Days in Shibuya von abgemeldet ================================================================================ First Class Shibuya ------------------- Es gibt im Leben Dinge, die zusammen schweißen. Für uns gehörte damals wohl die Sache mit Hizuki dazu. Es machte mich irgendwie zu einem von ihnen, zwar nicht sofort, aber nach und nach. Wir waren zusammen in die Sache hineingeraten und zusammen auch herausgekommen. Später habe ich gedacht, dass wir es vielleicht ihm verdanken, dass alles so kam, wie es schließlich der Fall war. Sonst hätte ich vielleicht nie wieder auch nur ein Wort mit Kaoru gewechselt. Aber so kam es zu jenem Tag, der unser aller Leben verändern sollte. Seit dem Vorfall mit Hizuki waren etwa drei Tage vergangen. Ich hatte es in dieser Zeit vorgezogen, die Pausen mit den Leuten aus meiner Klasse zu verbringen, und obwohl die meisten ganz nett waren, knüpfte ich keine richtigen Freundschaften mit ihnen. Sie hatten nichts Interessantes an sich und es missfiel mir immer mehr, dass ich genauso war wie die anderen Schüler an der Schule. Genauso normal. Die Zeit, die ich schon mit Kaoru verbracht hatte, hatte mir irgendwie erst klar gemacht, dass es möglich war, sich von anderen hervorzuheben und genau das wollte ich tun. Ich kam an jenem Tag wie immer aus der Schule und überquerte den leeren Schulhof, als ich am anderen Ende Kaoru und seine Begleiter, deren Vornamen ich immer noch nicht wusste, sah. Er und der Rothaarige trugen Gitarrenkoffer bei sich. Als sie mich sahen, blieben sie stehen, winkten und ich ging zu ihnen. „Was habt ihr vor?“, fragte ich mit einem Blick auf die Instrumente. Sie hatten mir nie erzählt, dass sie Gitarre spielten. Andererseits hatte ich auch nicht gefragt. „Wir haben gleich Bandprobe“, erklärte Kaoru. „Das heißt, wenn man es so nennen kann…“ „Ihr habt eine Band?“, unterbrach ich ihn aufgeregt. Ich hatte Leute die in Bands spielten schon immer bewundert und auch gehofft, dass ich es auch irgendwann so weit bringen würde, aber nie wirklich daran geglaubt. Hätte ich mehr Selbstvertrauen gehabt, hätte ich mich vielleicht mal zu einem Vorspiel getraut. „Ja…“, sagte der Blonde ausweichend. „Aber im Moment mehr Schlecht als Recht, seit einer Woche ist unser Drummer krank und uns fehlt ein Bassist. – Was ist?“ Ich muss etwas komisch geschaut haben, als er das sagte. „Du siehst aus als wär dir was auf den Kopf gefallen“, stellte Kaoru fest. So fühlte ich mich auch. „Kann ich… also, ich meine, darf ich…“ Ich verhaspelte mich. Aber ich hatte das Gefühl, dass das hier meine Chance war. „Kann ich es mal versuchen? Ich spiel seit acht Jahren!“ Jetzt sah Kaoru aus, als sei ihm was auf den Kopf gefallen. „Du?“ Ich nickte. Er stellte seine Tasche neben sich ab. „Ich rede von Spielen“, sagte er langsam und betonte dabei jedes Wort einzeln. „Von Beherrschen. Nicht von ein bisschen sinnlosem Rumgezupfe. Solche Leute findet man leider wie Sand am Meer.“ Ich versuchte so ruhig wie möglich zu bleiben. „Davon red ich auch“, sagte ich und meine Stimme klang ziemlich kratzig. „Warum hast du nie was gesagt?“, fragte der Blonde. „Ihr habt nicht gefragt“, erwiderte ich. Kaoru grinste und legte mir eine Hand auf die Schulter. „Weißt du, ich glaube, wir sollten uns endlich mal etwas besser kennen lernen. Oder?“ Einstimmiges Nicken. „Hast du morgen schon was vor?“ Ich verneinte und Kaoru grinste zufrieden. „Was hältst du davon, wenn wir dir mal die Stadt zeigen? Nicht wie irgendein dahergelaufener Touristenführer, wir zeigen dir die Stadt so, wie man sie nur kennt, wenn man uns kennt. Das ist ne einmalige Chance, sozusagen ein Erste-Klasse-Ticket quer durch Shibuya.“ „Gerne!“, sagte ich sofort. „Gut“, Kaoru lachte und nahm seine Tasche wieder auf. „Dann sehen wir uns morgen.“ „Ciao!