Schattendiener von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 1: Die Erinnerung an das Leben -------------------------------------- Einzelne Wolken ziehen über den Sternenhimmel. Der große Mond hat fast seine volle Rundung erreicht, doch noch sieht man ihm die Sichel deutlich an. Wenn man ihn lange genug anstarrt, erkennt man das Grinsen der Grinsekatze aus Alice. Doch John mochte den Mond nicht. Der Mond hatte ihn vor langer Zeit verbannt, ihne aus seinem ehemaligen Leben herausgestoßen und zu einem Leben als Ausgestoßener verbannt. John hasste den Mond. So verschloss er die Augen, um sein hypnotisierendes Sein nicht sehen zu müssen. Doch das schließen der Augen brachte Erinnerung. Erinnerung, die ich er nicht mehr haben wollte. ~*~ Es schien ein wunderbarer Tag zu werden. Es war einer dieser wunderschönen Herbsttage, die noch einmal den Sommer in die Erinnerung rief. Es war kaum windig und es war relativ warm. Die Bäume waren noch grün, nur sehr wenige hatten schon die rote und gelbe Blätter, die für den Herbst so typisch waren. Das einzige was diese Idylle zerstörte, war die Tatsache, dass Johns Wecker um Fünf Uhr Dreizig anfing zu klingeln, um ihn aus den Federn zu werfen. Seufzend drehte er sich nach links, wo seine Frau Betty lag und noch firdlich schlummerte. Berneidenswert, wenn man bei so einem Krach schlafen konnte! Lächelnd beugte er sich über sie und gab ihr einen Kuss auf die Wange. Sie seufzte lediglich und drehte sich auf die andere Seite, Kopfschüttelnd und mit einem Grinsen machte John endlich den Wecker aus und stand auf. Nach einer kalten Dusche und einen schönen heißen Kaffee, fühlte er sich sogar Arbeitsbereit. Pünktlich zwei Minuten vor halb sieben kam dann auch seine 15-jährige Tochter aus ihrem Zimmer gestürmt und rief laut "Ich komme zu spät!". Ohne erst Morgen zu rufen, verschwand sie deshalb gleich nach draußen, um den Schulbus noch zu erwischen. John kümmerte sich schon gar nicht mehr darum. Das kannte er inzwischen seit vier Jahren. Er trank genmütlich seinen Kaffee aus und las seine Zeitung, bis er kurz vor Sieben das Haus verlies, um zur Arbeit zu fahren. Es war bereits neun Uhr, als der erste Klient sein Büro betrat. John legte die Akte weg, die er bis eben noch bearbeitet hatte und stellte sich auf seinen jetztigen Fall innerlich vor. Sein Klient hies Maximilian Stark, desen Leben aus Hunde bestand. Maximilian hatte weder Frau noch Kinder, dafür aber fünf Hunde. Drei Rottweiler, einen Schäferhund und einen Mischling. Er war ein Hundezüchter und Hundetrainer, war aber keine Ikone auf seinen Gebiet. Maximilian war ein einfacher Arbeiter. Bis vor zwei Wochen hatte er noch einen Wolfhound besessen, einen großen, herrlichen Iren. Der war Maximilians ganzer Stolz gewesen. Doch dann kam sein Nachbar und erschoss das Tier, aus bisher ungeklärten Ursachen. Der besagte Nachbar - Edward Wiedmannsheil - sagte aus, dass der Hund auf seinen Grundstück war und dort seinen drei jährigen Sohn angefallen war. Später revidierte er es in >>wollte<<, denn der Sohn war unverletzt. Zudem galt der Ire als außerordentlich Kinderfreundlich, was jeder in der Straße bezeugen konnte, außer Wiedmannsheil natürlich. Deswegen war Maximilian zu John gekommen, einen Anwalt, den er sich leisten konnte und trotzdem noch einen guten Ruf besaß. John sollte dafür Sorgen, dass Maximilian Schadenersatz bekommt, denn Wiedmannsheil weigerte sich zu zahlen. Heute stand nur ein kurzes GEspräch an, Maximilian wollte den Termin zum gerichtlichen Treffen haben, sowie noch kleine Hilfen, wie er sich am besten im Gericht benahm. Das war dem Soziophobiker sehr wichtig, immerhin wollte auch er einen guten Eindruck hinterlassen. Nachdem Maximilian abgehackt war, gönnte sich John ein Frühstück. Die Chance hatte er nicht jeden Tag, denn auch als kleiner Anwalt war man ziemlich im Stress. Zwischenzeitlich flirtete er auch noch mit der Sekretäerin, mit der er sich jeden Donnerstagabend in einem Motel traf und etwas Dampf ablies. Seit Betty wieder schwanger war, lies sie ihn nämlich nicht mehr ran. Er vermutete eh, dass Betty ebenso eine Affäre hatte wie er und dass das Kind von dem anderen Mann kam und nicht vom ihm. Eigentlich rechnete er schon mit einer baldigen Scheidung, denn obwohl es ganz harmonisch zwischen ihnen lief, so war ihre Heirat doch nur aus reinen Nutzen entstanden. Betty hatte sich als Jugendliche mit einem Kiffer eingelassen, der sie ebenso schnell ins Drogengeschäft gezogen hatte, wie sie das erste Mal schwanger war. Sie lies zwar das Kind abtreiben, blieb aber bei den Drogen. Irgendwann wollte sie sich von den Kiffer trennen, doch aus Eifersucht lies er sie nicht gehen, bis sie beim Schnorren durch Zufall auf den Junganwalt John traf, der immerhin gerade seine erste Frau durch einen Unfall verloren hatte. Er rette sie vor dem Kiffer und begann mit ihr eine reine Sexbeziehung, bis er ärger von der Familie bekam und sie heiratete, um sie auch weiterhin nehmen zu können. Das lief nun seit 30 Jahren gut, aber inzwischen hatten sie genug von einander. So verging sein Tag in aller Ruhe wie immer. Etwa um 18 Uhr machte er schließlich Feierabend und machte sich auf den Weg nach Hause. Zwischendurch hielt er noch bei der Reinigung und holte sein Jacket ab. Erst ann fuhr er seelenruhig nach Hause, wo Betty schon mit den Abendbrot wartete. Sein Sohn Karl war schon fertig und Marie war aus. Das Essen verlief fast schweigensam, nur einmal fragte Betty, wie es auf Johns Arbeit war und er sagte lediglich: "Ganz okay." Das war ja auch nicht gelogen. sondern entsprach der Wahrheit. Als das Essen fertig war, sahen sie noch gemeinsam fern, bis