Ich Severus Snape von abgemeldet (Young Severus - ein bisschen Depri - Erster Band meiner Saga) ================================================================================ Kapitel 10: Dumbledore ---------------------- Kapitel 10 Dumbledore Zurück ins Licht? I ch nehme mir ein Zimmer im Hogs Head, einem schä-bigen, verwahrlosten Pub. Der Vorteil des Hogs Head: Es liegt nicht an der Hauptstraße und ist sehr billig. Viel haben meine Besitztümer nämlich nicht eingebracht, aber es muss einfach reichen. Dann schreibe ich einen Brief an Dumbledore und bitte ihn um eine private Unterredung. Eine gemietete Eule aus dem Postbüro bringt ihn in die Schule hinauf oder dorthin, wo auch immer Dumbledore sich befinden mag. Es ist Ende Juli und das bedeutet Ferien. Ich habe mich nie gefragt, wo Dumbledore seine Ferien wohl ver-bringen mag. Der alte Magier ist der Einzige, der mir jetzt noch helfen kann. Er ist der Einzige, von dem ich sicher sein kann, dass er nicht auf der Seite des Dunklen Lords steht. Bei jedem anderen wäre auch ein Imperius Fluch möglich, der ihn dazu bringt, Dinge zu tun, die er niemals aus freiem Willen getan hätte. Ich habe diesen Fluch nur zu oft bei der Arbeit gesehen während meiner Zeit bei den Todessern und weis wie er wirkt – und ich weis auch, wie ich ihn abwehren kann – selbst der Dunkle Lord weis davon und versucht es nicht bei mir – warum auch? Immerhin hält er mich für seinen gehorsamen Diener. Als ich den Brief abgeschickt habe, wird mir klar, dass mir jetzt nur noch eins bleibt. Vielleicht das Schwerste – zu warten. Ich sitze in meinem schäbigen Zimmer und überdenke nochmals die Worte, die ich an Dumbledore richten will. Was und wieviel ich erzählen will. Alles, was ich über den Dunklen Lord und die Todesser weis, das ist klar, aber wie viel über mich selbst? Wieviel weis der alte Mann? Wieviel errät er? Wieviel muss ich ihm sagen? Nun, ich werde einfach abwarten, wie es läuft und seine Fragen so wahrheitsgemäß beantworten, wie ich nur kann. Er kann und darf mir nicht vertrauen, wenn ich nicht absolut ehrlich zu ihm bin, denn auch er wird ge-nau wissen, wenn ich nicht die Wahrheit sage, auch er hat diese Fähigkeit. Ich habe ihn immer für einen schrägen Vogel gehalten, hatte aber auch immer gewaltigen Respekt vor ihm. Er ist wirklich ein mächtiger weißer Zauberer. Ich habe Glück, ich muss nicht lange auf eine Antwort warten, schon am nächsten Tag bringt mir eine Eule einen Brief vorbei. Inzwischen habe ich schrecklichen Hunger – auch wenn ich nur noch selten wirklich Hun-ger verspüre (immer noch schlucke ich alles Mögliche, um nicht träumen zu müssen, das machte mich erneut abhängig – nach meiner Krankheit und raubt mir auch weiterhin den Appetit) und nur esse, wenn es unbedingt sein muss. In den letzten Tagen konnte ich nicht essen, ich war zu nervös, viel zu nervös und Tom - ich wollte mich nicht noch mehr bei ihm verschulden und habe, als es mir wieder besser ging, nur noch wenig von ihm angenommen – der klägliche Rest meines Stolzes hatte es mir verboten. Ich bin fast so dürr, wie mit vierzehn oder fünfzehn, obwohl ich inzwischen wirklich ein ausgewachsener Mann bin und in den letzten beiden Jahren bin ich auch nicht mehr gewachsen. Solche eigenartige Gedanken gehen mir durch den Kopf als ich Dumbledores Brief in der Hand halte. Lange starre ich den Umschlag an, drehe ihn unsicher hin und her, als könne ich seinen Inhalt erraten, ohne ihn zu öffnen. Es dauert, bis ich endlich meinen ganzen Mut zusammennehme und ihn aufreiße: Lieber Severus, komm um die Teestunde zum Schloss hinauf, ich werde Dich am Eingang erwarten, dann können wir in aller Ruhe reden. Albus Dumbledore Ein kurzer Brief, aber er klingt freundlich. Zur Teestun-de - mein Magen knurrt schon wieder, aber ich habe mein restliches Geld für dieses Zimmer ausgegeben und besitze noch nicht einmal mehr einen Knut. Nun, ich hatte schon öfter Hunger und bin damit fertig gewor-den. Was sollte es denn auch noch für eine Rolle für mich spielen? Wenn der Alte mir nicht glaubt, bin ich bereits so gut wie tot (und dann ist es egal, ob mein Magen voll oder leer ist) und wenn er mir glaubt, dann wird sich dieses Problem wohl von selbst lösen. Ich überprüfe meine Erscheinung im Spiegel. Schäbig - ich sehe so entsetzlich schäbig aus - Richtig verwahr-lost. Meine Haare reichen mir inzwischen bis zur Taille, hab sie seit Jahren nicht mehr schneiden lassen, dichte schwarze Stoppeln zeigen sich an meinem Kinn, müsste mich dringend mal wieder rasieren, aber nicht jetzt, meine Hände zittern zu sehr. Ich bin so dürr wie ein Skelett und meine fadenscheinige Robe hängt wie ein alter Kartoffelsack an mir, aber das lässt sich jetzt nicht ändern und Dumbledore muss ich nicht beeindrucken. Ich muss nur einfach hoffen, dass er mir glaubt und vertraut, trotz meiner verabscheuenswürdigen Taten in den letzten Jahren und plötzlich höre ich Hagrids grol-lende Stimme in meinem Kopf, als stünde er neben mir: „Da Dumbledore sagt imma, dass a jeda a zwoate Schanz´n ver-dient. A grossa Mo, da Dumbledore.“ Ja, Hagrid, ich hoffe du hast Recht, das hoffe ich aus tiefsten Herzen. Als es an der Zeit ist, mache ich mich auf den Weg zum Schloss hinauf. Der Brief klang wirklich freundlich, aber meine Zukunft ist so ungewiss, wie noch nie. Der Alte ist wirklich meine letzte Hoffnung. Er wartet, wie versprochen, vor dem Schlosstor auf mich. Silberhaarig, silberbärtig und er trägt immer noch dieselbe Halbmondbrille, die er schon hatte, als ich ein Junge war. Er scheint sich kaum zu verändern, scheint unberührt zu sein von den Wirren dieser Zeit. Seine hellblauen Augen funkeln in Wiedererkennen, als er mich sieht. Sein Nicken ist wie ein Willkommen. Wie-der habe ich das Gefühl, diesem Mann unbedingt ver-trauen zu können. „Komm rein, Severus, gehen wir in mein Büro“, meint er freundlich. „Gerne, Sir. Danke, dass sie bereit sind, mit mir zu re-den“, erwidere ich unsicher. „Später, später, komm erst mal mit nach oben.“ Schweigend steigen wir die Marmortreppe hinauf. Das Schloss wirkt jetzt im Sommer eigenartig leer und ver-lassen, keine lärmenden Schüler, kein Geräusch eiliger Füße, keine anderen Leute, selbst die Geister scheinen im Urlaub zu sein - Leer und verlassen. Er führt mich zum Steingargoyle, murmelt ein Passwort, das ich nicht verstehen kann und die Wächterstatue springt zur Sei-te. Eine Wendeltreppe trägt uns von selbst nach oben. Er winkt mich in sein Büro und weist mir einen Stuhl auf der einen Seite seines Schreibtisches zu, er selbst lässt sich dahinter nieder. „Jetzt ist die richtige Zeit zum Reden“, sagt er sanft. „Hier ist es völlig sicher. Kein Wort von dem, was du sagst, wird diesen Raum verlassen, wenn du es nicht willst. Severus, mein Junge, du siehst einfach schreck-lich aus. Was ist dir nur widerfahren?