Trapped in my chains von abgemeldet ================================================================================ Prolog: Prolog -------------- Der Herr hatte sein Urteil über die beiden Sünder gefällt. Ihr Verbrechen verlangte den Tod. Noch nie hatte es einer von ihnen gewagt offen über die Beziehung zu einem Engel zu sprechen. Sie nicht zu verleugnen. Sicher, es hatte immer gelegentliche Beziehungen gegeben, aber noch nie hatte es ein Dämon oder ein Engel gewagt, es offen zuzugeben, geschweige denn geheiratet zu haben. Aber der Gipfel von alledem war der Bastard den sie in die Welt gesetzt hatten. Der Herr der Dunkelheit, hatte keine Wahl, selbst wenn es sein eigener Bruder war, den es zu Bestrafen galt. Die Engel hatten es zuerst geduldet, um den schein der Güte zu wahren, doch als sie das Kind gesehen hatten, wollten sie es bei lebendigen Leibe Verbrennen. Ein Opfer um die Sünde des Halbblutes wieder aufzuheben. Selbst die Dämonen hielten das für grausam. Die Eltern waren mit dem Kind geflohen, bevor es zu spät war. Der Teufel hatte sein Urteil gefällt. Das Recht verlangte den Tod der Eltern. Das Kind konnte nichts für das vergehen der Eltern, aber es musste ewig mit seiner Schande leben. „Ich habe entschieden. Noch heute Abend werdet ihr Hingerichtet werden.“ Die Mutter hatte ihr vierjähriges Kind eng an sich gepresst, der Vater kniete neben ihr, in Ketten gelegt. „Wa.. was geschieht mit unserem Kind?“ Die Mutter konnte das Zittern der Angst nicht aus ihrer Stimme verbannen. „Keine Angst, es wird leben.“ Die Mutter seufzte erleichtert auf. Der Vater sah seinen Bruder dankend an. Er hatte gewusst, dass er ihr Kind leben lassen würde. „Aber nur um zu sehen, wie seine Eltern für ihre Sünde bezahlen. Es wird sehen wie ihre Eltern sterben und eure Schande hier im Palast abarbeiten.“ Der Vater wusste, sie würde hier sicher sein. Ihr Onkel, der Herr würde nicht zulassen, dass der Tochter seines Bruders etwas zustieß, und selbst nur um sie für die Verbrechen seines Vaters leiden zu lassen. Die Mutter hatte schon so etwas erwartet. Es war grausam, einem Kind an dem Tod ihrer Eltern die Schuld zu geben. Es würde sich sein Leben lang vorwürfe machen. Aber es würde leben. Am Abend wurden sie hingerichtet. Sie hatten nicht geschrieen. Nur ihr Kind angelächelt. In unzähligen Nächten drauf war ihre Tochter schweißüberströmt aufgewacht und hatte still geweint. Kapitel 1: Kapitel 1 -------------------- „Hey, elendes Halbblut, wisch die Sauerei hier auf.“ Noy war es gewohnt so genannt zu werden, Bastard oder Halbblut waren noch die nettesten ihrer Rufnamen. Sie erwiderte nichts darauf. Das Reden hatte sie schon vor langem aufgegeben, denn Stumme konnten keine falschen Antworten geben. Schweigend machte sie sich daran den Unrat wegzuwischen. Am Abend sank sie müde auf ihr Lager. Es war etwas abseits der anderen Minderen, die auch als Palastdiener ihre Strafe abarbeiteten. Sie hatte mit den meisten noch nie gesprochen, denn obwohl sie erst elf war, wusste sie sehr wohl was Verbrecher waren. Wie jeden Abend zögerte sie das einschlafen soweit wie möglich hinaus, sie wollte nicht schon wieder denselben Traum erleben. Kurz nach Mitternacht fielen ihr allerdings doch die Augen zu. Die Arbeit war anstrengend, vor allem für ein Kind. Nachdem sie eingeschlafen war begann der Alptraum von neuem. Sie war wieder vier, in den Verließen unter dem Schloss. Ihr stieg wieder der Geruch nach verbranntem und verfaultem Fleisch in die Nase. Immer wenn sie Küchendienst hatte und am Eingang zu den Verließen vorbei musste, um in den kleinen Hinterhof mit dem Hühnerstall zu gelangen, wurde sie wieder an jene schreckliche Nacht erinnert. Sie sah es vor sich als geschähe es gerade neben ihr. Ihr Vater lag Blutüberströmt zu ihren Füßen, ihre Mutter hauchte ihren