Betty schließlich ins Bett ging. John schaute noch eine Stunde länger und schlich sich dann ins Bad, wo er sich schnell eine runder holte und dann duschte. Als das endlich fertg war, ging er ins Schlafzimmer. Wie erwartet hörte er das leise Schnarchen seiner Frau, dass er schon immer putzig fand. Am liebsten hatte er Betty eh immer so. Und natürlich laut schreiend natürlich, während sie beide im Bett waren und sich vereinigten. Seufzend schalltete er den Wecker an und legte sich endlich schlafen. ~*~ Fluchend schüttelte John den Kopf. Warum musste er sich gerade jetzt erinnern? Jetzt war nicht die Zeit für Erinnerungen! Neugierig sah er nach unten, wo die weit unten Lichter vorbeifuhren. Mit seinen empfindlichen Ohren konnte er die Gespräche der wenigen Menschen hören, die um diese Zeit draußen waren. Da dies keine Discogegend war, waren es relativ wenige. Wenn er sich sehr anstrengte, konnte er sogar die einzelnen Wörter hören, aber wozu sollte er das? Er wollte es auschließen, für immer. Er wollte nicht mehr der sein, der er war. Er wollte sein altes Leben zurück. Kapitel 2: Die Erinnerung an die Verwandlung -------------------------------------------- Erinnerung an die Verwandlung Noch immer warf der Mond das Licht der Sonne auf die Erde hinab und noch immer strahlten die Sterne am nächtlichen Himmel. In einem anderen Viertel der Stadt schlug eine Turmuhr gerade die 23 Stunde des Tages an. Bald würde Mitternacht sein, die Stunde der Geister, glaubten die Menschen. Wie närrisch sie doch waren! Als ob sich Geister darum scherten, ob eine Menschenerfindung den neuen Tag anschlug, oder ob es draußen nun Tag oder Nacht war. Allgemein glaubten die Menschen an vieles und fast nichts davon entsprach der Wahrheit. Wenn er da nur an Gott dachte. Eine Allmacht die laut der Religion Allmächtig, Allwissend und Allgütig war. Doch wenn es darum ging, zu verzeihen, schickte er seine Gläubigen lieber in den Krieg, anstatt zu vergeben und alle in Frieden leben zu lassen. Und alle die gleich den anderen waren, allerdings nicht an Gott glaubten, die kamen in die Hölle. Als würde die Hölle existieren. Die einzige Hölle die es gab, war jene, die sich das Leben selbst erschuf: Die Arbeit, die persönlichen Feinde, der Stress, der Tod… all das waren Höllen auf Erden, wenn man es denn dazu machte. Und mal ehrlich. Die Menschen hatten ein Talent in Höllenmachen. Wobei er zugeben musste, dass es Höllen gab, die schlimmer waren als andere. Und er hatte wohl eine der schlimmsten überhaupt erlebt. John fluchte. Solche Gedanken sollte er lassen, so etwas schuf nur Erinnerung. Doch es war zu spät. Die Erinnerung kam, sie kam mir solch einer Wucht und Stärke, dass John sie nicht zurück halten konnte. ~*~ Es war an einem Tag wie jeder andere auch. Wie die Tage davor, regnete es fast ununterbrochen. Meist nieselte es nur, aber ab und an kam schon noch ein heftiger Schauer auf die Erde hinab. Einige Teile des Landes waren inzwischen überflutet, einige Dörfer waren geradezu ausgelöscht worden von den Wassermassen. Aber wenn man der Regierung glauben schenken konnte, so war die Sache unter Kontrolle. Neben den anhaltenden Regen stürmte es an diesem Tag etwas mehr als sonst. Zwar herrschte kein Orkan, aber wenn man mit dem Auto fuhr, wurde man beinahe von der Straße geweht. John war mit seinem Jeep unterwegs um seine alte Mutter zu besuchen. Lisbeth lebte inzwischen allein - ihr zweiter Mann Hank war vor acht Jahren bei einem Herzinfarkt gestorben - und konnte sich kaum noch selbst versorgen. Lisbeth lebte auf den Land, mitten auf einen Bauernhof. Zwar kam jeden zweiten Tag eine Haushilfe vorbei, die sich um den Haushalt kümmerte, doch einkaufen fuhr die nicht, da sie selbst kein Auto besaß. Deswegen fuhr John einmal in die Woche zu seiner Mutter und kaufte diverse Lebensmittel ein, damit sie wieder etwas zu essen hatte. So konnte die alte Frau wenigstens nicht mehr dem Alkohol frönen, dem sie immerhin fast 30 Jahre verfallen gewesen war. Es war bereits am späten Nachmittag, als John auf den Hof seiner Mutter fuhr. Wie erwartet saß die Alte am Fenster und sah in die Welt hinaus. Als John aus dem Auto stieg, winkte er ihr zu, ging dann zum Kofferraum und schnappte sich den Korb samt Inhalt, der dort schon bereit stand. Anschließend trug er das ganze ins Haus und stellte es in die Küche, um danach direkt zu Liesbeth zu gehen. Sie sah noch immer aus dem Fenster und beachtete ihren Sohn nicht weiter. Auch nicht, als der ihr einen Kuss auf die Wange gab. Sie stierte nur weiter aus dem Fenster. Mehr erlaubte ihr das vom Alkohol zerfressenes und an Morbus Alzheimer leitendes Gehirn auch nicht. Dennoch setzte er sich neben ihr hin und fing an zu erzählen. Er erzählte ihr von seinen Beruf, von seiner Noch-Ehe, von seinen Kindern und allgemein was in der Welt so geschah. Irgendwann blickte er auf seine Uhr und entschied, dass es an der Zeit war, wieder nach Hause zu fahren. Doch als er sich erhob, griff Lisbeth ohne Vorwarnung nach seinen Arm und hielt ihn fest. Erstaunlicher weise brachte sie dazu viel Kraft auf, welche man ihr nicht mehr zugetraut hätte. “Lass los Mutter.”, sagte er sanft. “Ich muss nach Haus.” Doch seine Mutter wandte ihm nur den Kopf zu und starrte ihn aus trüben Augen an. Ihre Pupillen waren winzig klein und die braune Iris schien den ganzen Augapfel auszumachen. Zudem leckte sich die alte über die Lippe und schien so ganz gar nicht mehr Johns Mutter zu sein. “Mutter?”, fragte er. “Was ist los?” “Mein Versprechen.”, flüsterte die Alte. “Welches Versprechen?” “Ich muss mein Versprechen einlösen. Ich habe es Hilde versprochen.” John schluckte. Hilde war einst