Coming Closer von Nea-chan (Wer sagt, dass Liebe einfach ist?) ================================================================================ Kapitel 6: Fragrance -------------------- 06 Fragrance ****Mein Ziel selbst nicht findend. Der dünne Faden einer im Wind verschwindenden Erinnerung, zieht mich langsam. Ich lausche der Stimme meines rauschenden Herzens, „Für was bin ich… geboren worden…“ so fragt es. Der Mond sieht mich stetig an, aber bis jetzt habe ich noch keine Antwort bekommen. Nur die Liebe allein wird größer, obwohl ich mich nicht einmal mehr an den Namen der Vergangenheit erinnern kann. Ich kann nichts tun.**** „Da kommt jemand!“, kreischte Chrissie ins Zimmer hinein. Nina stand noch völlig perplex und zusammengezuckt da. Sie schnallte im Moment die Situation einfach nicht. Ihre blauäugige Freundin sah sie mit weit aufgerissenen Augen an und wartete auf eine zügige Reaktion. „Mensch! Hörst du schlecht?! Komm und beeil dich!“, fuhr sie Nina noch einmal eindringlich an und verschwand dann wieder aus dem Türrahmen. Langsam begriff Nina und wurde leicht panisch. Jetzt von Gackt überrascht zu werden, war wohl das Schlimmste, das ihr in dieser Situation passieren konnte! Sie überflog noch einmal flüchtig ihre Zusammenstellung und floh dann eilig aus dem Zimmer. „Nina?“, rief plötzlich eine Stimme von der Treppe zu ihr hinauf. »SCHEIßE!«, schoss es ihr durch den Kopf. Ganz langsam drehte sie sich zum Ursprung der Stimme um und erblickte Hyde, der sie prüfend musterte. „Was hattest du denn gerade in Gackt’s Zimmer zu suchen?“, fragte er mit strengem Blick und fordernder Stimme. „Ich… Ich hab nur was…“ Sie begann nervös an ihren Fingern zu knibbeln, das war wirklich eine verdammt verzwickte Situation, alles sprach für ein Verbrechen ihrerseits. Nun kam Hyde die letzten Stufen zu ihr hinauf. „Das sieht jetzt alles bestimmt ziemlich blöd in deinen Augen aus, aber es ist bestimmt nicht so, wie du vielleicht denkst!“, versuchte Nina Hyde zu beruhigen. Hyde sah sie nur kurz an, dann machte er entschlossen wirkende Schritte auf die Schlafzimmertür zu und trat hinein. Nina folgte ihm etwas verlegen, weil sie wusste, was Hyde jeden Moment sehen würde. In diesem Moment schmulte auch Chrissie um die Ecke. „Schön dich auch mal wieder zu sehen!“, fauchte Nina im leisen Flüsterton. Chrissie überging diese Äußerung einfach und beobachtete Hyde’s Verhalten. Er stand etwas überrascht im Zimmer und begutachtete den kleinen Aufbau. „Siehst du, das war das, weswegen ich in diesem Zimmer war…“, rechtfertigte sich Nina noch mal vorsichtig. „Ach je… und ich hab schon gedacht… Tut mir leid, aber es sah so verdächtig aus.“ Die beiden Freundinnen schüttelten ihre Köpfe. „Ist schon ok, ich hätte wahrscheinlich das Gleiche gedacht.“ „Vielleicht hätten wir es vorher auch bei dir anmelden sollen.“, fügte Chrissie noch hinzu. Hyde ging näher an die Sachen heran und prüfte noch ein wenig weiter. „Ich bin mir eurer guten Absichten durchaus bewusst und Gackt würde sich auch sicher über die Sachen freuen, aber habt ihr nicht was Wichtiges vergessen?“ Die Mienen der Beiden sprachen Bände, ihnen war quasi ein Fragezeichen ins Gesicht gedruckt worden. Hyde schmunzelte, er hatte auch nicht damit gerechnet, dass die zwei jungen Frauen in ihrem Übereifer diese gewisse Kleinigkeit mitberechnet hatten. „Ich mache es euch einfach. Also, ihr habt doch sicher sämtliche Touren von Gackt gesehen, oder?“ Sie nickten eifrig. „Dann nehme ich an, dass ihr auch wisst, wo jedes Mal das Tourfinal stattfindet.“ „Yokohama Arena“, kam es wie aus einem Mund von ihnen. Noch hakte es in ihren sonst so aktiven Hirnen, also gab Hyde den letzten Anhaltspunkt frei. „Gut. Und wo sind wir jetzt?“ Sie sahen sich ahnungslos an, was wollte Hyde eigentlich von ihnen? Was hatte das Tourfinal mit ihren Geschenken zu tun? „Wir sind in Gackt’s Haus, oder?“, antwortete Nina zweifelnd. Genau jetzt schlug sich Chrissie die Hand vors Gesicht. „Was’n jetzt los?“, hinterfragte Nina erschrocken und auf Deutsch. „Denk nach! Wir sind in Kyoto! Das Tourfinal ist aber in Yokohama!“ „Aha, hast du mal einen Atlas für mich?“ Ihre ältere Freundin stöhnte entnervt, Hyde wartete geduldig ab. „Du weißt doch sicher, wie weit Kyoto von Nagoya weg ist.“ „Ja.“ „Yokohama ist doppelt so weit von hier entfernt.“ Nina’s Kinnlade verflüchtigte sich schlagartig. „Ist nicht dein Ernst…“ „Aber auf jeden Fall die Realität.“ STILLE „Und was bedeutet das jetzt im Klartext für uns?“, begann Nina nach einer kurzen Schweigepause wieder und sah dabei Hyde verzweifelnd an. „Gackt wird sehr spät erst wieder hier sein, wahrscheinlich erst nach Mitternacht. Morgen früh müsst ihr dann gemeinsam mit ihm noch früher raus als heute, ihr wolltet ja das Final sehen. Ihr habt eine sehr lange Fahrt vor euch.“ „Ach so, Gackt wird also kaum den Nerv haben, noch groß ein Drama aus seinem Geburtstag zu machen… Schade eigentlich…“, fand Nina. Auch Chrissie bedauerte es sehr, sie hatte sich schon so auf Gackt’s Reaktion gefreut. „Nehmt euch das doch nicht so zu Herzen, morgen ist doch auch noch ein Tag. Das trifft sich dann doch eh besser.“ Jetzt dachten sie schweigend darüber nach, trotzdem fanden sie ihren ersten Plan besser. Sie würden zwar morgen in den exklusiven Genuss von You, Chachamaru, Ju-Ken und Ryu kommen, aber leider würden sie sich bei der Geschenkübergabe wahrscheinlich auch zum Apple vor ihnen machen. Nebenbei würde Nina schon vorher bei dem Konzert zig Male aus dem Leben scheiden, so wie immer halt. „Ich brauch jetzt Knuddeleinheiten…“, murmelte Nina vor sich hin. Chrissie machte sich schon bereit und schloss die Augen, doch irgendwie blieb die erwartete Knuddelattacke aus. „Hä?“, sagte sie verdutzt, als sie feststellen musste, dass ihre Freundin nicht mehr im Raum war. Hyde zeigte stumm auf die Schlafzimmertür, bzw. auf den dahinter liegenden Flur. Beide verließen den angenehmen Raum, lange brauchten sie allerdings nicht, um die Schwarzhaarige auszumachen. Sie kuschelte nämlich am Fuße der Treppe mit der neuerdings verschmusten Maine Coon. Chrissie verschränkte gespielt beleidigt ihre Arme. „Treulose Tomate!“ Hyde grinste. „Mou, net “Treulose Tomate“, “Katzenfanatiker“ bitte schön!“, konterte Nina selig klingend und schmuste sich noch enger an die große Katze, die leise zu Schnurren angefangen hatte. „Treulose katzenfanatische Tomate…“ Chrissie schüttelte schmunzelnd den Kopf und schlenderte dann die ersten Stufen zu ihr hinunter, doch dann drehte sie sich noch einmal um und sah zu Hyde hoch. „Kommst du morgen eigentlich auch mit?“, fragte sie ihn freundlich. Hyde war ein wenig über diese Frage überrascht, er kratzte sich nachdenklich am Hinterkopf und löste kurz den Blickkontakt. „Nun, ich weiß noch nicht, vielleicht.“ Chrissie sah kurz auf ihre Füße, sie dachte offensichtlich kurz nach. Schließlich sah sie ihn wieder an, Hyde wirkte etwas ratlos über ihren Gesichtsausdruck. „Ich würde mich aber sehr freuen, wenn du auch mitkommen würdest.“ Mit diesem Satz drehte sie sich schnell wieder um und gesellte sich zu Nina, die von dem kurzen Wortwechsel nichts mitbekommen hatte. Hyde blieb oben zurück und starrte Löcher in die Luft. Irgendwie kam ihm das eben nicht wie ein ganz gewöhnlicher Wortaustausch vor, doch was war daran jetzt anders gewesen? Nachdenklich drehte er sich um und ging zurück ins Schlafzimmer. „Nina?“ „Ja?“ „Ich bin blöd.“ „Nani?“ Nina kapierte Chrissie grad nicht, aber sie sagte auch nichts weiter dazu und widmete sich nun auch Belle, die schwanzwedelnd zu ihnen gewetzt kam. Die Rotblonde lehnte ihren Kopf an ihre angezogenen Knie und dachte nach. »Na toll! Ich hab es doch tatsächlich mit “Ich“ betont! Und dann hab ich bestimmt total verpeilt ausgesehen! Voll peinlich…« „Tinchen?“ „Nenn mich nicht so…“, kam eine bedrohliche Stimme unter der benachbarten Bettdecke hervor. „Du bist also auch wach?“ „Nein, wie kommst du darauf?“, antwortete sie sarkastisch. „Ich muss auf Klo.“ „Schön für dich, schick mir ne Postkarte…“ „Hör auf damit! Ich wollte eigentlich fragen, ob du mitkommen würdest.“ Es raschelte neben ihr, Chrissie musste sich gerade zu ihr umgedreht haben. „Jetzt hör mal, ich hab ja nun wirklich alles Mögliche mit dir zusammen gemacht, aber mit dir gemeinsam auf Klo gehen? Ich weiß ja nicht…“ Ein imaginärer Tropfen rollte Nina’s Stirn herunter. „Ich meinte eigentlich eher, dass du mich nur bis dahin begleiten sollst. Ich bin doch Nachtblind und kenne mich hier überhaupt nicht aus. Ich sehe doch die Hand vor Augen nicht.“ „Stimmt, nur lauter schwarze Löcher im Boden, die sich bewegen…“ „Das ist kein bisschen lustig!“, maulte Nina vorwurfsvoll und überlegte bereits, ob sie ihrer Freundin ihr Kissen auf die Nuss hauen sollte. „Ist ja schon gut… Wie spät ist es eigentlich?