Der lange Weg zu dir von Lunatrixa ================================================================================ Kapitel 8: ----------- 8. Kapitel Oscar hatte Frankreich schon seit Monaten verlassen und befand sich seit einigen Wochen in Schweden, die Reise hier her hatte sie enorme Kraft gekostet. Ziellos lief Oscar an diesem Tag umher, sie wusste nicht so genau was sie eigentlich machen sollte, ohne festes Ziel, galoppierte sie an diesem Morgen über die schneebedeckten Felder. Früher hatte sie immer irgendetwas zu tun gehabt, das alles war so ungewohnt für sie, oft langweilte sie sich und verfiel in Erinnerungen die mit André und ihrer Kindheit verbunden waren. In ihrem Schmerz trieb sie ihren weißen Schimmel noch mehr an, die füllige Mähne wehte im Wind, es war so als würde sie fliegen, so frei, ohne irgendwelche Begrenzungen. Der Wind blies Oscar durchs Haar und plötzlich hörte sie ein lautes rascheln. Der Schimmel legte die Ohren nach hinten und mit einem Mal flogen alle Vögel panisch weg. Das Pferd fing nervös an zu tänzeln, der Wind wurde immer Stärker und der Wald war wie ausgestorben. Oscar hielt ihr Pferd mit langgelassenen Zügeln an und lauschte dem Wind. Ihr Pferd versuchte ebenfalls mit immer wieder schwenkenden Ohren zu hören was los war. Die Blätter raschelten und sie nahm die Zügel an und wollte zurück reiten als vor ihr ein riesig lauter knall ertönte. Oscars Pferd stieg ängstlich, sie lehnte nach vorne um die Stute zu beruhigen. Sie setzte sich tief in den Sattel schwenkte die Hand mit den Zügeln rasch links um zusehen woher dieser Knall kam. Oscar erblickte auf einem kleinen Hügel ein Mann mit langem Haar, in der rechten Hand hielt er eine Pistole. Ohne zu wissen wer dieser Herr auf dem braunen Hengst war, galoppierte Oscar wütend auf ihn zu, sie zog ihr Schwert. Doch der Mann schien davon nicht beeindruckt zu sein und blieb regungslos stehen, er stieg sogar noch von seinem Pferd hinab und blieb seelenruhig neben seinem Hengst stehen. Oscar hielt inne, nun erkannte sie endlich wer da eigentlich vor ihr stand. Graf von Fersen lachte laut auf. „Oscar, was macht ihr in dieser Gegend?“ Oscar konnte es kaum fassen, es war wirklich Graf Hans Axel von Fersen der da vor ihr stand, doch was führte ihn nach Schweden? Diese ganze Sache erschien Lady Oscar mehr als merkwürdig, hatte ihr Vater ihn etwa geschickt um sie zurück zuholen? ‚Wusste Vater das ich hier hin gehen würde?` „Lady Oscar, was ist mit euch?“ „Graf von Fersen, seit ihr des Wahnsinns, ihr habt mich beinahe zu Tode erschreckt!“ „Entschuldigt bitte mein Auftreten Lady Oscar, aber das musste einfach sein.“ Der Graf schmunzelte und konnte sich ein Lachen nicht mehr verkneifen, zu sehr amüsierte er sich über das verärgerte Gesicht, das ihm nun gegenüber stand. Wenn Blicke töten könnten, dann wäre der Graf nun an Ort und Stelle Tod umgefallen. „Graf von Fersen, weshalb seid ihr hier?“ Oscar giftete ihn gerade zu an. Fersen nahm sein Pferd bei den Zügeln, der Graf wusste das er Lady Oscar nun ziemlich verärgert hatte, ihre Stimme hinterließ bei ihm einen starken Eindruck, denn er hatte Oscar bisher noch nie so erlebt. Die Worte die sie ihm gegenüber gerade aussprach, hallten noch in seinen Ohren. „Ich wollte euch nicht erschrecken, verzeiht. Ich bin nach Schweden gekommen um hier nach dem rechten zusehen, aber ich verstehe nicht weshalb ihr hier seid. Ihr seid doch etwa nicht hier um mir von der Königin etwas mitzuteilen? Sie ist doch nicht etwa in Gefahr, ihr geht es doch gut Lady Oscar, oder?