die beste Freundin seiner Mutter gewesen, doch nachdem die eine der anderen den Freund ausgespannt hatte, waren sie erbitterte Feinde gewesen. Inzwischen war Hilde tot. Sie starb kurz nach Johns 13. Geburtstag, der immerhin schon eine Weile zurück lag. Die Tatsache das Lisbeth ein uraltes Versprechen einlösen wollte, zeigte, dass sie dachte, das Hilde noch lebte. Und das wiederum hieß, dass das Alzheimer weiter voran geschritten war, als die Ärzte dachten. Bisher hatte sie sich zumindest noch an ihre Enkel erinnern können. Dachte sie nun, dass ihr Sohn immer noch ein Kind war und kein Erwachsener von 51 Jahren? “Mutter, Hilde ist schon lange tot.”, sagte John bestimmt. “Das weis ich doch du Nichtsnutz! Aber denkst du, dass das Versprechen auch tot ist?” Jetzt war John doch neugierig. Um was für ein Versprechen handelte er sich? Warum war es seiner Mutter so dermaßen wichtig? “Setz dich mein Junge. Warte noch, bis die Sonne untergeht.” Dann wandte sich Lisbeth wieder dem Fenster zu und rührte sich nicht mehr. John tat indes verdutzt genau das, was seine Mutter von ihm wollte und wartete. Es dauerte noch knapp anderthalb Stunden, bis die Sonne endlich vollkommen hinterm Horizont verschwunden war. Erst da lies Lisbeth den Arm ihres Sohnes los. “Geh jetzt.”, sagte sie nur. John zwinkerte verwundert, verabschiedete sich aber, schnappte sich seine Jacke und verschwand nach draußen, wo er zu seinem Jeep ging. Seit ein paar Minuten regnete es nicht mehr und der Wind hatte auch nachgelassen. Dennoch war der Boden schlammig und so stellte sich John auf ein spätes Putzen seiner Schuhe ein. Seine Hose musste wohl auch in die Waschmaschine, aber das lies sich nicht ändern. Leise vor sich hin pfeifend ging er zu seinen Auto und drehte sich nur noch einmal zum Haus seiner Mutter um. Die Lichter waren alle aus, obwohl er sie angelassen hatte, nachdem er gegangen war. War seine Mutter kurz entschlossen ins Bett gegangen, während er aus dem Haus gegangen war? Naja, was soll’s? Seufzend schloss er die Tür seines Jeeps auf und setzte sich in das Auto. Nach kurzer Zeit brummte der Motor auf und er fuhr aus der Auffahrt, hinein in den Wald, der gut die Hälfte der Strecke ausmachte. Um sich etwas abzulenken, schaltete John sein Radio an und zappte erst durch die Sender, bis er entschied, dass nichts Interessantes lief. Also schob er eine CD in den Player und wartete darauf, dass Rammstein ihn wach hielt. Doch anscheinend hatte er die falsche CD erwischt, denn statt ‘Amerika’ lief nun E Nomine. Aber alles war besser als das, was im Radio lief. >>Als die Götter des Abendlandes sesshaft wurden und ihre Reiche gründeten, verblasste allmählich der Glanz der alten Götter.<< Seufzend drehte John das Radio lauter. Wenigstens war es einer dieser gescheiten Lieder. >>Fortan regierte nur noch ein Gott. Der Allmächtige… der Herr der Christen.<< Der Tacho seines Jeeps wanderte unaufhaltsam höher. Erst bei 120 km/h blieb der Zeiger auf Ort und Stelle. John merkte nicht einmal, dass er zu schnell fuhr. >>Doch während dieser eine Glaube unaufhaltsam die Herzen der Völker eroberte, brennte der Teufel sein Mal in das Fleisch der Ungläubigen.<< Die Bäume rasten vorbei, während John starr auf die Straße vor ihm sah. Ab und zu war er sich den leuchtenden Punkten am Wegesrand bewusst und drückte mehrmals hintereinander auf die Hupe, um die Rehe und Hirsche zu verjagen. >>Dies ist die Geschichte der Menschheit,<< Es fing wieder an zu regnen, es blitzte und donnerte kurz hinter einander und John zuckte kurz zusammen. Während er sich über sich selbst ärgerte, klangen die letzten Töne des Eröffnungsliedes aus. >>Gottes Beitrag und des Teufels Werk.<< Kurz war nur das Rauschen des Windes und das Brummen des Motors zu hören, dann begann das nächste Lied anzuspielen. >>Vater unser, der du bist im Himmel, Geheiligt werde dein Name, Dein Reich komme, Dein Reich komme, Dein Wille geschehe. In Nomine patris et filii spiritu sancti<< Leise begann John mit zu singen. Immerhin musste er als kleiner Junge das Vater unser auswendig lernen. >>Vater unser, der du bist im Himmel, Geheiligt werde dein Name, Dein Reich komme, Dein Wille geschehe, Wie im Himmel als auch auf Erden, Und vergib uns unsere Schuld, Denn auch wir vergeben unseren Schuldigern, Und führe uns nicht in Versuchung, Sondern erlöse uns von dem Übel, Denn dein ist das Reich, Und die Kraft und die Herrlichkeit, In Ewigkeit… …Amen.<< John rauschte um eine Kurve ohne langsamer zu werden. >>In nomine patris et filii spiritu sancti<< Die Lichtkegel fielen auf eine Gestalt mitten auf der Straße. Erschrocken trat John auf die Bremse. Die Reifen kreischten ohne dass sie auf dem nassen Asphalt Halt fanden. Der Jeep kam ins schlingern. >>Vater unser der du bist im Himmel, Geheiligt werde dein Name, Dein Reich komme, Dein Wille…<< Die Zeit verlangsamte sich. Es schien fast, als hätte jemand die Sekunde auf die Länge einer Stunde verlängert. In seinen Schockzustand erkannte John, wie die Gestalt den Mund öffnete, wie gefährliche lange Zähne aufblitzten und blaugraue Augen funkelten. >>Vater höre meine Stimme. Herr höre meine Stimme! Lasset uns beten. In nomine patris et filii spiritu sancti Der Herr… ist ein Schatten über deiner rechten Hand… …amen.<< John wollte nicht glauben was er sah, doch die Gestalt sprang af sein Auto zu. Geschockt wurde ihm die Größe der Bestie bewusst. Kurz fragte er sich, ob er einen tollwütigen Bären vor sich hatte. Doch aus irgendeinem Grund kam ihm die Tatsache ins Bewusstsein, dass der letzte Grizzly bereits vor über 150 Jahren in dieser Gegend gesichtet worden war. >>Vater unser, Dein ist das Reich, Und die Kraft, Und die Herrlichkeit, In Ewigkeit… ...amen.