du mir zuhörst. Bitte sei mir nicht mehr böse, wegen vorhin das war wirklich dumm von mir. Dafür habe ich jetzt dein ganzes Zimmer aufgeräumt und den Bierkasten versteckt. Du kannst jetzt sogar Mum in dein Zimmer lassen...“, sagte ich und zu meinem Glück, hellte sich Johns Mine auf und er schaute so, als hätte er mir schon verziehen. „...aber ich muss dich bitten, mir jetzt genau zuzuhören und niemandem davon zu erzählen.“ Er nickte und ich wusste, dass John sein Wort halten würde. Dann begann ich mit den Geräuschen in meinem Zimmer und das es ganz sicher keine Flöhe gewesen waren. John schien interessiert und hörte mir aufmerksam zu. Als ich geendet hatte sagte er: „Und du hast Angst, dass die Typen diesen Nic und dich umbringen wollen, weil sie dich misshandeln wollten, dann durch Nic aufgehalten wurden und ihr ihre Gesichter gesehen habt? Nun, ich glaube nicht, dass sie zu so etwas fähig wären...ich meine ich kenne sie...aber wenn ich so drüber nachdenke...Sie benehmen sich in lezter Zeit sehr komisch. Besonders gestern in Philosophie. Da haben wir über Gut und Böse gesprochen. Ich hab gedachte den fallen die Zähne raus, so sehr haben sie gezittert. Und einer von ihnen hat unter dem Tisch eine SMS geschrieben und um sich geschaut, als wolle er nicht, dass jemand ihn sieht. Also...vielleicht hast du Recht. Ich kann sie ja ein bisschen beobachten, unter dem Vorwand ihnen Hausaufgaben zu bringen.“ „Also glaubst du mir!?“, rief ich freudig aus und er nickte. „Danke, danke!“, rief ich und sprang ihm in die Arme. Er erwiderte meine Liebkosung und sagte dann: „So. Ich muss jetzt aber noch mal mit Pit sprechen.“ Pierre wurde von allen Pit genannt, einfach weil das kürzer war. Ich nickte, doch dann hielt ich ihn zurück und fragte: „Könnte Pierre uns vielleicht helfen?“ John schaute mich wie blöd an. „Wie könnte der uns denn helfen? Das einzige was er kann ist gut aussehen und Mädchen anbaggern!“, sagte John abfällig. „Genau das meine ich ja. Er könnte die drei aus ihren Häusern locken, für Mädchen und dann...“, ich wurde leiser. „Hm...hört sich verdächtig nach einer Verschwörung an...Ich rede mit ihm.“ Er verließ das Zimmer und ging zum Telefon. Doch genau in diesem Augenblick hämmerte jemand gegen unsere Wohnungstür. Ich erbleichte. Doch John machte mutig auf. „Was machst du denn hier?!“, rief er und ich sah, wie Pierre das Haus betrat. Seine tiefblauen Augen, in denen jedes Mädchen versank, schauten John durchdringend an. „Wo ist sie?“, fragte er und der französische Akzent war nur leicht zu hören. „Sie ist schon gegangen.“, zischte John zurück und ich hatte das Gefühl, als würde er die Tür vor Pits Nase zuschlagen wollen. Doch er sah meinen flehenden Gesichtsausdruck und öffnete einladend die Tür, damit Pierre richtig eintreten konnte. Anscheinend kostete es meinem Bruder die größte Selbstbeherrschung, die Tür nicht wieder zuzuschlagen. Pit setzte sich mir gegenüber auf Johns Platz. John atmete tief durch und nahm am Tischende Platz. „Also, was wollt ihr von mir?“, fragte Pit und lehnte sich zurück. „Wir brauchen dein volles Vertrauen und anschließend deine Hilfe.“, erklärte ich und wurde etwas rot, da Pit mich so seltsam ansah, mit seinen dunkelblauen Augen. „Wir würden uns freuen, wenn du ein paar Jungs Mädchen versprechen könntest um sie dann aus dem Haus zu locken.“, sagte John beherrscht. „Zut! Warum machst du das nicht, John?“, sagte Pit wütend. „Weil ich anschließend in ihr Haus gehen werde, um nach etwas zu sehen.“, antwortete John. „Komischer Plan. Für was eigentlich?“ John schaute zu mir. „Das sagen wir dir später. Wenn wir wissen, das wir dir vollkommen vertrauen können. Es ist eine sehr persönliche Sache zwischen meiner Schwester und jemand anderem.“ Pierre schaute kurz weg, dann drehte er den Kopf wieder zu meinem Bruder. „Wenn du dich dafür von Alyana trennst.“, sagte er und ich bemerkte, wie John erbleichte. „Von...Al...Alyana?