“ „Vieles, Sir, sehr vieles. Ich weis nicht, wo ich anfangen soll. Vielleicht das Wichtigste zuerst und dann, wenn sie mir zuhören wollen, wie und warum es dazu kam - Ich bin ein Todesser.“ Ich kremple meinen fadenscheinigen Ärmel hoch und zeige ihm das Dunkle Mal auf meinem linken Unterarm – natürlich habe ich inzwischen die Binden entfernt - Er schaut sich das Brandzeichen genau an, scheint aber weder erstaunt noch überrascht zu sein. „Aber nun hast du deine Meinung über Voldemort ge-ändert, nicht wahr? Sonst wärst du jetzt nicht hier. Er-zähl mir die ganze Geschichte. Ich möchte sie aus dei-nem eigenen Mund hören.“ Ich bin zusammengezuckt, als er den Dunklen Lord bei dessen richtigen Namen genannt hat, zu sehr bin ich es gewohnt, dessen Klang zu fürchten, ich schlucke hart und fahre fort: „Ja, Sir. Sie beginnt mit einem einsamen, kleinen Jun-gen, der zufällig ein Magier war. Ein Außenseiter, ein Prügelknabe. Als er alt genug war, kam er nach Hog-warts, dort fand er einen Freund, den ersten und einzi-gen Freund seines Lebens. Es dauerte über zwei Jahre, bis er überhaupt begriff, dass der andere Junge ein wahrer Freund war und sie hatten nur ein kurzes Jahr Zeit, diese Freundschaft zu genießen. Danach musste der andere Junge zwei Jahre lang eine andere Schule besuchen. Weit, weit weg von hier…“ „Du sprichst von Hieratus Morch, nicht wahr?“ „Ja, Sir. Hieratus, mein Freund, mein Blutsbruder. Der pathetische Akt eines heranwachsenden Jungen, aber mir war und ist diese Blutsbrüderschaft etwas völlig Ernstes, fast etwas Heiliges“ - Nachdenklich reibe ich an der alten Narbe in meiner linken Hand - „Dieser Eid hat mit meinen weiteren Taten zu tun. Auch, dass mir Hie-ratus Gold geliehen hat, dass ich nicht ohne etwas da stehe, solange er nicht da ist, spielt eine Rolle. Sie müs-sen wissen Sir, ich hatte nicht das geringste eigene Vermögen. Nichts, gar nichts. Als ich im Sommer vor meinem fünften Jahr nach Hause kam, war mein Vater gestorben. Zu viel Feuerwhiskey. Ich habe ihn im Hin-tergarten begraben, aber er hat mir nichts hinterlassen, nur unsere baufällige Hütte und ein paar üble, uralte Zauberbücher. Ohne das Gold von Hieratus, wäre ich damals schlicht und ergreifend verhungert. Ich schulde ihm so unendlich viel. In meinem fünften Jahr trat Lestrange an mich heran und bat mich einen Trank für ihn zu brauen und bot mir dafür, für meine damaligen Verhältnisse, ein kleines Vermögen an. Sie müssen sich das so vorstellen, Sir, ich hatte fast das ganze Gold von Hieratus in jenem schrecklichen Sommer ausgegeben. Ich hatte also eine Menge Schulden bei ihm. Meine ganze Kleidung war mir zu klein geworden und ich war damals im schönsten Wachstum. Das Gold von Lestrange bedeutete für mich ein Stück Freiheit, bedeutete die Möglichkeit, einmal nicht mehr der Schleimball sein zu müssen, nicht mehr schäbig, nicht mehr das Kind armer Leute… Nun, Lestrange blieb nicht mein einziger Kunde und nur zu schnell gewöhnte ich mich dran, über Gold zu verfü-gen, aber der vielleicht wichtigere Grund: Plötzlich wurde ich geachtet, geschätzt, war gefragt. Ich will mich nicht selbst loben, aber meine Arbeit war ausgezeichnet und das bedeutete mir so unendlich viel. Es ist sehr komplex, Sir und nicht einfach zu erklären…“ Der alte Mann brummt zustimmend und nickt. „Du bist den blendenden Verlockungen von Macht, Gold und Schmeichelei erlegen, mein Junge, wie schon so vie-le vor dir. Es ist auch meine Schuld, du warst mein Schüler und ich war für dich verantwortlich, ich hätte besser auf dich achten sollen. Warum hast du nie etwas davon gesagt, mich nie um Hilfe gebeten?“ „Es war mir zu peinlich darüber zu reden, Sir, ich habe mich zu sehr für alles geschämt … Nein, Sir, sie trifft nicht die geringste Schuld. Es war meine Entscheidung und ich bin diesen Weg gegangen, ohne mir groß Ge-danken um die Konsequenzen zu machen.“ Er brummt erneut und streicht sinnend durch seinen langen, silberweißen Bart. Mir wird klar, dass, was auch immer ich sage, er sich Vorwürfe machen wird (und ich bin längst nicht mehr sauer auf ihn wegen der Sache mit dem Werwolf – zuviel Wasser ist inzwischen die Themse hinunter geflossen – was aber nicht für die Herumtreiber gilt, auch wenn sie für mich wirklich un-wichtig geworden sind – jedenfalls meistens), also spre-che ich einfach weiter: „Im sechsten Jahr, war Hieratus wieder da und ich habe Tränke gebraut wie ein Besessener. Lestrange war da-mals schon aus der Schule, aber ich habe ihn in den Fe-rien getroffen. Er hat mir weitere Aufträge gegeben und meinen Ruf auch außerhalb von Hogwarts verbreitet. Ich konnte mich vor Arbeit kaum retten. Dann kam das letzte Jahr und mit ihm kam auch Igor Karkaroff, Hie-ratus alter Bekannter aus Dumstrang. Für Karkaroff gab es kein anders Thema, als den Dunklen Lord. Er war begeistert und konnte begeistern. Hieratus, mich und auch andere… Ich glaube, sie erinnern sich, wie schrecklich damals die Stimmung an der Schule war. Alle waren so hektisch, so fiebrig, als könne jeder Tag ihr letzter sein. Alle hatten Angst und dann die Berichte über die üblen Morde, das Verschwinden von immer mehr Leuten … Furcht, Angst, Unsicherheit. Auch ich wurde davon angesteckt… Eigentlich wollte ich Trankmeister an St Mungos wer-den, ich hatte sogar schon eine halbe Einstellungszusa-ge, aber inzwischen war mir klar geworden, was ich mit meinen Tränken und meinem verdammten Stolz über meine glänzende Arbeit angerichtet hatte. Ich wusste einfach nicht mehr, was ich tun sollte. Hieratus hatte mich eingeladen, bei ihm in seiner Stadtwohnung zu leben. Ich habe sein Angebot angenommen und mit meinen schwarzen Tränken weiter gemacht. Ich habe mein Gewissen betäubt und einfach weiter gemacht. Schon bald kam der Tag, als wir Drei - denn Igor Kar-karoff war auch bei uns - vom Dunklen Lord rekrutiert wurden. Es war damals bereits zu spät für mich, abzu-lehnen. Zu viele schwarze Tränke, zu tief verstrickt, in zu viele finstere Dinge… Die nächsten drei Jahre verbrachte ich wie in einer Starre, einem bösen Traum, ohne Denken, ohne Fühlen, ohne Gewissen, nur weiter, weiter auf meinem einmal eingeschlagenen Weg in den Abgrund... Irgendwie ist es mir gelungen, nie jemanden töten zu müssen, während meiner Zeit bei den Todessern, aber ich habe unzählige Tränke und Gifte gemischt – für den Dunklen Lord ... so nennt er mich auch – seinen ‚Giftmi-scher’ ... Es war eine tote Zeit, eine leere Zeit - So sinnlos - doch dann geschah etwas, dass mich wieder zu Verstand brachte. Etwas, das ich tat, ohne dass es mit den Todessern zu tun hatte - eine schreckliche Sache…“ bei den letzten Worten wird meine Stimme immer leiser und leiser. Ich möchte nicht mit Dumbledore über diese Sache re-den, aber ich werde es tun, wenn ich es tun muss. Ich schaue fragend in diese klugen, alten, blauen Augen. Sie sind traurig, so traurig, wie sie es fast immer waren, wenn es um mich ging. „Hast du jemanden getötet?