letzten Atemzug aus. Sie wollte ihnen helfen, wollte dass sie wieder aufstanden und mit ihr diesen schrecklichen Ort verließen. Doch so sehr sie auch an ihnen gezerrt, sie angefleht hatte, sie waren nicht aufgestanden, sie waren nie wieder aufgestanden. Noy hatte die ganze Nacht neben ihnen gekauert und geweint, bis sie am Morgen keine Tränen mehr hatte. Schweißgebadet wachte sie auf und starrte still in die sie umgebende Dunkelheit. Die angst stieg wieder in ihr auf und mit ihr das Zittern. Noy hatte schon lange aufgehört zu weinen, denn irgendwann waren ihre Tränen versiegt. So sehr sie sich auch wünschte, dass die Tränen die Flammen ihrer Wut im Inneren abkühlten, sie konnte nicht mehr weinen. Die Tränen waren aufgebraucht. Sie hatte für mehr als ein Leben geweint. Schon vor Jahren hatte sie die Entscheidung getroffen hier wegzugehen. Wohin, das wusste sie nicht. Nur weg von hier. Sie hatte all die Jahre nur auf den Richtigen Augenblick gewartet, und der würde bald kommen. In einer Woche würden die Festspiele die nur alle zehn Jahre zu ehren des Herrn der Finsternis, des Teufels, stattfinden. Dann würde sie verschwinden. Still und heimlich. Sie hatte vor einem Jahr einen geheimen Tunnel entdeckt, der in einen Wald außerhalb des Palastes führte. Zur Zeit der Spiele würde man ihr verschwinden nicht bemerken, denn da hatte jeder genug mit sich selbst zu tun. Bald schon, bald. Sie zitterte wieder. Diesmal vor Aufregung. Am ersten Tag der Spiele kamen alle Teilnehmer und Zuseher an und sie hatte eine Menge mit der Einquartierung zu tun. Die Gäste mussten alle Versorgt und verhätschelt werden, denn es kam ihnen ja gar nicht in den sinn, das sei Arme hatten und ihre Kleider selbst vom Boden aufheben könnten. Nach Beendigung ihrer Arbeiten, und die waren heute recht zahlreich gewesen, ging sie gemeinsam mit den anderen zum Lager und legte sich zum Schlafen hin, doch an Schlaf war nicht zu denken. Ja, morgen würden sie ohne sie Aufwachen, denn eines hatte sie sich geschworen, entweder ihr gelang die Flucht oder sie würde heute Nacht sterben. Lautlos schlich sie davon. Geschickte Finger, die jedes Schloss knacken konnten, ermöglichten ihr auch das Öffnen von verschlossenen Türen. Ihre Fähigkeiten hatten sie schon oft vor Schlägen bewahrt, nicht immer, aber eben fast immer. So hatte sie auch den Tunnel entdeckt. Der Eingang war in einem verschlossenen Schrank, die an der Rückseite eine Schiebetür mit einem komplizierten Öffnungsmechanismus hatte. Noy musste sich dort vor einer Wache verstecken, der ins Zimmer gekommen war, da sie ein Geräusch gehört hatte. Gott sei Dank war in dem Zimmer das Fenster geöffnet, sodass er den Wind für das Geräusch verantwortlich gemacht hatte. Noch in der gleichen Nacht hatte sie nachgesehen was sich am anderen Ende des Tunnels befand. Nach und nach hatte sie ihre Flucht geplant, bis schließlich jedes Hindernis aus dem Weg geräumt war. Sie hatte sogar Geld gestohlen und im Tunnel versteckt. Immer wenn es ihr möglich gewesen war, hatte sie ein bisschen genommen, aber am Ende hatte sie eine ganz schöne Summe zusammen. Ebenso lagen dort eine dicke Jacke, ein Hemd und eine Hose, ein bisschen getrocknetes Fleisch, ein hartes Brot, das sie aber mit ein bisschen Wasser gut essen konnte, und eine noch leere Wasserflasche. Die Kleidungsstücke waren aus demselben Schrank und sahen ein bisschen heruntergekommen aus, doch das war ihr nur recht, denn einem armen Schlucker konnte man nichts stehlen. Außerdem hatte sie eine Umhängetasche im Zimmer eines anderen Dämons geklaut. Sie hatte sogar eine Lichtquelle, einen Leuchtkristall an einer Kette den man auf Befehl zum leuchten bringen konnte. Sie hatte ihn in der Umhängetasche gefunden und war ziemlich überrascht gewesen, dass ihr das Schicksal dieses Geschenk gemacht