Die letzte Schlacht von Avrynn Orloch von abgemeldet (Denn nur Liebe hat Macht über den Tod...) ================================================================================ Kapitel 8: Die Flucht ins Ungewisse - Fort Harper, wir kommen! -------------------------------------------------------------- Emilia musste alles, was sie entbehren konnte, im Schloss lassen. Nur ihren Umhang und Kleider zum Wechseln durfte sie in ihre Tasche packen. Das Wenige, was notwendig war – ihr Dolch, eine Flasche mit Blut und ein kostbarer Ring – fand kaum noch Platz in der Umhängetasche aus Leder. Abgegriffen war sie und alt, erfüllte aber ihre Zwecke. Wehmut stieg in Emilia auf, als sie das letzte Mal die Tür zu ihren Gemächern schloss. Der vertraute Blick über das Neckartal, das Bewusstsein, dass sie ihre Heimat vielleicht nie wieder sehen würde, der Schmerz, alles hinter sich zu lassen – er schnürte ihr das Herz zu. Sie schloss die Augen und legte ihre Stirn an das kühle Holz der Täfelung. ‚Ich will nicht gehen… warum musste das jetzt passieren… warum ich…’ die Gedanken schossen ihr durch den Kopf. Eine magische Kraft schien sie hier halten zu wollen. Das einzige Stückchen Erde, das ihr je Heimat gewesen war, das sollte sie jetzt aufgeben? Für einen Krieg, der ihre Kräfte überstieg, für eine Welt, die sie nicht kannte, für einen Mann, der sie als Begrüßung überfallen hatte? Sie drehte sich nicht um, als sie eine Hand auf ihrer Schulter spürte. „Komm…“ Es war Louis. Seine sanfte Stimme schien ihm in der Kehle stecken bleiben zu wollen. „Komm, wir müssen los. Es wird bald hell.“ Er zögerte kurz, zog dann seine Hand zurück und ging die Treppe hinunter. Emilia spürte die Tränen aufsteigen und einen schmerzhaften Kloß in ihrem Hals. ‚Jetzt nur nicht weinen… nicht weinen… sei stark, du kannst alles, wenn du nur willst…’ Sie ließ ihre eigene Stimme zu sich sprechen, aber der Erfolg war gering. Als sie langsam, Stufe für Stufe, die Außentreppe in den Schlosshof hinunter schritt, perlte eine salzige Träne über ihre Wange und setzte sich an ihren Mundwinkel. Ein hellvioletter Streifen zeigte sich am anderen Ende des Tales, gemischt mit dem Nebel, der vom Fluss weit unten aufstieg. Die Wälder ringsum lagen noch still, nur hin und wieder schrie ein Käuzchen oder es heulte ein Fuchs. Louis und Uriel standen am Brunnen in ein Gespräch vertieft. Als Emilia auf sie zukam, verstummten sie. „Bist du fertig?“ Uriel schien die Lippen kaum bewegt zu haben, doch seine Stimme war so klar und kalt wie die Morgenluft. „Wird ein schöner Tag heute…“ versuchte er sie aufzumuntern, doch das verschlechterte ihre Stimmung nur noch mehr. „Gehen wir.“ Sagte Louis barsch und knöpfte seinen Umhang zu. Mit langen Schritten überquerte er den Schlosshof und sah nicht zurück. Emilia folgte ihm, an ihrer Seite der Halbengel. Sie gingen so auf die Wand aus Finsternis zu, bis der Geruch von modrigem Stein ihr in die Nase stieg. Laut rasselte eine Kette, im Unterholz flogen erschreckte Vögel auf. Sie schritten im vollkommenen Dunkel über die versteckte Zugbrücke auf die Lichtung hinaus. Es würde wirklich ein schöner Tag werden. Und sie würde ihn nicht mehr sehen können. Louis hatte gesagt, dass sie noch vor Tagesanbruch diese Welt verlassen mussten und durch das Tor nach Fort Harper gehen. Emilia hatte keinen blassen Dunst, was Fort Harper war, aber die beiden anderen schienen sich ihrer Sache absolut sicher zu sein, dass sie keine Zweifel an der Richtigkeit dieses Plans hegte. Uriel war schon quer über die Lichtung gegangen und sah hinab ins Tal. Hier fiel der Fels steil ab, ein Sturz endete erst auf den Streuobstwiesen viele hundert Meter weiter unten. „Die Luft ist rein…“ flüsterte er von der anderen Seite der Lichtung. Flüstern? Mia hörte seine Stimme, als ob er direkt neben ihr stünde. Louis ging schnellen Schrittes auf ihn zu und stand neben ihm. „Emilia?