“ „Weiß ich nicht und ich schau auch nicht nach. Wenn ich nämlich feststelle, dass mir nur noch eine Stunde zum Schlafen bleibt, schlafe ich nie wieder ein.“ „Ist doch eh Wurst, was wir in den letzten Nächten an Schlaf versäumt haben können wir eh nie wieder aufholen. Wir können ja im Auto schlafen.“ „Kommst du nun mit raus?“, fragte Nina nochmals hoffnungsvoll. „Nein.“ Klare Antwort, Nina seufzte resignierend. Sie schlug bitter ihre Bettdecke um und richtete sich auf. Obwohl ein wenig Mondlicht ins Zimmer fiel, erkannte sie nur sehr spärlich die gröbsten Umrisse und tastete sich deswegen ihren Weg auf den Flur. Doch bereits als sie die Tür hinter sich wieder geschlossen hatte, verfiel sie in leichte Panik. Alles war schwarz, nicht mal die lustigen und beweglichen Löcher wuselten über den Boden. Nina verfiel nun in einen Anflug von Zynismus. »Toll! Ist ja wirklich reizend! Es würde mich nicht wundern, wenn ich mich morgen früh in Timbuktu wiederfinden würde…« Sie streckte ihre Arme aus und kam sich dabei unheimlich albern vor. Sie setzte einen Fuß vor den Anderen, irgendwo musste ja auch die Treppe sein, auf der sich in der kurzen Zeit, in der sie hier waren, schon allerhand abgespielt hatte, doch im Moment wusste sie nicht einmal, ob sie in die richtige Richtung lief. Plötzlich knarrte eine Türklinke. Nina ließ augenblicklich Panik und Zynismus hinter sich und erreichte Stufe drei, völlige Verzweiflung angesichts einer peinlichen Begebenheit und unüberlegte Hektik. Sie drehte sich also auf dem Hacken um und wollte ihr Heil in der Flucht suchen. »Nicht noch so ein peinliches Desaster! Nicht wieder ich!« Schon im nächsten Augenblick wünschte sie sich, sie hätte diesen Gedanken nie gehabt, sie rammelte mit voller Geschwindigkeit gegen eine Kommode, die an der Wand entlang stand. „Autsch! Verflucht noch mal! Kuso!“, fluchte sie laut, hielt sich mit beiden Händen die linke Seite ihres Beckens und stolperte unbeholfen nach rechts. „Nina?“, erklang Gackt’s Stimme hinter ihr. Sie drehte sich überrascht zu ihm um und stellte fest, dass er aus seinem Arbeitszimmer gekommen war, in dem noch Licht brannte. Seine Haare waren noch klamm und er trug ein zusammengerolltes Handtuch in seinem Nacken. Sein Oberkörper wurde von einem ganz normalen Unterhemd bedeckt, doch er schien noch seine schwarze Lederhose zu tragen. Und sie stand jetzt natürlich in ihrem Schlafanzug auf der Treppe, von ihrer Freundin allein gelassen und von Gackt’s tiefer Stimme eingeschüchtert. „Ähm… Du schläfst noch nicht?“, fragte sie stammelnd. »Blöde Kuh! Du stehst hier wie ein Spitzel auf dem Flur, lieferst zuvor noch einen megapeinlichen Auftritt und dann fällt dir kein besserer Spruch ein?« „Hat keinen Sinn mehr, ich muss noch Einiges wegen morgen vorbereiten, ich kann im Bus schlafen. Und du? Was machst du denn um diese Uhrzeit hier auf dem Flur? Und warum wolltest du gerade flüchten? Du hast dir doch jetzt sicher wehgetan.“ „Ich wollte eigentlich…“ »Wehe du sagst jetzt, dass du auf Toilette wolltest!«, mahnte sie sich selbst. „…nur ein Glas Wasser trinken gehen.“ »Gut gemacht!« Gackt nahm eine legere Haltung ein und stützte eine Hand auf seine Hüfte. „Und was machst du hier draußen?“, fragte sie, um diese unangenehme Stille zu durchbrechen. „Ich dachte, ich hätte etwas knacken gehört.“ »Vielen lieben Dank auch Gelenke!« „Och, das war nur ich. Ich roste wohl langsam ein.“ Gackt musste gerade schmunzeln, aber sie sah es nicht, immerhin stand er mit dem Rücken zum Licht. Nina hoffte, dass er auch sie nicht besonders gut sehen konnte, was wohl ein vergeblicher Wunsch war. „Nun, so groß ist mein Durst nun auch wieder nicht. Ich werde dann wohl wieder Schlafen gehen.“ Noch während sie das sagte wollte sie sich umdrehen, doch sie musste zu ihren Ungunsten feststellen, dass ihr linker Fuß von der obersten Stufe der bisher unrealisierten Treppe rutschte. Sie war im Begriff das Gleichgewicht zu verlieren. „VORSICHT!“ Nina kniff die Augen zusammen, doch da wurde sie straff an den Armen gepackt und mit einem Ruck zurückgezogen. Jetzt waren ihre Augen wieder offen, weit offen. „Na das wäre ja was geworden! Stell dir vor, du hättest dir jetzt etwas gebrochen! Ist mit deinem Fuß alles in Ordnung?“ Nina atmete aufgeregt, das war nah, sehr nah, zu nah! Für einen kurzen Augenblick hatte sie in seinen Armen gelegen, sein Parfum gerochen und seine Wärme gespürt, ja sogar seinen Herzschlag hatte sie wahrnehmen können! „Da- danke…“, war das Einzige, was sie noch zu Stande brachte. Sie versuchte ihr Gesicht immer gen Boden zu richten, sie konnte förmlich spüren, wie das Blut durch ihre Wangen schoss. Dementsprechend intensiv und schnell war auch ihr Herzschlag. „Mein Fuß ist ok, ich bin einfach ein ungeschicktes Ding.“ Das war natürlich eine glatte Lüge, ihr Fuß pochte unangenehm und schmerzte, aber damit konnte sie leben. Sie war mehr als ausreichend entschädigt worden. Erst jetzt ließ Gackt ihre Arme los. „Hast du dir die Haare gefärbt?“ Nina sah ihn verdutzt an. „Es riecht zumindest danach.“, fügte er noch ganz eilig hinzu. Er fand diese Frage jetzt ziemlich unpassend und wusste auch nicht genau, wie er auf sie gekommen war, aber ihre Haare hatten ihn gestreift und sie rochen angenehm. Nina nickte nur perplex. „Nun gut, geh besser wieder schlafen. Wir sehen uns ja morgen früh.“ Wieder nickte sie nur. Gackt lief ein paar Schritte zögerlich rückwärts, erst nach einem kurzen Moment steuerte er entschlossen sein Arbeitszimmer an und verschwand schließlich darin. Nina blieb verwirrt und mit Herzklopfen zurück. Ring-Ring, Ring-Ring, Ring-Ring… Zwei bleierne Lider hoben sich mühselig. Mürrisch knurrend fixierte das darunter liegende Augenpaar den nervenden Apparat auf dem Nachtisch neben sich. Fest entschlossen, das Geklingel zu ignorieren, zog er die Decke über seinen Kopf. Ring-Ring, Ring-Ring, Ring-Ring… Es klingelte unaufhörlich weiter und es erschien ihm, als wurde es immer lauter und eindringlicher. Neben ihm regte es sich inzwischen knurrend, also beschloss er schweren Herzens, seinen schweren Arm doch anzuheben und nach dem Telefon zu langen. Nach einigen Versuchen, sich ja nicht zu sehr anzustrengen, gelang es ihm schließlich den Hörer an sein müdes Ohr zu platzieren, ohne dabei aus dem Bett zu krauchen oder seine Haltung zu verändern. „Hm?“, murmelte er als Begrüßung hinein. Eine aufgebrachte Stimme am anderen Ende der Leitung keifte für ihn momentan wirr klingendes Zeug in den Hörer. Es wurde viel zu schnell geredet, seine Schläfen schmerzten. „Hmh… ja… ok… ja, ja…“, brabbelte er hier und da mehr oder weniger interessiert. Die Stimme am anderen Ende wurde ruhiger, klang aber immer noch besorgt. „Hm…“, murmelte er noch immer weggetreten zurück und legte endlich wieder auf. Für einen kurzen Moment wurde es sehr still. Abwartend drehte sich sein Bettnachbar zu ihm um und musterte ihn fragend. „Schön’ juten morschen…“, blubberte es zwischen seinen Lippen hervor. Der andere ignorierte ihn und sah stattdessen verstohlen auf seine Uhr. „IIE! KUSO!!!“, brüllte Gackt plötzlich los, sprang auf und riss noch halb die andere Decke samt Hyde mit sich aus dem Bett. Unbeholfen stolperte er zu seinen Kommoden und begann panisch nach Sachen zu suchen. Hyde saß mit zerzauster Frisur und verrutschtem Shirt in der Mitte des Bettes und starrte seinen jüngeren Kollegen fassungslos an. „Sag mal, was ist in dich gefahren?! Bist du jetzt von allen guten Geisern verlassen?“ „Verdammt nein! Hyde, ich hab verschlafen!!!“ „Wacht auf… Kommt schon, wir müssen uns beeilen!“ Beide Mädchen öffneten ihre Augen und sahen auf, sofort standen sie im Bett und sahen Hyde verstohlen mit perplexen Mienen an. „Bitte beeilt euch, Gackt’s Wecker ist stehen geblieben, wir haben alle mächtig verschlafen. Zieht euch einfach schnell an, werft von mir aus schnell ein paar Sachen in eine Tasche und kommt dann runter. Erklärungen gibt es später.“ Schon flitzte der zierliche Laruku-Sänger wieder aus dem Zimmer. Chrissie und Nina sahen sich an, reagierten dann aber schnell und warfen sich in die Klamotten vom Vortag. „Mein Gott, wie spät ist es denn?“, fragte Nina, die noch eben ihr Geschenk, einen Fotoapparat, ihr Schmierheft und eine Federtasche in ihre größere, blaue Tasche warf. „Kurz nach fünf oder so…“, antwortete sie entnervt, als sie ihren CD-Player verstaute und nun verzweifelt nach einer geeigneten Transportmöglichkeit für ihren Mohnstrauß suchte. Nina erkannte schnell Chrissie’s Problem, suchte daraufhin nach dem Rest von dem Geschenkpapier und drückte ihr ein Taschentuch in die Hand. „Was soll ich damit?“ „Nassmachen, das hält die Blumen länger frisch.