hatte. Verpackt in einen schwarzen Umhang hatte sie die Sachen in einen Spalt zwischen zwei Felsspalten versteckt. Nachdem alle Lichter aus waren und die Wachen ihren Rundgang gemacht hatten machte sie sich auf den Weg. Sie musste nicht lange überlegen wo sie hinging, sie kannte den Weg genau. Noy war in hundertmal in Gedanken gegangen. Immer und immer wieder hatte sie sich vorgestellt wie ihre Flucht verlaufen würde. Manchmal war sie ihr gelungen, manchmal auch nicht. Sie hatte Glück, sie begegnete nur einer Wache, und die bemerkte sie nicht, da sie sich hinter einer Rüstung versteckte. Erleichtert seufzte sie auf, als sie den Raum mit dem Tunnel erreichte. Ein Geräusch ließ sie herum fahren. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass jemand in diesem Raum sein würde. Ihr kam in den Sinn, dass sie ihre Reise vielleicht doch nicht so gut geplant haben könnte. Ihr Glück verließ sie allerdings nicht, denn der Bewohner schlief gerade seinen Rausch aus und hatte ihr unerlaubtes eintreten nicht bemerkt. Es hatte eine Feier gegeben, um die Teilnehmer zu empfangen. Lautlos schloss sie die Tür des Schranks hinter sich und wieder überkam sie eine Woge der Vorfreude. Sie öffnete den Mechanismus, schob die Tür aber nur ein bisschen auf, da sie keinen überflüssigen Lärm machen wollte. Noy achtete darauf den Mechanismus wieder zu schließen, sodass man nichts bemerken konnte. Dann ging sie ein Stück in der Finsternis. Beinahe wäre sie an ihren Sachen vorbeigelaufen, doch Gott sei Dank stolperte sie über ein herausragendes Stück Stoff. Sie zog sich die Kleidung und den Mantel an. Er war ihr ein bisschen zu groß, aber nicht viel, man sah es nur bei genauerem Hinsehen. Dann legte sie sich den Umhang um ihre Schultern. Ihre alten Sachen stopfte sie in die Taschen. Als sie sich vorher bei der Rüstung versteckt hatte war ihr aufgefallen, dass diese ein kleines Messer hatte. Sie hatte es samt Schneide mitgenommen. Sie entfachte den Leuchtkristall mit einem leichten Reiben und setzte ihren Weg in die Freiheit fort. Als sie den Tunnel verlassen hatte, brachte sie das Licht des Kristalls mit einem weiteren leichten Reiben wieder zum erlöschen. Gleich neben dem Ausgang des Tunnels war ein kleiner Bach, an dem sie ihre Wasserflasche auffüllte. Dann verstaute sie sie in ihrer Tasche. Sie band sich die Schulterlangen Haare mit einem Strang zusammen und schnitt sie mit dem Messer ab. „Sie werden nach einem Mädchen suchen, einem kleinen, schwachen Mädchen, nicht nach einem Jungen. Einem der sich noch dazu zu verteidigen weiß.“ Es war lange her seit sie das letzte Mal gesprochen hatte, doch sie musste wieder damit anfangen um sich in der Welt außerhalb des Palastes zurechtzufinden. Tatsächlich sah sie in ihrer Verkleidung und mit dem kurzen Haar aus wie ein Junge, ihre knabenhafte Figur kam ihr aber auch sehr zu Hilfe. Noy blickte noch einmal zurück, zurück auf ihr bisheriges Leben. Und plötzlich sah man ihr Dämonenerbe in ihren Augen aufblitzen. Sie lächelte und zeigte dabei ihre spitzen Eckzähne. Man könnte meinen ein kleiner Engel stünde vor einem, wären da nicht die schlitzförmigen Pupillen in ihren blauen, fast peinigend hellen, Augen. Augen die zu tief blickten, die schon zuviel gesehen hatten. Augen die einen durchschauten, egal wie sehr man die Wahrheit auch zu verstecken versuchte. Dann begann sie zu laufen. Sie lief bis zum Morgengrauen und legte sich erst schlafen als sie die Türme des Palastes nicht mehr sehen konnte. Erst dann brach sie erschöpft zusammen. Sie verkroch sich in einem Busch, ihr erschien die Gefahr entdeckt zu werden zu groß, auch wenn sie nicht glaubte, dass man nach ihr suchen würde. Warum sollte sie ein unnötiges Risiko eingehen, in ihrem Versteck konnte sie sehen ohne selbst gesehen zu werden. Noy brach auf, als es