“, stotterte er und Pit nickte. Anscheinend war Alyana das schwarzhaarige Mädchen. Ich verstand nicht, was John hatte. Er hätte sich doch bestimmt eine Neue gesucht. Doch später glaubte ich, dass Alyana seine feste Freundin geworden wäre. „Wenn du dich von ihr trennst, mach ich mit.“, sagte Pit. Diesmal drehte mein Bruder seinen Kopf weg und ich sah die Verzweiflung. Entweder ich und Nic, oder er und Alyana. Plötzlich, in dieser stillen Pause, hörten wir Schritte auf dem Flur. Das schwarzhaarige Mädchen öffnete die Küchentür. Ihre Haare waren kurz und sie trug silberne Ohrringe. Ihre grüne Hose steckte ihn Kniehohen, schwarzen Stiefeln und sie trug eine dunkelblaues Oberteil mit einem weiten Ausschnitt. Sie war wirklich wunderschön. Das schien es für John noch schwieriger zu machen. Er schaute blass zwischen mir und Alyana hin und her. Diese schaute jedoch nur zu Pierre. „Pit...“, flüsterte sie und ging langsam zu ihm. Er lächelte sie an und seine blauen Augen funkelten zu ihren braunen. Es schien mir, als wäre John nahe einem Nervenzusammenbruch. Ich rutschte schnell zu ihm. „Wir brauchen Pit nicht. Wir können es auch mit Elanor machen.“, sagte ich zu ihm, doch er starrte nur zu Alyana und Pit. Dieser streckte die Arme nach ihr aus und Alyana kam zu ihm. Sie setzte sich auf seinen Schoß und küsste Pit. John wandte sich ab. Es musste ihm das Herz brechen. Alyana stand plötzlich auf und ging zu John. Sie nahm sein Kinn und drehte seinen Kopf zu ihr. Dann küsste sie ihn. Das ist ja eine!, dachte ich mir. Jetzt schaute Pit ganz schön dumm. Doch John wusste, dass dies nur der Abschiedskuss war. Deswegen genoss er ihn auch besonders und lange. „Yana?“, fragte er und schaute sie an. Doch sie schüttelte den Kopf und nickte zu Pierre. Der setzte sofort eine triumphierende Miene auf und fragte dann John: „Soll ich nun mitmachen oder nicht?“ Kapitel 4: Kapitel 4 -------------------- Wir zogen uns an und John nahm ein paar alte Arbeitsblätter mit. Alles musste sehr schnell gehen, denn John sollte so tun als ob er die Blätter nur in ihr Zimmer legen würde. Mit unseren Fahrrädern fuhren wir zum ersten Haus. Alyana und ich versteckten uns und die Sechzehnjährige stellte sich mutig vor mich, falls jemand kommen würde, müsste er erst an ihr vorbei. Sie konnte Karate und Judo. Ihr Vater kam aus Japan, ihre Mutter war Deutsche. Doch japanisch waren an ihr nur die Haare. Pierre klingelte und betrat das Haus. Wenig später ging er, gefolgt von einem Typen, in Richtung Wald davon. John wartete kurz, dann betrat er das Haus. Knapp fünf Minuten später kam er wieder raus und lief zu uns. „Fehlanzeige. Auf dem Handy sind keine verdächtigen Nachrichten. Aber ich glaube das nächste Mal muss einer ablenken. Die Mutter von dem Typ hier ist schon in Richtung Zimmer gekommen und hat gefragt, ob´s mir gut geht.“ Alyana nickte und sagte: „Das mach ich.“ Durch meinen Kopf schoss plötzlich der Gedanke, dass die drei dass alles für Nic und micht taten und ich nichts weiter tat, als zuzuschauen. „Nein, das mache ich.“, sagte ich und trat neben Alyana. „Du? Aber dann erzählt die Mutter dem Typen, dass ein kleines Mädchen da war.“ Ich schaute ihn wütend an. „Ähm...ein großes Mädchen.“ Ich nickte zufrieden, dann schaute ich zu Alyana. „Kann ich mir deine Sachen leihen? Und deine Schminke?“ Sie willigte ein und ich schminkte mich und zog ihre Jacke an. Dann machte ich mir zwei hohe Zöpfe und sagte mit piepsiger Stimme: „Na, wie gefall ich euch?“ John schaute mich so an, als hätte Pierre ihn gerade gefragt, ob sie zusammen ins Kino gehen wollten. „Ja, ich glaube das geht so.“, stotterte er. Dann sah er zu Alyana und ich sah die Sehnsucht in seinem Blick. Er trat zu ihr. „Hat dir unsere Nacht wenigstens gefallen?“, fragte er. Obwohl er leise sprach verstand ich jedes Wort und ich bekam ein schlechtes Gewissen. Wegen mir, hatte er sich kampflos ergeben. Pierre war so fies! Diesen Schönling hätte ich am liebsten auf den Mond geschossen! Aber Aylana liebte anscheinend nicht John, sondern gerade diesen Schönling. Alyana nahm ihn in den Arm. „Ja.