“ Ihre ältere Freundin marschierte eilig aus dem Zimmer und landete schlussendlich in der Küche. Alle anderen Wasserhähne waren besetzt. Nina wickelte unterdessen den Strauß in das Papier ein. Als dann Chrissie mit dem nassen Taschentuch zurückkam, wickelte sie es noch um die Stiele. „So, das müsste bis Yokohama halten.“, meinte Nina zufrieden. „So ein Strauß ist auch gar nicht auffällig.“, sagte die Kleinere pikiert. Ihr Blick wanderte dabei über den durch das Geschenkpapier gewaltig aussehenden Strauß. „Gackt hat jetzt bestimmt keine Augen für so was, lass uns mal schnell in die Küche huschen und die Nudeln und das ganze Zeug einpacken. Ich bin der Meinung, dass ich irgendwo so was wie Tupperware in seinen Schränken gesehen habe.“ „Das ist natürlich noch unauffälliger…“ „Jetzt sei doch nicht so pessimistisch!“, maulte Nina vorwurfsvoll. „Ich bin realistisch…“, konterte sie teilnahmslos und trottete mitsamt ihrem Rucksack und ihrem Strauß aus dem Zimmer, dicht gefolgt von Nina. Auf beiden Stockwerken herrschte hektisches umher Gerenne, gerade Gackt, der immer mal wieder vom Schlafzimmer ins Bad und andersrum huschte, schien ziemlich in Eile zu sein. Unten tobte Hyde zwischen Wohnzimmer und Badezimmer hin und her, dazwischen immer wieder eine entnervte Katze, oder eine nervöse Hündin. Interessiert beobachteten die beiden Freundinnen das Spektakel kurz, doch schließlich machten sie sich doch ans Einpacken der Nahrungsmittel. Weil sie beide natürlich noch jede Menge Zeit hatten, bis die Männer endlich mit Aufstylen und Einpacken fertig waren, ließen sie Belle noch mal raus, füllten ihre Näpfe bis zum Überquellen auf und machten noch schnell ein paar provisorische Brote für unterwegs. „Eine Hektik ist das hier…“, flüsterte Chrissie leise, damit auch ja nur Nina sie richtig verstand. „Wem sagst du das… Hoffentlich können wir uns noch die Zähne putzen, ehe wir los müssen.“ Just in diesem Moment standen Hyde und Gackt vor ihnen. Frisch herausgeputzt und jeweils in einem hellem Hemd und einer anliegenden Jeans, wie immer nicht zu toppen. Nina und Chrissie hatten den Eindruck, dass die beiden Männer wohl in allem noch eine gute Figur machen würden. Doch dann fielen ihnen wieder gewisse Bilder von Gackt ein, die sie als ziemlich abartig empfunden hatten und ihre Traumwölkchen verpufften. „Ich habe gerade ein Taxi gerufen, ihr habt noch etwa zehn Minuten Zeit, wenn ihr die brauchen solltet. Hyde und ich gehen noch mal schnell raus zum Rauchen.“ Sie nickten ihnen zu, drückten ihnen beim Vorbeigehen noch schnell eine Stulle in die Hand und flitzten dann die Treppe hinauf ins Bad, um sich wenigstens noch die Zähne zu putzen, sich die Haare zu kämmen und sich vielleicht noch schnell mit dem Lappen übers Gesicht zu fahren. Das Taxi kam dann pünktlich zehn Minuten später. Flüchtig überfolg Gackt noch mal sein Haus und überlegte, ob er auch ja nichts vergessen hatte. Auch Belle war nun wieder im Haus und sah ihn betreten mit ihren schwarzen Hundeaugen an. „Wer kümmert sich jetzt eigentlich um den Hund?“, fragte Hyde, während Belle jaulend um Gackt herumhüpfte. „Ich habe die Terrassentür offen gelassen, sie wird mir schon nicht wegrennen.“, antwortete Gackt ruhig. „Na du bist ja mutig!“, meinte der Kleinere erstaunt bei dieser Antwort. „Ich kann so kurzfristig niemanden auftreiben, der sich um die Beiden kümmert, du wolltest ja unbedingt mitkommen.“ Hyde sah verstohlen zur Seite und räusperte sich unbewusst. Gackt sah ihn mit einer hochgezogenen Augenbraue an. Hyde beobachtete die beiden jungen Frauen, die gerade das Gepäck verstauen, unter anderem auch heimlich ihre Geschenke und anschließend ins Taxi stiegen. „Hyde, was ist los?“, fragte Gackt misstrauisch. „Was, ich? Nichts, wieso fragst du?“ Gackt sah Hyde an der Nasenspitze an, dass er etwas vor ihm verheimlichte. Fordernd verschränkte er die Arme, Hyde musste resignieren. „Hach… Eigentlich hat mich Enah dazu überredet mitzukommen.“ „Überredet?“ „Sie hat mich lieb darum gebeten.“ „Das nennst du überredet?“ „Schluss jetzt damit! Die Zwei warten schon und du hattest es doch bis eben auch noch so eilig!“, versuchte er Gackt zerstreut abzuschütteln. Das hatte Gackt tatsächlich schon beinahe wieder vergessen. Wie begast schnellte er ins Auto neben den Fahrer. Hyde setzte sich direkt hinter ihn, während Chrissie sich in die Mitte gezwängt hatte und Nina an der linken Fensterscheibe klebte. »Hyde sitzt neben mir! Er sitzt tatsächlich neben mir!« Endlich mal wieder ein neues Highlight, welches die Rotblonde in vollen Zügen genoss. Inzwischen war der Wagen losgefahren. „Hyde, kann ich meine Rückenlehne etwas zurückschrauben? Ich bin doch noch ziemlich müde, ich weiß nicht mal, wie ich in der Nacht noch ins Bett gekommen bin.“ „Mach nur, ich habe noch reichlich Platz.“ Nina musste grinsen, Chrissie strafte sie dafür mit ihren Blicken. „Denk dran, es ist bei mir nur ein Zentimeter mehr!“, zischelte sie teuflisch durch ihre gefletschten Zähne und ließ die Dunkelhaarige erschaudern. Nina verteilte die Decken im Auto und lehnte sich wie besprochen zurück. „So, was ist denn nun eigentlich los? Wir haben verschlafen, aber wie geht es jetzt weiter?“, fragte Chrissie noch schnell, bevor Gackt wirklich noch einschlief. „Ach… Ich bin heute Morgen angerufen worden, wo ich denn bliebe. Der Tourbus hat feststehende Abfahrtszeiten und wenn sie mit dem ganzen Stuff auf mich gewartet hätten, wären wir nach Ewigkeiten noch nicht wieder aus der Rush Hour heraus gekommen und der ganze Zeitplan wäre durcheinander. Das hätte ein wahnsinniges Dilemma gegeben und tolle Schlagzeilen in der Zeitung: Superstar Gackt verschläft sein Tourfinal – Werden ihm seine Fans langsam egal? Oder so in etwa…“ Zustimmend nickten seine weiblichen Zuhörer und warteten mit ernsten Mienen auf eine Fortsetzung. „Ich habe also ausgemacht, dass ich mit einem Taxi nachkomme, damit kommen wir etwa zeitgleich an, weil wohl kaum jemand vermutet, dass ich- dass wir in einem Taxi kommen. Der Bus wird meistens immerzu irgendwo aufgehalten und muss auch öfter tanken.“ „Schon klar, dann geht ja doch noch mal alles gut… Warum macht ihr das nicht einfach immer so?“, fragte Nina unschuldig. Gackt richtete sich noch mal auf und drehte sich zu ihr um. „Weißt du, normaler Weise werden während der Fahrt noch einige Einzelheiten durchgesprochen bevor es zur Generalprobe geht, es ist immerhin das Final. Das fällt jetzt weg, also wird das nachher sehr stressig.“ Er klang genervt, Nina fühlte sich sogleich eingeschüchtert und daran schuldig. Gackt bemerkte, dass sie gleich ganz still wurde und versuchte sich wieder zu entspannen. „Tut mir leid, aber meine Nerven…“ „Schon in Ordnung.“, fiel ihm Nina ins Wort um ihn zu beruhigen. Gackt ließ sich erleichtert wieder zurückfallen, Nina hingegen wurde jetzt auf ganz gewisse Art und Weise von ihrer Freundin angegrinst. Sie wurde rot und wäre am liebsten im Boden versunken, Hyde hatte zu ihrem Glück nichts mitbekommen, er hatte seine Augen bereits geschlossen, schlief aber noch nicht. Es wurde ruhig im Wagen, also kramte Chrissie ihren CD-Player hervor, gab Nina den rechten Ohrstöpsel und sich selber den Linken und schaltete ihn an. Eine ganze Weile war nichts weiter zu hören gewesen, als die Musik, die leise durchs Auto schallte. Hyde hatte nur kurz geschlummert und kam dadurch wieder zu sich, weil der Fahrer durch ein Schlagloch gefahren war. Er realisierte die Musik neben sich, sie war doch relativ laut. Neugierig schmunzelnd langte er um Chrissie’s Kopf herum, zog der Schlafenden den Stöpsel aus dem Ohr und hörte selber mal rein. Ruckartig wich sein Lächeln einer entsetzten Miene und großen, überraschten Augen. Den Ohrstöpsel hatte er reflexartig wieder von sich fern gehalten. „Was ist denn?“, drang Gackt’s Stimme von vorne zu ihm hinter. Er hatte Hyde eben im Beifahrerspiegel über der Armatur beobachtet, auch er war wieder aufgewacht, als der Wagen unsanft geruckelt hatte. „Diese Musik…“, flüsterte er leise und näherte sich wieder zaghaft dem Stöpsel. Gackt sah interessiert in Hyde’s kritischen Gesichtsausdruck. Er war nun so neugierig geworden, dass er sich fast verrenkte, als er zu Nina’s Ohr langte und ihr ihren Stöpsel klaute. Nicht minder entsetzt hörte sich Gackt diese Musik an. Mal abgesehen davon, dass sie viel zu laut war, war es auch noch harter, japanischer Rock, der sich eigentlich so gar nicht zum Schlafen eignete! Es handelte sich um das Album “Private Enemy“ von Pierrot und wie es der Zufall so wollte, hörten sie gerade das 10. Lied – Follower, das wahrscheinlich härteste Lied, auf der ganzen CD. „Wie können die denn dabei schlafen?