Verdrehte Welt von DoctorMcCoy ================================================================================ Kapitel 2: Erinnerung --------------------- Erinnerung „Das ist ja interessant.“, meinte Sesshomaru, nachdem Kagome ihm alles erzählt hatte. Über ihre Welt und über die Zeitreise durch den Brunnen ins Mittelalter. „Und du hast nichts anders gemacht als sonst, was dein Auftauchen hier erklären könnte?“ „Eigentlich nicht. Man kann ja auch nicht viel falsch machen bei einem Sprung durch einen Brunnen. Aber ich hatte so ein eigenartiges Gefühl.“, gab sie ihm die Antwort. Sesshomaru stutzte. „Was denn für ein Gefühl?“ „Es ist schwer zu erklären.“, fing sie an. „Von der einen auf die andere Sekunde wurde mir plötzlich eiskalt. Tief in mir drinnen wusste ich, dass ich nicht gehen durfte, doch da war auch noch ein großes Verlangen, schon fast eine Stimme, die mir zuflüsterte, ich müsste springen. Außerdem habe ich gesehen, wie sich für einen kurzen Moment der Baum veränderte.“ Sie hielt inne. „Können wir zu Goshinboku gehen?“,fragte sie an Sesshomaru gewandt. „Nein!“, kam es ohne Umschweife von ihm. „Das ist nicht möglich.“ Kurze Zeit später fügte er hinzu: „Es ist sein Gebiet.“ „Wessen Gebiet?“, kam es zögerlich von Kagome. Sie hatte etwas Angst, denn irgendwie fühlte sie sich für kurze Zeit an den Sesshomaru aus ihrer Welt erinnert. Sesshomaru drehte sich um und blickte in den Wald. Die ersten Äste der Bäume konnte man noch gut erkennen, doch schon einige Meter entfernt, verschwanden sie in der Dunkelheit des Dickkischts. Für Sesshomaru jedoch war es kein Problem auch diese zu sehen. Er starrte auf einen Zweig, der eine wunderschöne Blüte trug. Er wollte es ihr nicht erzählen. Er hasste es über ihn zu reden. Der, der ihm um so vieles überlegen war. Denjenigen, den er nicht besiegen konnte. Gegen wen er einfach nur hilflos war. „Dort lebt ein sehr starker Dämon. Es ist zu gefährlich dorthin zu gehen. Er würde uns als eine Bedrohung ansehen und uns angreifen.“ Kagome war verwundert. „Aber kannst du diesen Dämon denn nicht vernichten? Ich meine nur, dass du doch bestimmt stärker als er bist, oder nicht? Zumindest bist du in meiner Welt sehr mächtig. Es gibt sehr wenige, die sich mit dir messen können.“ Er wandte sich Kagome zu und sagte mit klarer Stimme: „Ich bin stark, das stimmt.“ Nun wandte er sich wieder der dunklen, scheinbaren, Endlosigkeit des Waldes zu und fügte um vieles leiser hinzu: „Aber ich kann ihn nicht vernichten.“ Obwohl er sehr leise gesprochen hatte, hatte Kagome jedes Wort verstanden und sie wusste, dass sie auch nichts mehr weiter fragen sollte. Ihr kam es eigenartig vor, wie Sesshomaru sich verhielt. Für ihn war es vielleicht normal, doch sie kannte einen ganz anderen Sesshomaru. Sie fand es sogar ein wenig unheimlich. So hätte sie sich Sesshomaru nicht mal in ihren kühnsten Träumen vorgestellt. °Langsam wird mir das hier echt zu viel. Sesshomaru zeigt Gefühle. Das ist ja schon fast schlimmer, als wenn er dich eiskalt angreift. Es macht einen fast schon Angst. Und das beunruhigt mich noch mehr. Bei so einem netten Sesshomaru sollte ich doch keine Angst haben. Das ist hier alles so verwirrend. Ich will endlich wieder nach Hause.° Als ob Sesshomaru ihre Gedanken gelesen hätte, sagte er: „Wir sollten dich dringend nach Hause schaffen. Du gehörst nicht in diese Welt.