<< Dann trafen Tier und Auto auf einander. Durch den plötzlichen Aufprall wurde John nach vorn geschleudert und der Sicherheitsgurt spannte sich schmerzhaft über seinen Oberkörper. Anschließend sah John in den wolkenbedeckten Nachthimmel. Regen fiel durch die zerbrochene Frontscheibe direkt auf ihn und die Ledergarnitur der Sitze. Dann erfolgte ein weiterer Aufprall. Die Welt begann sich zu drehen. Nach einem dritten Aufprall stand die Welt wieder still. Benohmen wie John war, wurde ihm die Gestalt bewusst, die auf einmal knurrend vor ihm auftauchte. Es schien zu schnüffeln und dann… schnellte sein Kopf nach vorn und seine Zähne gruben sich tief in Johns Brustkorb. Unfähig zu schreien vernahm er die letzten Töne des Liedes, welches ironischer Weise noch immer aus dem Player sprudelte… oder war es nur noch schiere Einbildung? >>Sempiternus testare Sempiternus testare<< Wenige Augenblicke später erwachte John. Zumindest glaubte er, dass nur wenige Augenblicke vergangen waren. Seine Zunge fühlte sich merkwürdig geschwollen und trocken an, zudem hatte er einen pelzigen Geschmack im Mund. Sein ganzer Körper schien weh zu tun und sein Kopf dröhnte, als ob er nach einem Saufgelage aufgewacht war. Zudem spürte er jede Faser seiner Muskeln. Hatte er während des Saufgelages Sport getrieben? Stöhnend öffnete er die Augen und sah… vorerst gar nichts. Wobei das nicht ganz stimmte. Er nahm eine rote Decke über sich wahr, doch schien sein Sichtfeld eingeschränkt zu sein, denn die rote Farbe wurde immer nebliger und dunkler, umso mehr sie sich vom Augenzentrum entfernte. Noch dazu herrschte auf seinen Ohren ein unangenehmer Druck und ihm war leicht schwindlig und übel. Allerdings hatte er nicht das Gefühl, dass sein Magen sich bald entleeren würde. Ganz im Gegenteil. Sein Magen schrie gerade zu nach Essen. Zögernd versuchte er den Kopf zu drehen, was zur Folge hatte, dass seine Kopfschmerzen schlimmer wurden, seine Umgebung zu drehen begann und die Übelkeit zunahm. Keine gute Idee. “Du solltest dich noch nicht bewegen.” Eine Stimme. Das was John da hörte war merkwürdig gedämpft, leise und leicht undeutlich, als würde die Stimme aus einem alten Radio kommen, dessen Empfänger schon vor langer Zeit hätte ausgetauscht werden müssen. Ob die Stimme weiblicher oder männlicher Natur war, war nicht fest zu stellen. “Wo bin ich?”, wollte er fragen. Doch statt der Worte kam ein seltsames Knurren aus seinen Mund. Was war nur los? Die Stimme lachte. Dann schob sich ein Kopf in sein Gesichtfeld. Wenn man hier von einen Kopf sprechen konnte. Das… das Etwas stellte sich als eine Art Wolfskopf heraus, der gewisse menschliche Züge aufwies. “Schlafe noch etwas. Dann geht es dir bald besser.” John sah, wie sich die lange Schnauze bewegte, allerdings kamen nur Knurr- und Belllaute hervor. Stimme und Laute schienen den gleichen Klang, den gleichen Ursprungsort zu haben. Die tierischen Laute schienen Bedeutung zu haben, eine Bedeutung der John unbewusst gewahr wurde. Mein Gott, was war nur los mit ihm? Sein Blick verlor sich in die Augen eben jenen Wesens, das über ihn stand. Die Augen schrieen ihn fast an zu schlafen. Die pelzigen Ohren des Wesen legten sich an und es zog die Lefzen hoch. Es grinste ihn spöttisch an, wurde sich John plötzlich bewusst. Dann kam eine riesige Klauenhand in sein Gesichtsfeld, verschwand wieder und dann spürte er, wie eben jene über seinen Kopf strich. Er spürte, wie die Klauenhand über etwas fuhr, was eindeutig zu ihm gehörte, aber nicht hätte sein dürfen. Mehr aus Instinkt und Reflex legte sich jenes merkwürdige Etwas an seinem Körper an. Er knurrte aus Verwirrung und gleich nochmals, weil es ihn verwirrte, dass er knurrte. Wieder zeigte die Gestalt über ihn sein spöttisch Grinsen, doch dann wurde es… mütterlicher. “Schlaf.”, sagte es leise winselnd. Und während John wieder in einen traumlosen Schlaf fiel, wurde ihn in seinen noch wachen Zustand die Schnauze bewusst, die direkt aus seinen Gesicht hervorragte. Was war nur geschehen? Dann verschwanden die Gedanken und John schlief. Kapitel 3: Erinnerung an das Rudel ---------------------------------- Stunden später öffnete John seine Augen. Leicht benommen nahm er war, dass er immer noch im selben Raum lag, in dem er schon gewesen war, als das Monstrum sich über ihn gebeugt hatte. Träge begannen seine Gedanken wieder zu fließen. Monstrum? Welches Monstrum? Er erinnerte sich zwar, etwas gesehen zu haben, doch wusste er nicht mehr genau, was es war. Allerdings war er sich ziemlich, dass er an einer Halluzination gelitten hatte, als er kurz erwachte. Oder er hatte nur geträumt. Ja genau, so wird es gewesen sein! Er war lediglich in einen verwirrenden Traum gefangen, in dem er erst einen Unfall hatte, weil ein ziemlich großes Tier die Straße verstellt hatte und anschließend meinte er einen Verwandten jenes Tieres über sich zu sehen. Und dieses sprach mit ihm… mit Hilfe von Lauten, die aus irgendeinem Grund Sinn für ihn ergaben. Stöhnend richtete er sich auf. Sein Kreuz tat höllisch weh und sein Kopf dröhnte. Hatte er einen Alkoholrausch hinter sich? Das wäre auch eine Erklärung für seinen verwirrten Zustand. Pah! Monster. So etwas gab es doch gar nicht. Als seine Umgebung sich entschied, sich nicht mehr zu drehen, lies er die Beine aus seinen Bett baumeln. War es schon immer so hoch gewesen? Meine Güte… er war doch wohl nicht mit einer Frau ins Bett gegangen und hatte Betty mit den Kindern allein gelassen? Obwohl… was soll’s. Die Scheidung war sowieso bereits im vollen Gange. Ob er da noch fremdging oder nicht - das tat doch nichts zur