Verschlungene Pfade von Shin-no-Noir (Brillante Meuchelmörderin und tollpatschige Marinesoldatin auf Abwegen) ================================================================================ Kapitel 4: Von Heuchlern und irritierenden Emotionen - Nico Robin ----------------------------------------------------------------- Sobald sie in der Ferne die ersten Menschen erblickte, verbannte Nico Robin erneut alle deprimierenden Überlegungen, die ihrer Meinung nach ohnehin zu nichts führen würden, aus ihrem Denken. Sie musste sich auf das Wesentliche konzentrieren. Sie wusste nicht viel über den Ort, an dem sie sich befand. Nur, dass diese Stadt so etwas wie das Handelszentrum der Grad Line darstellen sollte. Weder die Insel noch die Ansiedlungen, die sich auf ihr befanden, hatten je einen Namen gehabt. Und falls doch, kannte ihn heute niemand mehr. Wobei die Archäologin rasch zu dem Schluss kam, dass, hätte die Insel jemals einen Namen besessen, es irgendwo Aufzeichnungen darüber geben müsste. Doch so war es nicht. Zumindest war Robin nichts darüber bekannt. Während ihr Blick aufmerksam umher schweifte und sie die Umgebung genauestens im Auge behielt, fragte sie sich flüchtig, ob es hier überhaupt einen Marinestützpunkt gab. Keine Steckbriefe, keine Männer in blauweißen Uniformen. Nur hier und da patrouillierten vollständig in Dunkelgrün gekleidete Personen; sie alle trugen unterschiedliche Waffen bei sich, die wenig miteinander gemein hatten – Schwerter, Schusswaffen und vereinzelt sogar Lanzen -, doch der Gang dieser Männer mutete eindeutig militärisch an und auf ihren grasfarbenen Brustharnischen war ausnahmslos der in Schwarz gehaltene Kopf einer Möwe abgebildet, was deutlich machte, dass diese Leute einer gemeinsamen Institution angehörten. Zuweilen jedoch stolzierten unverkennbar zwielichtige Gestalten unbeachtet an ihnen vorbei, und auch Nico Robin erregte nicht die Aufmerksamkeit der Wachen. Zunächst kam ihr das alles ausgesprochen merkwürdig vor, doch sobald sie sich die Dinge, die in überall um sie herum feilgeboten wurden, näher besah, wurde ihr einiges klar. Auf dieser Insel hat die Regierung keinen Einfluss, erkannte die Archäologin sofort. Und sie will ihn auch gar nicht. Nicht hier. Diese Stadt war ein Umschlagplatz für einfach alles - ganz gleich, wie legal oder illegal es sein mochte. Selbst Piraten konnten hier herkommen und Diebesgut verkaufen; niemand in dieser Stadt störte sich daran, denn selbst das gereichte der Wirtschaft und somit auch der Weltregierung zum Vorteil. Ein höhnisches Lächeln glitt über die Züge der schwarzhaarigen Frau. Gerechtigkeit… Für die Regierung und auch für die Marine war dieses Wort tatsächlich gleichzusetzen mit Heuchelei und flüchtig fragte Robin sich, weshalb diese Erkenntnis sie immer wieder aufs Neue zu überraschen schien, war es für sie doch schon immer ganz offenkundig gewesen. Gerechtigkeit, wie diverse Institutionen sie zu vertreten vortäuschten, gab es nicht - in keinem historischen Dokument ließen sich Belege dafür finden, dass es sie überhaupt je gegeben hatte. Ganze Länder verschwanden vom Erdboden, Menschen starben in Massen und doch ging der Alltag für diejenigen, die lebten, weiter. Das Schicksal, falls es so etwas überhaupt gab, machte keinen Unterschied zwischen dem plündernden und mordenden Bandit, der in den Wäldern sein Unwesen treibt und der freundlichen Kräuterfrau aus dem Nachbarsdorf, die ihm vielleicht eines Tages über den Weg laufen würde. Die freundliche Frau würde von ihm getötet und der Bandit vielleicht später einmal gehängt werden. Gerechtigkeit? Definitiv - für die Marine zumindest. Ja, vielleicht sogar in den Augen der meisten Menschen. Aber mit Sicherheit nicht in denen einer Frau, die gesehen hatte, was man gemeinhin alles unter diesem Begriff verstand. Daher hasste Robin die Weltregierung und all jene, die mit ihr sympathisierten. Insbesondere die Mitglieder der Marine waren im Grunde nichts weiter als der Regierung treu ergebene Schoßhunde, die brav Befehle ausführten, um an ein Stück des Kuchens zu kommen. Ruhm, Reichtum und Macht. Danach strebte man. Gerechtigkeit hingegen gab es nicht; bestenfalls war dieses