“, fragte Hyde ratlos. „Funktioniert nur bei uns…“, murmelte Chrissie mit geschlossenen Augen neben ihm auf einmal. Blind schnappte sie nach ihrem Stöpsel, steckte ihn sich wieder ins Ohr und pennte ungerührt weiter. Noch ehe die beiden Sänger zu einer Reaktion fähig waren, richtete sich auch Nina mehr schlafend als wach auf, holte sich Ihren von Gackt wieder und ließ sich dann wieder zurückfallen. „Klappt prima…“, nuschelte sie noch in ihre Decke hinein und schlief dann ebenfalls selig weiter. Mit halb geöffneten Mündern starrten sie Chrissie und Nina an, die anscheinend wirklich wieder schliefen, der Fahrer amüsierte sich derweilen prächtig. „Nyo~ Ich halt es ja im Kopf nicht aus…“, nuschelte Nina, als sie nach einer halben Ewigkeit wieder aufwachte. Der Grund war, dass sie keine Musik mehr hörte, der Player war ausgegangen. Chrissie schlief noch, ihr Kopf lag auf ihrer rechten Schulter. Nina verhielt sich ruhig, sie wollte niemanden hier in seiner Ruhe stören. Ihr Blick wanderte nach draußen, es war inzwischen Taghell, doch wie spät es war wusste sie nicht. »Wenn wir in Yokohama sind muss ich Kathi, Steffi und den Tenshi’s unbedingt Karten schicken! Die rasten bestimmt aus, wenn sie erfahren, dass wir uns zweimal Gackt’s Tour angesehen haben und auch noch Laruku live erleben dürfen!« Während Nina sich also selig freute und ihren Blick fest nach draußen richtete, fuhr das Taxi einfach weiter… Schon bald war sie wieder eingeschlafen. So als hätte der Fahrer auf diese Gelegenheit gewartet, steuerte er mit angezogenem Tempo auf eine Ausfahrt mit scharfer Linkskurve zu. Mit nur kaum gedrosselter Geschwindigkeit raste er durch diese Ausfahrt. Nach den Gesetzen der Fliehkraft drückte sich also alles, was bisher noch links saß, nach rechts. Nina gegen ihre kleinere Freundin Chrissie, Chrissie mit Nina gegen den zierlichen Hyde und dieser mitsamt Nina und Chrissie gegen die leider überhaupt nicht nachgiebige Autotür. Die Kurve war überstanden, alle saßen wieder auf ihrem Platz, Hyde war natürlich als Einziger aufgewacht. Er hatte sich den Kopf an der Glasscheibe gestoßen und musterte nun beleidigt den Fahrer, der verlegen eine entschuldigende Handbewegung machte. Plötzlich und unerwartet rutschte auf einmal etwas an seiner Schulter vorbei und blieb in der Höhe seines Brustkorbes hängen. Es war Chrissie, die nach der Kurve wohl die Position ihres Kopfes von Nina’s Schulter auf seine verlagert hatte und nun durch die fehlenden sieben Zentimeter abgerutscht war. Sie hing jetzt mit dem Kopf an seiner Brust, gehalten vom Sicherheitsgurt. Hyde war zunächst etwas perplex, doch dann schob er vorsichtig seine Hände unter ihren Kopf und ihren Arm und richtete sie sachte wieder auf. Anstatt ihren lockigen Kopf jedoch wieder an die Schulter ihrer größeren Freundin zu legen, lag der schon bald wieder auf der von Hyde. Er lächelte, irgendwie fand er es süß, also ließ er sie gewähren, bis zum Ende der Fahrt… „So, da wären wir.“ Alle schlugen fast zeitgleich die Augen auf. Das Taxi fuhr gerade durch ein prachtvolles Tor, direkt auf eine akkurat bepflanzte Einfahrt und auf ein sehr großes, vornehm wirkendes Hotel zu. Gackt und Hyde schienen weniger beeindruckt, doch den beiden Mädchen raubte es den Atem. Das war doch nicht nur einfach ein Hotel, so wie es aussah, konnte es doch nur ein Palast sein! Die Fahrt bis zum Empfang spielte sich vor ihnen wie in Zeitlupe ab, es war wirklich atemberaubend! Der Taxifahrer zerstörte ihre Harmonie jedoch, als er Gackt den Fahrpreis auftischte. Sie schluckten schwer, doch Hyde klopfte ihnen gleich beruhigend auf die Schulter und schob sie aus dem Auto. Sofort kam ein ganzer Haufen Personal und auch Mike, der schwarze Bodyguard von Gackt, nahm sich sofort seiner an. Hyde wurde ebenfalls freundlich von allen begrüßt, nur die Mädels wurden ein wenig ignoriert, das war aber auch gut so. Es reichte ihnen schon, dass Mike sie skeptisch anschielte. „Kommt mit, wir gehen zur Rezeption und melden uns an, euch müssen wir auch noch unterbringen.“, sagte Gackt und winkte sie zu sich heran. Während sie ihm die Stufen rauf bis zum Eingang hinterher gingen, unterhielten sich die beiden VIPs eifrig mit vielen wichtig aussehenden Leuten, die ihnen permanent Fragen zu stellen schienen, unter anderem auch zu ihnen beiden. Mit erneut großen Augen betraten sie die Eingangshalle, die Decke war sehr hoch und endete in einer Kuppel, die man von außen gar nicht gesehen hatte. Beleuchtet wurde die Halle von einigen Kronleuchtern aus geschliffenen Bernsteinen. Alles war in mildes, kerzenähnliches Licht getaucht. Die kleine Horde steuerte zielstrebig die Rezeption an, doch als sich alle an dem großen Pult angesammelt hatten und Nina mit Chrissie wieder mal weiter abseits stand, in der Nähe der Treppe, wurden sie plötzlich ganz still. Wie gebannt sahen die Beiden die Treppe hinauf. Ihre Augen weiteten sich, ihre Pupillen wurden immer kleiner und ihre Münder öffneten sich langsam. Vier ganz bestimmte Personen kamen erleichtert und freudig lachend die Stufen zu ihnen herunter gelaufen. „Oh Gott, oh Gott, oh Gott… Ich sterbe… Chrissie ich sterbe!“, stammelte Nina mit halbberaubter Stimmer. Ihre ältere Freundin verkrallte sich in ihrem rechten Arm und wusste selber nicht, was sie sagen sollte. „You… Chachamaru… Ju-Ken… Ryu… Nina, kneif mich…“ „Geht nicht, mein Arm ist grad abgestorben…“ Gackt-Job zog an ihnen vorbei und einer nach dem anderen umarmte den umschwärmten Sänger, überrascht, aber erfreut, schüttelten sie auch Hyde die Hand. Aus dem Augenwinkel heraus sah Gackt, wie seine Begleiterinnen mit faszinierten Gesichtern zu ihnen herübersahen. Er machte sich also frei von seinen Leuten und stellte sich lächelnd hinter die Mädchen, die nun an einem Herzkasper zu sterben drohten. „Ich möchte euch jemanden Vorstellen. Das sind Enah und Annina, zwei wirklich reizende Damen aus meinem Fankreis und, stellt euch vor, sie sind aus Deutschland! Fragt mich jetzt bitte nichts zu ihnen, ich erkläre euch alles später, aber ihr könnt ihnen ruhig vertrauen.“ Jetzt wurden sie beide verlegen und zwar mächtig! Sie waren bestimmt ganz rot um die Nasenspitze, doch als jeder von ihnen seine Hand zur Begrüßung hinhielt, drohten sie zu kollabieren! Am Anfang hatten sich die Vier noch irritiert angesehen und mit den Schultern gezuckt, doch jetzt waren sie ganz freundlich und aufgeschlossen ihnen gegenüber. „Ich bin You.“, begann er zuvorkommend. „Wissen wir.“, kam es wie aus einem Munde, alle mussten kurz lachen. Schnell war die Anspannung gelöst und die Freundinnen stellten fest, bei diesen vier VIPs war es wesentlich schneller gegangen, als bei Gackt und Hyde. Sie schüttelten also jedem mal die Hand und machten sich kurz miteinander bekannt, jeder fand den anderen gleich sympathisch. Am liebsten hätte Gackt-Job seinen Gästen aus Deutschland noch einige Fragen gestellt, aber Gackt machte ernste Blicke auf seine Uhr und ließ seine Freunde eindeutig verstehen, dass dafür absolut keine Zeit mehr war. „Hier habt ihr eure Key-Card, wir müssen jetzt wirklich los.“ Er drückte Nina eine kleine, leichte Key-Card mit einer schwarzen Zahl drauf in die Hand und ging dann, gefolgt von seinem Bodyguard und den anderen, wieder in Richtung Ausgang. „Ach Mensch… Er hat es wirklich nicht leicht, hoffentlich klappt er diesmal nicht wieder zusammen…“, sagte Nina leise, als sie ihm mit ihren Blicken nach draußen folgte. „Du machst dir doch nicht etwa Sorgen?“, sagte Chrissie und grinste dabei verstohlen. „Natürlich mach ich mir Sorgen! Sieh ihn dir doch an, er gehört ins Bett und nicht auf die Bühne!“ „Psst! Nicht so laut!“ „Die verstehen doch hier alle eh kein Deutsch!“, beschwerte sich Nina beleidigt. „Eben! Wenn du so bitter klingst denken die hier noch, du hast was an ihnen auszusetzen!“ „Oh… Gomen…“ Chrissie schmunzelte und klopfte Nina tröstend auf den Rücken. Hyde gesellte sich jetzt zu ihnen. „Ist irgendwas? Ich habe euch eben reden hören.“ Nina sah ihre ältere Freundin kopfschüttelnd an, beinahe bettelnd, doch Chrissie schien sich genau daraus einen Spaß zu machen. „Och, Nina hat sich nur gerade Sorgen um Gackt’s Gesundheit gemacht.“, antwortete sie ganz gelassen und beschwingt und lächelte dabei fröhlich vor sich hin. Nina rollte mit den Augen, nahm eine purpurne Färbung an und drehte sich peinlich berührt von ihnen weg, währenddessen zog Hyde eine Augenbraue hoch, legte seine rechte Hand nachdenklich an sein Kinn und musterte Chrissie eingehend. Und sie hätte schwören können, hätte er sie noch länger so angesehen, wäre auch sie vor ihm im Boden versunken oder gar geschmolzen! Nina wartete mit zugekniffenen Augen auf irgendeine Bemerkung seinerseits, aber Hyde fehlten dazu irgendwie die Worte. Auf einer Seite hätte er ihre Besorgnis gerne unterstützt, doch auf der anderen Seite konnte es doch unmöglich ohne Gackt’s Zustimmung machen! Womöglich würde sich dann das Gerücht breitmachen, dass er seine Karriere seiner Gesundheit wegen beenden würde. „Sag ihm das mal, vielleicht nützt es was.