Beat me baby! von Leviathena ================================================================================ Kapitel 15: Kapitel 27 ---------------------- Kapitel 27 Es war Ende Januar und der Termin für die Gerichtsverhandlung stand an. Den Gips war ich mittlerweile los, aber ohne einen Gehstock fiel mir das Laufen weiterhin schwer. Die kleine Mistkröte hatte ganze Arbeit dabei geleistet, mir das Bein zu zertrümmern. Ohne den Gips und dank Lukas Wohnungsschlüssel zu Weihnachten hatte ich aber wieder ein Stückchen mehr Freiheit zurück erlangt, auch wenn ich mich ungerne unter Menschen bewegte. Joe nannte mich nun gerne Dr. House und wie ich so vorm Spiegel stand, konnte man ihm fast recht geben. Ich trug einen dunkelgrauen Anzug, ein weißes Hemd, bei dem ich die oberen drei Knöpfe offen ließ. Mittlerweile trug ich auch einen Dreitagebart. Lukas ließ ihn mich einfach nicht abrasieren. Aber wenn man sich unsere Beziehung derzeit besah, war dies ein kleiner Gefallen, den ich ihm machen konnte. Ich hatte versucht Tramal abzusetzen und litt unter Entzugserscheinungen. Schlaf war ein selterner Gast in der Nacht. Immer wieder quälten mich Albträume, rissen mich aus dem Schlaf und weckten meist sogar Lukas auf, da ich die Schreie nicht unterdrücken konnte. Ich war ein Schatten meiner eigenen Persönlichkeit. Und so stand ich da, im Anzug, mit Gehstock, Dreitagebart und Augenringen. „Scheiße...“ sprach ich zu mir selbst. Ich sah wirklich aus wie dieser verdammte TV-Arzt. Der einzige Unterschied war nur, dass ich wesentlich jünger war. Seufzend schloss ich doch noch zwei der letzten drei Knöpfe. Ich wollte nicht aussehen, als würde ich gerne Haut zeigen. Wobei es vermutlich egal war, wie ich mich anziehen würde, die Schiene der Verteidigung war deutlich. „Kommst du?“ rief Lukas aus dem Flur. Er hatte sich fest vorgenommen mich zu begleiten. Seine eigene Aussage hatte er vor einigen Tagen schon gemacht, aber nun wollte er erneut ins Gericht, um mir den Rücken zu stärken. Er trug eine schwarze hautenge Röhrenjeans und einen schwarzen Rollkragenpullover. Schlicht und einfach, so wie er es am liebsten hatte. Ich wünschte mir in diesem Augenblick, dass ich mich auch so wohl in meiner Haut fühlen könnte. „Drängel mich nicht so!“ Ich war dünnhäutig und reizbar durch den Schlaf- und Tramalentzug. Auch setzten mir nach der ablenkenden Weihnachtszeit Selbstzweifel zu. Ein Zustand, über den ich mit Lukas noch nicht weiter gesprochen hatte, weil ich es nicht konnte. Ein Zustand, der zudem durch die überfürsorgliche Art meiner Freunde verstärkt wurde. Natürlich wusste ich, das Lukas recht hatte. Nichts wäre schlimmer als unpünktlich zu sein, aber die wenigen Worte von ihm reichten schon, mich in eine noch miesere Stimmung zu versetzen. Schlecht für mich, ungerecht für Lukas. Wir nahmen Lukas Wagen und parkten am Hauptbahnhof, da beim Gericht nichts mehr frei war. Ich konnte ihn noch auf einen kurzen Abstecher zu Starbucks überreden, ungefähr mein zehnter Kaffee innerhalb von wenigen Stunden, aber ich war wirklich nervös. Mit dem genehmigten Kaffee konnte ich etwas Frust gegenüber Lukas ablegen, lächelte ihn an, als er vorsichtig an seiner heißen Schokolade nippte. Irrte ich mich, oder war auch er angespannt? Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass der Vorfall unsere Beziehung nicht belasten würde. Mit meinen Stimmungsschwankungen, den Albträumen und meinem kurzen Geduldsfaden habe ich nicht gerade für Sonnenschein zwischen Lukas und mir gesorgt. Ich erwischte ihn in letzter Zeit öfters, wie er nachdenklich das Armband mit der Gravur betrachtete. Ob er die Nase voll hatte? Ich seufzte leise, merkte sofort, wie dies Lukas Blicke auf mich zog, aber er sagte nichts. Er hatte seit einigen Tagen aufgehört, mich immer wieder nach meinem Befinden zu fragen, sobald ich seufzte. Eigentlich fragte er mich gar nicht mehr. Bis jetzt. „Willst du, dass ich mit in den Saal komme, oder soll ich draußen warten?“ Unschlüssig kratzte ich meinen Dreitagebart. Was den Tathergang angeht, wusste Lukas alles, es gab nichts, weswegen ich mich ihm gegenüber noch hätte schämen müssen. Das hatten wir Joe zuverdanken. Therapeut bleibt Therapeut. Nur gegen die aktuelle Stimmung zwischen uns, die mal eisig war und dann wieder heiß aufkochte, konnte er nichts machen. Das lag an mir und meinen Zweifeln. „Ich weiß nicht. Solange kann es ja nicht dauern und du kennst das ja schon. Musst es dir nicht nochmal anhören. Warte draußen.“ Sinnierte ich auf seine Frage hin und bemerkte nicht den betroffenen Gesichtsausdruck. Mit dem Kaffee in der Hand und der Gehhilfe in der anderen bewegten wir uns auf das Gerichtsgebäude zu. Die Verhandlung fand in einem hellen und nach Staub riechenden Saal statt. Nichts was man aus dem Fernsehen sieht. Alles war viel kleiner und ruhiger, keine hektisch gestikulierenden Anwälte, keine Zuhörer. Nur Wachpersonal, die Bank der Anklage, die Bank der Verteidigung und dazwischen das Richterpult. Lukas nach vor dem Saal platz. Ich küsste ihn kurz auf die Stirn und er drckte bestätigend meine Hand. Ein flüchtiges Lächeln wurde ausgetauscht, dann hinkte ich mit meinem Stock in den Saal. Ein Gerichtsdiener stand an der Tür und nickte mir zu. Das Richterpult war leer, mein Anwalt saß auf seinem Platz, der Strafverteidiger für Gideon auf dem anderen. Die beiden kannten sich wohl und unterhielten sich, als sie mich bemerkten verstummten sie abrupt. „Hallo Herr Graf, wie geht es ihnen?“ Mit festem Handschlag begrüßte mich Norman Fendsøg, ein gestandener Rechtanwalt mitte der Fünfziger. Er begann sofort einige Punkte nochmal mit mir durchzusprechen, wie zum Beispiel die Übereinstimmung meiner Aussage bei der Polizei mit der heutigen. Wir hatten das so oft durchgespielt, dass ich mich sogar etwas entspannte. Dann betrat der Richter nebst Schöffen den Saal und zeitgleich folgten zwei Mitarbeiter der JVA und Gideon. Alle erhoben sich, der Richter hielt eine kurze Begrüßung und dann durfte man sich nach ihm wieder setzen. Gideon saß mit selbstgefälligem Grinsen mir gegenüber und je länger ich gezwungen war ihn anzustarren, umso mehr schwand meine Sicherheit. Bilder rauschten vor meinem inneren Auge vorbei, wie er über mir stand und den Baseballschläger nach mir schwang. Dieser giftige Gesichtsausdruck, der Hass und seine Flüche. Und jetzt dieses selbstgefällige Grinsen. Die Beteiligten im Saal werden vorgestellt und die Anklageschrift wird durch den Staatsanwalt verlesen. Diese Schritte hatten wir