zu Dämmern begann, doch diesmal rannte sie nicht mehr. Sie fühlte sich sicher. Im Licht des Mondes sammelte sie Beeren und fand sogar ein paar Nüsse. Sie wollte sich Vorräte anlegen da sie nicht riskieren konnte in ein Dorf zu gehen, um dort etwas zu kaufen. Noy war oft zum einkaufen in die Stadt mitgegangen um die Sachen zu tragen. Sie fand sogar ein paar Pilze die sie schon einmal auf dem Markt gesehen hatte, entschied aber sie nicht mitzunehmen, da sie nicht sicher war ob sie zum Essen geeignet waren oder doch bei den Kräuterhändlern mit dem Schild ‚Nur in geringen Mengen einnehmen’ gekennzeichnet gewesen waren. Bei Tagesanbruch suchte sie sich wieder einen Busch, der im Schatten der Straße lag. Sie aß was sie unterwegs gesammelt hatte, rollte sich zu einem kleinen Ball zusammen und schlief ein. Ihr Verschwinden blieb nicht lange unbemerkt. Schon am dritten Tag viel den Leuten auf, dass sie das kleine Mädchen schon länger nicht mehr gesehen hatten. Der Herr des Palastes wütete als er die Nachricht erfuhr, er konnte nicht glauben, dass ihr die Flucht gelungen war. Er wollte nach ihr suchen lassen, doch er wusste nicht wohin er seine Leute schicken sollte. Sie konnte überall sein. Er beschloss zu warten, denn früher oder später würde seine Nichte wieder zu ihm zurückkommen. So oder so, irgendjemand würde für den Verrat seines Bruders und jetzt auch den seiner Nichte Buße tun. Wenn schon nicht sie selbst, dann die Leute die sie entkommen ließen. Am nächsten Tag hingen die Köpfe der Wachen am Stadttor. Noy stellte erleichtert fest, dass sich die Landschaft allmählich zu verändern schien. Die ausgedehnten Wälder wichen trockenen Graslandschaften. Sei genoss es sich ins hohe Gras zu legen, die Schuhe auszuziehen und die Füße ins vom Tau noch feuchte Gras zu stecken. Hier gab es zwar weniger Versteckmöglichkeiten als in den Wäldern, doch sie fand immer eine kleine Gruppe von Bäumen, in denen sie sich verstecken konnte. Sie hatte damit aufgehört in Büschen zu schlafen und schlief jetzt immer auf Bäumen, seit sie sie im Wald ein unheimliches Heulen gehört hatte, das bei ihr sogar noch nach Tagen eine Gänsehaut verursachte. Außerdem reiste sie jetzt auch bei Tag. Sie war einer Gruppe Söldnern über den Weg gelaufen, konnte sich aber rechtzeitig im Unterholz verstecken, und so unbemerkt bleiben. Nach zwei Wochen wagte sie endlich eine kleine Stadt zu betreten. Ihre Ankunft verlief Reibungslos. Die Stadt war zu dieser Zeit an Reisende gewöhnt. In einem kleinen Laden kaufte Noy eine Karte, die das ganze Königreich des dunklen Fürsten und sogar ein kleines Stück des Niemandslandes, so wurde jener Bereich zwischen dem Königreich der Engel und dem der Dämonen bezeichnet, zeigte. Außerdem erstand sie auch ein bisschen Trockenfleisch. Noy kaufte auch noch ein paar gebrauchte Schuhe, denn ihre waren nach dem langen Marsch kurz davor aus allen Nähten zu platzten. Sie studierte die Karte genau und beschloss Richtung Niemandsland zu reisen. Sie hoffte, die Verwandten ihrer Mutter würden sie vielleicht aufnehmen. Kapitel 2: Kapitel 2 -------------------- Nach drei weiteren Wochen erreichte sie die Grenze zum Niemandsland. Ihre Reise war bisher ohne größere Probleme verlaufen. Natürlich, sie wäre beinahe einmal ausgeraubt worden, auch hätte man sie beinahe überfahren, als ein Heuwagen durch das hohe Gras gefahren war und einmal war sie vor einem Bären um ihr Leben gelaufen, aber nichts was sie hätte beunruhigen müssen. Hier schien ihre Reise allerdings ein Ende zu haben. Die zwei Reiche lagen nicht direkt nebeneinander, zwischen ihnen lag eine weite Landschaft, die nur aus Geröll, Steinen, Sand und ein paar Dornbüschen zu bestehen schien. Um zu verhindern, dass wieder Unruhen ausbrachen hielt man die Grenzen geschlossen. Nur Händler mit Genehmigung