“ fragt er sehr ruhig. „Nein, aber es hat nicht mehr viel gefehlt. Es war an dem Tag, nachdem Potter Lily geheiratet hatte. Sie müs-sen wissen, ich habe Lily immer verehrt - Ja, dieses alt-modische Wort passt ganz genau und Potter war immer mein Gegner gewesen, mein Feind. Eifersucht, Neid, Ein-samkeit … Ich weis selbst nicht genau, was mich da-mals bewegt hat. Nun, ich habe mir ein Mädchen gesucht, das ihr ähnlich sah - nicht bewusst - aber plötzlich hat mich der Rest meines Verstandes verlassen und ich habe die Kleine halb tot geprügelt…“ „Du musst nicht weiter reden“, unterbricht mich der alte Mann. „Ich verstehe, nicht dass ich es billige, gewiss nicht, aber ich verstehe.“ Ich nicke dankbar und fahre fort: „Nun, als ich wieder zu mir kam, kam ich völlig zu mir. Mir wurde klar, dass ich dieses Leben nicht weiter füh-ren kann, dass ich zwar alles andere als ein netter Kerl bin, dass ich aber auch kein Mörder sein will und die Todesser sind nichts anderes als Mörder.“ Ich erzähle ihm von dem halben Gespräch mit Hieratus, aber nicht so genau, wie es dazu kam. Dem Ruf des Dunklen Lords. Regulus Folterung und Hinrichtung und Hieratus Tod. Bei diesem Teil der Erzählung steht die Erinnerung so lebendig vor meinem inneren Auge, als wäre es gestern gewesen. Der Schmerz in meinem Inne-ren ist ungeheuerlich - Hieratus, mein Freund, mein Blutsbru-der - Plötzlich schwinden mir die Sinne und ich rutsche haltlos von meinem Stuhl, den Aufprall am Boden be-komme ich bereits nicht mehr mit. Ich komme wieder zu mir, als ich eine freundliche Hand auf meiner Schulter spüre. „Severus, was ist mit dir?“ Ich richte mich auf und schaue in diese besorgten Au-gen hinter der Halbmondbrille. „Entschuldigen sie, Sir, die Erinnerung…“ „Hast du Hunger, mein Junge? Du siehst aus, als hättest du ein paar Mahlzeiten ausgelassen, du bist ja nur noch Haut und Knochen.“ Ich schaue beschämt zu Boden und nicke. Aus dem Au-genwinkel bemerke ich, dass er mit seinem Stab durch die Luft wedelt und damit eine Platte mit Sandwichs zum Erscheinen bringt. Daneben steht eine dampfende Kanne Tee. „Iss erst mal etwas, dann kannst du weiter erzählen“, meint er ruhig. Ich lasse mir das nicht zweimal sagen, setze mich wie-der an den Schreibtisch und verschlinge geradezu die belegten Brote. Dumbledore sieht mir schweigend zu und nimmt nur hin und wieder einen Schluck aus seiner dampfenden Teetasse. Als der Teller leer ist, blicke ich wieder zu ihm auf. Ich habe den Faden verloren und muss erst überlegen, wie ich weiter erzählen soll. Ach ja, Hieratus Tod. Oh mein Gott! Ich schlucke schwer und schildere Dumbledore meine weiteren Überlegungen und Pläne. Nur kurz spreche ich über meine Zeit im Tropfenden Kessel – und nicht über meine Trankabhängigkeit, erzähle natürlich von meiner Ausrede, um nicht mehr die Tränke brauen zu müssen. Occlumentik… Er schaut mich lange und nachdenklich an und sein Blick scheint bis in meine tiefste Seele zu reichen, aber ich versperre mich nicht - er soll alles sehen können, wie es in mir ist. Schließlich nickt er, er scheint die Wahrheit in mir gesehen zu haben und mir zu glauben – Vertrauen - der alte Mann vertraut mir und mir fällt ein Tonnengewicht von der Seele. Ich werde ihn nie enttäu-schen, schwöre ich mir in diesem Augenblick – Niemals! „Wie kann ich dir dabei helfen?“ fragt er schließlich. „Ich werde ihnen alles erzählen, was ich von den Plänen des Dunklen Lords und seiner Todesser weis und noch in Erfahrung bringen kann. Ich werde ihm falsche Berichte über ihre Vorhaben geben, denn ich habe eine Menge wieder gut zu machen.“ „An welchen Vorwand hättest du gedacht, dass du dich unauffällig in Hogwarts aufhalten kannst.“ Seine Augen funkeln und er scheint bereits eigene Pläne zu haben. „Vielleicht haben sie eine Lehrerstelle für mich, vielleicht in Verteidigung gegen die Dunklen Künste – wenn ich ihnen nicht zu jung bin.“ „Eine Lehrerstelle, ja, aber nicht Verteidigung gegen die Dunklen Künste.“ „An welche Stelle haben sie dann gedacht?“ „Zaubertränke.“ Ich werde kreidebleich, mein Inneres krampft sich ent-setzt zusammen, das will ich nicht, nicht Zaubertränke. „Zaubertränke?“ krächze ich fast tonlos. „Sir, ich möchte nicht mehr in diesem Bereich arbeiten, nicht nach dem, was meine Tränke angerichtet haben.“ „Genau aus diesem Grund, möchte ich dich für diesen Posten. Ja, deine Tränke haben schreckliche Dinge an-gerichtet, aber ich kenne auch deinen Ruf. Du bist ein geradezu genialer Trankbrauer. Der alte Leech hat sich zurückgezogen und er hat immer in den höchsten Tö-nen von dir gesprochen. Er hat mir einmal gesagt, dass er sich einen so brillanten Nachfolger wie dich wün-schen würde – und darum spielt auch für mich dein Al-ter keine Rolle – weil du einer der Besten bist, den ich für diesen Job finden kann.“ Ich werfe ihm einen gequälten Blick zu. Was soll ich tun? Die einzige Zukunft, die es noch für mich gibt, liegt hier, in Hogwarts. „Du musst es wieder gut machen“, höre ich erneut Hieratus Stimme in meinem Kopf. Ja, ich muss es gut machen und das hier ist der einzige Weg, den es noch für mich gibt. „Ja, Sir, ich nehme die Stelle an, ich habe keine andere Wahl, keine andere Zukunft.“ „Mit dem Posten ist die Stellung des Hauslehrers von Slytherin verbunden, auch diese biete ich dir an.“ „Danke Sir, soviel hätte ich nicht erhofft und was das Andere betrifft…“ „Du musst nicht für mich spionieren, mein Junge. Hier in Hogwarts bist du vor Voldemort geschützt. Hier sind wir für ihn unerreichbar.“ „Und zulassen, dass weitere Unschuldige einfach so ge-foltert werden, leiden und sterben?“ platze ich heraus. „So beiläufig, wie man eine Fliege erschlägt? Nein, Sir, dann würde ich mich so schuldig machen, als spräche ich selbst die Unverzeihlichen Flüche aus - Außerdem: Ich habe wirklich eine Menge wieder gut zu machen.“ „Gut Severus, dann ist das abgemacht und du kannst am ersten September hier als Lehrer anfangen. Weist du, wo du in der Zwischenzeit unterkommen kannst?“ „Nein Sir, nur vielleicht noch für ein paar Tage. Solange ist das Zimmer im Hogs Head noch bezahlt, danach ver-füge ich nicht mehr über die geringsten Mittel.“ Es ist mir peinlich, das einzugestehen, aber mein Ent-schluss, ehrlich zu sein, leitet mich auch jetzt. „Dann kannst du sofort in Leechs Räume in den Verlie-sen einziehen. Er ist bereits nach Wales gegangen und sie stehen leer.“ „Danke, Sir, nur zu gerne.