“ Oscar war keineswegs verwundert darüber, dass der Graf sich solche Sorgen um die Königin machte, viel mehr bewunderte sie ihn dafür, er war immerhin nicht zu feige um Marie Antoinette seine Gefühle zugestehen. Im Gegensatz zu ihm war sie feige, manchmal hasste sie sich dafür. Sie hasste sich dafür, dass sie André nicht gesagt hatte was sie für ihn empfand, aber dies alles war nun nicht mehr entscheidend, sie war nicht mehr zu Hause. Doch vergessen konnte sie ihn dennoch nicht, Tag für Tag schmerze ihr Herz und sie hoffte, dass es irgendwann endet, seit sie auf dieser Reise war hoffte sie das. „Lady Oscar, geht es euch gut?“ Graf von Fersen sah sie besorgt an. „Ihr seht so blas aus.“ „Ich, ich war nur in Gedanken, verzeiht.“ Mit diesen Worten hoffte Oscar, dass der Graf nicht bemerken würde wie schlecht es ihr eigentlich ging, doch dieser ließ nicht davon ab sie weiter zu bedrängen. „Ihr seht trotzdem krank aus, vielleicht solltet ihr einen Arzt….“ „Ich versichere euch, mir geht es gut! Ihr wolltet ja wissen weshalb ich hier bin, nicht wahr?“ Oscar drehte sich rasch zu ihm um und setzte ein falsches Lächeln auf. Mit diesen Worten hatte sie ihn dazu gebracht nicht weiter auf sie einzureden. „Lasst uns auf mein Anwesen reiten, ihr könnt mir auf dem Weg dahin alles erzählen.“ Oscar nickte stumm. Ein paar Minuten gingen die beiden, ohne das einer ein Wort sagte, neben sich her. Den Blick auf ihren Schimmel gerichtet, begann Oscar langsam zu erzählen. „Ich bin nicht im Dienst, ich bin nur auf einer Reise und ich bin auch nicht hier wegen Marie Antoinette. Ich ahnte nicht im Geringsten das ich euch hier in Schweden antreffen würde. Versteht ihr, ich bin nicht euretwegen hier, sondern aus freien stücken.“ Graf Hans Axel von Fersen verstand, doch eines kümmerte ihn trotzdem. „Weshalb seid ihr ohne André gereist? Er begleitet euch doch sonst auf jeder Reise?“ Oscar ahnte bereits, dass so etwas kommen musste, sie wollte nicht über André sprechen, sie wollte ihn doch vergessen. Der Graf erkannte das Oscar durch diese Frage ziemlich geknickt aussah, er hatte es also auf den Punkt getroffen, da war er sich ziemlich sicher. Er malte sich bereits die schlimmsten Dinge aus, vielleicht war André nicht mehr am Leben, oder die beiden hatten Streit und die Freundschaft ging in die Brüche. Es gab viele Theorien, aber nur eine wusste die volle Wahrheit und das war die zierlich gebaute Frau die neben ihm, auf ihrem weißen Schimmel ritt. Oscar antwortete auf dem ganzen restlichen Weg nicht auf die Frage des Grafen. Alles war still, man hörte nur noch das laute schnaufen der Pferde. „Wenn ich euch zu nahe getreten bin, dann…“ „Nein, das seid ihr nicht, aber diese Sache geht nur mich und André etwas an, ich hoffe ihr könnt das akzeptieren.“ „Natürlich! Wir sind da, dies ist das Anwesen das ich hier in Schweden besitze, habt ihr eigentlich bereits eine Bleibe? Wenn nicht, lade ich euch gerne in mein Anwesen ein.“ Oscar hatte zwar bereits eine Bleibe, in einem Gasthof, da sie bereits seit ein paar Wochen in Schweden war, aber sie konnte das Angebot des Grafen unmöglich ablehnen. Eigentlich wäre es ihr lieber gewesen, wenn sie alleine geblieben wäre, doch so kam sie vielleicht auf andere Gedanken und vergaß endlich den Mann, der ihr Herz gestohlen hatte. „Das Angebot nehme ich mit Dank an. Ich wusste nicht das ihr hier auch ein Anwesen besitzt.“ Der Graf sah sie entrüstet an. „Ich dachte ich hätte es einmal erwähnt. Man wird auch nicht jünger nicht wahr? Die Zeit vergeht viel zu schnell Lady Oscar, und ehe man sich versieht ist das ganze Leben gelebt und man hat eigentlich nicht wirklich etwas aus dem Leben gemacht.