durften sie überqueren. Noy war schon kurz davor wieder umzukehren und sich ein anderes Reiseziel zu suchen, aber noch in derselben Nacht bekam sie ihre Chance. Einer der zwei Wachen hatte wohl etwas zu feiern, denn er holte eine Flache Branntwein aus seinem Zimmer und der andere war abgelenkt, da er gerade in die Karten seines Kameraden linste. Diese Gelegenheit nutzte Noy um sich an die Mauer zu schleichen. Sie war ziemlich hoch und hatte glatte Wände die ein hinaufklettern völlig unmöglich machten. Auf der Oberseite der Wand waren spitzte Stacheln angebracht. Diese waren ihre Rettung. Sie nahm das Seil das an ihrer Wasserfalsche befestigt war ab, und machte eine kleine Schlinge an ihr Ende. Sie warf es hoch und hoffte, dass es nicht zu kurz war. Beim ersten Versuch warf sie daneben und das Seil wäre beinahe auf die andere Seite gerutscht. Mit einem unguten Gefühl im Magen versuchte sie es erneut. Doch ihre Hektik machte auch diesen Versuch zu Nichte. Das Auftauchen der Wache machte ihr klar, dass sie nicht länger hier bleiben konnte. Sie nahm allen Mut zusammen und warf das Seil ein drittes Mal. Es verfing sich in den Spitzen. Sie zog einmal kräftig daran und stellte erleichtert fest, dass es hielt. So schnell wie es ihr ihr müder Körper erlaubte zog sie sich die Mauer hoch. Oben angelangt musste sie um Halt kämpfen, denn die Stachelnd waren dicht nebeneinander und ließen den Füßen nur wenig Spielraum. Sie ließ das Seil auf der anderen Seite der Mauer wieder runter und machte das Seil wieder los als sie am Boden angekommen war. Und dann rannte sie. Sie rannte bis das Licht des Grenzpostens nicht mehr zu sehen war und verkroch sich hinter einem großen Stein der ihr Schutz vor dem Wind brachte. Erschöpft viel sie in einen tiefen, traumlosen Schlaf. Am nächsten Morgen erwachte Noy mit knurrendem Magen. Sie war noch nie besonders wohlgenährt gewesen, doch die Reise hatte ihrem Körper alles abverlangt. Sie war erschöpft und am Ende ihrer Kräfte. Eine Reise durch diese Steinwüste würde sie in so einem Zustand nicht überleben und das wusste sie. Eigentlich war sie selbst überrascht, dass sie es so weit geschaffte hatte. Schon nach zwei Tagen waren ihre Vorräte beinahe aufgebraucht. Sie hatte keine Ahnung woher sie Wasser bekommen sollte, geschweige denn etwas zu essen. Am Ende des dritten Tages war ihre Wasserflasche leer und ihr letztes Dörrfleisch aufgegessen. Am vierten Tag schleppte sie sich mit letzter Kraft eine steile Klippe hinauf. Sie hatte gestern Nacht Licht gesehen, hier oben auf der Klippe, doch ihre übermüdeten Augen hatten ihr wohl einen Streich gespielt. Hier war nichts. Rein gar nichts. Sie brach auf einem kleinen Felsvorsprung zusammen und wäre dort vermutlich auch gestorben, wenn ein alter Mann nicht seinen Abendlichen Spaziergang mit seinem Hund gemacht hätte. Dieser staunte nicht schlecht, als ihn sein treuer Gefährte zu einem halb verhungerten Mädchen führte. Das erste was sich den Weg durch ihre benebelten Sinne bahnte, war die gütige Stimme eines alten Mannes, der ihr ein bitteres Gebräu an die Lippen hielt. Mit letzter Kraft drehte Noy ihren Kopf weg. „Du willst wohl unbedingt sterben! Also ich weiß ja nicht wie du darüber denkst, aber ich finde, dazu bist du entschieden zu jung.“ Widerwillig schluckte sie. Als sie die Augen öffnet fiel ihr Blick auf ein paar sanfte, braune Augen. Das dazugehörige Gesicht war in tiefe Furchen gelegt und von der Sonne gebräunt. Durch das schlohweiße Haar wirkte es noch dunkler, der dichte weiße Bart verstärkte diesen Eindruck. „Nun, was sucht ein kleines Mädchen wie du alleine in der Wildnis?“ Sie machte keine Anstalten auf seine Frage zu antworten, sondern sah ihn nur misstrauisch an. Schwerfällig erhob sich der alte Mann und lächelt. „Du kannst bei mir bleiben, bis du wieder gesund bist, und ich glaube in dieser Zeit gibt es viele interessante Dinge für dich zu lernen.