Sache. Schließlich glitt John aus dem Bett und torkelte zur nächsten Wand, wo sich ein Spiegel befand. Kurz bevor er sein Spiegelbild sehen konnte, spürte er, wie die Angst in ihm heran wuchs. Er hatte Angst vor seinem eigenen Abbild. Was würde er dort sehen? Eine Kopie der Bestie oder einen Mann mit unzähligen Verletzungen? Verletzungen die er jedoch nicht spürte und die Schnauze die gesehen hatte, als er meine wieder ein zu schlafen, war auch fort. Was also würde er sehen? Und wovor fürchtete er sich dann? Schleichend, ja gerade zu vorsichtig trat er nah an den Spiegel heran und sah… sich. Das braune Haar, das bereits graue Strähnen aufwies, was zersaust und unordentlich, unter seinen grauen Augen fanden sich dunkle Ringe und ein grauer Stoppelbart deutete von einer Vernachlässigung der täglichen Rasur. Müde wischte sich John über die Augen und erkannte im Spiegel puren von Dreck zwischen seinen Fingernägeln. Sofort machte er sich seufzend daran ihn heraus zu pulen. Nebenbei lies er den Blick weiter an seiner Gestalt herunter gleiten. Das blaue Hemd war verknittert und gehörte ihm definitiv nicht. Die übliche Krawatte fehlte, stattdessen prangerte ein roter Fleck am Kracken und zeugte von abenteuerlichen Geschehnissen in der Nacht. Er würde sich umziehen müssen, bevor er nach Hause fuhr, sonst würde Betty wieder einen Aufstand machen. Neben dem zerknirschten Hemd trug er eine dunkle Hose, dessen Farbe er nicht einordnen konnte. Auch sie war zerknittert, wies aber ansonsten keine weiteren Mängel auf. Einen Gürtel trug er nicht, was er auch nicht brauchte bei dem Bierbauch, den er langsam ansetzte. Jetzt stutzte John. Sein Mund klaubte auf und er blickte an sich herunter, strich mit der rechten Hand über seinen Plexus… aber dort war kein Fett… ja er spürte sogar leichte Anzeichen der Bauchmuskeln. Als sein Blick sich wieder den Spiegel zuwandte, erkannte er, dass er blass geworden waren, seine Augen geweitet waren und die Pupillen eng. Und wie hatte er vorhin graue Augen sehen können? Seine waren von einer goldbraunen Farbe! Wie war das Möglich. John stolperte rückwärts und fiel über seine eigenen Füße. Er landete Hart auf einen grauen Teppich, der seine besten Jahre schon hinter sich hatte. Doch darum kümmerte sich John nicht. Geschockt stand er wieder auf und ging langsam an den Spiegel heran, nur um feststellen zu müssen, dass seine Augen grau waren. Was war hier los? Da öffnete sich die Tür auf der linken Seite und eine junge, attraktive Frau trat in den Raum. Sie lächelte strahlend, als sie John am Spiegel stehen sah. “Ha, sie sind wach!”, rief sich fröhlich. John drehte sich zu ihr um, musterte sie. Ja sie war attraktiv mit ihren schwarzen, langen Haaren, ihren dunklen Teint und den strahlend grünen Augen. Sie war eine exotische Schönheit, die leider nicht wusste, was sie hatte. In ihren Gesicht fand sich keine Spur von Schminke, die Haare waren nicht mehr als ein langes Stück Fell, was sie einfach fallen lies, ohne es irgendwie zu drapieren. Dazu trug sie eine ehemals weiße Bluse, die nun vergilbt war und einfache, blaue Jeans, die weder hauteng waren noch sauber aussahen. Den Abschluss bildeten ein paar dreckigbraune Turnschuhe, die sie wohl schon seit Jahren trug. Doch neben diesem erbärmlichen Erscheinungsbild trat John ein wunderbarer Duft in die Nase. Ein Duft den er gar nicht zu ordnen konnte aber dafür sorgte, dass sich seine Hose ausbeulte. Die Frau bemerkte das jedoch nicht oder ignorierte es. “Mein Name ist Emily.”, stellte sie sich stattdessen vor. “John.”, tat er es ihr gleich. Er reichte ihr die Hand, um die ihre zu schütteln, doch sie zog nur die Augenbraue hoch und bewegte sich nicht. Nach einigen, peinlichen Sekunden lies John die Hand wieder sinken. “Wo bin ich hier?”, fragte er stattdessen. “Und was ist passiert? Wieso bin ich hier?” Emily lächelte freundlich, als sie antwortete. “Du bist in meiner Höhle.”, meinte sie lediglich. Höhle, nicht Haus oder Wohnung. “Komm mit mir.”, sagte sie schließlich und drehte sich um, ohne auf eine Antwort seitens John zu warten. Dem blieb nichts anderes übrig, als der jungen Frau zu folgen. Und das tat er, stillschweigend. Zwar hatte er das Bedürfnis viele Fragen zu stellen, doch ahnte er, dass diese nicht beantwortet werden würde. Jetzt noch nicht. Emily führte ihn einen langen Flut entlang, der anfangs wie normale Zimmerflure wirkte. Doch nach und nach verschwanden die verputzten Wände, die Bilder und Tischchen. Sie wichen harten Stein, der zwar beschlagen wirkte, aber dennoch an eine Felsformation erinnerte. Wie in den alten Höhlen von Urmenschen, so meinte der Anwalt. Er erinnerte sich an Emilys Worte: Höhle, nicht Zimmer. Wo war er nur gelandet? Nach erstaunlich langer Zeit - vielleicht eine halbe Stunde - kamen sie endlich nach draußen. John erkannte es als erstes an dem Licht, das immer größer wurde und an den frischen Gerüchen, die den berauschenden Duft Emilys nicht überdecken konnten. Als er draußen war durchströmte ihn ein Gefühl der Freiheit, wie er es bisher nicht gekannt hatte und er wünschte sich zu rennen, soweit bis er nicht mehr konnte und erschöpft zusammen brechen musste. Doch schlug ihn eine Erkenntnis zurück: Sie waren mitten im Wald. Hohe Bäume bildeten den Rand einer riesigen Lichtung, auf der ein riesiger Felsen stand, der nicht höher war als die Bäume, sich aber dennoch lang dahinstreckte. Vogelgezwitscher, Stimmen und Jaulen erfüllte die Luft der Lichtung, welche von der Sonne hell beschienen wurde. Tautropfen glänzten auf Blättern und Grashalmen und verliehen der Umgebung einen mystischen Glanz. Am Rande der Bäume waren lange Stämme in die Erde gerammt