“ °Ja, da hat er völlig Recht. Nach Hause klingt gut.° „Und wie sollen wir das anstellen?“, fragte Kagome unschuldig. Sie konnte sich wirklich nicht vorstellen, dass sie einfach wieder in den Brunnen springen könnte und dann mir nichts, dir nichts wieder in ihre Welt zu reisen. „Auf den gleichen Weg, wie du auch hergekommen bist.“, meinte Sesshomaru nur gleichgültig. Kagome blickte skeptisch drein, da sie sich immer noch nicht vorstellen könnte, dass es funktionierte. Sesshomaru interpretierte ihre Mimik falsch und ergänzte dann unnötigerweise: „Durch den Brunnen!“ Er hatte zwar nicht erwähnt, dass er annahm, dass Kagome ihn nicht verstanden hatte, aber ihr blieb das nicht verborgen. Sauer verschränkte sie ihre Arme und erwiderte trotzig: „Ach, durch den Brunnen? Tut mir leid, mein lieber Sesshomaru, aber ich bin mir nicht sicher, ob-“ Die erhobene Hand und der strenge Blick von Sesshomaru ließ sie verstummen. „Ein Versuch ist es wert. Wenn es nicht klappt, können wir uns immer noch eine andere Möglichkeit ausdenken.“, beendete er somit das Gesprächsthema. °Wo er Recht hat, hat er Recht. So ein Mist, das gefällt mir überhaupt nicht. Aber es stimm ja. Ich würde mich nur ärgern, wenn es geklappt hätte, und ich hätte es nicht ausprobiert. Ich hätte es ja dann auch wahrscheinlich nicht mal erfahren. Kompliziert.° Kagome war noch immer ein wenig eingeschnappt, weil ihr es einfach nicht gefiel, dass Sesshomaru recht hatte. Sie ging an ihm vorbei und machte sich auf den Weg in Richtung Brunnen. Sesshomaru blickte ihr kurz hinterher und folgte ihr dann leise. Kagome versuchte Sesshomaru einfach zu ignorieren, doch dies gelang ihr nicht wirklich lange. Schon nach ein paar Minuten drehte sie sich zu ihm um und blieb stehen. „Du willst mir also helfen?“ „Von wollen ist da überhaupt keine Rede. Ich muss es ja wohl oder übel.“, entgegnete er trocken und würdigte sie dabei keines Blickes. °Er scheint beleidigt zu sein. Da kann man sich doch nur fragen, warum? Ich habe ihm doch nichts getan. Er war doch derjenige, der sich hier so aufgespielt hat.° „Und warum bitteschön? Ich habe dich nicht darum gebeten.“, giftete sie ihn an. „Du würdest doch keine zehn Minuten überleben. Es wäre unverantwortlich, dich alleine gehen zu lassen.“, keifte er zurück. Kagome hätte nicht erwartet, dass er so auf sie eingehen würde. Das war sie nur von Inuyasha gewohnt, jedoch nicht von seinem Bruder. Jedoch hätte sie auch nie im Leben ein solche Antwort erwartet. „Du bist ein Youkai, Sesshomaru, und kein heiliger Samariter. Es dürfte dir eigentlich egal sein, ob ich das Zeitliche segne oder heil zu Hause ankomme.“ Das schien bei Sesshomaru eine Wunde getroffen zu haben. Er verstummte und blickte zu Boden. Erst als er sich wieder etwas gefangen hatte, sagte er ruhig: „Vor dir muss ich mich nicht rechtfertigen!“ Stille. Nach diesem Satz wagte Keiner der beiden noch etwas zu sagen. °Warum habe ich ihn denn so angeschrien. Er wollte mir doch nur helfen und wie danke ich es ihm? Außerdem habe ich lieber Sesshomaru an meiner Seite, als dass ich auf diesen Youkai stoße und das ohne ihn. Ich glaube nicht, dass ich dann noch lange leben werde. Ich sollte mich entschuldigen.° „Es tut mir leid. Es war nicht fair, dich so anzuschreien. Du wolltest mir ja nur helfen. Ich bin dir wirklich sehr dankbar dafür. Weißt du, ich bin es nicht gewohnt, dass sich ein Youkai um einen Menschen sorgt. Außerdem bin ich ziemlich aufgebracht, weil ich einfach nur noch wieder nach Hause will.