“  Professor für Zaubertränke M eine neuen Räume liegen unter der Erde, aber in-zwischen macht mir das nicht mehr viel aus. Ich bin die Sonne schon seit Jahren nicht mehr gewohnt und scheue inzwischen ihre Strahlen. Nein, keine Sonne mehr, nicht mehr seit jenen letzten sorglosen Tagen mit Hieratus auf meiner Lichtung… Ich habe in der Nacht gelebt, bin ein Teil der Dunkelheit geworden, sie ist mein Heim und mein Versteck, der Ort an den ich gehöre. Das Zwielicht, die Schatten und die Dunkelheit – sie alle sind ein Teil von mir und ich ein Teil von ihnen. Filch hilft mir, mich häuslich einzurichten und jetzt wird mir einiges klar. Warum er mich angeblich nie ge-sehen hat. Warum ich immer ungestraft des Nachts durch das Schloss steifen konnte. „Ich kannte ihre Mutter, Professor Snape“, sagt er, wäh-rend er meinen Koffer auspackt. ‚Professor’ das klingt so seltsam - Ich, ein Professor?! „Ich habe sie früher oft nachts im Schloss herumstreifen sehen. Sie haben mich sehr an Lucinda erinnert. Sie hatten ja nie etwas Böses vor, keine Streiche oder so.“ „Ich dachte mir schon, dass sie Bescheid wussten, Mr Filch. Aber ich wusste nie, warum sie mich nicht auf-gehalten haben.“ „Die Erinnerung an ihre Mutter - Lassen wir es dabei - Es ist schon so schrecklich lange her…“ Seine Augen bekommen einen eigenartigen, verträum-ten Ausdruck und er kramt noch etwas im Zimmer her-um, dann nickt er mir zu und geht. Meine Mutter … Ich habe nie viel von ihr gehalten. Im-mer weinend, schluchzend, schweigend, unterwürfig und leer … Aber nach dem wie Tom und Filch auf die Erinnerung an sie reagieren, muss sie in ihrer Jugend eine zweite Lily Evans gewesen sein… „Strahlend“, hat Tom gesagt und Filch hat feuchte, ver-träumte Augen bekommen. Ich werde die Wahrheit wohl nie erfahren, auch nicht, wie es dazu kam, dass sie meinen Vater, den alten Bas-tard, geheiratet hat. Meine neue Wohnung besteht aus einer Mischung von Wohnraum, Büro und Arbeitszimmer mit einer Labor-ecke und aus einem Schlafzimmer mit angeschlossenem Bad, eigenem Kamin und einer Art kleinen Küche mit Essecke. Diese Privaträume sind hinter einem staubigen, alten Samtvorhang in einer dunklen Nische des Haupt-raums verborgen. Nur ein geheimes Passwort ermög-licht den Zugang - Meine Privaträume - So etwas hatte ich noch nie. Entweder gehörten sie jemand anderen oder es hatten auch andere Zutritt. Plötzlich bin ich müde, so müde, wie noch nie in mei-nem Leben. Ich lasse mich vollständig angezogen auf mein neues Bett fallen und ehe ich auch nur richtig lie-ge, bin ich schon eingeschlafen. Zum ersten Mal seit über zehn Jahren schlafe ich eine ganze Nacht durch, volle zehn Stunden, nur weil ich müde bin und ohne die zweifelhafte Hilfe von Zaubertränken oder weil ich ein-fach bewusstlos umgefallen bin. Ich habe einen phantastischen Traum: Ich sitze mit Hieratus in der Bibliothek in seinem Land-haus und spiele mit ihm Schach, wie wir es damals so oft getan haben, gleichzeitig ist mir vollständig be-wusst, dass Hieratus schon seit fast einem Jahr tot ist. Er hebt seinen Kopf über dem alten Schachbrett und richtet seine treuen Hundeaugen auf mich. „Severus, mein Alter“, sagt er, wie er es früher immer getan hat und lächelt mich traurig an, „du hast die ein-zig richtige Entscheidung getroffen. Wir, hinter dem Schwarzen Schleier, wir wissen, wir sehen, wir kennen die Antworten. Dumbledore steht auf deiner Seite und setzt sein Vertrauen in dich. Du darfst ihn nicht enttäu-schen. Jetzt nicht, niemals…“ „Hieratus, Blutsbruder … Himmel, mein Freund, ich vermisse dich so sehr“, stammle ich heraus. „Warum nur, warum, bist du vor mich gesprungen? Du weist doch, dass ich meine Kämpfe immer alleine ausfechte. Das weist du doch, oder?“ „Musst du das wirklich fragen, teuerer Freund? Musst du? Ich habe dich geliebt und liebe dich immer noch. Selbst hier hinter dem Schwarzen Schleier, kann nichts meine Liebe zu dir zum Erlöschen bringen. Ich habe dich mehr geliebt, als mein Leben und habe es freudig aufge-geben, damit du das deine weiter führen kannst. Es war die einzige Art, auf die ich dir meine wohl hoffnungslose Liebe zeigen konnte. Und jetzt sehe ich mit Freude, dass es das wert war, dass es richtig war, für dich zu sterben ... Du hast aufgehört, dich selbst zu Grunde zurichten, hast dein Leben wieder angenommen, egal, was es dir zu bieten hat … du bist jetzt bereit, zu kämpfen, eine Veränderung herbei zu führen, gegen das Unheil, das Voldemort verursacht, vorzugehen. Du hörst, ich wage es jetzt, ihn bei seinem wahren Na-men zu nennen. Hier, hinter dem Schwarzen Schleier, bin ich unerreichbar für ihn. Du, in deiner Welt, bist es nicht. Bleib also vorsichtig und sei schlau, aber hör nie auf, zu kämpfen… Ich war dein Freund und werde es immer bleiben. Im Leben, wie im Tod. Nichts, gar nichts, kann eine große Freundschaft wie die unsere zerstören…“ „Ach, Hieratus, Blutsbruder…“ seufze ich. Ich weis, es ist nur ein Traum, aber ihn noch einmal sehen zu dürfen, mit ihm nochmals sprechen zu können, das ist mehr, als ich auch nur zu träumen gewagt habe – und das tue ich ja gerade – träumen. Wir reden und unterhalten uns noch lange. Später kann ich mich nicht mehr an alles erinnern, aber ich fühle mich seltsam getröstet, ruhig und beinahe glücklich. Das raschelnde Trippeln kleiner Füße weckt mich am nächsten Morgen und als ich schlaftrunken über die Kante meines Bettes schaue, blicke ich in zwei riesige, gelbe Augen, die sich direkt vor meinem Gesicht befin-den. „Sind sie wach, Sir?“ piepst eine kleine Stimme. Eine Hauselfe. Das Gesichtchen kommt mir bekannt vor. Ja, ich kenne diese Elfe, sie hat früher Hieratus gehört, damals in seinem Haus in London, aber ich kenne ihren Namen nicht. „Was machst du denn hier?“ frage ich verblüfft. „’Pass auf Master Severus auf, sollte mir was zustoßen, Pixi’, hat er zu mir gesagt. ‚Irgendwann wirst du ihn in Hogwarts finden. Irgendwann kehrt er sicher zu Dumbledore zurück’. Zwei Tage später war er tot und Pixi ist nach Hogwarts gegangen, um zu warten, bis Master Severus auch hierher kommt. Möchten sie Frühstück, Master Severus?“ Frühstück? Eine glänzende Idee, ich bin hungrig genug, einen ganzen Greifen zu verschlingen – roh und ohne Salz. „Ja, gerne Pixi“, sage ich. Ich habe Hauselfen immer ignoriert, denn Hieratus meinte einmal, es wäre ihnen so lieber. Eine gute Haus-elfe wolle weder gehört noch gesehen werden, aber wenn sie mich schon anspricht, kann ich genauso gut freundlich zu ihr sein. Ein Vermächtnis von Hieratus … Ach, mein Blutsbruder, du fehlst mir so sehr … und dann dieser Traum … Ich weis jetzt, du bist immer noch an meiner Seite, wie du es so viele Jahre lang warst, bist immer noch mein Freund, mein Blutsbruder, auch wenn der Schwarze Schleier zwischen uns stehen wird, so lange ich noch am Leben bin und ich muss weiter leben. Das schulde ich dir für dein großzügiges, edles, selbstloses Opfer, wei-terzuleben, bis zu dem Ende, das mir dereinst bestimmt ist. Auf einem Tisch am Kamin steht ein Frühstück, groß genug, um eine ganze Armee Hungriger zu sättigen. Nun, ich bin keine ganze Armee, aber ich schlage mich auch nicht schlecht. Die Sandwichs gestern, waren die erste halbwegs anständige Mahlzeit seit Tagen und nach dem langen Schlaf habe ich – zum ersten Mal seit langem - wieder gewaltigen Hunger. Ich sende einen dankbaren Gedanken an meinen Freund, dorthin, wo auch immer er sein mag. Ja, ich werde weiter machen und sein Vermächtnis hilft mir dabei, bringt mich dazu mein Leben wieder anzu-nehmen, mich um meine grundlegenden Bedürfnisse zu sorgen. „Master Severus, Pixi will sich um ihre Kleidung küm-mern. Darf Pixi?