worden, welche von grünen Treppen umrankt wurden und leicht an Parasitenpflanzen aus Brasilien erinnerten. Auf den Stämmen schließlich waren kleine Häuser gebaut wurden, die einer Seits altertümlich, anderer Seits auch modern wirkten. Zwischen diesen Hochhäusern standen kleine Buden, die ganz offensichtlich Marktstände waren, denn um sie herum war ein Gedränge, was jeden Stadtmarkt Konkurrenz machen könnte. Nur würde man ein Solches wohl niemals in den Städten finden. John erkannte Menschen und Menschenkinder, doch schienen sie in der Unterzahl zu sein. Die Mehrheit waren große, zweibeinige Wölfe, die zwischen den Menschen umher gingen. Sie waren alle ungefähr gleich groß, besaßen jedoch unterschiedliche Fellfarben. Von Schneeweiß bis pechschwarz war alles vertreten. Viele von ihnen hatten Ohrringe in ihren spitzen Ohren und einige hatten sogar Nasenringe, wie sie Ochsen und Stiere tragen. Oft machten sich einige von ihnen klein, wenn sie an einen Artgenossen vorbei ging, was wohl ein unterwürfiges Verhallten darstellen sollte. Trotzdem sahen diese Bestien nicht bedrohlich aus. John sah viele, die mit kleinen Menschenkindern unterwegs waren, aber auch mit Kindern ihrer Art. Ja einige dieser kleinen Wesen nervte seinen Begleiter gerade zu, wenn es etwas sah, was es gerne hätte. Doch nicht nur junge waren hier vertreten. John erkannte auch einige Tiere, die tief gebückt gingen, deren Fell nicht mehr glänzte und die sich auf Stäbe stützten. Oftmals hatten sie bunte Stoffe in ihrem ergrauten Fell geflochten, was sie zu einer Art Papageie machten, aber dennoch nicht lächerlich aussah. Während John die Menschen beobachtete, sah er wie eines der Wesen zu einem Menschen wurde. Die Prozedur sah schmerzhaft aus und John war froh, dass er nicht näher an dem Geschöpf war, um es besser zu beobachten. Während sein Blick weiter über die Masse gleiten lies, erkannte er auch Wölfe und andere Monster, die dem glitt, welches auf der Straße gestanden hatte: Riesige, vierbeinige Wölfe mit gigantischen Muskelpaketen und Angst einflößenden Fängen. Meist liefen sie mit tief gesenktem Kopf umher und schnüffelten am Boden. Doch selbst dann war ihre Schulterhöhe noch größer als jene der zweibeinigen Artgenossen. Eines der Tiere drehte den riesigen Kopf zu John und fauchte. Ja, er fauchte und knurrte nicht. Allgemein wirkte dieses Tier mehr wie eine Art Mischung aus Raubkatze, Wolf und Bär und der Anwalt war sich sicher, dass jeder der drei Gattungen den Schwanz einziehen würde, würden sie diesem Vieh entgegentreten müssen. Neben diesen Giganten rannten oftmals auch eine Art Dackelwölfe. Anders konnte John diese Erscheinungen nicht beschreiben. Sie sahen unverwechselbar aus wie Wölfe, waren jedoch etwas größer, länger und hatten längere Gliedmassen, was ihnen ein grausames Aussehen verlieh. Schließlich wandte sich John zu Emily. “Was…” “Das…”, unterbrach sie ihn. “Ist die Lichtung der Hoffnung, die letzte Heimat der Werwölfe.” Noch während sie sprach wurde ihre Stimme tiefer, Knochen knackten, Muskeln wuchsen. Ihre Gestalt veränderte sich, bis vor John kein Mensch mehr stand, sondern eine braune, zweibeinige Wölfin, die drei Köpfe größer war als der Anwalt. John erkannte die Augen, die Form des Kopfes, ja sogar die Klauenhände. Er erkannte Emily als jenes Wesen, welches ihm im Traum erschienen war, von dem er nun wusste, dass es kein Traum war, sondern die Wirklichkeit. Realität. Auch wenn er sich bisher nicht hatte vorstellen können, dass es so etwas wie Werwölfe gab. “Wie ist das möglich?”, hauchte er, geschockt und fasziniert zu gleich. Emily zog ihre Lefzen hoch und strahlte ihn auf die wölfische Art an. “Diese Frage wird dir unser Alpha beantworten.”, meinte sie. Und wieder erkannte John das Knurren und erkannte, dass er die Bedeutung jener Laute erkannte. In der Tiefe seines Herzens regte sich eine Erkenntnis. Eine Erkenntnis, die er nicht wahr haben wollte, die er versuchte zu ignorieren. Ich bin ein Mensch, sagte er sich im Stillen. Immer und immer wieder. Wie eine alte Gebetsformel. Ich bin ein Mensch. Ich bin ein Mensch. Ich bin ein Mensch. Und während John Emily folgte, versuchte seinem Hirn verzweifelt die Wahrheit als Lüge heraus zu stellen, Tatsachen zu leugnen und - vergebens - in Ohnmacht zu fallen. ~*~ John schrie auf, fasste sich an den Kopf, versuchte sich die Erinnerungen aus den Kopf zu ziehen. Er wollte sich nicht erinnern, auch nicht an die damaligen Ereignisse, die erst erschreckend und Furcht einflößend waren, zu gleich aber auch wundervoll. John hatte damals auf der Lichtung der Hoffnung sein wahres Leben, seine wahre Familie gefunden, auch wenn er es damals nicht wusste. Mit Tränen in den Augen erinnerte er sich daran, was der Alpha damals zu ihm sagte. An den Monolog, den er geführt hatte. Wie er es John erklärte, was er war, was aus ihm werden würde. Und obwohl er versuchte die Erinnerung zurück zu hallten, erinnerte er sich gerne. Wir, hatte der Alpha damals begonnen, sind die Werwölfe. Wir sind eine stolze Rasse, deren Ahnen einst Wölfe waren, die sich mit Menschen paarten und in Laufe vieler Generationen Gestaltwandler hervorbrachten. Mal waren sie Menschen, mal waren sie Wölfe. Und manchmal waren sie weder das eine, noch das andere. In ihren Adern floss eine mächtige Magie die vom Vater Mond genährt wurde und mit deren Hilfe sie Pflanzen zum wachsen, Wunden zum heilen und Altes zu neues machen konnten. Sie waren Freunde der Menschen und der Wölfe zu gleich. Die Menschen vertrauten unseren Ahnen, gingen mit ihnen auf Jagt und schliefen mit ihnen in denselben Höhlen. Jene, die mehr Wolf als Mensch waren, lebten stattdessen mit den