geübt. Als sein Anwalt sein Eröffnungsplädoyer hielt,nahm ich kein Wort wahr. Wie gebannt war ich dazu gezwungen Gideon anzustarren, jene Nacht zu erleben, innerlich zu verkrampfen. Ich spürte die Blicke des Richters und der Schöffen auf mir, als diese Nacht als missglückte sexuelle Prktik dargestellt wurde, Gdeon als Opfer zu geschockt. Er habe sich nur wehren wollen. Diesen Teil hatten wir nicht geübt. Mein Magen verkrampfte und ich hätte nicht so viel Kaffe trinken sollen, denn mein Kreislauf war dadurch schwer belastet. Vielleicht war es auch der Tramalentzug. Ich kam zumindest nicht weit. Ich wurde angesprochen vom Richter aber konnte nicht reagieren. Mein Anwalt riss mich aus meiner Starre, als er mir seine Hand an die Schulter legte. Ich musste mich zusammen reißen, nicht vom Stuhl zu springen. „Geht es ihnen gut Herr Graf?“ Wieder fragte er mich nach meinem Befinden, diesmal schüttelte ich aber mit dem Kopf. Es nagte an mir, dass Gideon da saß und meinte, er hätte gewonnen über mich. Aber zugleich wusste ich, ich schaffe es nicht weiter. „Nein...Ich bräuchte eine Pause?“ fragte ich leise und Norman Fendsøg lächelte mich leicht an. Umgehend beantragte er eine Unterbrechung und auch wenn es dem Richter nicht gefiel, so sah ich an seinem Gesichtsausdruck, dass ich offensichtlich nicht gut aussah. In Begleitung von Herrn Fendsøg verließ ich den Saal und ging ohne Umwege zu Lukas, der mich überrascht ansah. „Was ist denn los, schon fertig?“ Ungläubig blinzelte er zwischen mir und meinem Anwalt hin und her. Schwer stützte ich mich auf meinen Gehstock und entflammte eine Zigarette mitten im Gebäude. Es war mir egal. Lukas und Norman Fendsøg aber nicht also begleiteten sie mich zur Tür. Wortlos und hektisch zog ich wieder und wieder an der Kippe. „Ich kann das nicht Lukas. Der kleine Scheißkerl sitzt da und grinst mich die ganze Zeit an! Ich hatte gedacht, ich könnte es! Wirklich!“ Ein letzter Zug, dann war die Kippe verraucht. Hilflos fast stand mein Freund vor mir und wechselte Blicke mit meinem Anwalt. „Herr Graf, sie müssen das durchhalten. Es ist wichtig, dass..“ „Komm mit rein. Lass mich dich ansehen. Mit..“ Ich unterbrach meinen Anwalt und wurde dann selbst unterbrochen. In dem Moment, als ich Lukas um Unterstützung bat, leuchteten dessen Augen auf und er küsste mich. Normalerweise machten wir das nicht in der Öffentlichkeit, aber in diesem Moment war es mir egal, ich brauchte das, ich brauchte Lukas und dieser Kuss gab mir seine Bestätigung. „Dummer Troll!“ Er wedelte mit dem Armband vor meiner Nase. „Lass uns gehen.“ Fragend blickten wir meinen Anwalt an. Die Verhandlung war nicht öffentlich und es bedarfte einiger Diskussion mit dem Gerichtsdiener und dem Richter, bis Lukas zugelassen wurde. Der Staatsanwalt unterstützte uns, in dem er gegenüber dem Richter angab, er hätte noch Fragen an Lukas, die bei der Vorverhandlung nicht geklärt worden waren. Da saß er nun in der vordersten Reihe, mit seinem madonnenhaften Lächeln und blickte mich an. Diesmal huschte mein Blick nur kurz über Gideon und heftete sich an Lukas fest. Mir ging es immer noch schlecht, aber mit Lukas im Blick wusste ich, würde ich diese Verhandlung überstehen... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)