Wort ein Mittel zum Zweck, als Deckmantel wie geschaffen in einem Zeitalter, in dem Seeräuber das Meer beherrschten. Doch auch derlei Gedanken, rief Robin sich in Erinnerung, waren Zeitverschwendung. Die Archäologin kam zu dem Schluss, dass sie sich lieber glücklich schätzen sollte. Auf dieser Insel nämlich war sie für eine ganze Weile sicher. Hier konnte sie in Ruhe Vorbereitungen treffen, bevor sie sich auf den Weg zu ihrem eigentlichen Ziel machte. Und in der Tat: Der Weg nach Alabasta gestaltete sich für die ehemalige Baroque-Agentin ohne größere Schwierigkeiten. Zunächst galt es, sich Kleidung zu besorgen, die möglichst viel von allem verhüllte, was Passanten außerhalb und auch innerhalb dieser Stadt an Miss Bloody Sunday – oder gar allgemein an die berüchtigte Nico Robin – erinnern könnte. Wie kaum anders erwartet, stellte sich dieses Vorhaben als leicht umsetzbar heraus. Nicht einmal eine halbe Stunde später trug Robin Kleidung, die keineswegs so wirkte, als sei deren Trägerin eine gesuchte Verbrecherin. Viel mehr erinnerten die weite weiße Robe und die dazugehörige Kapuze, welche die Gesetzlose sich sofort tief ins Gesicht gezogen hatte, an die Gewandung einer Geistlichen. Daher beschloss Robin, sich auch als solche auszugeben. Das würde vieles einfacher machen. So erübrigte sich für sie nun auch die Frage, wie sie an ihren Zielort gelangen sollte, ohne Aufsehen zu erregen. Hätte sie hier ein Schiff gestohlen, wäre es ihr vermutlich nicht übermäßig gut bekommen. Nun aber suchte sie - vorgeblich eine Priesterin auf Pilgerfahrt - den Kapitän eines älteren Handelsschiffes auf, welches auf dem Weg zu seinem eigentlichen Bestimmungsort auch auf Alabasta Halt machen würde. Überaus höflich bat sie darum, sich an Bord begeben zu dürfen und die dreihunderttausend Berry, die sie der Besatzung dafür bot, hätten wahrscheinlich sogar ausgereicht, eine weniger zuvorkommende Mannschaft umzustimmen. Auch die Überfahrt war recht angenehm und ging ohne überraschende Ereignisse vonstatten. Die meiste Zeit verbrachte die Frau in der kleinen Kajüte, die man ihr zugeteilt hatte. Nicht sonderlich geräumig, aber zum Lesen und Schlafen vollkommen ausreichend, wie Robin fand. Regelmäßig machte man halt, um Geschäfte zu tätigen; aber es verstrichen nur wenige Wochen, bis schließlich jene Insel in Sichtweite kam, die Sir Crocodile dereinst um ein Haar zerstört hätte. Mister Zero. Der Gedanke an diese Person entlockte der Archäologin ein leises Seufzen, während sie sich ohne Eile auf die Brüstung des Schiffs zu bewegte, von wo aus sie nachdenklich den Blick über die klare Wasseroberfläche schweifen ließ. So sehr sie das Krokodil verachtet hatte, so wenig dieser Mann ihr auch bedeutet haben mochte... Robin konnte schwerlich leugnen, dass sie beide viele Gemeinsamkeiten aufgewiesen hatten von dem Moment an, in dem sie sich der Baroque-Firma angeschlossen hatte. Verbrecher, die nichts mehr hätten verlieren können und bereit waren, alles zu tun, um ihre Ziele zu verwirklich. Berechnend, gejagt und ebenso geheimnisvoll wie berüchtigt. Auch er, der arrogante, kalte Sir Crocodile war mit Sicherheit nicht das personifizierte Böse gewesen. Nur ein törichter, verbitterter Mann. Aber ich hege keinen Groll gegen dich, Nico Robin. Weil ich… von Anfang an niemandem getraut habe. Dieser Satz hatte in Robin noch wesentlich mehr Entsetzen ausgelöst als der Haken, der sie beinahe zeitgleich durchbohrte. Die Erkenntnis, dass es auch für sie niemanden gab, dem sie hätte trauen können, hatte ihr schmerzlich ins Bewusstsein gerufen, dass sie immer mehr wurde wie er. Und dass auch Crocodile einmal Träume und Wünsche gehabt haben mochte, von denen er geglaubt hatte, es lohne sich, für deren Erfüllung zu kämpfen. Vielleicht war er Ruffy einmal, vor langer, langer Zeit, gar nicht so unähnlich gewesen. Und geworden war aus ihm ein skrupelloses Ungeheuer, das sich für nichts anderes mehr interessiert hatte als Macht und Reichtümer. Ein Gedanke, der, wenn man sich genauer damit beschäftigte, auch etwas Faszinierendes an sich hatte. Doch in jenem Moment… Auch Robin selbst war bereit – damals wie heute -, über Leichen zu gehen, wenn sie keinen