Michael der Vampir von abgemeldet (Aus der Chronik der Unsterblichen) ================================================================================ Die erste Nacht --------------- Noch nie zuvor in meinem Leben war meine Heimatstadt mir so schön vorgekommen! Ich befand mich auf einer kleinen Anhöhe, kurz vor der Stadt - ah, die Stadt! Sie erstrahlte in Farben, schöner als Pastellfarben und die Wasserspeier auf den Dächern schienen mich mit ihren Augen zu verfolgen - ja, sie schienen zu leben. Ich vernahm Stimmen von Menschen überall in der Stadt. Ich konnte die einzelnen Fenster der Häuser, sogar die Menschen problemlos ausmachen. Und es muss an dieser Stelle angemerkt werden, dass sich besagte Anhöhe etwa zwei Kilometer außerhalb befindet. Meine Sinne waren geschärft, mehr als man sich vorstellen kann. Aber da war noch etwas: Hunger oder... Durst - ich war damals nicht in der Lage es genauer zu bestimmen, aber es musste sich wohl um Durst gehandelt haben, das war mir klar, denn ich sehnte mich nach dem süßen Geschmack von chinesischem Shunji. Ja, ich wollte Wein! So machte ich mich auf, in Richtung Stadt, leere Taschen da mein Schöpfer mich gierig geplündert hatte. Etwa fünfhundert Meter vor den ersten Häusern der Stadt begegnete mir ein verwahrloster Penner - wen hätte ich mitten in der Nacht, hier auch sonst erwartet? Ich sah ihn und mir fiel sofort seine Hauptschlagader auf. Sie schien mir doppelt so dick zu sein, wie gewöhnlich und ich konnte sehen und hören, wie das Blut ohne Nachlass durch sie gepumpt wurde. Seine Haut schien besonders rosig zu sein, da ich das Blut darunter ebenfalls erkennen konnte und mein Hals wurde zunehmend trockener... Ich roch seinen Schweiß und den Gestank vom billigsten Schnaps, der sich in einer runtergekommenen Tanke hatte auftreiben lassen und dennoch zog er mich wie magisch an. Darum ging ich auf ihn zu und begrüßte ihn freundlich, mein Hände verschwitzt und zittrig. Er erwiderte zwar meinen Gruß, jedoch wesentlich weniger freundlich und eher genervt. Ich wusste nicht, was mich so anzog, aber ich musste ihn dabehalten und so bat ich ihn mir etwas zu erzählen. Zwar sträubte er sich zunächst, doch schien ihn der Gedanke zu faszinieren, dass jemand seine Geschichten hören wollte und so erzählte er. Er erzählte mir, dass er ein Soldat in 'Vietnam diesem gottverdammten Höllenloch' gewesen war und man ihn jetzt mit einer Billig-Beinprothese weggeworfen hätte. Er erzählte auch von der 'verkorksten Politik' und vielen anderen Dingen, doch es fiel mir außerordentlich schwer, ihm zuzuhören. Es war sein Puls, der mich so in seinen Bann gezogen hatte, das erkannte ich nun. Er hämmerte, wie ein Gong oder eine Kirchturmglocke, die mich fast wahnsinnig machte. Ich ertappte mich, wie ich seine Ader fixierte und sich meine Augen weiteten, Schweiß perlte auf meiner Stirn. In diesem Moment schien nicht ich, sondern 'etwas' in mir Herr über meinen Körpers zu sein... DURST! Plötzlich stürzte sich mein Körper auf ihn, warf seinen Kopf nach hinten, wobei sein Genick unter einem lauten Knacken brach und ich biss ihn. Ich gab mich dem Geschehen einfach hin, spürte wie sein heißes Blut meine Kehle hinunterschoss und sog sein Leben heftig in mich auf... der Gong - er wurde langsamer und leiser und als es vorbei war, war der Durst zwar noch lange nicht gelöscht, aber ich war wieder Herr meiner selbst. Und ich war enttäuscht, dass es so schnell vorbei gewesen war. Ich erkannte, was ich war und ich fand mich damit ab! Ich musste immer wieder daran denken, dass die atemberaubende Schönheit, die mich umgab nun selbstverständlich für mich sein würde und mir gefiel der Gedanke. Und was waren schon die Menschen, die ich von da an töten würde? Gottes Gnade unterlag ich so oder so nicht mehr, selbst wenn ich an ihn geglaubt hätte. Ich riss - und reißen ist wohl der einzig passende Ausdruck - in dieser Nacht noch ungefähr zehn Menschen. Ich sog nicht nur ihre Leben, sondern auch ihre Erinnerungen gierig in mich auf! Danach war ich mehr als satt und musste mich hinlegen. Also ging ich nach hause, doch ich sollte es nicht bis ins Bett schaffen: Bereits im fensterlosen Treppenhaus, des sechsstöckigen Mehrfamilienhauses überkam mich eine solche Müdigkeit, dass mir schwarz vor Augen wurde und ich einschlief... Ich hatte die erste Nacht, nach meiner 'zweiten Geburt' überstanden. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)