“, hauchte sie in sein Ohr. „Aber mache dir keine falschen Hoffnungen. Ich liebe Pierre und das wird für immer so blei-.“ Ich unterbrach sie, um John den Rest zu ersparen. „Wir sollten jetzt gehen. Pit wartet sicher schon bei dem andern Typen.“ Sie schauten sich kurz an und nickten dann. Für Alyana war es sicher auch schwierig zu jemandem zu sagen: „Ich liebe dich nicht.“ Ich musste das auch einmal machen. Da war so ein Junge, der war fünfzehn, als ich dreizehn war und total in mich verschossen. Hat mir Liebesbriefe geschrieben und so. Auf dem Schulhof lief er mir immer nach und einmal hat er mich ohne Vorwarnung geküsst und gesagt, dass er mich liebt. Da musste ich ihm die Wahrheit ins Gesicht sagen und das war schrecklich. Er tat mir richtig Leid. Aber für meine Gefühle kann ich nichts, außerdem war ich noch etwas jung für einen Freund, finde ich. Danach hab ich ihn nie wieder gesehen. „Mia? Kommst du?“, fragte Alyana und ich nickte etwas verwirrt. „Lies sie mir bitte noch einmal vor.“, bat ich John. Wir hatten eine Nachricht gefunden, die nicht nur verdächtig, sondern offensichtlich war. John hatte sie sich abgeschrieben und ich war schrecklich aufgeregt und wischte mir die Schminke ab. „Also...,“, begann John, „Komme heute um fünf zu Tom. Bringe Briefumschlag mit, damit Nic eine Nachricht schreiben kann. Wir bereden was weiter zu tun ist. Versuchen Aufenthaltsort vom Mädchen durch ihn rauszukriegen.“ Ich löste meine Zöpfe und gab die Gummis zitternd zu Alyana. Als der Name Nic fiel durchströmte mich ein schreckliches Angstgefühl. Das konnte doch alles nicht war sein! Ich sagte mir immer wieder, dass sie nicht versuchen würden uns umzubringen. Da s war doch Quatsch! Warum gerade wir beide? Nic war sicher irgendwo im Wald und nicht bei den Typen. Die sprachen von einem anderen Nic. Ganz sicher! „Was machen wir jetzt?“, fragte Alyana. John grübelte. „Wenn ich doch nur wüsste wo dieser Tom wohnt, oder wer er ist!“, ärgerte er sich. „Vielleicht könnten wir die Eltern der Jungs nach einem Tom fragen.“, überlegte Alyana. Ich schüttelte den Kopf. „Das ist zu auffällig, wenn wir alle fünf Minuten reinkommen und nach irgendwas fragen...“ Ich wandte mich an meinen Bruder. „Kennst du keinen Tom, oder so, der in eine höhere Klasse geht?“ „Nein. Nicht an unserer Schule.“ Nun standen wir da, unter einem Blätterdach und versuchten eine Lösung zu finden, jeder für sich allein. Irgendwo zwitscherte eine Amsel und ich dachte darüber nach, was passieren würde, wenn Nic umgebracht werden würde. Es war gar nicht auszudenken und ich versuchte an etwas anderes zu denken, weil ich immer denke, wenn ich mich auf die Sache konzentriere, dann passiert sie auch. Das wollte ich natürlich nicht. Ein Schnauben holte uns aus unseren Gedanken. Es war Pierre. Er wischte sich mit dem Handrücken über das Gesicht und schnaubte: „Pardon, da war dieser Thomas Fritsch, der wollte unbedingt noch ein Mädchen haben!“ John kochte fast vor Wut, als Alyana zu Pit ging und ihn zärtlich streichelte. Doch plötzlich hellte sich seine Miene auf. „Wie heißt der? Thomas? Wird er vielleicht Tom genannt?“, fragte er aufgrergt und ich verstand. Pierre nickte. „Ja, das ist sein Spitzname. Er wohnt da hinten in der Pestalotzistraße 4.“ „Woher kennst du ihn?“, fragte Alyana. „Oh...das ist eine lange Geschichte. Der ging mal auf meine Schule und wollte immer so sein wie ich. Er hat immer kleinere élèves, pardon, Schüler runtergemacht. Er ist bestimmt tausend mal sitzengeblieben und saß mal zwei Jahre im Gefängnis, weil er eine Jugendliche fast getötet hätte...Das ist einer! Schrecklicher Typ...“, murmelte er noch etwas weiter und mir gefror fast das Blut in den Adern. „Oh nein!“, wimmerte ich. Wenn ich daran dachte! Mein armer Nic! John kam schnell zu mir und beruhigte mich, indem er einen Arm um meine Schultern legte und meinen Kopf streichelte. Alyana schien sehr neugierig. „Was hat er denn mit dem Mädchen getan?