“ Während Oscar ihr Pferd in den Stall brachte, musste sie feststellen, dass er Recht hatte, das Leben war wirklich viel zu kurz. Bis tief in die Nacht hinein spielten Oscar und Graf von Fersen Schach, Oscar vergaß für einen Moment alles was sie so sehr belastete, bis ihr bewusst wurde das sie früher immer mit André Schach gespielt hatte, nie gewann er gegen sie, sie war einfach zu gut darin. Auch Graf von Fersen musste sich enorm anstrengen um seine Gegnerin zu besiegen. Mit etwas Glück gelang ihm dies schließlich. Während des Spiels war Oscar des Öfteren abgelenkt und konzentrierte sich nicht wirklich auf das Schachbrett, dem Grafen entging nichts, er wusste ganz genau, das irgendetwas mit ihr nicht stimmte. Es war mittlerweile Frühling geworden. Der Himmel war blau und die Luft war klar. Die kalten Wintertage waren endgültig vorbei. Oscar blickte nach draußen, seit langem bemerkte sie wieder einmal wie schön die Welt doch war. „Guten Morgen!“ Graf von Fersen stand in der Tür, mit einem Tablett in den Händen, über dem sich heißer Dampf kräuselte. „Wie geht es euch heute?“ Oscar schaute auf, während er mit einem lockeren Fußtritt die Tür des Speisesaals hinter sich zustieß. „Guten Morgen, mir geht es ausgezeichnet.“ Sie lächelt und wandte den Blick sofort wieder von ihm ab. Oscar war bereits seit mehreren Wochen im Hause von Graf Hans Axel von Fersen. Zwischendurch beobachtete der Graf sie immer wieder ganz genau und es kam ihm so vor als wäre sie noch dünner geworden als vor ein paar Wochen. Ja, es gab keine Zweifel, Oscar hatte an Gewicht verloren und sie wirkte von Tag zu Tag, an denen sie bei ihm war, blasser. Er machte sich große Sorgen um seine Kameradin, mit Schrecken musste er mit ansehen wie es ihr immer schlechter ging. Oscar hob kurz skeptisch eine Braue als sie dann vom Grafen aus ihren Gedanken gerissen wurde. "Lady Oscar, ich bringe euch einen Tee... ich hoffe er schmeckt euch..." Oscar lächelt ihm zu: „Da bin ich mir sicher...“ Sie griff nach der Tasse die ihr von Fersen entgegen hielt und setzt sich dann auf einen der zwei leeren Sessel am Kamin. Ihren Tee stellt sie auf dem kleinen Runden Eichenholz Tisch ab der dort zwischen den beiden Sesseln stand. Und schon hatte sie es sich in dem Sessel gemütlich gemacht, was wohl wirklich nicht schwer zu sein schien. Ein warmes Kaminfeuer, ein gemütlicher Sessel und schöne Bilder an den Wänden verliehen dem ganzen diesen gewissen Touch. Nur die grölenden manierlosen Bediensteten konnten es wohl nicht unterlassen diese Atmosphäre mit Gerülpste und Geschreie von draußen zu stören. Sie hatten heute alle frei bekommen und genossen draußen die Sonne, noch war es kühl draußen, aber dies schien den Bediensteten nichts auszumachen. Sie tranken Bier und Wein. Bei ihrem Vater hätte es so was nie gegeben, dachte Oscar, er hätte auf der stelle das halbe Haus zusammen geschrieben, wenn die Dienstmädchen und Angestellten dermaßen Lärm gemacht hätten. Ihr Vater zog die Ruhe vor, er liebte die Ruhe. Graf von Fersen machte es sich im zweiten Sessel vor dem Kamin bequem. Zum zweiten Mal, seit Wochen, startete Graf von Fersen einen weiteren Versuch heraus zu finden was in Oscar vorging und weshalb sie wirklich hier war. Er kannte Oscar zu gut und wusste auch, dass sie bestimmt nicht ohne Grund auf diese Reise gegangen war. „Lady Oscar, wo soll eure Reise eigentlich hingehen?“ Einige Sekunden vergingen bis sie ihm endlich auf die Frage antwortete, er hatte bereits damit gerechnet, dass er wieder keine Antwort erhalten würde. „Ich weiß es nicht.“ Antwortete sie knapp. „Ihr solltet etwas Essen um euch zu stärken.