“ Er kraulte einem zotteligen Hund zu seinen Füßen den Kopf. Sie blieb, wo hätte sie auch anders hingehen sollen. Mit der Zeit begann sie dem Eremiten zu vertrauen, wenn auch nur widerwillig. Aus den Tagen und Wochen wurden Jahre und der Alte fand gefallen dran, das wissbegierige Mädchen zu unterrichten. Er lehrte sie den Umgang mit Tieren, das Überleben in der Wildnis, die Jagd, Lesen und Schreiben und die verschiedenen Sprachen die er kannte. Doch auch auf den Kampf bereitete er sie vor. Bald waren Noy Axt und Schwert, Pfeil und Bogen vertraut. Es war eine glückliche Zeit. Fünf Jahre lebte Noy bei dem Eremiten, dann begrub sie ihren einzigen Freund unter dem großen Stein vor dem Eingang ihrer Höhle. Tagelang saß sie neben dem Grab und trauerte um ihn. Sie schlief sogar hier draußen. Auch der Hund rührte sich nicht vom Grab weg. Nach einer Woche verschwand er zwischen den Felsen und kam nicht wieder. Mit schwerem Herzen packte Noy ihr Bündel und zog weiter ins Königreich der Engel. Das Niemandsland erstreckte sich überhunderte von Kilometer. Der Alte hatte ihr einmal erklärt, dass man nur dem tiefen Graben folgen musste um von einem Königreich ins andere zu kommen. Er hatte ihr nie erzählt warum er hier war, nicht einmal seinen richtigen Namen hatte sie gekannt. Jetzt bereute sie ihn nie richtig gefragt zu haben, denn sie hatte nicht gewusst, was sie auf seinen Grabstein schreiben sollte. Die Reise erwies sich als weniger Anstrengend als sie gedacht hatte. Der Weg war großteils eben, aber es gab auch ein paar sehr steile Stellen. Sie hätte sie auch umrunden können, wollte sich aber immer in der Nähe des Grabens aufhalten, um sich nicht zu verlaufen. Am Abend suchte sie sich ein sicheres Versteckt an einer Klippe, wo sie vor den Wildhunden sicher war, und verspeiste die kleineren Tiere die sie am Tag erbeutet hatte. Eidechsen, Schlangen, gelegentlich sogar einen Vogel. Nach weniger als zwei Wochen konnte sie bereits die Grenze sehen. Diesmal musste sie sich nicht mit einem Seil darüber zeihen. Nein, in den fünf Jahren hatte sie eine Menge dazugelernt. Sie erinnerte sich noch genau an den Tag an dem sie zum ersten Mal ihre Kräfte benutzt hatte. Noy hatte gar nichts von ihnen gewusst. Sie hatte einen Topf mit Essen fallen gelassen und auf einmal war er in der Luft geschwebt. Der Alte hatte es Levitation genannt. Nach ein paar Versuchen war sie in der Lage gewesen Dinge auf Befehl durchs Zimmer schweben lassen und hatte es schließlich mit sich selbst versucht. Beim ersten Mal hätte sie sich dabei fast das Genick gebrochen, beim zweiten Mal war es ihr ohne größere Verletzungen gelungen. Doch damit hatte es nicht aufgehört, nach und nach waren noch andere Begabungen zum Vorschein gekommen. Auch äußerlich hatte sie sich verändert. Noy war kein kleines Mädchen mehr, ihre schwarzen Haare waren wieder nachgewachsen und sogar noch länger geworden. Sie hatte gut ausgebildete Muskeln, war schlank und hatte nach der Ungelenkigkeit der Mädchenzeit nicht die Grazie einer Frau, sondern die einer lauernden Katze erworben. Rein äußerlich hatte sie viel vom Aussehen ihrer Mutter geerbt, wären da nicht ihre Augen gewesen, die ihr Dämonenblut verrieten. Sie wartete also auf die Nacht und levitierte sich einfach über die Mauer. Kapitel 3: Kapitel 3 -------------------- Schon nach kurzer Zeit konnte sie in der Ferne die Lichter der Dörfer sehen. Sie war schon lange nicht mehr unter so vielen Leuten gewesen und hatte deswegen ein flaues Gefühl in der Magengegend. Im ersten Dorf fragte sie einen kleinen Jungen wo denn die Hauptstadt sei. Er wusste es nicht brachte sie aber zu einem Händler der noch am nächsten Morgen dorthin fuhr. Er bot ihr an sie für einen