“, fragte sie. Pierre überlegte. „Ach er hat sie erpresst, in der Schule, dann hat er sie verfolgt und hätte sie fast mit einem Messer erstochen, hätte das Mädchen sich nicht zu helfen gewuust. Sie hat rechtzeitig um Hilfe gerufen, da sie ein schlechtes Gefühl hatte und ist dann weggelaufen. Er ist ihr, dumm wie er wahr, gefolgt und so direkt in die Arme der Polizei gerannt. Mon Dieu, wie kann man so dumm sein!“ Ich zitterte am ganzen Körper. „Warum ist er wieder rausgekommen?“, fragte John. Pit schüttelte denn Kopf. „Du kennst doch die da beim Gericht – Lebenslänglich für einen Autodiebstahl, zwei Jahre für Mordversuch!“ „Wie alt ist er denn?“ „Hm...ich glaube so zweiundzwanzig.“ Alyana schaute ungläubisch. „Zweiundzwanzig, glaub ich nicht!“ „Ist aber so!“, fauchte er zurück. Er war sehr ehrgeizig und leicht verlezt. John sagte: „Lasst uns dahin gehen.“ „Und was willst du dann da machen?“, fragte Pit gereizt. „Nach Hinweisen suchen, kommt jetzt!“ Er packte mein Handgelenk und zusammen gingen wir zur Pestalotzistraße 4. Als wir da so vor dem Haus standen, kam plötzlich ein aufgeregter junger Mann mit braunen Haaren und schrecklicher Kleidung aus dem Haus heraus gestürzt. Es war Thomas Fritsch. John streckte sofort schützend den Arm vor mich und verdeckte mich mit seinem Körper vor Toms Blicken. Dann schob er mich plötzlich hinter Alyana u Und ging auf Thomas zu. „Hey, Tom! Ich bin der Kumpel von Rick und den anderen. Sie haben mich zu dir geschickt um dir zu helfen.“, sagte er und Thomas blieb stehen. Ich hielt den Atem an. Was tat mein Bruder da? „Ach ja? Gut, dann aber leise! Ich möchte nicht, dass davon die halbe Welt erfährt!...Und auf dich hab ich gewartet. Ich dachte schon du kommst nicht mehr. Wir müssen den Brief schreiben!“ John nickte und sagte dann: „Warte noch einaml kurz, geh schon mal ins Haus.“ Er nickte und ging. John kam zu uns gerannt und fragte: „Hat einer von euch ein Filmhandy?“ Pierre nickte. „Das allerneuste, das filmt sogar im ganz Dunkeln und macht keine Geräusche. Man kann damit zehn Minuten aufnehmen. Krass nicht?“ „Her damit! Schnell. Ich will gucken ob Nic da oben ist. Ich filme alles verdächtige, heimlich.“ Pierre gab ihm verduzt sein Handy. „Du brauchst garnichts heimlich zu machen. Du kannst die Kamera nämlich abmachen und hier oben festklemmen.“ Er klemmte die kleine Kamera oben an Johns Jacke. „Die Kamera wird durch Funk gesteuert. Drück einfach auf den Knopf, wenn du anfangen möchtest.“ Alyana und ich wunderten uns noch mehr. „Solche Handys gibt’s doch gar nicht!“, sagten wir wie aus einem Munde. „Aber hier ist doch eins! War auch nicht gerade billig.“ Er lächelte. John verschwand im Haus. Wir warteten bestimmt eine Stunde und ich war schrecklich aufgeregt. Da endlich erschien John wieder. Er war blass und zeigte uns mit einer Geste sofort mitzukommen. Wir gingen zu einem nahegelegenen Spielplatz am Waldrand. Ich zitterte und mir war übel vor Aufregung. „Und?“, fragte ich, weil ich die Spannung nicht mehr aushielt. John schwieg. Pierre baute sein Handy wieder zusammen, spielte jedoch keinen Film ab. „Was ist?“ Ich schrie fast. Zitternd sprang ich auf, lief zu John und schüttelte ihn. „Sag mir endlich was los ist! Bitte!“, flehte ich und endlich kehrte die Farbe in sein Gesicht zurück. „Setz dich hier hin.“, sagte er und ich ließ mich fallen. Er holte Luft, sah mich lange an und sprach: „Er hat Nic in seinem Keller.“ Kapitel 5: Kapitel 5 -------------------- „Was!“, schrie ich, doch John brachte mich mit einem Blick zum Schweigen. „Er lebt, er ist nicht verlezt, aber Tom hat ihm irgendeine Droge verabreicht, er war bewusstlos, als ich reinkam. Dann hat dieser Tom mit mir einen Brief geschreiben, indem es heißt, es gehe Nic gut und er sei mir dem Zug irgendwo hin gefahren. Den Zettel bringen die Typen zur Zeitung. Nic sollte in Unterschreiben, dazu hat Tom ihn geschlagen. Dadurch ist er aufgewacht und hat ganz benommen unterschrieben, ohne zu lesen. Dann hat er ihm irgend was gespritzt und er ist ganz steif geworden und umgekippt. Es war grauenvoll, vorallem, weil ich nichts machen konnte. Die Kamera hat nicht funktioniert, also haben wir keine Beweise. Ich denke sie werden Nic jetzt da unten behalten...Jedenfalls lebt er.