“ „Hmm? Ob du daran noch viel retten kannst? Die Sa-chen sind alt und schäbig, aber wenn du willst, versuch dein Glück.“ Die Elfe quietscht freudig, eilt zum Schrank hinüber und zieht meine Roben heraus. Es sind wirklich nicht mehr viele. Ich entschließe mich ins Bad zu gehen und mich wenigstens äußerlich wieder zu einem Menschen zu ma-chen, auch das bin ich ihm schuldig… Eine Rasur und meine Haare sind viel zu lang. Nun, wenn ich es will, bin ich nicht ungeschickt mit meinem Zauberstab. Als ich mich wieder im Spiegel ansehen kann, ohne vor mir selbst zu erschrecken, beschließe ich in mein Büro hinüber zu gehen und meinen Unterricht vorzubereiten. „Enttäusche ihn nicht. Jetzt nicht, niemals…“ Ja, ich werde ihn nicht enttäuschen, ich werde mein Bestes geben, jetzt und auch in Zukunft. Es sind fünf Jahrgänge zu je zwei Klassen und zwei Jahrgänge, in denen die Fachleute auf die GAME vorbereitet werden – Also eine Menge Arbeit und es wird sicher eine Weile dauern, bis ich mich daran gewöhnt habe. Kann ich überhaupt unterrichten? Ich habe oft genug mit Hiera-tus gelernt und da hat es immer geklappt, aber das war nur einer und außerdem war er mein Freund, das ist etwas ganz anderes. Wir waren gleichaltrig, standen auf einer Ebene, aber jetzt? Jetzt bin ich ein Professor, eine Autoritätsperson … Ich darf vor den Kids keine Unsicherheiten zeigen und darf nicht zulassen, dass sie sich vor mir Schwachheiten er-lauben. Ich muss von vorne herein klarstellen, dass ich Respekt verlange. McGonagall und Kettleburn fallen mir ein. Die sind jetzt Kollegen von mir, nicht länger meine Lehrer. Ein eigenartiger Gedanke. Nun, zurück zum Thema Respekt. Den alten Kettleburn haben wir immer gemocht, sind ihm aber auch ziemlich auf der Nase herum getanzt. Ich muss schief grinsen, als mir meine Aktion von da-mals mit den rankigen Runkelrüben einfällt. Verdammt lang her, so verdammt lang… Bei McGonagall wäre ich nie damit durch gekommen, die hatte ihre Augen überall, beim alten Leech auch nicht, was das betrifft. Ich darf also nicht zu weich zu den Schülern sein, nun, das dürfte mir nicht schwer fal-len - ich bin kein netter Kerl. Streng, aber gerecht und wenn ich Talent bemerke, muss ich es fördern, bis an seine Grenze, zu leicht können in meinem Spezialgebiet - und das sind Zaubertränke nun mal - schwerwiegende Fehler passieren. Ich darf keinen Schüler bevorzugen, keinen benachteiligen - Hohe Ziele, Severus, sehr hohe Ziele. Plötzlich klopft es an der Tür. „Herein“, brumme ich geistesabwesend. Die Tür öffnet sich und Dumbledore streckt seine krumme Nase durch den Spalt. „Hast du Zeit, Severus?“ „Selbstverständlich, für sie immer, Direktor.“ Er kommt zu meinem Schreibtisch. „Ah, ja. Du bist dabei deinen Unterricht zu planen, aber du warst ja schon immer arbeitsam und gewis-senhaft. Nein, es geht nicht um deine andere Arbeit für mich“, sagt er, als er meinen fragenden Blick wahr-nimmt. „Ich dachte, du würdest es vielleicht gerne wis-sen: Lily hat einen kleinen Sohn bekommen und er hat ihre Augen…“ Mir ist, als hätte ein Blitz in meinen Kopf eingeschla-gen, genau dort, wo mein Verstand sitzt - Lily, wunder-volle Lily - Jetzt ist sie Mutter, hat einen kleinen Sohn. Es hätte mein Sohn sein können, wenn es anders gelau-fen wäre … Wenn ich ein anderer gewesen wäre… Lilyelfe tanzt vor meinem geistigen Auge über meine Lichtung. Nur trägt sie dieses Mal ein kleines Bündel in den Armen, ihr Baby. Ich hatte damals natürlich nicht die geringste Ahnung, wie tief mich der Anblick dieses Kindes elf Jahre später in meinem Innersten treffen sollte: Ein Junge, der James Potter wie aus dem Gesicht geschnitten war, aber Lilys Augen hatte. Wie sehr ich Harry dafür hassen sollte, dass er in jeder Hinsicht ein Ebenbild seines Vaters, meines alten Gegners, war, wie sehr ich ihn würde beschützen wollen, weil er Lilys Sohn war, die ich über alles geliebt habe… Als meine Augen wieder klar werden, ist der Alte bereits gegangen… Ich richte mich ein, gehe meiner geheimen Aufgabe nach und berichte über Dumbledores vorgebliche Pläne an immer wieder andere Todesser, mit denen ich durchs Feuer spreche - so muss ich Hogwarts nicht verlassen - höre von ihnen geflüsterte Anweisungen und geheime Pläne des Dunklen Lords. Dumbledore wird von mir über alles informiert, gibt mir neue Direktiven und so weiter und so fort - eine einzige gigantische Intrige. Das Unterrichten fällt mir nicht leicht. Es ist schwierig, sich bei einem Rudel Minderjähriger durchzusetzen. Ich schreie nicht - ich habe es immer gehasst zu schreien oder angeschrieen zu werden - wenn ich Aufmerksam-keit erregen will, flüstere ich. Will ich jemanden an-spornen, bessere Leistung zu erbringen, verspotte ich ihn - Bei manchen wirkt es - die meisten jedoch fürch-ten mich. Auch hängt mir mein übler Ruf aus meinen letzten Schuljahren immer noch nach. Was soll ich machen? Ich bin eben kein netter Kerl. Halloween kommt und eine schlimme Welle von Ein-samkeit überfällt mich. Ich habe inzwischen schon zwei Gehälter bekommen und meine Schulden bei Tom be-zahlt, etwas Gold ist mir sogar noch übrig geblieben. Ich habe schon ewig kein Butterbier mehr getrunken und ich hätte jetzt plötzlich große Lust auf eins. Es ist Hogsmeade Wochenende und die Schüler sind im Dorf, aber ich habe keine Neigung, ihnen dort zu begegnen. Pixi läuft in meinem Schlafzimmer herum und räumt auf. Sie hat mit meinen alten Roben wahre Wunder be-wirkt, trotzdem brauche ich in absehbarer Zeit neue, nur eine ist noch in einwandfreiem Zustand. Die Grünsilberne, die ich damals zusammen mit Hiera-tus gekauft habe. Ich habe es nicht übers Herz ge-bracht, mich von ihr zu trennen. Weil mir danach ist, ziehe ich sie jetzt an, außerdem ist heute Abend ein Fest in der Großen Halle, da kann ich ruhig auch mal was Freundlicheres anziehen, anstelle meines üblichen Schwarz. Hieratus ist schon beinahe ein Jahr tot und ich vermisse ihn noch immer so entsetzlich wie am ersten Tag, viel-leicht sogar noch mehr, weil mein Verstand jetzt wieder richtig funktioniert und nicht mehr auf Sparflamme läuft, auch wenn mein Freund mich manchmal in mei-nen Träumen besucht, ist das einfach nicht das Selbe, wie mit dem lebenden Hieratus reden zu können und er hat mir eindringlich verboten, mich in Träume zu flüch-ten, nur weil ich ihn immer wieder sehen will. „Du musst in der Realität weiter leben, nicht in diesem Traum. Hier kannst du nichts bewirken, es vergeht nur leere Zeit“, hat er ei-nes Nachts zu mir gesagt. Aber manchmal, manchmal gehe ich trotzdem träumen, wenn die Einsamkeit zu schlimm, zu erdrückend wird (nicht, dass ich inzwischen wieder besser schlafen wür-de – eine ganze Nacht durchzuschlafen, ist wohl immer noch jenseits von allem), aber wenn ich mal schlafe, dann träume ich auch – wenn auch meistens nicht be-sonders gut – die Tränke wirken nun gar nicht mehr und ich versuche, sie weitgehend zu reduzieren – nicht besonders erfolgreich, aber es ist weniger geworden. Ja, meine Kollegen respektieren mich, aber eben nur als Kollege, Freunde habe ich keine - Einsam… Als ich vor mich auf den Boden schaue, steht dort Pixi und blickt mich erwartungsvoll an. „Master Severus geht aus? Halloween feiern?