“, sagte Hyde schließlich und beließ es dabei. Mit dieser Antwort war er zufrieden, so hatte er sich nicht direkt auf eine der beiden Seiten geschlagen. Nina war ungemein erleichtert, dass das alles gewesen war, auch wenn es sie irritierte. „So, und was machen wir jetzt? Ich meine, wie sieht der Plan für den Tag jetzt aus?“, fragte Chrissie an Hyde gewandt. „Nun, ich denke mal, dass ich mich noch mal aufs Ohr hauen werde, damit ich für heute Nachmittag dann auch zu gebrauchen bin.“ Hyde sah kurz auf die Uhr und überlegte dann. „Wir haben noch reichlich Zeit bis wir los müssten. Wenn ihr Lust habt, könnt ihr euch ja die Stadt ein wenig ansehen, aber vergesst nicht eure Key-Card vorher an der Rezeption abzugeben. Ich schlage vor, dass ihr euch spätestens wieder gegen 17 Uhr hier einfindet, dann fahren wir direkt dahin. Wäre das ok für euch?“ Die beiden Freundinnen wechselten schnell einen Blick miteinander und erklärten sich dann damit einverstanden. Natürlich ließen sie sich noch schnell ihre Sachen aushändigen und stiegen dann die Treppe hoch zu ihren Zimmern. Sogleich fiel ihnen auf, dass an vielen der Türen Namenszüge standen. „Anscheinend ist der gesamte Stuff hier untergebracht. Schau mal, da sind auch die Zimmer von You und den anderen!“ Chrissie sah begeistert in die Richtung, in die Nina’s Finger ausgerichtet war. Sie liefen an den Zimmern der Vier vorbei und landeten irgendwann am Ende des Flurs, wo noch einige Zimmer ohne Namensschild versehen waren. „Die Tür hier hat unsere Nummer…“ Nina zog das Kärtchen durch den Schlitz neben dem Türschoss und schon war sie offen. Beide bestaunten die Suite und deren luxuriöse Einrichtung noch schnell, fanden sie aber bei weitem nicht so interessant wie Gackt’s, sammelten ihre wichtigsten Sachen aus ihren Taschen zusammen und ließen sie wieder in Nina’s kleinere, weiße Handtasche wandern. Anschließend gab es noch eine kleine Absprache, was sie denn jetzt genau machen wollten und fanden sich nach einer halben Stunde wieder unten an der Rezeption wieder. „Ich rufe jetzt mal schnell die Firma an, die unseren Urlaub hier gesponsert hat. Immerhin haben wir ja jetzt ein Hotel und ich fände es unfair, wenn wir die durch uns anfallenden Kosten wieder Gackt überlassen würden.“, sagte Chrissie, als sie gerade ihre Key-Card abgegeben hatte. „Finde ich auch gut, ich staune ja nur, dass du die Nummer hast… Aber ob die bei so einem teuren Hotel nicht misstrauisch werden?“ Chrissie zuckte unwissend mit den Schultern. „Ich kann es ja wenigstens versuchen.“ Ihre größere Freundin nickte ihr zu und ließ sie dann in Ruhe telefonieren. Tatsächlich dauerte es auch fast zwanzig Minuten, ehe das rotblonde Mädchen das Gespräch beendet hatte und zu ihr zurückkehrte. Sie sah geschafft aus und seufzte laut als sie wieder vor ihr stand. „Und?“, fragte Nina erwartungsvoll. „Tja, das Hotel ist denen wohl tatsächlich etwas zu teuer… Sie haben für Aufenthalte in Hotels ein bestimmtes Budget vorgesehen und dieses hier übersteigt es wohl bei weitem.“ Nina schluckte, weil sie daran denken musste, dass Gackt hier eine ganze Horde von Menschen untergebracht hatte und das alles ohne mit der Wimper zu zucken zahlen würde. „So, da wir aber das Recht darauf haben, dieses Budget auch voll auszuschöpfen, überweisen sie es uns jetzt jeweils auf unsere Konten. Damit können wir jetzt machen was wir wollen.“ „Ich schlage vor, dass wir soviel davon an Gackt abgeben, wie wir können.“ „Och Schade… So viel schönes Geld…“ „Was du mit deiner Hälfte machst, ist mir egal, ich gebe Meine auf jeden Fall ab.“ Chrissie grummelte. „Das war doch nicht ernst gemeint…“ „Das weiß ich, aber ich fand es nicht lustig.“ Ihre kleinere Freundin grummelte weiter, aber resignierte ohne noch mehr Kommentare dazu abzugeben. Draußen brannte ihnen die Sonne auf den Pelz und erhitzter Wind fuhr ihnen durch das Haar. „Lass mich raten, wir suchen die nächst beste Einkaufspassage und hauen wenigstens ein wenig von dem Geld auf den Kopf? Ist das dein Plan?“ Chrissie schmollte noch ein wenig und sah sie auch so an. „Du wolltest doch alles an Gackt abgeben… Als ob er nicht schon genug hätte…“ Nina rollte mit den Augen und stöhnte entnervt. „Mir geht es dabei ums Prinzip! Es kann doch nicht angehen das…“ „Ich weiß! Ist ja auch richtig so, aber sonst verstehst du meinen Humor doch immer…“ Nina sah zu Boden. „Es ist jetzt aber was anderes…“, murmelte sie leise und lief dann einfach die Auffahrt hinunter. „Wenn du meinst…“, murmelte Chrissie zurück und schloss sich ihr an. Sie beide streunten bestimmt stundenlang durch die Stadt, doch es fiel ihnen nicht wirklich auf. Zum ersten Mal, seid sie in Japan waren, nahmen sie sich Zeit dafür, auch mal die Architektur der Gebäude und die Landschaft in Augenschein zu nehmen. Hier kamen auch zum ersten Mal ihr Digitalkameras zum Einsatz. Sie beide hatten schon fast vergessen, dass sie sie mitgenommen hatten. Als sie endlich mal wieder auf die Uhr sahen, war es bereits nach 15 Uhr geworden. Mit schmerzenden Füßen und vor allem mit leeren Mägen, setzten sie sich an einen Außentisch von einem kleinen Café. Nina zückte ihr Portmornaie und kaufte von ihrem restlichen Kleingeld drinnen drei Postkarten. „Wem willst du denn schreiben?“, fragte die rotblonde und sah von der Karte mit den Getränken auf. „Unsern Engeln in Cottbus, Kathi und Steffi.“ „Und du meinst, dass da drei Karten reichen?“ „Nein, aber sie werden wohl reichen, um beschreiben zu können, wie geil Gackt’s Tour war, dass wir sie noch ein zweites Mal sehen werden und dass ich hier am liebsten gar nicht mehr weg will.“ „Und das sagt ausgerechnet ne Hobby Autorin, die mit Vorliebe lange und ausführlich beschriebene Romane schreibt…“ „Na immerhin bist du zynisch und sarkastisch wie immer.“ Chrissie grinste und bestellte für sie beide was zu Trinken und jeweils eine Portion Nudeln. Nina kritzelte voller Elan ihre Karten voll und schien wirklich jede freie Ecke dafür auszunutzen. „Wenn ich das so sehe hättest du Karten kaufen sollen, bei denen man beide Seiten voll schreiben kann.“ „Ach was, ich schaff das auch so. Außerdem, was wäre eine Japan Karte ohne den Tokyo Tower vorne drauf?“ „Na ne Japan Karte ohne Tokyo Tower.“ „Dumme Nuss.“ „Gackt Fanatikerin.“ Nina schwieg, Chrissie grinste bis über beide Ohren und widmete sich ihrem Saft, der soeben an den Tisch getragen wurde. „Ich bin keine Fanatikerin. Fan ja, aber in Maßen.“ „Och, nur Fan? Ich bin enttäuscht von dir.“, meinte sie gespielt dramatisch. „Lass mich in Ruhe.“ Sie klang tatsächlich gereizt, dabei machte Chrissie nur ein paar kleine Scherze. Irgendwie nahm Nina das alles aber ziemlich ernst. Weil Chrissie Probleme damit hatte, das zu verstehen, versuchte sie sich vorzustellen, wie sie im Bezug auf Hyde darauf reagieren würde. Irgendwie gelang es ihr aber nicht, also schob sie das Thema beiseite und begann zu essen. Nina fing erst später damit an, sie wollte zuerst ihre Karten fertig geschrieben haben. Während Nina also später noch aß, lehnte sich ihre Freundin zufrieden zurück und beobachtete die Leute, die in engen Strömen an ihr vorbeizogen. Hin und wieder blieben ihre Blicke an recht gut aussehenden Japanern hängen. „Ist dir schon mal aufgefallen, dass es außer den ganzen J-Musikern noch andere Japaner gibt, die recht schnuffig aussehen?“ Die Dunkelhaarige schob satt ihre Nudelschale von sich und blickte in die Menge. „Ist mir nicht aufgefallen, aber du hast schon irgendwo Recht.“ Sie begutachteten vor allem die Klamotten und Frisuren der jugendlichen Kerle. Nina griff gleich zu ihrem Druckbleistift und ihrem Schmierheft um sich das Beste von allem aufzuzeichnen. „Schau mal, der da sieht ein bisschen so aus wie der Leadsänger von W-inds.“ Nina hatte den Gemeinten bereits ins Auge gefasst und nickte zustimmend. „Stimmt schon, aber ich interessiere mich ja nicht so für jüngere Männer.“ Die Ältere zog beide Augenbrauen hoch und sah sie eindringlich an. „Du bist also immer noch auf den Trip mit den älteren Kerlen?“ „Warum auch nicht? Ich kann den ganzen Typen in unserer Altersklasse einfach nichts abgewinnen, ich sehe die schon gar nicht mehr. Ich meine, schau dir die ganzen Deppen bei uns in Deutschland doch an! Von denen hast du doch nichts!“, protestierte Nina überzeugt. „Das predigst du mir jedes Mal, aber auch wenn du Recht damit hast, leicht ist eine solche Beziehung bestimmt nicht. Wenn man dreißig ist und der Partner fünfzig, ist das vielleicht ok, aber wenn man gerade mal achtzehn geworden ist und der Mann schon über die Dreißig…“ „Wo ist denn da das Problem? Nenn mir bitte einen plausiblen Grund, warum in diesem Fall die Gefühle zueinander anders sein sollten.