“, fügte er bei meinem panischen Blick hinzu. Ich zitterte am ganzen Leib und ich hätte kotzen können. Warum musste das gerade mir passieren? Mir und Nic? Warum konnte er nicht einfach hier erscheinen und mit mir reden? „Ich geh zur Polizei!“, sagte Pit plötzlich, doch John hielt ihn zurück. „Nein, das kannst du nicht machen, sonst kommt Nic in ein Heim! Das wollen die beiden nicht.“ Pierre schüttelte den Kopf. „Das ist doch dumm! Nur deshalb? Hier geht es um ein Leben! Ich denke er würde das wollen, wüsste er über seinen jetzigen Zustand Bescheid!“ John schaute mich an. „Am besten du gehst zu Elanor und erzählst ihr davon...am besten ich komm mit, falls die Rick und die anderen sich im Wald aufhalten.“ Ich nickte blass und wir verabschiedeten uns von Alyana und Pierre, nachdem sie geschworen hatten nicht zur Polizei zu gehen. John und ich entfernten uns immer mehr von dem kleinen Spielplatz am Rande des Waldes und mein Magen begann zu knurren. Ich hatte heute morgen etwas gegessen und nun war es schon weit nach Mittag. Ein paar Mal hattte ich das Bedürfniss umzudrehen und zu Toms Haus zu laufen. Doch John hielt meine Hand fest umschlossen, warum weiß ich auch nicht mehr. Wahrscheinlich wollte er, dass ich nicht wegrannte. Aber ich war so verzweifelt! Am liebsten hätte ich das getan, was Pierre ausgesprochen hatte. Ich stellte mir schon vor, wie viele Streifenwagen vor dem Haus hielten und die Polizisten mit Megafonen brüllten: „Kommen sie mit erhobenen Händen raus, sie sind umstellt!“ Dann wäre Thomas ins Gefängnis gekommen und Nic wäre wieder bei ihr. Nein, da lag das Problem. Dann wäre er in einem Heim. Das einzige Heim, hier der Umgebeung war 5 km entfernt und ein Internat. Ich würde Nic also ncht mehr sehen – und Elanor auch nicht. Das Holz knackte unter unseren Füßen und ich wurde eine Frage nicht mehr los, die sich in meinem Kopf stellte. Nach einer Weile sprach ich sie aus. „Hat Nic etwas gesagt? Und ging es ihm sehr schlecht?“ John schaute mich starr an, dann antwortete er: „Er sagte nichts, dazu hatte er nicht die Gelegenheit und sonst...Sein Arm war noch verbunden, aber der Verband rutschte schon langsam ab. Ich hab Tom gefragt, ob wir ihm nicht...einen neuen rummachen sollten, damit das wieder verheilt...da hat er nur gelacht und gesagt, er brauche den Arm sowieso nicht mehr, also sei es egal. Er hatte Augenringe, aber sonst gings im gut.“ Ich schloss verzweifelt die Augen und umklammerte mit meiner freien Hand, die Kette von Nic, die ich in meiner Jackentasche trug. Nach vielen Minuten erreichten wir endlich die Lichtung mit dem Baumhaus. „Elanor!“, rief ich verzagt und eine Sekunde später hatte Elanor sich elegant von Ast zu Ast zu uns herunter bewegt. „Und, habt ihr eine Spur von Nic?“, fragte sie. Ich wollte beginnen, doch mir versagte die Stimme und John sprang für mich ein. Er erzählte und Elanor begann ebenfalls zu zittern, auch wenn sie es unterdrücken wollte. „Können wir ihn nicht selbst da rausholen?“, fragte sie. John schüttelte den Kopf. „Dreimal abgeschlossen, wenn wir ihn hätten, dann würden die Typen immernoch hinter Mia und Nic her sein. Man müsste ihn und die Typen nur wegen irgendwas erwischen, was nicht mit Nic zu tun hat!“ „Ist denn das Haus eine Zeit lang von ihm verlassen?“, fragte Elanor weiter. „Er sagte mir, er geht alle zwei Stunden runter und spritzt ihm dieses Zeug, damit er ruhig bleibt.“, antwortete John. „Aber wir haben nicht mehr viel Zeit, denn er wird Rick und den anderen von mir erzählen und sie werden sagen, das ich der große Bruder von Mia bin und dann haben sie einen direkten Bezug zu Mia...obwohl ich sagte ihm nicht meinen Namen...“ Und während John da noch so redete, kam mir plötzlich eine Idee. Es war keine sichere, aber es war eine. Und ich würde mich dafür opfern. Für Nic! Kapitel 6: Kapitel 6 -------------------- „Ich hab eine Idee.