anderen Ausweg mehr sah. In jenem kurzen Augenblick der Offenbarung, der kaum einen Herzschlag lang gedauert hatte, zwischen seinen Worten und dem Aufprall ihres eigenen Körpers auf dem harten Steinboden des Mausoleums, hatte sie erkannt, dass sie so nicht werden wollte. Dass der Tod der einzige Ausweg war, der ihr noch blieb. Sie war dieses Lebens müde geworden. Immer auf der Flucht, stets dazu bereit, alles zurückzulassen und diejenigen, die ihr in der kurzen Zeit, in der sie an einem Ort verweilt hatte, zu nahe gekommen waren, ihrem damit besiegelten Schicksal – der Marine – zu überlassen. Und dennoch hatten sie alle ihren Zweck erfüllt. Auch das Krokodil. Sie benutzte Menschen als Schilde. Sie schlich sich in das Vertrauen anderer gejagter Leute und wurde dann selbst zur Verräterin, bevor man sie verraten konnte. Nur so hatte sie überleben können. Und es hatte niemanden gegeben, dem Nico Robin Rechenschaft schuldig gewesen wäre. Damals. Nun aber wäre sie vielleicht – unter Umständen – sogar bereit, ihr Leben für die Strohhutbande zu opfern. Für diejenigen, die so viele Dinge gerettet hatten, die ihr wichtig waren. Vielleicht sogar ohne es auch nur zu ahnen. Das Leben, das wegzuwerfen sie bereit gewesen war; die Seele, die sie verloren geglaubt hatte und den Traum, der in Begriff gewesen war zu sterben. Und jetzt wollte Robin leben. Ein egoistischer Wunsch, wenn man bedachte, dass ihre Existenz nichts weiter als Unglück über andere bringen konnte. Noch wichtiger war es ihr aber, dass das Leben derer, denen sie mehr schuldig war, als sie es je für möglich gehalten hätte, so verlief, wie diese es sich vorstellten. Aber wenn sie so weitermachte, würde sie auch über die Strohhutbande Unheil bringen. Dann würden sie sie als Last empfinden und egal, wie freundlich sie alle immer zu ihr gewesen waren… sie würden sich ihrer entledigen. Sie könnte es ihnen nicht einmal übel nehmen. Das war ganz natürlich. Robin war es gewohnt, hintergangen zu werden. Seit langem schon. Und genau darum war die ehemalige Baroque-Agentin ohne den Rest der Crew hierher gekommen. Sie wollte ihr neues Leben nicht aufs Spiel setzen. Wenn es nichts weiter war als eine Illusion, wäre ihr der Tod nur willkommen. Versonnen betrachtete sie die Insel, die nun immer näher zu rücken schien. Dennoch rührte Robin sich nicht. Auch als das Schiff anlegte und die Besatzung geschäftig ihrer Arbeit nachzugehen begann, ganze Säcke mit exotischen, wohl zum Verkauf gedachten Gegenständen von Bord getragen wurden, bewegte sie sich nicht sofort. Noch eine ganze Weile sann sie darüber nach, ob sie Ruffy und dessen Bande wohl jemals wieder sehen oder ob diese Reise ihre letzte sein würde. Nun ja, falls sie fand, wonach sie suchte, wäre auch das nicht weiter schlimm. Ihren Tod erachtete sie als belanglos, wenn sie dafür nur einen einzigen Blick auf das Rio-Porneglyph werfen und die Zeilen lesen dürfte, die von dem erzählten, was Menschen und Geschichtsbücher längst vergessen hatten. Dann könnte sie sterben in der Gewissheit, dass die Menschen von Ohara ihr Leben nicht umsonst gelassen hatten. Dass sie selbst dann für niemanden mehr eine Gefahr darstellen würde. Und, was ihr mindestens genauso wichtig war, mit dem Wissen um die Wahre Geschichte. Es war merkwürdig. Rein logisch betrachtet war alles genau so, wie es sein sollte. Und trotzdem… Mit einem Mal fühlte die Archäologin sich bei dem Gedanken, die Strohhutbande vielleicht niemals wieder zu sehen, seltsam leer. _________ So, da ist wieder mal ein neues Kapi. Mit dem Titel habe ich mich dieses Mal ziemlich schwer getan. Hm. Vielleicht schaffe ich es ja, die nächsten Kapitel nicht so arg langatmig werden zu lassen. o.o Bald sollte auch klar werden, was Robin auf Alabasta will. Ein Hinweis vorweg: Die Königliche Bibliothek ist für eine Archäologin unter Umständen hoch interessant. (Und die Archäologin wiederum ist für die Baroque-Firma interessant. ;P) Mehr dazu in den nächsten Kapiteln. Danke ganz allgemein für's Lesen, Kommentareschreiben und Motivieren. Und ich hoffe, diese Fanfic gewinnt doch noch ein paar Leser hinzu. ^^ Bis danni. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)