geringen Preis mitzunehmen, doch sie erwiderte, dass sie nichts hätte um ihn zu bezahlen. Noy beschloss aber insgeheim ihm einfach zu folgen. Der Händler brach schon in aller frühe auf. Sie folgte ihm, aber so, dass er sie nicht sehen konnte. Schon nach kurzem veränderte sich die Landschaft und sie reisten durch einen dichten Wald. Sie fühlte sich stark an ihre Flucht aus dem Palast erinnert und konnte das beunruhigende Gefühl nicht unterdrücken, dass in ihr aufstieg. Sie war vor der Familie ihres Vaters geflohen, um jetzt ihr Glück bei der ihrer Mutter zu suchen. Irgendwie wusste sie selbst, dass das kein gutes Ende nehmen würde. Sie wusste der Vater ihrer Mutter war Senator und hatte ihn als Kind einmal kennen gelernt. Sie wusste allerdings nicht mehr warum sie fort gegangen waren, es waren nur mehr wage Schemen, da es schon so lange her war. Nach drei Tagen konnte sie schon die Türme der Stadt in der Ferne erkennen. Sie machte sich nicht mehr die Mühe sich vor dem Händler zu verstecken und überholte ihn einfach. Am nächsten Tag erreichte sie die Tore der weißen Stadt. Noch nie im Leben hatte sie einen Ort gesehen, der so sauber und rein war. Es gab keine Bettler auf den Straßen und kein Abfall lag in den Seitengassen. Die Menschen waren gut gekleidet und sie kam sich in ihren einfachen Kleidern fehl am Platz vor. Jetzt war sie sich sicher, die Eltern ihrer Mutter würden sie mit offenen Armen begrüßen. Noy hatte nur für diesen Augenblick gelebt, hatte gehofft endlich eine Familie zu finden. Verborgen hinter ihrem Umhang und ihrer Kapuze betrat sie die Stadt. Sie wollte die Bewohner nicht unnötig verängstigen. Noy fragte einen alten blinden Mann nach dem Haus des Senators, er konnte nicht sehen, dass sie kein normaler Engel war. Er hörte nur ihre Stimme, und die war definitiv die eines Engels. Dämonen und Menschen hatten nicht so silberhell klingende Stimmen. Nach langem Suchen fand sie das Haus dann schließlich. Es lag am Ende einer langen Allee und war das größte Gebäude in der näheren Umgebung. Einige Minuten stand sie unschlüssig vor der Tür. Noy wusste nicht ob sie klopfen sollte. Plötzlich überkam sie eine namenlose Angst, eine Angst ob sie sie wirklich akzeptieren würden. Bevor sie es sich aber anders überlegen konnte öffnete sich die Tür von selbst. Eine alte Frau, der Kleidung nach zu schließen die Haushälterin, wollte sich wohl gerade auf den Weg zum Markt machen. Sie hatte Gerüchte über die Güte der Engel gehört und bezweifelte in keiner Hinsicht, dass diese Falsch waren, als sie in das freundliche Gesicht der Frau sah. Sie war wieder ein Kind, das mit einer solchen Überzeugung und Naivität an ihr Vorhaben glaubte, dass es schon beinahe an Besessenheit grenzte. Die Frau sah sie verwundert an, runzelte aber dann ärgerlich die Stirn. „Wir haben nichts zu essen für dich, versuch dein Glück ein paar Häuser weiter.“ Sie wollte die Tür schon wieder schließen und weiter gehen, aber Noy hielt sie auf. „Ich... ich bin nicht hier weil ich bettle.“ Und dann nahm sie ihre Kapuze ab. Die Frau stieß einen erschreckten Schrei aus, ihr Gesicht schien nun nicht mehr so freundlich, und Noy fühlte sich plötzlich unbehaglich. Die Frau rannte ins Haus zurück und schrie irgendwas. Noy war nicht sicher, aber sie hoffte, dass es ein Ausruf der Freude war. Ihre Zuversicht begann zu schwinden. Kurz darauf erschien ein verärgertes Männergesicht in der Tür. Der Mann erblasste als er sie sah. „Lucia, geh und hol die Stadtwache. Hier gibt es etwas was sie holen sollten.