“, sagte ich leise und John und Elanor horchten auf. „Also...wir müssen Thomas und den anderen etwas vorwerfen, aber nicht mit Nic, sondern mir mir!“ Die Beiden schauten verwirrt. „Wie jetzt?“ Ich holte tief Luft. „Irgendwie musst du Thomas die Schlüssel abjucksen. Dann befreien wir Nic. Wenn er dann frei ist, lauf ich vor dem Haus rum, was alle Zweifel verwischt, das ich ihn befreit habe. Du, John, musst, wenn wir ihn befreien mit Tom in einem Zimmer sein und ihn ablenken, was dich absichert. Du kannst Nic nicht befreien, während du mit Tom in einem Zimmer sitzt. Dann wird Tom mich schnappen, weil sie ja auch mich suchen. Nachdem ich gefangen bin, beobachtet einer von uns das Haus, damit, falls sie mich wegbringen Alarm geschlagen werden kann. Ihr alamiert dann die Polizei und lasst das Haus umzingeln. Wir müssen ihn bei frischer Tat ertappen, und ihr könnt als Zeugen aussagen. Dann kommt er wegen meiner Entführung vor Gericht.“ Die Beiden hörten aufmerksam zu und nach einer Weile sagte John: „Wir können es versuchen, aber Schwester ich muss dich bitten, vorsichtig zu sein! Ich weiß nicht, was das für eine Droge ist, die sie Nic verabreichen...da ist nur noch ein Problem...Thomas darf noch nicht von den Typen erfahren, das ich nicht von ihnen geschickt wurde. Sonst ist der ganze Plan futsch.“ Ich nickte. „Morgen?“, fragte ich. Sie nickten. Am Abend im Bett konnte ich an nichts anderes, als an die Befreiungsaktion denken und ich wälzte mich herum. Ich hatte schreckliche Angst, ich wusste ja nicht was bei den Typen auf mich zukommen würde. Und ich wusste nicht, ob Nic noch am Leben war. War diese Droge sehr schädlich? Was würde geschehen, wenn sie sie mir auch geben würden? Ich zitterte und musste in meiner Verzweiflung weinen. Es konnte alles schief gehen. Alles. Ich stand auf und holte mein Tagebuch. Ich hatte seit der Grundschule nicht mehr darin geschrieben, doch jetzt brauchte ich es. Ich holte meinen Füller und schrieb meine Gedanken nieder. Ich schrieb, glaube ich, fünf Seiten voll, dann legte ich es sorgfältig wieder in mein Geheimfach. Ich fühlte mich gleich besser, als wäre ich von irgendetwas befreit. Meliane und Lea schnarchten. Sie wussten nicht, in was für einer Lage ich mich befand. Aber ich redete sowieso wenig mit ihnen. Aber jetzt brauchte ich Nähe, irgendwen der mich behütete. Kurz überlegte ich, ob ich mich zu Lea legen sollte, aber sie hätte wahrscheinlich nicht mehr schlafen können und hätte geheult. Meliane war mir zu zickig, die hätte mich gleich wieder rausgeworfen. Ich nahm mein Bettzeug, öffnete leise die Tür und schlich durch den Flur hinter zu dem kleinen Zimmer meines Bruders. Langsam öffnete ich die Tür und sah, dass das Zimmer immer noch aufgeräumt war! Das brachte mich zum Lächeln. John saß im Bett, oder besser, er lag im Bett. Denn als ich hereingekommen war, hatte er schnell sein Buch zugeschlagen und das Licht gelöscht. Jetzt tat er so, als ob er schliefe. Er dachte anscheinend ich wäre Mum. „John?“, flüsterte ich leise und ging zu ihm. Er erkannte meine Stimme erst nicht und schnarchte vernehmlich. „John, kann ich zu dir? Ich fühle mich so einsam.“, sagte ich. John machte Licht, drehte sich zu mir um und schaute mich aus seinen müden Augen so an, als hätte er irgendetwas absurdes gehört. Ich musste leise lachen. Wie er mich ansah, das hättet ihr sehen sollen! Er hatte gedacht ich wäre Mum. Doch er nickte und hob seine Decke an. Dankbar ließ ich meine fallen und kroch unter seine. Ich kuschelte mich an ihn, es war mir egal, dass ich 14 war. Ich hatte ihn einfach unheimlich lieb. Ich wurde sanft wachgerüttelt. John war bei mir und strich mir über die Stirn. „Geht’s dir besser?“, fragte er und ich nickte. „Tun wir´s jetzt?“, fragte ich. John schaute mich mit einem Blick an, der mich beruhigte. „Ja, erst mal essen wir Frühstück. Dann gehen wir langsam los und machen das was du gesagt hast. Und ich verspreche dir, ich werde dich beschützen. Ich bleibe die ganze Zeit über bei dir. Keine Angst.