“ Die ganze Zeit über hatte Kagome betreten zu Boden geschaut. Sie fand es nicht üblich, sich bei einem Youkai zu entschuldigen. Besonders der Gedanke, bei Sesshomaru um Verzeihung zu beten, missfiel ihr sehr, selbst wenn er in dieser Welt so völlig anders war. Es war einfach nur komisch. Diese ganze Welt war eigenartig. Sie wollte unbedingt wieder nach Hause. Zu ihrem störrischen Hanyou, zu ihren liebevollen Freunden und auch zu dem eiskalten Sesshomaru. So war die Welt in Ordnung, so war sie richtig. Hier war alles falsch. Kagome blickte auf, um Sesshomaru gerade zu fragen, ob er sie noch immer begleiten würde, doch er war schon ein ganzes Stückchen weiter vorne, was sie sehr irritierte. „Nun mach mal schneller oder willst du, dass wir noch um Mitternacht unterwegs sind.“, sagte Sesshomaru. Kagome musste lächeln. Er war gar nicht so übel. Man könnte sich vielleicht doch an ihn gewöhnen, wenn man vergessen könnte, dass er Sesshomaru ist. Man müsste ihn einfach nur als einen ganz anderen Menschen sehen. „Ich komme.“, rief sie im hinterher, lief das kurze Stück, um ihn einzuholen und ging dann an seiner Seite. Sie gingen schon eine ganze Weile stumm nebeneinander her, bis es Kagome nicht mehr aushielt. „Ich habe dir doch eben so viel von meiner Welt erzählt. Jetzt würde ich auch gerne etwas von deiner erfahren. Ich wollte dich eigentlich schon die ganze Zeit etwas fragen. Ist Inuyasha hier auch irgendwo oder existiert er hier überhaupt nicht? Du meintest ja auch, dass du einen Naraku überhaupt nicht kennst. Vielleicht hat sich dein Vater nie in Isayoi verliebt.“, löcherte sie Sesshomaru. „Doch, mein Vater lernte sie kennen und verliebte sich in sie. Inuyasha wurde geboren.“, ließ er ihre Zweifel schwinden. Kagome war aufgeregt. Es gab ihn also. Ob er auch anders war? Oder ob er genauso sein würde, wie sie ihn kennengelernt hat? „Wo ist er denn?“, fragte nun Kagome umso nervöser. Ihr war klar, dass sie zwar gleich wieder in ihrer Welt sein würde, wenn alles klappen sollte, und dass sie ihn wohl dann nie zu Gesicht bekommen würde, doch irgendwie war sie aufgeregt. Sie konnte sich selbst kaum erklären, wieso. „Er ist tot.“, kam die knappe Anwort von Sesshomaru. Kagome war geschockt. Ihr Herz hämmerte gegen ihre Brust. Es schlug immer schneller, sie versuchte es mit ihrer Hand zu unterbinden, doch es wollte keine Ruhe geben. °Tot?° Zu mehr waren ihre Gedanken nicht im Stande. Nur dieses eine Wort spukt in ihrem Kopf herum. Tot. Sie spürte, wie ihre Augen feucht wurden. Sie wusste, dass gleich eine Träne daraus entschwinden würde. Kaum hatte sie das realisiert, passierte es auch schon. Einer winzig kleinen Träne gelang es aus ihren Augen zu treten und bahnte sich ihren Weg über ihre Wange. Bevor sie jedoch auf den Boden fallen konnte, wischte Kagome sie fort. Sie rieb sich einmal über die Augen, um auch die restlich Feuchtigkeit in ihnen zu unterbinden. Sie schluckte noch einmal und fragte ihren Begleiter mit zittriger Stimme: „Wie ist das denn passiert?“ „Ein Dämon hat ihn besiegt.