“ Chrissie musste sich da geschlagen geben, mit moralischen Gründen brauchte sie Nina gar nicht erst zu kommen. „Aber ausprobiert hast du es auch noch nicht.“ „Das war aber doch nun nicht meine Schuld. Einen körperlich behinderten Mann, allein erziehender Vater von zwei Jungen, hättest du sicher auch nicht genommen. Schon gar nicht, wenn du ihn nicht magst. Oder einen Gelegenheitstransvestiten mit einem Strumpfhosenfetisch, der nur Interesse daran hat, dir an die Wäsche zu gehen, ist auch nicht so ganz das Wahre…“ „Danke, deine Ausführungen reichen mir.“, sagte Chrissie und winkte bedient ab. „Und du brauchst dich gar nicht so auf unschuldig trimmen. Ich sehe doch, wie deine Augen funkeln, wenn du Hyde ansiehst.“ „Ist doch gar nicht wahr!“, protestierte das blauäugige Mädchen erbost und hochrot. Nina musste über ihren Gesichtsausdruck so herzlich lachen, dass viele der anderen Gäste zu tuscheln anfingen. „Menno… Wer würde denn schon ungerührt an Hyde vorbeigehen?“, versuchte sie sich zu rechtfertigen. „Nun… ich zum Beispiel. Bewundern und für ihn schwärmen ja, aber das war’s dann auch schon.“ Wieder grinste sie bis zu den Ohren. „Wollten wir nicht das Thema wechseln?“ Ein kurzer Moment der Stille kehrte ein, dann kicherten sie verhalten los und bezahlten ihre Rechnung. Sie blieben nur noch etwa eine viertel Stunde unter dem Sonnenschirm sitzen, dann brachen sie in Richtung Hotel auf. Sie schlenderten gelassen durch die Straßen und genossen es, wie sie von den Japanern angesehen wurden, sei es nun wegen ihrer Sprache oder Chrissie’s auffälliger Erscheinung. Irgendwann streiften sie auch wieder an kleineren Geschäften vorbei und wagten hier und da auch mal einen kurzen Blick in die exquisit eingerichteten Schaufenster. Schließlich blieb Chrissie plötzlich vor einem der Fenster stehen und starrte gebannt hinein. Nina blieb stehen und drehte sich zu ihr um. Bevor sie sich jedoch zu ihr gesellte und sie fragte, was sie sich denn da ansah, wanderte ihr Blick zur Markise des Ladens. »Ein Schmuckshop?« „Nina komm mal her. Schau mal, die Dinger da hinten.“ Sie hörte sich ziemlich begeistert an, also beugte sich die Größere zu ihr hinunter und schmulte hinein. „Piercings?!“, hinterfragte sie ungläubig und leicht irritiert. „Ja, die da hinten meine ich. Die so aussehen wie Blumen mit drei herabrollenden Tropfen.“ „Die in rot und blau ausliegen?“ „Genau die, sehen die nicht geil aus?“ Nina zweifelte gerade an der Zurechnungsfähigkeit ihrer sonst so vernünftigen Freundin. „Sag mal, hab ich da irgendetwas nicht mitgekriegt, oder zeigst du mir die Dinger nur, weil du sie einfach geil findest?“ „Letzteres.“ „Aha, gut. Die sind nicht schlecht, ziemlich schick sogar.“ „Eben! Was meinst du, ob du dir Eines stechen lassen würdest?“ „Ich und ein Bauchnabelpiercing? Na du stellst Fragen!“ „Warum nicht? Hyde hat schließlich auch eins.“ „Weiß ich… Mir fällt auf, ich hab gar nicht drauf geachtet, als er so halbnackt vor uns rumgetänzelt ist.“ „Ich auch nicht!“, stellte Chrissie entsetzt fest. STILLE „Ich sag dir was, ich find das rote Piercing da so genial, dass ich mir das jetzt einfach kaufen werde.“ „Trifft sich, der Gedanke an Hyde hat mich gerade überzeugt, mir in Zukunft auch Eines stechen zu lassen. Das hellblaue Piercing gefällt mir übrigens ziemlich gut.“ „Wir sind so verrückt…“ „Sag bloß, das überrascht dich!“ Chrissie boxte ihr in die Seite und feixte dabei. „Los komm, bevor es sich die Piercings anders überlegen. Außerdem müssen wir doch unseren Dispo strapazieren, ehe das Geld von der Reisegesellschaft überwiesen wird.“ Gesagt, getan. Mutig betraten sie den Laden und kauften die beiden Schmuckstücke zu jeweils etwa 16600¥. Beschwingt von ihren Errungenschaften, machten sie sich auf den Heimweg, diskutierten ihre fixe Idee mit den Piercings noch mal aus und kamen schließlich gegen 17 Uhr wieder im Hotel an. Hyde wartete noch nicht an der Rezeption, also beeilten sie sich noch mal um in ihr Zimmer zu kommen, machten sich frisch und wechselten ihre Kleidung. Chrissie zog sich, genau wie Nina, eine bequeme Jeans an und ein rosafarbenes, bauchfreies Top. Mit einer Haarspange steckte sie ihre Haare locker hoch, so dass der Haarschopf über die Spange fiel und sie somit verdeckte. Nina zog zu ihrer Jeans ein anliegendes, schwarzes Oberteil ohne Ärmel, aber mit kurzem Rollkragen an. Durch ihr breites Becken rutsche es immer etwas hoch, also war auch es mehr oder weniger bauchfrei. Dazu machte sich Nina einen ganz normalen Pferdeschwanz wie schon am Vortag, so kam ihr langer Pony auf der linken Seite viel mehr zur Geltung. Plötzlich klopfte es an der Tür und sie beide fuhren hoch. „Enah? Nina? Seid ihr fertig? Wir müssen los!“, sagte Hyde’s Stimme hinter der Apartmenttür. Sie öffneten die Tür und sahen in Hyde’s muntere Miene, das kurze Nickerchen hatte ihm offensichtlich sehr gut getan. Schon waren die beiden Freundinnen wieder am imaginären sabbern. Hyde hatte nämlich ebenfalls seine Kleidung gewechselt. Nun trug er ein dunkelblaues Shirt, bei dem der Kragen so weitläufig war, dass die Schultern beinahe völlig freigelegt wurden. Am Saum war es schräg nach rechts runter geschnitten und hatte dort ein paar kleine Bändchen. Als Verzierung war an jedem Rand eine fingerbreite Bordüre eines gelben und aufwendigen Musters aufgenäht. Dazu trug er erstmals eine schwarze Lederhose, die sogar noch etwas an seinen Beinen schlackerte. Seine Schuhe hatten diesmal sogar ein wenig Absatz, also überragte er Chrissie um ein kleines Stück. „Können wir los?“, fragte er sie nochmals und riss sie so aus ihrer Trance. „Ähm… ja klar.“, stammelte Chrissie und blinzelte kurz irritiert. Das war Nina’s Zeichen, sie schnappte sich die Key-Card und verschloss die Tür hinter ihnen. Kaum waren sie unten und vor den Eingang getreten, stiegen sie auch schon in ein dunkles Auto mit Fahrer ein, das doch wesentlich luxuriöser auf sie wirkte, als das enge Taxi von der Hinfahrt. Die Fahrt verlief still und alle schwiegen. Chrissie und Nina waren fürchterlich angespannt. So nervös waren sie ja noch nicht mal gewesen, als sie damals in der Schlange für den Einlass gestanden hatten. Nein, damals wären sie beinahe vor Vorfreude gestorben, aber nicht an Nervosität. Insgesamt dauerte die Autofahrt nur eine Stunde, den beiden Maiden wurde ganz mulmig als der Wagen parkte und man sie zum Aussteigen anhielt. „Gott ist mir schlecht…“, meinte Nina kreidebleich und sah die gigantische Halle hinauf. „Meine Güte, wenn Gackt sagt, dass er kleine Hallen bevorzugt, weil er da seinen Fans näher ist, dann will ich nicht wissen, wie groß der Tokyo Dom ist, den er ja als zu groß einstuft.“, sagte Chrissie dazu und renkte sich bald den Hals aus. Hyde beobachtete sie lächelnd, doch dann klopfte er ihnen auf die Schultern, damit sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf ihn lenkten. „Lasst uns schnell reingehen. Nicht das uns jemand sieht oder mich vielleicht sogar erkennt.“ »Mit der Aufmachung ist er ja auch so besonders unauffällig…«, dachte die Rotblonde schmunzelnd bei sich und nickte dann einfach zustimmend. Nina hakte sich bei ihr ein und so folgten sie Hyde und dem dunkel gekleideten Fahrer bis zum Hintereingang. Die Wände waren weiß und der Boden mit Lenolium ausgelegt. Die Flure waren relativ breit und kahl, also ideal, um auf einmal mit einer Horde von Leuten gleichzeitig da durchzurennen. Was ihnen beiden, besonders Nina, zu schaffen machte, waren die vielen Abzweigungen. Es schien ein einziger Irrgarten zu sein, vor allem, weil sich alle Gänge wie ein Ei dem anderen glichen. Zu ihrem Glück schien aber der Fahrer ganz genau zu wissen, wohin sie denn müssten, also machten sie sich nicht länger Gedanken darum. Schon bald liefen ihnen die ersten Leute aus dem Stuff über den Weg. Mit der Zeit wurden es immer mehr. Jeder wuselte eilig durch die Gänge, der Eine mit zusammengerollten Plänen, der andere mit Kostümen oder Shirt’s vom Stuff und wieder andere schienen wild nach etwas zu suchen oder andere Vorbereitungen zu treffen. „Da seid ihr ja! Ich dachte schon, ihr hättet euch vielleicht verfahren.“ Ihre Köpfe schnellten nach links, dort stand Gackt, bereits mit ersten Kleidungsstücken für seinen Auftritt bekleidet. „Nein, nein. Alles in Ordnung. Und? Wie weit seid ihr schon?“, antwortete Hyde. Nina verkrallte sich in dem Arm ihrer Freundin, sie realisierte gerade, dass sie genau hinter der Bühne standen, die ihr wahnsinnig groß vorkam, allerdings wenig spektakulär. Immerhin war der schwarze Vorhang zugezogen, überall standen komplizierte Gerätschaften, Kameras und Leute vom Stuff herum und der Boden war übersäht mit Kabeln. An der Seite ging es eine Treppe herunter, an die konnten sie sich noch aus den Tour DVD’s erinnern. „Na ihr zwei? Ihr seht so entgeistert aus.