“ Graf von Fersen hielt ihr einen Teller mit Marmorkuchen entgegen, er wusste nur all zu gut das Oscar in den letzten Tagen kaum etwas gegessen hatte. Zwangsläufig nahm die junge Frauen ein Stück, damit der Graf beruhig war und sie hoffentlich nicht weiterhin ausfragen würde. Kaum hatte er den Raum verlassen verfütterte Oscar den Kuchen den vielen zwitschernden Vögel die draußen vor dem Fensterbrett herumsaßen. Das Gesicht der jungen Frau war von Erschöpfung und Schlafmangel gezeichnet. Völlig übermüdet setzte sich Oscar zurück in den Sessel, sie musste endlich einmal Schlaf finden, ansonsten würde sie irgendwann zusammen brechen, dachte sie. Sie verstand nicht wieso es ihr immer schlechter ging, nachts schlief sie kaum noch, sie lag oft Stunden wach bis sie überhaupt einmal für eine oder zwei Stunden einschlief. Das Essen widerte sie an, sie hatte einfach keinen Hunger mehr. Eines Abends stellte der Graf sie erneut zur Rede, doch dieses Mal ging er die Sache ganz anders an, er bestand geradezu darauf, dass sie endlich mit ihm sprach. Oscar lag wieder einmal im Sessel vor dem Kamin und genoss das Feuer, wie in Trance beobachtete sie das Feuer wie es sich bewegte und knisterte. „Lady Oscar!“ Der Graf jagte Oscar einen enormen Schrecken ein, wie in Windeseile betrat er das Wohnzimmer, die junge Frau schreckte auf und sah ihn mit wütenden Augen an, dies beeindruckte Graf von Fersen allerdings nicht. Selbst wenn sie ihn dafür nun anschreien würde, er würde nicht locker lassen bevor er nicht wusste wieso sie sich so seltsam verhielt. „Ich möchte von euch nun endlich wissen was los ist, euer verhalten ist seltsam, ihr esst kaum noch was und ihr seit täglich vollkommen erschöpft, auch seht ihr blas aus und ähnelt bereits einer toten.“ Es sprudelte nur so aus ihm heraus was er ihr schon lange sagen wollte. „Wie bitte?“ Wie nicht anders vom Grafen erwarten stand sie erzürnt vom Sessel auf, ballte die Hände zu Fäusten und biss sich auf die Lippen. „Was habt ihr da gesagt?“ „Ihr wisst genau was ich gesagt habe, seht euch doch einmal genau an, schaut in den Spiegel, wenn ihr so weiter macht werdet ihr irgendwann zusammenbrechen, ihr seht zerbrechlich und schwach aus.“ Mit diesem Satz hatte der Graf zwischen den beiden einen heftigen Streit empfacht. „Ich bin eben etwas zierlicher gebaut als ihr, ich bin schließlich eine Frau und blas war ich schon immer mein lieber Graf.“ Oscar ließ sich nichts anmerken, sie war nicht dazu verpflichten ihren Kummer diesem Mann zu erzählen, sie konnte tun was sie will. „So langsam glaube ich, dass diese Sache mit André zu tun hat, ist er vielleicht verstorben Lady Oscar? André war auch einer meiner Freunde falls ihr das nicht vergessen habt und wenn ihm etwas zugestoßen ist habe ich ein Recht davon zu erfahren, ihr seit total egoistisch!“ Die junge Frau vergaß sich nun endgültig, sie hatte genug von dem allem. „Wie ihr meint, ich werde dieses Anwesen noch heute verlassen! “Die ganze Aufregung hatte in Oscar ein Schwindelgefühl verursacht, ihr war überhaupt nicht mehr wohl, nur schnell hier weg, dachte sie. Sie fühlte sich plötzlich noch schwächer als in all den Tagen zuvor, sie erhob zitternd ihre rechte Hand und faste sich schwer atmend an die Stirn. Sie versuchte sich in Bewegung zusetzten, doch irgendwas blockierte sie, wieso konnte sie nicht mehr weiter? Irgendetwas hielt sie zurück, es war dieses Schwächegefühl, aus Angst endgültig zusammenzubrechen blieb sie erstarrt stehen. „Was ist mit euch?“ Besorgt sah sie Graf von Fersen an, sie konnte sein Gesicht nicht mehr wirklich wahrnehmen, alles war verschwommen, schließlich brach sie vor Hans Axels Augen zusammen. In Panik ließ von Fersen einen Arzt kommen, damit dieser Lady Oscar untersuchen konnte. Auch schickte er an diesem Abend einen Boten zu General de Jarjayes, doch bis der Bote in Versailles eintreffen würde, dauerte es seine Zeit, da Frankreich nicht gerade ein Katzensprung von Schweden entfernt war. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)