“ will sie wissen. „Würde ich gerne, aber ich will keinen Schülern im Dorf begegnen“, gebe ich nüchtern zurück. „Aber das muss Master Severus doch nicht“, erwidert sie fröhlich. „Heute Abend gibt es im Dorf ein Fest. Leute tanzen, trinken, haben Spaß. Wer nicht erkannt werden will, nimmt einfach seine Kapuze über den Kopf.“ „Aber man würde mich trotzdem sehen, wenn ich das Schloss verlasse“, argumentiere ich trocken. „Master Severus muss nicht gesehen werden“, flötet die kleine Elfe und macht einen kleinen Luftsprung. „Hog-warts hat viele Geheimgänge, einige führen nach Hogsmeade, einer davon ist gleich hinter diesem Schrank. Weis kaum einer davon. Nur die Hauselfen wissen.“ Sie tappt die linke Schrankseite dreimal mit ihren lan-gen, dürren Spinnenfingern an und der Schrank schwingt von der Wand weg, dahinter ist ein Loch, das zu einem langen Gang führt. „Der Weg führt nach Hogsmeade, Master Severus, direkt hinter das Hogs Head. Gleich daneben ist die Scheune, wo das Fest stattfindet. Heute Abend um neun … Wird Master Severus hin gehen?“ drängt sie mich und sieht mich erwartungsvoll an. „Würde ich gerne, aber da ist das Fest in der Großen Halle und Dumbledore erwartet dort alle Lehrer“, winke ich ab. „Aber wenn Master Severus dort war und gegessen hat, kann er hingehen, wohin er will“, erklärt sie drängend. „Master Severus sollte Spaß haben, wirklich, Master Se-verus schläft so wenig und so schlecht. Vielleicht kann Master Severus dann besser schlafen, wenn er mal biss-chen Spaß hatte.“ Ihre gelben Untertassenaugen funkeln mich hoffnungs-voll an. Ich überlege nicht lange, die Verlockung ist ein-fach zu groß. „Ja, Pixi, ich werde gehen“, stimme ich endlich zu. „Dan-ke für den Tipp mit der Geheimtür.“ Sie strahlt mich an, scheint ganz verlegen und läuft plötzlich davon. Na ja, da versteh einer die Hauselfen. Das Festessen in der Großen Halle war köstlich, den-noch bin ich kurz vor neun verschwunden. Unten in meinem Schlafzimmer, werfe mir meinen alten Umhang über die smaragdgrüne Robe, dann tappe ich an den Schrank. Wie erwartet schwingt er auf und ich trete durch das ovale Loch. Der Weg ist recht lang und ziem-lich dunkel, aber ich brauche kein Licht, denn habe meine Nachtaugen nie verloren. Jahre später ermöglichte es mir dieser Gang, erneut für Dumbledore zu spionieren, denn er führt unter der Apparationsgrenze von Hogwarts hinaus. Doch damals hatte ich keinen Gedanken an derartige Zwecke. Die Scheune ist hell erleuchtet und für Halloween ge-schmückt. Kürbisse, Skelette, Fledermäuse. Ich suche mir einen Einzeltisch in einer Ecke und bestelle mir ei-nen Krug Butterbier, meine Kapuze hängt über meine Augen, denn ich möchte nicht erkannt werden. Die Leu-te scheinen mein Inkognito einfach zu akzeptieren und ich bin hier nicht der einzige, der sein Gesicht verbirgt. Die Bedienung knallt einen Krug vor mir auf den Tisch und ich schiebe ihr wortlos ein paar Münzen hinüber, dann nehme ich einen Schluck von dem heißen Getränk. Es läuft wie Balsam meine Kehle hinunter, wärmt mir Magen und Seele. Einen Augenblick lang ist mir, als würde Hieratus neben mir sitzen und mir zuprosten. Musik, wundervolle Musik setzt ein. Sie klingt nach ein-samen Mooren, grünen Hügeln, Nebel und Ferne, Schat-ten im Mondlicht, einer Quelle im Wald… Noch nie hat mich eine Melodie so sehr berührt, sie hät-te Hieratus sicher auch gefallen. „Ich wünschte, du könntest wirklich hier sein, Blutsbru-der“, denke ich. Er fehlt mir so sehr und ich bin so schrecklich einsam. Die Leute beginnen zu tanzen, wirbeln zum Takt der Musik herum. Ein Stück folgt dem anderen und alle ha-ben sie dieselbe Eindringlichkeit, wecken in mir die al-ten Träume ... inmitten der Masse von Menschen, des Lichtes und der Musik finde ich ein Stück des so drin-gend benötigen Friedens… Fast ein Jahr vergeht und ich gehe meinen Aufgaben nach – beiden - dem Lehren und dem Spionieren und langsam komme ich auch aus dem Sumpf meiner Ab-hängigkeit – auch wenn es mir alles andere als leicht fällt, so gelingt es mir inzwischen die meiste Zeit ohne diesen „hilfreichen“ Tränke auszukommen, doch es war ein Weg durch die Hölle – wohl nicht die erste, durch die ich gekrochen bin, aber eine der härtesten, das hier musste ich wirklich ganz alleine durchstehen – keiner, wirklich keiner durfte davon wissen. Es wäre zum La-chen, wenn es nicht zum Weinen wäre – ein Zauber-trank abhängiger Tranklehrer, der auch noch als Spion bei den Todessern arbeitet – vollkommen absurd, aber dennoch ist es so. Ich bin zwar sehr einsam und ein wenig bitter, aber ir-gendwie doch eigenartig zufrieden und ruhig. Ich habe das Gefühl, zum ersten Mal in meinem Leben etwas wirklich Sinnvolles zu tun - fast so gut, wie mein einsti-ger, ehrgeiziger Traum von St Mungos. Doch dann bekomme ich eines Tages eine erschreckende Nachricht von einem der Todesser. „Der Dunkle Lord hat ein für alle Mal genug von Dum-bledores Anhängern, er will sich so bald wie möglich die Potters vorknöpfen, sie haben ihm zu oft ein Schnipp-chen geschlagen. Wenn du weist wo sie sind, dann sag es, wenn nicht, dann finde es heraus“, zischt die ver-hüllte Gestalt aus den Flammen. Himmel, James und Lily, verdammt. Ich weis, dass sie für Dumbledore arbeiten und auf Grund meiner Informati-onen, gegen den Dunklen Lord und seine Pläne vorge-hen konnten. Nicht, dass ich einen von ihnen gesehen hätte, alles läuft über den alten Mann. So schnell ich kann, beende ich das Gespräch und eile sofort zu Dumbledore. Ich treffe ihn in den Gängen und er erkennt sofort an meinem Blick, dass ich etwas Wich-tiges zu sagen habe. Er winkt mich zu seinem Büro. „Was gibt es so Dringendes, Severus?“ „Der Dunkle Lord ist hinter den Potters her“, platze ich heraus. Er seufzt schwer, scheint aber nicht sonderlich über-rascht zu sein. „Das habe ich befürchtet, danke Severus, jetzt weis ich Bescheid. Nun, es gibt einen Weg, sie zu schützen und ich werde ihnen diesen vorschlagen.“ „Wollen sie, dass sie sich hier, in Hogwarts verstecken?