“ Er sah sich nach ihr um. „Ja?“ antwortete sie leise. „Dort drüben siehst du doch den Felsvorsprung, auf der anderen Seite?“ „Ja…“ „Dort befindet sich ein Labyrinth aus Höhlen. Wir müssen dort hinein.“ „Aber die Höhlen sind mitten an einer Steinwand!“ zischte Mia. „Das ist kein Problem. Du musst nur sehr genau landen. Der Vorsprung dafür geht etwa sieben Fuß und acht Zoll über die Schlucht hinaus.“ „Das sind… das ist ja nicht einmal ein Meter!“ Rechnete sie. „Egal. Versuch es.“ Uriel stand etwas abseits. „Können wir? Emilia, ganz ruhig. Wenn du willst, helfe ich dir.“ Sagte er. „Nein danke. Ich muss mir nicht erklären lassen, wie man fliegt“ Entgegnete sie schnippisch und stürzte sich mit diesen Worten ins Tal. Die kalte Luft fuhr durch ihr Haar und ließ einen angenehmen Schauer über den Rücken laufen. Unter ihr glitzerte das Wasser im fahlen Mondlicht, die Fachwerkhäuser erinnerten sie an eine winzige Spielzeugstadt. Der Turmuhr von Großbettlingen schlug vier Uhr dreißig. Höchste Zeit, wieder in sicheres Gebiet zu kommen. Der Flug dauerte ungewöhnlich lange. Emilia wagte nicht, sich umzusehen, denn sie hatte ihr Gleichgewicht beim Fliegen noch nicht ganz gefunden. Der würzige Duft des Albvorlandes stieg ihr in die Nase. Langsam weitete sich der Horizont. Auf einem vorgelagerten Berg konnte sie den Hohenneuffen erkennen. Und ganz langsam tauchte ihre Heimatstadt aus dem Dunst auf. Sie spürte wieder das Gefühl der Wehmut in ihr aufsteigen, für eine Sekunde überlegte sie, ob sie nicht doch zurückkehren sollte zu ihren Freunden. Ob man sie wohl sehr vermisste? Kiri vermisste sie bestimmt. Wahrscheinlich hatte man ihren Namen auf den Grabstein ihrer Mutter gesetzt, symbolisch einen Sarg in die Grube gelassen. So wie man es bei Hannah gemacht hatte, als sie verschwunden war. Mia verdrängte die Gedanken, denn sie ließen ihr die Tränen in die Augen steigen. Der Steilhang kam näher und näher. Im schwachen Mondlicht gähnte ein Loch im Fels, der Vorsprung davor war wirklich winzig. Ihre Landung klappte nicht so gut. Sie kam mit dem Knöchel zuerst auf. Ein hässliches Knacken durchbrach die Stille und ließ ihr das Blut in den Adern gefrieren. Sekunden später flutete ein stechender Schmerz durch ihr Bein. Der Knöchel war doch hoffentlich nicht gebrochen? „Mia, alles okay?“ Louis kniete neben ihr. „Ich glaub nicht…“ presste Mia zwischen den Zähnen hervor. „Mit meinem Knöchel stimmt was nicht.“ „Lass mal sehen.“ Uriel streckte die Hand nach ihr aus, aber sie rutschte weg. „Finger weg da.“ „Ich will doch nur helfen…“ entschuldigte er sich. „Komm, stell dich nicht so an.“ Mit einer schnellen Bewegung hatte er ihren Fuß gepackt (worauf sie entschloss, sich lieber die Zunge abzubeißen, als vor ihm zu heulen). In Sekundenschnelle war der Schmerz verschwunden. „Besser so?“ Seine schöne, kalte Stimme versetzte sie in eine Art Trance. „Ja… dankeschön…“ Die beiden Männer standen auf und gingen in die Höhle. „Los, komm schon Mia. Sonst verlierst du uns noch!“ Louis Stimme hallte aus dem Fels. „Ja… ja, ich komm schon!“ Mit dem ersten Hahnenschrei waren sie in der Höhle verschwunden. ‚Auf zu neuen Abenteuern…’ dachte Mia und schloss ihre Hand fest um diejenige, die sie neben sich spürte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)