“ Noy wollte jetzt nur mehr weglaufen, doch der Mann hielt sie am Arm fest. Sie hätte sich befreien können, aber eigentlich wollte sie das gar nicht. Sie wollte nur mehr sterben. Sie saß jetzt schon Stunden in diesem Kerker fest. Er war schmutzig und nichts mehr erinnerte an den Glanz der Stadt. Sie war die einzige Gefangene aber das war ihr egal. Sie wollte niemanden sehen, mit niemanden sprechen. Zuerst hatte sie geglaubt es liege eine Verwechslung vor. Doch der Mann, wie sich heraus stellte ihr Großvater, hatte sie nur ausgelacht. Sie war so bestürzt gewesen, das sie sich nicht einmal gewehrt hatte. In ihr existierte nur mehr Hass. Hass auf sich selbst und Hass auf alle anderen Lebewesen. Nichts mehr von der vorherigen Vorfreude war geblieben. Wie konnte es auch anders sein. Sie war ein schwarzer Fleck in der Familie. Die Familie ihres Vaters hatte sie nur verachtet, doch hier wollte man ihren Tod, dessen war sie sich nun sicher. Ihr schien es als wäre sie dazu verdammt ewig alleine zu sein, denn keine der beiden Seiten beanspruchte sie für sich. Sie war allen egal, man wollte sie höchstens loswerden. Am Ende des Tages, sie konnte durch das kleine Fenster am Ende des Ganges nach draußen sehen, kamen ihr Großvater und ein paar andere wichtig aussehende Personen. „Warum bist du hier?“ Sie sah das Misstrauen in ihren Augen, die Angst ihr schändliches Geheimnis könnte nach außen dringen und ihren guten Ruf beflecken. „Ich war auf der Suche nach einem Zuhause. Doch was ich fand war nur ein neues Gefängnis.“ sie hatte stark klingen wollen, doch ihre stimme schien ihr nicht mehr zu gehorchen und so war daraus nur eine Art Wimmern geworden. Ihr Großvater begann zu lachen. „Glaubst du wirklich, wir würden dir erlauben auf unseren sauberen Straßen zu wandeln. Was glaubst du warum unsere Stadt so sauber ist? Bei Abfall wie dir verhandeln wir nicht lange. Nicht viele wären so dreist gewesen direkt zu meinem Haus zu kommen. Das verdient in unseren Augen nichts als Verachtung, wenn nicht sogar den Tod.“ Noy überkam eine solche Wut, dass sie sich nicht mehr unter Kontrolle hatte. Sie stand auf und ging auf die Gitterstäbe zu. Sie spürte, dass sie kein ernsthaftes Hindernis für sie darstellten. Sie spürte wie ihre Fingernägel das Metall durchtrennten als wäre es Butter. Wie in Trance sah sie sich selbst aus der Zelle treten und auf ihren Großvater zugehen.Eine Wache, die zwischen ihr und ihrem Großvater stand, schleuderte sie mit solcher Wucht an die Wand, dass sie Bewusstlos zu Boden fiel. Die Herablassung war aus den Augen ihres Großvaters verschwunden und hatte der Angst platz gemacht. Sie packte ihn am Hals und hob ihn in die Luft. Noy war beinahe gleich groß wie er. Und dann drückte sie zu. Er kämpfte um Luft, schlug auf ihre Hände ein, bewarf sie sogar mit einigen Zaubern. Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis das wilde Zucken seines Körpers aufgehört hatte. Am Ende hatten im all sein Ruhm, all seine Macht nichts geholfen. Noy’s Wut war allerdings noch immer nicht verebbt. Die Wut galt nicht alleine ihm, sondern allen die sie jemals geschlagen, herumkommandiert, verspottet oder geächtet hatten. Sie schlitzte ihm mit ihrer anderen Hand dein Brustkorb auf und riss ihm sein Herz heraus. Es schlug noch. Sie schleuderte es gegen eine Wand und fiel dann platschend auf den Boden. Mit drohendem Block warnte sie die anderen nicht näher zu kommen. Sie wichen einige Schritte zurück, nichts von ihrem Hochmut war geblieben. Sie waren jetzt nur mehr Sklaven ihrer eigenen Angst. Es war ihr egal, jetzt war alles egal. Sie hatte Rache genommen. Das Zerplatzen ihrer Hoffnungen war so viel schlimmer gewesen als all die Demütigung im schwarzen Palast. „Und wer lacht jetzt?“ fragte Noy und brach in schallendes Gelächter aus. Man brachte sie in eine andere Zelle, mit magisch verstärkten Gittern und kettete sie an die Wand. Noy bemerkte es gar nicht. Sie war viel zu sehr damit beschäftigt zu lachen, ein trauriges Lachen, das schließlich in ein Wimmern überging. 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