“, fragte Gackt und wich so Hyde’s Frage vorerst aus. Sie sahen ihn mit weit offenen Augen an und bemerkten jetzt, dass ihre Münder ebenfalls offen standen. Peinlich berührt schlossen sie sie schnell und sahen sich dann auch schon wieder um. Schmunzelnd wand sich der Sänger wieder an Hyde. „Ehrlich gesagt ist hier ziemliche Hektik, die Planung ist etwas unorganisiert und einige wissen noch nicht so recht, an welchen Platz sie gehören, aber wir kriegen das schon rechtzeitig hin. Am meisten stören mich aber die Kameraleute, die stehen die ganze Zeit über im Weg herum und stellen noch zusätzlich zeitaufwendige Fragen. Da denkt man nun, diese Leute hier machen das schon jahrelang und müssten inzwischen routiniert sein, aber nein! Jeder kommt noch mal an und fragt wie, wann, wo und was er am besten filmen soll!“ Gackt klang sehr gestresst und sah auch so aus. Während er noch weitere solche Dinge Hyde gegenüber aufführte, kapselte sich Nina mit Chrissie ab und nahm gemeinsam mit ihr den Backstagebereich genauer unter die Lupe. Wie magnetisch zog es sie zu dem dunklen Vorhang, beziehungsweise zu dem, was sie dahinter wohl erwarten würde. Und tatsächlich, sie waren sprachlos! Ihm Fernseher hatte die Arena ja schon beeindruckend auf sie gewirkt, aber das hier übertraf all ihre Vorstellungsmöglichkeiten! Fassungslos und gleichzeitig überaus fasziniert, starrten sie über die abertausend Plätze hinweg. „Wow, da bekommt man ja eine richtige Gänsehaut… Wahnsinn, dass ein einzelner Mensch es fertig bringt, eine solche Halle zu füllen und all diese Menschen zu begeistern.“, raunte Nina ehrfürchtig. „Wem sagst du das…“, erwiderte die Ältere nicht weniger respektvoll. Inzwischen wurden sie von vielen der Stuffmitglieder skeptisch angesehen, teilweise auch mit abwertenden Mienen. „Kann ich euch um etwas bitten?“, fragte Gackt plötzlich hinter ihnen und ließ sie so kurz zusammenzucken. „Ja, warum nicht.“, antwortete Chrissie, als sie sich zu ihm umgedreht hatte. „Wenn ihr wollt, könnt ihr das Konzert vom Backstagebereich aus beobachten, aber ihr dürft hier niemanden im Weg stehen oder an den Geräten herumspielen. Ist das klar?“ Sein Gesichtsausdruck war ernst und auch sein Tonfall war sachlich. Den Beiden war sofort klar, dass er es nicht böse meinte, er nahm die Sache nur sehr ernst und wollte um keinen Preis, dass etwas schief lief. Natürlich stimmten sie ohne wenn und aber zu, sie waren schon überglücklich damit, dass sie überhaupt anwesend sein durften. Wer außer ihnen hatte denn schließlich schon mal die Gelegenheit, Gackt so aus der Nähe zu erleben und vor allem mit ihm zu sprechen? „Hier bitte, sie haben vielleicht nicht unbedingt ihre Größen, aber es wäre ihnen vielleicht angenehmer, wenn sie sie tragen würden.“ Ein etwas kleinerer Mann vom Stuff hielt ihnen auf einmal zwei zusammengelegte Shirts entgegen. Es waren original Tourshirts, die nur Mitglieder vom Stuff trugen. Perplex starrten sie die Kleidungsstücke an und wussten noch nicht so recht, was sie damit machen sollten. Da gesellte sich Hyde wieder zu ihnen. „Ihr könnt sie ruhig nehmen. Ich habe Gackt vorgeschlagen, dass er euch doch für heute in seinen Stuff aufnehmen könnte. Ihr könnt den anderen beim Aufbau von den Geräten helfen oder dafür sorgen, dass man nicht mehr so sehr Gefahr läuft, über die vielen Kabel zu stolpern. Ihr könnt auch die ganzen Anschlüsse checken und während des Konzerts passt ihr einfach mit auf, dass auf der Bühne alles glatt läuft und ob sich jemand aus dem Publikum auffällig verhält. Dafür sind zwar eigentlich die Bodyguards zuständig, aber ihr wisst ja, wie das ist. Doppelt hält besser.“ Es ratterte in ihren Köpfen, was hatte Hyde da eben so selbstverständlich zu ihnen gesagt? Sie dürften dem Stuff helfen und gehörten sogar dazu? Machte er Witze? Oder träumten sie gerade einen unmöglichen Traum? Nein, es war Realität! Sie starrten sich an, unfähig irgendetwas herauszubringen, nahmen sie stumm die Shirts entgegen und zogen sie über. In der Tat, sie waren ihnen zu groß, aber das wirkte in ihren Augen irgendwie fesh. „So, jetzt bin ich nicht mehr ansprechbar… Ich sterbe grad wieder…“, tuschelte die Größere leise zu Chrissie, als sie sich daran machte, einige der Kabel zusammenzuraffen und so weit es ging an die Seite zu schieben. „Ich auch nicht, also halt die Klappe. Ich versuche gerade zu realisieren, was hier abgeht.“, tuschelte Chrissie zurück. Gackt war irgendwann die Treppe hinunter gegangen, wahrscheinlich, so vermutete das Duo, musste er nun langsam in die Maske. „Mir fällt auf, ich habe noch gar keinen von den anderen aus Gackt-Job gesehen. Ob die schon alle unten sind?“ „Bestimmt, so viel haben sie ja mit der Organisation hier oben nicht zu tun.“ „Ach übrigens. Wenn ihr mich nachher suchen solltet, ich geselle mich mit zu den Leuten, die ganz hinten, gegenüber der Bühne, am Haupteingang stehen. Ich bin also während des Konzertes nicht hier hinten.“ Sie sahen aus ihrer gebückten Haltung zu Hyde auf, der inzwischen eine dunkle Sonnenbrille trug. „Du gehst weg?“, fragten sie beide enttäuscht nach. „Ja, hier hinten wird das sonst zu viel und ich dachte, ich könnte mir das Spektakel ja auch mal richtig ansehen. Ihr kennt es ja schon. Nachher bin ich dann gleich wieder da.“ Die Blauäugige machte einen geknickten Gesichtsausdruck, zu gerne hätte sie gesehen, wie Hyde auf diverse Handlungen von Gackt reagiert hätte. Sie liebte es, wenn Hyde frei und natürlich lachte, es sah immer unheimlich süß bei ihm aus und führte unweigerlich zu Quietschanfällen. „Nimm es nicht so schwer Mausi.“, zog Nina sie in ihrer Muttersprache auf. Ihre kleinere Freundin wurde leicht rosa um die Nasenspitze und sah bedröppelt zu Boden. Hyde zog eine Augenbraue hoch und musterte sie beide fragend, doch keine von ihnen ging darauf ein, also beließ er es dabei und kapselte sich von ihnen ab. Es war zwar noch viel zu früh dafür, aber vielleicht hatte er noch kurz etwas anderes vor. So verbrachten sie die nächste Stunde damit, den anderen Leuten vom Stuff unter die Arme zu greifen, die sie nach und nach immer mehr akzeptierten und sie trotz des enormen Zeitdrucks hin und wieder in kurze Wortwechsel verwickelten. Inzwischen war ihre Nervosität vollkommen verschwunden, jetzt lauerte nur noch die große Vorfreude auf das Konzert auf sie. Schließlich war es nur noch eine halbe Stunde, bis das Final endlich seinen Anfang finden sollte. Alles war in heller Aufruhr, niemand stand mehr still, alle rannten wie besessen durch die Gegend um alles doppelt und dreifach zu checken. Darunter auch die zwei Mädchen, auch wenn sie sich mehr im Hintergrund hielten, schließlich kannten sie sich mit der ganzen Technik bei weitem nicht so gut aus, wie die Leute vom Fach. Gemurmel drang zu ihnen aus der Halle heran, anscheinend war bereits Einlass. Die Zwei waren sehr optimistisch, dass bisher alles hervorragend geklappt hatte, doch dann kam der große Knall. Ein paar Leute, die um ein großes Schaltpult mit vielen kleinen Hebeln und Knöpfen standen, begannen entnervt und leicht hysterisch herumzukreischen. Alle Aufmerksamkeit lag inzwischen auf ihnen, doch keiner wusste so recht, wo das Problem lag. Auf jeden Fall rannte einer der Männer die Treppe hinunter, kurze Zeit kam er mit Gackt zurück, der seine Stirn tief in Falten gelegt hatte. Diesmal folgten ihm auch You, Chachamaru, Ju-Ken und Ryu, alle vollständig aufgestylt. „Was ist denn los?“, fragte Gackt ernst. „Die Verstärker funktionieren alle nicht richtig, irgendwas stimmt mit ihnen nicht.“, antwortete einer von denen, die am Pult stehen geblieben waren. Chrissie näherte sich unauffällig dem Schaltpult und nahm es genauer in Augenschein. Nina blieb an ihrem Platz stehen und beobachtete angespannt die Situation. „Was soll das heißen? Steht nicht einfach so in der Gegend rum, sondern behebt das Problem! Es kann doch nicht so schwer sein, ein paar Verstärker wieder in Gang zu bringen!“, sprach Gackt laut und eindringlich. Sofort rannte wieder alles wild durcheinander, Chrissie hingegen stand inzwischen direkt vor dem Gerät und las sich die Schriftzüge unter den vielen Hebelchen, Knöpfen und Lämpchen durch. Was ihr sofort auffiel war, dass alles sehr unübersichtlich zusammengewürfelt war. Vielleicht hatte man einfach nur eine Kleinigkeit übersehen. „Ähm, Gackt? Wofür ist dieser Schalter hier?“, fragte sie vorsichtig. Gackt, der sich gerade Anleitungen von ein paar Leuten zeigen ließ, sah entnervt auf und spähte zu ihr hinüber, auch You fixierte sie. Alle anderen versuchten das Problem bei den Sicherungen oder der Stromversorgung zu finden. „Ach, weiß ich jetzt auch nicht so genau, auf jeden Fall kann man ihn an- oder ausschalten.