“ will ich wissen und mir ist bei diesem Gedanken ziem-lich unwohl – aus mehreren Gründen. „Nein - Nein, Severus. Sie sind eine junge Familie und haben ein kleines Kind. Nein, das wäre keine befriedi-gende Lösung. Ich werde ihnen den Fidelius Zauber vor-schlagen, mit dem man ein Geheimnis im Inneren einer lebenden Seele versiegeln kann. Ich nehme an, sie wer-den Sirius als Geheimnisträger wählen. Er war schon immer James bester Freund…“ „Ich hoffe, dass meine Information noch rechtzeitig kam“, seufze ich leise. „Du hängst immer noch an Lily?“ will er wissen. Ich wende das Gesicht ab und lasse meine Haare davor fallen, denn ich bin rot geworden. „Ja, Sir. Sie ist etwas Besonderes - schon immer gewesen – und ich wünsche ihr alles Glück auf der Welt.“  Das Ende vom Anfang D ann überschlagen sich plötzlich die Ereignisse. Die Situation ist in den letzten Jahren immer schlimmer geworden - Misstrauen, Angst, Hass - Berichte über Folterungen, verschwundene Personen ... und Morde, zahllose Morde. Ich habe in Hogwarts in relativem Frieden und Ruhe gelebt und was draußen geschah, drang nur in meine Welt ein, wenn ich mit den Todes-sern sprach und das war nicht allzu oft. Aber jetzt…? In den nächsten Tagen höre ich immer häufiger be-kannte Namen, die zu Toten gehören, von beiden Par-teien, Todesser, wie weiße Magier - auch die Auroren sind auf der Jagd. Es fühlt sich wieder so hektisch an, wie in meinem letz-ten Schuljahr. Furcht, Angst, Ausbrüche von manischer Lebensfreude. Ich tadle nicht einmal mehr meine Schü-ler, wenn sie über die Stränge schlagen, es hätte einfach keinen Sinn. Überall hängt die Angst vor dem Tod und vor Schlimmeren in dicken Wolken im Schloss und über dem Gelände und ich muss das nicht noch durch mein Verhalten verschlimmern – Man kann einfach keinem befehlen, keine Angst zu haben – Wenn sie da ist, ist sie da und keiner kann das ändern, weder durch Schimpfen noch durch gutes Zureden... Dann ist Halloween. Wie schon im Jahr zuvor, schleiche ich mich wieder mit-ten in der Nacht heimlich ins Dorf, aber dieses Mal ist alles ganz anders. Überall stehen Leute in kleinen und größeren Gruppen zusammen und tuscheln, obwohl es dunkel ist und sie normaler Weise entweder in der Scheune oder Zuhause sein würden. „...die Potters…“ „Ja, die hat es erwischt, aber ihr kleiner Sohn Harry…“ „...habe ich auch gehört…“ „Ja, Du-weist-schon-Wer konnte ihn nicht umbrin-gen…“ „…dann ist er einfach verschwunden…“ „…machtlos…“ „…vielleicht tot…“ „…wäre das Beste…“ „…ein Grund zum Feiern…“ „...Todesser in alle Winde verstreut…“ „...ja, die Auroren fangen sie in ganzen Gruppen…“ „…die Potters … tot…“ Mich hält es nicht im Dorf und ich renne durch den Ge-heimgang zum Schloss hinauf – Dumbledore – Dum-bledore wird Bescheid wissen. Wie von Furien gehetzt, laufe ich zu seinem Büro hinauf. Der Gargoyle springt wie von selbst vor mir zurück und ich fliege geradezu die Wendeltreppe hinauf. „Sir“, rufe ich niedergeschmettert, „Sir, stimmt das, was erzählt wird?“ Er schaut mich mit einer eigenartigen Mischung aus Freude und Trauer an. „Ja, die Potters wurden von Voldemort ermordet und er selbst ist verschwunden, als er ihren kleinen Sohn Harry nicht töten konnte. Keiner weis, wie oder warum. Ich muss mich auf den Weg machen, mich um alles küm-mern, Gerüchte überprüfen, für den Jungen sorgen und so weiter, wenn du mich jetzt bitte entschuldigst, Seve-rus, ich habe es eilig“ und weg ist er. Die ganze Nacht und den ganzen folgenden Tag irre ich wie verloren durch das Schloss, das Gelände und das Dorf. Immer neue, wildere Geschichten, immer neue, phantastischere Nachrichten. Sirius soll Pettigrew und ein dutzend Muggel mit einem einzigen Zauber getötet haben. Davor soll Pettigrew ihn beschuldigt haben, Lily und James verraten zu haben. Als die Leute vom Minis-terium Sirius verhaftet haben, soll der wie ein Wahnsinniger gelacht haben. Sirius muss der Geheim-nisträger der Potters gewesen sein - Dumbledore hat so was angedeutet. Lupin scheint wie vom Erdboden verschwunden zu sein. Keiner weis wohin, irgendwie verständlich, wer traut schon einem Werwolf? Ich weis nicht, was ich glauben soll, ich weis nicht, was ich denken soll, ich höre so viel, manches ergänzt ande-res, noch anderes widerspricht allem. Ich bin nicht ganz bei mir selbst, laufe nur ziellos herum, nur nebenbei bemerke ich, dass die Leute vor mir zurückweichen – ich muss wirklich erschreckend aussehen, in meiner schwarzen, wehenden Robe – wie eine dürre, blutrüns-tige Fledermaus. Irgendwann am nächsten Abend dringt die Erkenntnis endlich zu mir durch, wie vom Schlag getroffen taumle ich durchs Dorf - Lily ist tot - meine Elfe ist nicht mehr - Tot - für immer verloren… Wie unter Zwang kaufe ich mir zwei Flaschen Feuer-whiskey, fliehe damit in die Verliese und verstecke mich in meinem Schlafzimmer. Nach zwei großen Schlucken von der scharfen Flüssigkeit beginnt mein Verstand wieder richtig zu funktionieren. Je mehr ich trinke, um-so klarer scheint er zu werden. Lily und James sind tot - meine Elfe und mein alter Wi-dersacher wurden vom Dunklen Lord ermordet. Plötzlich wird mir alles zu viel - es ist, als würde ein Damm brechen und ich schreie laut auf - keiner hört mich - Alle anderen feiern den Niedergang des Dunklen Lords, aber ich kann nicht feiern. Sirius, geliebter Feind … Verräter an seinem besten Freund? - Ich kann es nicht glauben, aber er sitzt le-benslang in Askaban, habe ich gehört. Geschieht ihm recht, wenn es wirklich so war. So gutaussehend, so att-raktiv - Nun, Askaban wird ihm als erstes sein gutes Aussehen rauben, dann seine Lebenskraft und zuletzt seine Seele. Ach, Sirius, geliebter Feind … wie konntest du nur eine derartige, grauenvolle Schuld auf dich la-den? Ich kann es einfach nicht glauben. Ich höre seine Stimme von damals, wie er Potter vertei-digt, als ich diesen beleidigt habe - hat nie was auf sei-nen Freund kommen lassen. Wie kann er ihn dann jetzt verraten haben? War er je ein Anhänger des Dunklen Lords? Sein jüngerer Bruder war es, aber Sirius? Nun, ich kenne nicht die Namen aller Todesser, aber doch sehr viele von ihnen. Sirius ist mir dort nie begegnet, seine Stimme hätte ich sofort unter tausenden erkannt. „…ich bin kein schwarzer Magier…“ höre ich wieder seine wü-tenden Worte von damals auf der Lichtung bei der Quelle im Verbotenen Wald. Aber irrt sich das Ministerium? Ist Pettigrew wirklich ein Held? - Wurmschwanz, diese kleine Ratte, von Sirius getötet - alles, was von ihm übrig blieb, war ein Stück von seinem Zeigefinger. Aber wie konnte diese jämmer-liche Niete nur glauben, dass er es mit einem großarti-gen Zauberer wie Sirius aufnehmen kann? „Eines Tages werde ich es euch allen zeigen!