Wölfen und waren oftmals die Führer großer Rudel, die sogar ein Mammut erlegen konnten. Doch dann fingen die Menschen an sich zu verändern. Sie wurden moderner, fortschrittlicher. Sie begannen sich über die Tiere zu stellen und betrachteten sich als die Herrscher einer Welt, die keine Herrscher hatte. Nicht mal einen wollte oder brauchte. Zu jener Zeit teilte sich das Heer der Menschen auf. Die einen begannen unsere Ahnen als Götter anzubeten. Sie nannten sie Zeus, Hera, Raa, Luzifer und Thor. Sie opferten Fleisch und Pflanze an sie. Opferten sogar ihre eigenen Erben, wenn unsere Ahnen dies wollten. Denn denen gefiel diese Rolle als Gott sehr, auch wenn sie es besser hätten wissen sollen. Die Menschen, die unsere Ahnen nicht anbeteten, verachteten und fürchteten sie. Ihr Wunsch war es unsere Ahnen gänzlich auszulöschen und so wandten sie sich an eine Rasse, die seit von Anbeginn der Zeit unsere Feinde waren. Sie wandten sich an die Vampire, blut saugende und Nacht liebende Monstren, die unsere Ahnen verfolgten und töteten, sobald sie eine Gelegenheit dazu fanden. Mit der Zeit begannen jene Menschen sie an zu beten und nannten sie in ihrer Dummheit Engel und den großen Vampyr, den Vater und König seiner Rasse, nannten sie Gott. Schon bald begann ein kalter Kampf zwischen den beiden Menschenheeren, der in einen Krieg gipfelte, als sich die Vampire und unsere Ahnen sich einmischten und je ihre Seite opferte. Der alte Planet, der schon lange vor uns anderen Lebewesen Heimat spendete, wurde blutrot gefärbt. Das Blut von Menschen, Wölfen und Vampiren floss gleichermaßen über die Erde und verpestete sie, bis die großen beiden Rassen voneinander getrennt waren. Getrennt vom vergifteten Land, welches wir heute Sahara nennen. Lange Zeit war die Wüste unbewohnbar, erst jahrhunderte später siedelten sich die ersten Pflanze und Tiere an, später auch wieder Menschen, die uns und die Vampire zu jener Zeit schon vergessen hatten. Sie beteten noch immer die alten Götter an, die bereits tot waren und nicht mehr auferstehen würden. Und sie fürchteten sich noch immer vor den beiden Rassen… doch die Wahrheit ist, dass sie seit dem großen Krieg nur noch selten auf sie trafen. Sie waren zu Legenden geworden, gefürchtet von den Jungen und belächelt von den Alten. Zu jener Zeit veränderten sich unsere Ahnen. Sie verloren ihre Magie und viele ihrer Geschichten. Sie beteten noch immer Vater Mond an und das tun wir auch heute noch. Doch waren sie zu wilden Raubtieren geworden, die ihre Instinkte nicht mehr unter Kontrolle hatten. Wahllos fielen sie über das Leben her und wenn ein gebissener überlebte, so wurde er zu einer von ihnen… nur waren sie noch wilder und noch gefährlicher. Wie eine Krankheit breitete sich dieses Phänomen aus. Eine Krankheit, die ihr heute Tollwut nennt und unser persönlicher Fluch ist. Ein Fluch der uns einst vom großen Vampyr auferlegt wurde. So vergingen Jahre der grausamen Jagten, bis die Menschen eine Möglichkeit fanden die Sahara zu überwinden. Als sie auf den europäischen Kontinent gelangten, folgten ihnen auch die Wölfe, welche sich bald wieder ihren alten Feinden gegenüber sahen: Die Vampire. Auch diese alte Rasse hatte gelitten. Wie uns hatte sie ein Fluch getroffen. Ein Fluch der verhinderte, dass sie sich in die Sonne begeben konnten und ein Fluch, der alles Essen zu Asche verbrannte, wenn sie es berührten. Sie lebten in der Nacht und tranken Blut. Was sie einst aus vergnügen taten, war nun der einzige Weg zum Überleben. Als die Wölfe auf den Kontinent kamen, erinnerten sich die Vampire an die alten Kriege, denn ihr Gedächtnis ist alt und reicht zu Zeiten zurück, wo noch kein Mensch den Planeten bewohnte. Als wir kamen, wurde der Durst nach Rache in ihnen groß und so jagten sie unsere wahnsinnigen Ahnen, töten sie oder fingen sie ein und zwangen sie, ihnen Untertan zu sein. Es dauerte nicht lange und sie hatten das Volk der Wölfe auf ein paar wenige Hundert reduziert und jene die lebten, taten dies in den Kerkern der Blutsauger. Generationen vegetierten in den unterirdischen Verliesen dahin, bis eines Tages eine alte, kranke Wölfin ihren letzten Wurf tat. Jedes ihrer Welpen litt sofort an jenen Wahnsinn, der uns zum Verhängnis geworden war. Nach und nach starben sie. Sie töteten sich selbst, wurden von den erwachsenen Wölfen, ja sogar von der eigenen Mutter zerfetzt und gefressen oder starben an der Tollwut. Nur eine Fähe überlebte. Eine junge Fähe, deren Fell dreckig gelb war und nicht ganz so wahnsinnig erschien wie die anderen ihrer Art. Die Vampire bemerkte dies natürlich und so nahmen sie die junge Fähe aus den Verliesen und wollten sie zu einem Kämpfer heran ziehen. Eines jener armen, bedauerlichen Geschöpfe, die in einen Ring steigen mussten und dort gegen Bären, Löwen und anderen Wölfen kämpfen sollten. Doch vorher musste sie trainiert werden und dafür kam sie näher an den weiten Himmel heran. Man lies sie jagen und rennen, lies sie heulen und austoben. Und dies war der Fehler der Vampire, den sie bis heute noch bereuen. Denn zu jener Zeit lernte die Fähe auf den Mond zu hören. Anstatt die Verwandlung zu bekämpfen, lies sie die Veränderung zu, ja tat es sogar freiwillig. Und der Mond schenkte ihr aus dank sein größtes Geschenk an unsere Rasse: Die Fähe verlor ihren Wahnsinn. Und während sie aufwuchs und trainierte, wurde ihr Fell reiner. Strahlend weiß soll es gewesen sein, als sie das erste Mal in den Kampf geschickt wurde. Sie kämpfte gegen einen riesigen Grizzly, so heißt es. Sie kämpfte und gewann mit List und Tücke. Und auch die späteren Kämpfe gewann sie… und so wurde sie von den Vampiren geehrt, geehrt als beste