“, antwortete er ihr weniger interessiert und vertiefte sich sofort wieder in seiner Unterlagen. Chrissie fuhr mit ihrem Finger weiter über die Beschriftungen und blieb bald schon wieder an einer stehen. „Und der Knopf hier? Unter dem steht was von “Auto“ und darüber brennt ein Lämpchen. Daneben ist einer der…“ „Es reicht! Enah hör mal, ich habe jetzt wirklich keine Zeit dafür, dir diesen Apparat zu erklären! In einer viertel Stunde beginnt das Tourfinal und das Wichtigste, die Verstärker, funktioniert nicht richtig! Ich habe gesagt, dass ihr nicht im Weg sein sollt, also hör jetzt auf damit!“, fuhr er sie barsch an. Chrissie ließ ihren Finger sinken und verdunkelte ihre Miene. Beleidigt, gekränkt und vor allem enttäuscht, rannte sie an den anderen vorbei in die Flure zum Hintereingang. Nina sah ihr verzweifelt hinterher, auf einer Seite fand sie Chrissie’s Fragen nicht so schlimm, aber auf der anderen Seite konnte sie verstehen, dass Gackt keine Zeit hatte, sich um so etwas zu kümmern. Sie blieb von daher noch kurz unentschlossen an ihrem Platz stehen, bis sie You ins Blickfeld fasste. Der hatte ja alles mit angesehen und angehört und trat nun vor das Pult. Nachdenklich ging er noch mal die Schalter und Knöpfe durch, nach denen die junge Frau gefragt hatte. Mit einem Mal fiel es ihm wie Schuppen von den Augen! Die Verstärker waren auf Autofunktion eingestellt, dort brannte auch ein Lämpchen, aber dafür war es ausgeschaltet. You betätigte also aus Intuition heraus den Knopf neben dem mit “Auto“, auf dem “Manuel“ stand. Schon verschwand vom Display das ERROR und ein OK erschien. „Gackt, es funktioniert wieder.“, rief er zu seinem gestressten Freund hinüber. Ungläubig sah dieser von seinem Papierkram auf und eilte zügig zu ihm. Erleichtert sah er auf die Anzeige. „Gott sei Dank…“, raunte er und holte tief Luft. You drehte sich um und lief in Richtung Flure. Gackt sah ihm irritiert hinterher. „You, wo willst du denn hin?“ „Das wieder geradebiegen, was du verbockt hast.“, meinte You trocken. Der dunkelhaarige Sänger sah ihn unwissend an. „Eigentlich ist es nämlich Enah’s Verdienst, dass die Verstärker wieder funktionieren. Hätte sie nicht nach den Schaltern gefragt, wäre ich gar nicht erst auf die Idee gekommen, von Autofunktion auf Manuel umzuschalten.“ Mit diesem Satz drehte You sich wieder um und verschwand um die Ecke. Gackt blieb mit einem schlechten Gewissen zurück, aber lange konnte er sich dem nicht widmen, in zehn Minuten begann bereits das Opening… „Enah?“ Sie saß mit verschränkten Armen und bockigem Blick auf ein paar aufgestapelten Kisten, die an der Wand entlang standen. „Hey, alles ok mit dir?“, fragte er freundlich. Nur ganz flüchtig schenkte sie dem groß gewachsenen You einen Blick, er seufzte. „Die Verstärker funktionieren wieder.“ „Schön!“, meinte sie zickig. „Das haben wir aber deinen Fragen zu verdanken. Es war nämlich nicht auf…“ „Manuel eingestellt. Ich weiß, deswegen hab ich ja gefragt.“, unterbrach sie ihn, allerdings schon wesentlich entspannter. „Bist du jetzt böse auf Gackt? Sieh mal, er hat sehr viel um die Ohren, nicht nur die Tour, die er ein Mal im Jahr macht. Da ist man halt leichter reizbar und verstehen kann man das doch irgendwo auch. Ich meine, nicht immer kommt auch wirklich was Sinnvolles heraus, so wie jetzt.“ Chrissie seufzte, wirklich böse war sie nicht, aber noch nie war sie so angepflaumt worden und gerade von einem persönlichen Idol war das nicht gerade prickelnd. Dafür freute sie sich jetzt aber, dass You ihr hinterher gekommen war und sich mit ihr unterhielt. „Ist schon in Ordnung, ich war nur etwas durch den Wind…“ „Was Gackt gemacht hat war nicht richtig und ich bin mir sicher, dass es ihm wahnsinnig leid tut. Kommst du wieder mit hinter? Wir müssen gleich raus auf die Bühne und wir brauchen immer jemanden, der uns in den kleinen Pausen mal eine Wasserflasche reicht.“ Sie sah ihn verdutzt an, doch You zwinkerte ihr mit einem Auge zu, sie musste unwillkürlich lächeln. Chrissie rutschte von den Kisten herunter und lief mit ihm wieder rein. „Sag mal, wie alt seid ihr eigentlich?“ „Wir sind beide im März und April 18 Jahre alt geworden.“ „Ehrlich? Also man könnte euch aber auch für älter halten.“ „Komm schon You! Wir müssen jetzt raus!“, rief ihm Gackt zu, der schon mit den anderen an der Schwelle zur Bühne stand. You winkte ihr kurz, dann verschwand er mit den anderen auf der Bühne. Zufrieden und wieder milde gestimmt, gesellte sich die Rotblonde wieder zu Nina, die bereits an ihren ersten Quietschanfällen zu ersticken drohte. Wie erwartet war das Finale einfach überragend! Nicht zu beschreiben in seinen vielen Facetten, die es auf einen Schlag zu zeigen vermochte! Ihnen beiden fiel es äußerst schwer, nicht immer wieder zu vergessen, dass sie ja auch diverse Aufgaben zu erfüllen hatten. Gackt legte so viel Kraft und Elan in seine Performances, dass es ihnen noch lebendiger vorkam, als beim ersten Mal und damals waren sie ja schon nicht mehr zu halten gewesen. Tatsächlich durften sie ihren Stars auch in der hektischen Umkleidepause zur Seite stehen und ihnen Getränke reichen. Nina wurde zwar des Öfteren beinahe umgerannt und auch Chrissie hatte es schwer, sich gegen die wütende Meute von Maskenbildner und dem Rest der Mannschaft durchzusetzen, aber solange sie Gackt-Job nur irgendwie nützlich waren, ertrugen sie das gerne. „Na Nina, wäre doch ne gute Gelegenheit, um dich mal ganz zufällig in Gackt’s Arme stolpern zu lassen.“, flüsterte Chrissie mit einem breiten Grinsen im Gesicht. Nina räusperte sich verhalten und unterließ jegliche Kommentare. Ihr Räuspern kam ihrer Freundin jedoch sehr verdächtig vor und dementsprechend bohrend war auch ihr Blick. Nina wurde unter Ihm langsam aber sicher rot. „Hab ich irgendetwas nicht mitbekommen?“ „Ich erzähl es dir später.“, wimmelte Nina sie ab und hastete der Meute hinterher, die die Treppe wieder hinauf stürmte. Die letzten Songs wurden gespielt und Nina griff zum Taschentuch. Das war alles viel zu schön, um wahr zu sein! Sie durchlebte in diesen Momenten so viel; unbändige Freude, unfassbares Glück und auch niederschmetternde Trauer. All das, was sie hier als so wunderbar empfand, würde in etwa 1½ Wochen nur noch Erinnerung an etwas sein, das sie nicht in Worte fassen konnte. Und vor dem Abschied hatte sie Angst, sehr große Angst sogar, doch erklären konnte sie sich das in diesen Momenten noch nicht. Gerne hätte sie Chrissie darauf angesprochen, doch sie sah so fasziniert und glücklich aus, dass sie es dann doch ließ. Schon bald waren diese Gedanken auch wieder unter einem Berg von anderen Emotionen und Eindrücken begraben und vergessen. Gackt sang seine letzten Worte, die Melodie wurde leiser und das Licht gedämpfter. Das Final war vorbei und er zufrieden mit sich. Er fühlte sich leicht und beschwingt, der Rest des Adrenalins in seinem Blut zeigte Wirkung. Sein Kopf fühlte sich so leicht und leer an wie schon lange nicht mehr. Wie als würde er schweben glitt sein Körper dahin, so fühlte er sich zumindest. Er hatte keine Schmerzen, oder doch? Seine Glieder fühlten sich irgendwie taub an und schienen sich ganz von selbst zu bewegen, irgendwie kam er sich mechanisch und ferngesteuert vor. Die Stimmen um ihn herum flüsterten, sie waren weit weg, er war wohl noch nicht bei ihnen, dabei lief er doch schon so lange. Seine Kehle fühlte sich trocken an, doch er hatte keinen Durst, oder spürte er das schon gar nicht mehr? Es ging ihm doch gut, oder etwa nicht? Warum waren die Gesichter vor ihm so verzerrt und verschwommen? Waren seine Kontaktlinsen verschmutzt? Ja, das musste es sein. Seine Lieder waren schwer, er wollte sie schließen. Nur ganz kurz, damit seine Augen wieder klar sehen konnten. Es war ja nichts dabei, nur kurz blinzeln, nur ganz kurz und dann… „Es war so toll! Es war so unglaublich!“, bestärkte Nina immer wieder und hüpfte total aufgekratzt vor Chrissie herum. „Ja, ja, du hast ja Recht! Es war wirklich geil!“, bestätigte sie Nina und schmunzelte. „Das müssen wir ihm unbedingt sagen, wenn wieder Zeit dafür ist!“ Chrissie nickte, in diesem Moment kam Hyde wieder um die Ecke gebogen. Auch seine Augen leuchteten, ganz offensichtlich hatte es ihm also gefallen. „Na ihr? Wie war’s?“, fragte er fröhlich und stemmte dabei seine Hände in die Hüfte. „Genial!!“, riefen sie beide gleichzeitig aus. Hyde wollte gerade zum nächsten Satz ansetzten, als sie plötzlich von mehreren, panisch aufkreischenden Stimmen unterbrochen wurden. „GACKT-SAN!!!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)