“ Pettigrews Worte damals in Hogsmeade. Kann es sein, dass er die Potters verraten hat? Aber wie? Dumbledore hielt Sirius für den Geheimnisträger - Oder wollte er sie rächen? Seine Freunde rächen, indem er seinen verräterischen Freund tötet? Zu viele Fragen, zu viele Ungewissheiten, zu wenige Antworten. Die Wahrheit sollte ich erst viele Jahre später erfahren und als ich sie er-fuhr, konnte ich sie einfach nicht glauben. Zu viel Zeit war vergangen, zu starr waren meine Ansichten geworden, zu bitter waren die Erinnerungen. Pettigrew, die Ratte, war der Geheimnisträger und der Verräter und er war noch am Leben und Sirius saß zwölf Jahre lang unschuldig in Aska-ban, für Morde, die er nicht begangen hatte, bis es ihm gelang, in seiner Animagus Gestalt zu fliehen, aber das ist eine andere Geschichte… Lupin, der Werwolf, ist verschwunden und keiner weis, wo er ist - irgendwie verständlich - die Auroren sind hinter allen schwarzen Kreaturen her und Lupin ist und bleibt ein Werwolf, auch wenn er sonst ein anständiger Kerl ist … Und Lily ist tot, tot wie Hieratus, tot wie Re-gulus, tot wie so viele andere auch. Plötzlich schreie ich wieder unter unsäglichen inneren Qualen auf und es geschieht etwas völlig Unerwartetes - Tränen - eine gewaltige Flut von Tränen - strömt aus meinen Augen, endlich kann ich wieder weinen, endlich wird mir diese unendliche Gnade gewährt - dieses Mal ist der Schmerz in meinem Inneren größer als jemals zuvor, zerreißt mich geradezu. Alle Tränen, die ich zu-vor nie weinen konnte, fließen jetzt aus mir heraus. Ich weine, schlucke und schluchze. Hin und wieder fährt ein weiterer leiser gequälter Schrei über meine Lippen. Zwi-schendurch nehme ich immer wieder einen tiefen Schluck aus der Whiskeyflasche. Lily tot - James tot - Lupin verschwunden - Sirius in Askaban - und Hieratus, mein Blutsbruder, schon lange hinter dem Schwarzen Schleier … und Träume sind ein-fach nicht wirklich, können niemals die Realität erset-zen… Lilys Junge lebt noch, wird mir plötzlich klar. Wenn al-les mit rechten Dingen zugeht, ist er auch ein Magier und wenn er das ist, werde ich mich um ihn kümmern, wenn er eines Tages nach Hogwarts kommt. Seine Mut-ter, wundervolle Lily - ich konnte dich nicht beschützen - es war zu wenig, was ich tun konnte - immer zu we-nig. Kein strahlender Ritter in glänzender Rüstung auf weißem Einhorn zur Rettung der Elfe… Aber den Jungen werde ich schützen, ich werde dafür sorgen, dass er erwachsen werden kann, dass er alles lernt, was er können muss, um zu überleben und sollte es mich mein Leben oder auch mehr kosten ... Das schwöre ich bei meiner Seele (sollte sie denn noch vor-handen sein) und der Hoffnung, Hieratus dereinst hin-ter dem Schwarzen Schleier wieder zusehen. Auch wenn der Vater des Jungen mein Widersacher war, seine Mutter habe ich so sehr geliebt, wie ich nur lieben kann. Wirre Gedanken und Bildfetzen von früher, aus meiner Schulzeit, rauschen mir durch den Kopf - Nanu, die Flasche ist schon leer? - Macht nichts, ich habe noch eine zweite. Ich trinke weiter, weine leise vor mich hin, denke, erin-nere mich. Sirius nackt im Mondlicht - Schlank. Licht. Edel. Hieratus lacht über Bienchen und Blümchen. Diese herrliche, wilde Schneeballschlacht. Potter droht mir wegen Lily. Potter zieht mich vom Werwolf weg und rettet mein wertloses Leben. Hieratus über dem Schachbrett - grinst schief, weil ich ihn matt gesetzt habe. Lupin schüttet den Kopf, schweigt aber. Lily steht in einem Halo aus goldenem Staub. Sirius lässt mich in den See plumpsen. Potter geht von Hogsmeade zum Schloss hinauf und meine Robe flattert hinter ihm her, wie ein Banner… Mein Kopf surrt und alles dreht sich vor meinen Augen. Ich bin so betrunken, wie noch nie in meinem ganzen Leben - Stockbesoffen. Ich falle einfach um, gleite vom Bett auf dem ich gesessen habe, die Flasche rutscht aus meiner Hand und rollt über den Boden, gibt gluckernd ihren hochprozentigen Inhalt von sich und dann weis ich lange von nichts mehr… Ich versuche meine Augen zu öffnen, doch meine Lider gehorchen mir nur mühsam. Ich liege am Boden und in meinem Kopf scheint es sich ein schlechtgelaunter Dra-che häuslich eingerichtet zu haben. Ich will aufstehen, denn mein Körper fühlt sich so schrecklich kalt und taub an. Es war sicher keine gute Idee auf den kalten Bodenfliesen der Verliese zu schlafen. Kaum habe ich mich ein bisschen aufgesetzt, dreht sich mein Magen um und ich kotze über meine Klamotten, stinkender Whiskey schießt in gewaltigen Fontänen aus mir her-aus. Auf allen Vieren krieche ich ins Bad und die ganze Zeit würge ich weiter, ziehe eine stinkende Spur hinter mir her, angewidert werfe ich meine vollgekotzte Klei-dung ab und stelle ich mich unter die Dusche. Das eisige Wasser prasselt auf mich herab und macht meinen Kopf wieder etwas klarer. Die Gedanken der letzten Nacht quälen sich mühsam durch meinen pochenden Schädel und brennen sich in meine Erinnerung ein. Mir ist schlecht und ich ekle mich vor mir selbst und meiner irrsinnigen Sauferei. „Nie wieder“, denke ich und dieses Mal will ich mich an den Schwur halten. Ich drehe das warme Wasser auf und meine Gedanken formen sich wie von selbst. Vor mir liegen endlose, ein-same Jahre, ruhige Jahre, hoffentlich friedliche Jahre - vielleicht auch erfüllte, sinnvolle Jahre. Ja, ich habe mich entschlossen, ich werde weiter machen, werde mein Leben weiter leben - So gut ich es eben kann - das bin ich den Opfern schuldig. Bin ich dabei, meine Schuld abzutragen? Ich werde es jedenfalls mit meiner ganzen Kraft, meinem ganzen Willen versuchen - Ich werde das in mich gesetzte Vertrauen nicht enttäuschen, nie wie-der … Jetzt bin ich wirklich allein - Alle, die jemals für mich von Bedeutung waren, sind tot oder entschwun-den. Bin ich kalt wie Eis? Will ich das überhaupt noch sein? Ich weis es nicht … Leide ich, weil ich es gewagt habe, zu lieben? - Lily! – Sirius! – Hieratus! - Ja, manchmal ist es das wert - zu leiden, weil man liebt. Werde ich je wieder Freude am Leben haben? Werde ich je wieder lieben können? Werde ich es je wieder wagen, zu lieben? Aber ist es nicht besser, geliebt und verloren zu haben, als nie geliebt zu haben? Vielleicht … wahrscheinlich … mit Sicherheit … doch das spielt im Augenblick kaum eine Rolle - ich werde einfach weiter machen - einen endlosen Tag nach dem anderen - eine schlaflose Nacht nach der anderen - einsam und allein, wenn es denn so sein soll - weiter machen bis zu dem Tag, wenn mein Weg dereinst auf der Lichtung endet - Auf meiner Lich-tung endet, hinter dem Schwarzen Schleier… Jetzt kann ich nur noch meinen eigenen Erwartungen gerecht werden, kann wirklich nur noch der sein, der ich nun mal bin - aber das ist immerhin auch etwas: Ich bin Severus Ravenous Lucindus Snape - Professor für Zaubertränke in Hogwarts… The past it lays beyond me The future just ahead Those memories are dead and gone Those memories so sad (Vergangenheit gegangen Die Zukunft noch nicht da Erinnerung verhangen So traurig aber wahr)   Ende des Bandes Fortsetzung in „Ten forgotten years“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)