“ Ich lächelte. Wir zogen uns an und gingen zum Frühstück. Unsere Eltern und Geschwister bemerkten nicht, dass wir etwas bedrückt und aufgeregt waren und das war gut so. Ich verabschiedte mich von meinen Eltern, die nicht wussten, wohin ich jetzt ging. Auf dem Weg in die Pestalotzistraße, wo wir uns mit Pierre, Alyana und Elanor treffen wollten, fiel John etwas ein. Etwas sehr wichtiges. „Halt!“, rief er und ich blieb stehen. „Wir haben etwas übersehen! Wenn ich mit Tom oben im Zimmer bin und mitmache, bin ich genauso ein Verbrecher, wie er. Ich habe doch bei der Entführung mitgewirkt! Von Nic weiß die Polizei doch nichts und das ich ihn mit befreit habe und wir dich nur entführen, damit er nicht ins Heim kommt! Was machen wir denn nun?“ Ich stimmte ihm zu, daran hatte ich gar nicht gedacht. „Aber wenn Rick und die andern Typen so doof sind und sagen, dass sie dich nicht kennen, hast du gute Karten.“, versuchte ich auszuhelfen. John schüttelte den Kopf. Nun war er der Verzweifelte. „Der einzige Beweis, den wir für mein Alibi hätten, wäre, dass ich das nur tue, damit Tom für etwas anderes, als für die Entführung von Nic vor Gericht kommt. Und genau das ist es, was wir geheim halten wollen!“ Er war blass geworden. Doch dann nahm er meine Hand und ging mit mir weiter. Was hatte er vor? Vor dem Haus Nummer 4 standen Elanor, Pierre und Alyana. Sie trugen schwere Taschen, in denen anscheinend irgend welche Gerätschaften zum Einbrechen waren. Und ich hatte Recht: Nachdem wir angekommen waren, gingen wir um das Haus herum und Pierre untersuchte ein kleines Fenster, vor dem Gardinen hingen. Gardinen im Keller?, dachte ich. Das musste das Kellerfenster zu Nic sein. John machte sich nach einem kurzen Blick zu mir auf zu Tom, um ihn abzulenken. Ich zitterte wieder vor Aufregung, während Pierre mit einer Eisenstange das Fenster aufbrach. Er fuhr mit der Hand durch das Loch und tastete nach dem Fenstergriff. Die Sekunden, die er damit verbrachte, kamen mir wie Stunden vor und dann endlich – klick- war das Fenster offen. Ich stürmte hin, genauso wie Elanor und wir schauten in den dunklen, modrigen Keller. Überall standen Kartons, auf denen sich eine drei Zentimeter hohe Staubschicht befand und als ich genauer hinsah, was in der Dunkelheit schwierig war, erkannte ich zwischen ein paar solcher Kartons, eine menschliche Gestalt. Kapitel 7: Kapitel 7 -------------------- Ich zwängte mich vorsichtig durch das kleine Kellerfenster und rannte durch die Kartons zu Nic. Er lag da, auf dem kalten Boden. Seine Kleider waren schmutzig und sein Haar fiel in Strähnen über die geschlossenen Augen. Um ihn herum lagen leere Behälter dieser ekelhaften Spritzen und der Verband seines linken Armes lag neben ihm. Ich kniete mich zu ihm und umarmte ihn, indem ich ihn halb hochhob. Ich hörte, wie Elanor kam und ihn ebenfalls umarmte. Sie weinte. Ich konnte nicht weinen. Schnell nahmen wir ihn hoch und trugen ihn zum Fenster, wo Pierre und Alyana ihn entgegennahmen. Ich küsste noch einmal seine verdreckte Stirn, dann ging ich vor´s Haus. Und wie ich es mir gedacht hatte: Es dauerte keine fünf Minuten, da stürmte Tom aus der Wohnung und packte meine Hand. Ich spürte etwas spitzes, das sich in meinen Arm bohrte. Mir wurde schwindlig und ein paar Sekunden später, in denen ich Treppen hinunter stieg, verlor ich das Bewusstsein. Als ich wieder zu mir kam, erschien es mir, als läge ich in dem stinkenden Loch, aus dem wir Nic befreit hatten. Bestimmt war es auch so, aber in diesem Augenblick konnte ich nicht darüber nachdenken. Ich ließ mich fallen und versuchte nachzudenken, doch ich war völlig benommen. Hatte John schon die Polizei alamiert? Hatten sie Nic schon weggebracht? Langsam kamen meine Erinnerungen wieder und ich merkte, wo ich war. Bei den Typen! Ich bekam schreckliche Angst, doch ich sagte mir immer wieder: Die Polizei kommt! Plötzlich hörte ich Schritte von irgendwo her. Nach einer Weile