Kämpferin, auch wenn sie niemals die Freiheit erlangen sollte. Irgendwann zertrümmerte die Wölfin ihre Ketten und Fesseln, tötete ihre Herren und befreite die Wahnsinnigen aus ihren Käfigen. Sie befreite die Wölfe aus der Herrschaft der grausamen Vampire und lies sie auf die Welt hinabstürzen, wo sie meuchelten und metzelten, bis auch sie die Stimme des Mondes hörten, die Stimme der Fähe lauschten und den Wahnsinn verloren. Die Tollwut verlor ihre Macht über uns und so wurde aus dem dreckigen Wölfen unsere stolze Rasse der Werwölfe. Und obwohl wir niemals mehr den Stolz unserer Ahnen hatten, niemals Magie in unserem Blut hatten, so konnten wir von nun an unsere Gestalt wechseln, wann wir wollten. Wir konnten Mensch sein, oder auch Wolf. Auch konnten wir weder das eine, noch das andere sein. Wir waren frei. Doch die Menschen hassten uns wegen unseren Untaten und so mussten wir uns tief in den Wäldern verstecken. Dort wo niemals ein Mensch noch ein Vampir hingelangen sollte. Doch der Fortschritt der Menschen nahm weiter zu und sie zerstörten unsere Reviere, bis nur noch dieses übrig blieb. Da erst verstummte der Alpha und schwieg traurig. Das dunkle Fell hatte sich während der Erzählung immer wieder gesträubt, doch nun lag es dicht an. Er hatte die großen Ohren zurückgelegt und die Augen geschlossen. Traurig sah er aus, dieser imposante Wolf, welcher größer war als jeder, den John draußen gesehen hatte. Und warum bin ich jetzt hier?, hatte er gefragt. Der Blick des Werwolfes war auf ihn gefallen, als er begann zu erzählen. Vor vielen Jahren gab es eine junge Fähe, vielmehr noch ein Welpe als ein ausgewachsenes Tier. Wie alle Jungen fühlte es sich schlauer und mutiger als die Erwachsenen und so ging sie fort aus unserer Heimat. Als Mensch ging sie in die Stadt und als Mensch fand sie dort eine menschliche Freundin, deren Name Lisbeth war. Meine Mutter!, hatte John gehaucht. Der Alpha hatte nur genickt. Lisbeth erfuhr von der wahren Natur der jungen Fähe, doch anstatt sie zu verraten, wurde ihre Freundschaft inniger… Bis die Vampire auf ihre Spur kamen und sie weg mussten. Bevor sie gingen versprach Lisbeth ihrer Freundin jedoch etwas. Sie würde ihr folgen und wenn dies nicht möglich war, so sollte ihre Nachkommenschaft den Pfad der Werwölfe folgen. Dann verlies die Fähe Hilde ihre Freundin und kehrte zu uns zurück. John hatte sich entsetzt gesetzt und hatte den Werwolf sprachlos angestarrt. Dann war die Bestie, die meinen Unfall verursache hat, Hilde? Der Alpha hatte den Kopf geschüttelt. Nein. Hilde ist seit fast einem Jahrzehnt tot. Ihre Tochter ging jedoch vor einigen Tagen zu Lisbeth, um das alte Versprechen einzulösen, doch die alte Frau verwies sie auf ihren Sohn… dich. Und so sorgte Emily dafür, dass sie dich beißen konnte und brachte dich anschließend hier her. John hatte den Alpha weiterhin angesehen. Durch den Biss, hatte der Alpha weiter erzählt, bist du nun einer von uns. Ein Werwolf. Beide hatten sich danach still angestarrt, bis John sich umdrehte und flüchtete. Doch er landete nur mitten in der Masse der Werwölfe, die ihn erstaunt anstarrten. John hatte geschrieen. Geschrieen vor Entsetzten und vor Angst. Solange, bis Emily vor ihm stand und ihn wieder beruhigte. Es sei alles gut, hatte sie gesagt. Er bräuchte keine Angst haben. Die sanfte Stimme Emilys hatte ihn eingelullt und er war mit ihr gegangen. Und während die Tage verstrichen, hatte sie ihn gelehrt, ein Werwolf zu sein. Die ersten Verwandlungen waren schmerzhaft gewesen, doch als er das erste Mal als Wolf war, hat er eine Freude gespürt, die den Wölfen vorbehalten war. Er konnte verstehen, warum viele Ahnen lieber Wolf waren als Mensch und warum auch heute noch viele Werwölfe in ihren tierischen Gestalten blieb. Es gab keine Worte, mit denen man jenes Gefühl hätte beschreiben können. John fand sich im Paradies und glaubte, dass es nichts Schöneres gebe… bis Emily mit ihm rannte. Quer durch den Wald waren sie gehetzt. Seine Lungen brannten, seine Pfoten schmerzten und sein Herz pochte… doch das Gefühl des Rennens war unvergleichbar gewesen. Ein Mensch konnte dies niemals nachempfinden. Und Emily wusste John noch viele Freunden zu bereiten. Die erste gemeinsame Jagt war atemberaubend. Anfangs hatte sich John davor geekelt, Wild zu reißen und roh zu fressen… doch Emily jagte mit einer kleiner Gruppen die erste Beute, während John nur zusah und beobachtete, um zu lernen. Als die Gruppe einen großen Hirschen erlegt hatten, hielt es sich abseits. Als Rangniedrigstes Tier war er der letzte, der fressen durfte. Erst war er froh darüber gewesen, doch als der Duft des Fleisches und des Blutes in seine Nase stieg, als die anderen sich satt fraßen, da wollte er auch. Mehrmals versuchte er etwas zu ergattern, doch die anderen trieben ihn immer wieder zurück. Schmerzhaft waren die Bisse gewesen, die sie in seine Flanken setzten. Aber es floss kein Blut. Schließlich brachte Emily ihn ein Stück Fleisch und er stürzte sich auf es. Als das erste Stück Fleisch auf seiner Zunge lag, wusste er nicht, wie er sich davor hatte ekeln können. Er fragte sich, warum er es früher geliebt hatte zu grillen, wo es roh doch am besten schmeckte. So war er immer mehr zum Werwolf geworden und war bald ein gern gesehener Werwolf auf der Lichtung der Hoffnung Ein Jahr später begrüßte er dann seine Welpen, die er zusammen mit Emily gezeugt hatte. An sein früheres Leben dachte er da schon gar nicht mehr. Fast war es, als wäre er schon immer ein Werwolf gewesen… Ja… dies waren wirklich die glücklichsten Zeiten seines Lebens. Bis die Vampire kamen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)