“, kam es schon fast flüsternd zurück. In der nächsten Zeit sprach keiner. Sie waren viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Kagome versuchte mit ihren Gefühlen klar zu kommen. Sie konnte es nicht verstehen. Diese Neuigkeit versetzte sie so in Schock, dabei kannte sie Inuyasha aus dieser Welt doch gar nicht. Er hätte ganz anders sein können, vielleicht hätte sie ihn nicht einmal gemocht. Aber schon die Tatsache, zu hören, dass Inuyasha tot ist, ließ sie nicht mehr klar denken können. Sesshomaru hingegen ließ sich in seinen Erinnerungen treiben. Er hatte schon lange nicht mehr an dieses Ereignis gedacht. Auch wenn er immer wieder an seinen Bruder erinnert wurde, so hatte Kagome es geschafft, dass er sich mal wieder damit auseinander setzte. Er blickte zu dem betrübten kleinen Mädchen, das neben ihm herlief. Er hatte es gerade geschafft, wieder normal leben zu können. Ohne diese Schuldgefühle. Er hatte es schon fast vergessen können. Aber dann war dieses merkwürdige Mädchen aufgetaucht und hatte alles wieder verändert. Auch wenn sie erst kurz hier war, hatte Sesshomaru sich in dieser kurzen Zeit wieder mal richtig bewusst schuldig gefühlt. Vielleicht war es deshalb auch der Grund, dass er sie so schnell, wie möglich, wieder in ihrer Welt wissen wollte, überlegte er sich. Vielleicht wollte er einfach nur sich selbst helfen. Er wollte die Sache einfach nur wieder vergessen. Er wollte sich nicht wieder wochenlang Vorwürfe machen. Doch er wusste, dass dies sowieso schon geschehen würde. Dieses Mädchen hatte ihm wieder seine Augen geöffnet. Durch ihre ganzen Erzählungen von ihrer Welt, von den Erzählungen von Inuyasha. Es hatte ihn geschmerzt von Inuyasha zu hören. Auch wenn es nicht sein Bruder war, von dem sie berichtet hatte. Er hatte gemerkt, wie viel Inuyasha Kagome bedeutete und es erinnerte ihn daran, wie wichtig ihm sein Bruder war. Leider hatte er auch zugleich an diesen Tag denken müssen. Und es war schwierig gewesen. Er hatte es verdrängt. All die lange Zeit, auch wenn er es nie wirklich vergessen hatte. Dieses Versprechen, was er seinem Vater gegeben hatte. Er hatte es ihm versprochen und doch nicht gehalten. Er hatte seinen Bruder nicht beschützen können. Er hatte es einfach nicht geschafft. Und dabei hatte sich sein Vater so auf ihn verlassen. Er hatte ihn und seinen Bruder enttäuscht und er könnte es nie wieder gut machen. Er konnte die Vergangenheit nicht ändern. So mächtig er auch war, das vermochte er nicht. „Wo willst du hin?“, holte ihn Kagomes Stimme aus seinen Gedanken. Er war instinktiv dem Weg gefolgt und gerade nach rechts abgebogen. „Zum Brunnen geht es doch geradeaus.“ Sesshomaru hob den Kopf und blickte sich um. Er wusste zwar, dass auf seinen Instinkt eigentlich verlass war, doch er konnte sich nicht ganz sicher sein, denn er war in Gekanken versunken gewesen. Als er sich vergewissert hatte, wo sie waren, meinte er zu Kagome: „Das ist schon der richtige Weg. Du kannst mir vertrauen.“ Er schaute in die Richtung, in die Kagome zeigte. Ob sie ihm wirklich vertrauen konnte? Inuyasha hatte es auch getan. Er hatte sich auf seinen Bruder verlassen und doch hatte er nichts für ihn tun können. Für einen kurzen Moment blieb er so stehen und verlor sich wieder in seinen Gedanken. Kagome betrachtete ihn skeptisch. Er stand fast schon wie eingefroren da. Ganz stocksteif und den Blick nach vorn gerichtet. Doch sie sah etwas in seinen Augen und sie verstand. „Ich verstehe.“, kam es von Kagome. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)