begriff ich, dass sie in meine Richtung kamen. Ich hörte Schlüsselgeräusche, und sah, wie Thomas den Raum betrat. Er kam langsam zu mir und kniete sich neben mich. In seiner Hand hielt er eine kleine Spritze. Ich erschrack und wollte mich wehren, doch ich war wie gelähmt. Da ertönten Stimmen von draußen und Tom zuckte zusammen. Die Polizei, dachte ich und wollte rufen. Doch Tom war plötzlich komisch geworden – seine Augen flackerten und dann griff er plötzlich mit beiden Händen an meine Kehle. Ich würgte und er drückte immer fester zu. Ich verlor alle Hoffnung. Sie würden zu spät kommen. Und die letzten Worte die ich hörte, kamen von meinem Mörder: „Lebend kriegen sie dich nicht!“ Und dann wurde es schwarz vor meinen Augen. Kapitel 8: Kapitel 8 -------------------- Ich spürte eine Berührung auf meiner Stirn. Sie war sanft und doch spürte ich etwas starkes in ihr. Ich blinzelte und öffnete meine Augen. Über mir stand John und er lächelte. Bin ich im Himmel?, fragte ich mich. Und hat Tom vor mir auch noch meinen Bruder ermordet? Doch John sprach und als ich seine Stimme hörte, kamen auch die anderen Geräusche zurück und meine Augen sahen klar. Ich war im Krankenhaus. Neben mir standen John und meine Eltern, Lea, Meliane, Alyana und Pierre. Sie lächelten alle und ich lächelte zurück. Da fiel mir unsere Rettungsaktion ein und auch Nic kam in meine verschwommenen Gedanken zurück. „Wo ist Nic?“, fragte ich sofort. Meine Stimme war kratzig und ich musste husten. John nickte mit dem Kopf in eine Richtung und ich erhob mich vorsichtig, um seinem Blick zu folgen. Neben meinem Bett stand ein zweites, in dem Nic lag. Elanor saß neben ihm auf einem Stuhl. Als er mich sah, weiteten sich seine Augen vor Freude und er zwinkerte mir zu. „Danke!“, hörte ich ihn sagen. Ich lächelte ebenfalls und wäre am liebsten zu ihm gesprungen, doch ich hing am Tropf, also konnte ich nicht. „Was ist mit ihm? Überhaupt, was ist passiert?“, fragte ich nun, denn ich wollte unbedingt zu Nic. John ergriff das Wort. „Also, nachdem Tom dich geschnappt hatte, lief ich so schnell wie möglich zu Polizei, denn die Nerven gingen irgendwie mit mir durch. Ich hatte ganz vergessen, das wir eigentlich erst Nic wegbringen sollten...Also kam die Polizei und sie entdeckten Nic. Dann mussten wir alles erklären, sonst wären wir nämlich angeklagt worden. Dann holten die Polizisten dich aus dem Keller. Du warst ganz blau und wir dachten schon du wärst tot. Tom wurde geschnappt und aufs Revier gebracht. Auch Rick und die anderen. Dann sind wir alle mit dir und Nic ins Krankenhaus und haben die Familie angerufen. So und da sind wir jetzt. Ich weiß nicht mehr wie diese Droge heißt, aber es ist eine Gesundheitsschädliche, deshalb seit ihr noch hier. Bei dir ist ein Glück nichts Schlimmes passiert, aber Nics rechter kleiner Zeh ist gelähmt. Das sind Auswirkungen dieser Droge.“ Er unterbrach sie selbst kurz und schaute zu Nic, der Sehnsüchtig zu mir sah. Ich lächelte ihn an. „Und deshalb sollt ihr noch ne Woche hier bleiben.“ Da fiel mir plötzlich ein, was es bedeutete, dass die Polizei über Nic und Elanor Bescheid wusste. John erkannte meine Gedanken und sagte: „Keine Sorge: Unsere Nachbarin, du weißt doch die nette Frau Wehlte hat Elanor und Nic adoptiert. Sie hat sich gleich bereit erklärt. Alle sweitere wird noch geklärt und dann gehen sie beide auf deine Schule.“ Er lächelte mich an und ich lächelte zurück. Am Abend durften Nic und ich uns kurz sprechen. Ich hatte ihm soviel zu sagen und er mir auch. Alle Angehörigen waren verschwunden und wir waren allein in diesem Zimmer. Der Mond schien durch die großen Krankenhausfenster und Nic lächelte. Ich war so glücklich und zufrieden. Alles war geschafft. Und es wäre um ein Haar daneben gegangen. Irgendwann küssten wir uns. Und Nic sagte mir, dass er mich liebe. Ich sagte das gleiche und dann fielen wir beide in einen tiefen Schlummer, der uns weit in unsere Träume brachte. Ende Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)