“, rief der Rothaarige über die Schulter, dann lief er hinter Kaoru und dem anderen her. Ich starrte hinterher und versuchte meine Gedanken zu ordnen. Eine Band. Und sie brauchten einen Bassist. Und sie wollten mich morgen treffen. Vielleicht war ich gut genug, dass sie mich aufnahmen… Und ich glaube, ich war damals schon ziemlich gut. Wie in Trance ging ich nach Hause und nahm dabei nichts mehr richtig wahr. Zu Hause schnappte ich mir den Bass und fing an zu spielen, bis meine Fingerkuppen sich ganz taub anfühlten. Ich konnte den nächsten Tag kaum abwarten. Während des Unterrichts hatte ich die ganze Zeit nur die Musik im Kopf. Ich malte mir aus, wie ich auf der Bühne stehen und spielen würde, wie das Publikum uns zujubelte und wir unsere erste CD erschien. Natürlich glaubte ich nicht daran, es war nur Wunschträumerei. Ich habe meine Erwartungen nie zu hoch gesetzt, damit ich keine Enttäuschungen erleben musste. Aber an diesem Tag fiel es mir besonders schwer, diesem Prinzip treu zu bleiben. Immer wieder redete ich mir ein, dass Kaoru mich heute nur ein bisschen besser kennen lernen wollte, als Mensch, einfach so. Trotzdem war ich nervös und ich denke, jeder andere an meiner Stelle wäre es auch gewesen. Als ich nach dem Unterricht aus dem Gebäude kam, erwarteten die drei mich bereits. „Hallo“, sagte ich und Kaoru grinste mich herausfordernd an. „Bereit?“, fragte er und ich nickte. Dabei fragte ich mich, wie bereit man wohl für eine Stadtführung sein musste. „Sag mal… Was trägst du so außer deiner Schuluniform?“, fragte der Blonde mich. „Äh… Ganz normale Sachen, aber ich hab jetzt nichts anderes dabei.“ „Dann kriegst du was von uns“, sagte Kaoru. „Weil… So kannst du leider nicht durch Tokyo laufen!“ Ich wusste zwar nicht, warum das so unmöglich war, aber ich war einverstanden und wir gingen los. Nachdem wir ein paar Schritte gegangen waren, drehte Kaoru sich plötzlich um und fasste sich an die Stirn. „Wo hab ich nur meine Manieren“, stöhnte er. „Wir wollen dir unsere Stadt zeigen und du kennst unsere Namen nicht.“ Er deutete auf den Rothaarigen. „Daisuke Andou“, sagte er. „Aber wir sagen meistens nur Die. Er ist unser zweiter Gitarrist, der Erste bin ich.“ „So ganz nebenbei ist er auch der Leader und die eingebildetste Person von ganz Asien “, grinste Die. Kaoru schlug ihm neckisch auf den Arm. „Hör nicht auf ihn, er redet nur Müll. So, und das…“, er deutete auf den Blonden, „ist Tooru Nishimura. Ihn nennen wir Kyo. Er behauptet unser Sänger zu sein, aber wenn das Singen ist, ist meine Gitarre eine Geige.“ Ich lachte. „Warum Kyo?“, fragte ich. Kyo zuckte mit den Schultern und grinste. „Warum nicht?“, sagte er und wandte sich dann an Kaoru. „Warum hast du mir nie gesagt, dass es eine Geige ist? Jetzt weiß ich endlich, warum es so bescheuert klingt.“ Kaoru grinste. „Er denkt er sei witzig“, raunte er mir zu und bekam darauf hin von Kyo einen Schlag auf den Hinterkopf. „Wenn ihr fertig seid, euch zu vermöbeln, können wir ja vielleicht mal los“, sagte Die. „Hast du auch einen Spitznamen?“, fragte ich Kaoru. „Kao, wenn du willst“, entgegnete er. Anscheinend machten sie sich nicht die Mühe zu warten, bis man sich besser kannte und sprachen sich von Anfang an mit Vornamen an. Ich war etwas verwundert darüber, aber es störte mich auch nicht weiter. Wir liefen wir die lange Hauptstraße entlang, an deren Ende die Schule lag. Ich hatte erwartet, dass wir ins Zentrum gehen würden, aber das taten wir nicht. Von der Hauptstraße bogen wir in eine kleinere Straße ein, die in einem ruhigen Wohngebiet mündete. Vor einem Haus blieben wir stehen und Kyo fischte einen Schlüssel aus seiner Tasche. „Keiner von uns behält seine Uniform länger an als nötig“, erklärte er während er aufschloss. „Und das solltest du dir auch angewöhnen.“ Drinnen war es dunkel und still. „Sind arbeiten“, kommentierte Kyo die Leere und führte uns die Treppe hoch. Ich schaute mich neugierig um, als wir in seinem Zimmer standen. Die Wände waren mit Postern diverser Bands tapeziert, überall lagen Klamotten, Schallplatten und anderer Kram herum, das Bett war ziemlich unordentlich und auf der Fensterbank trocknete eine Rose in einer leeren Sakeflasche vor sich hin. Die, Kaoru und Kyo schmissen ihre Schultaschen auf den Boden, einfach da wo Platz war und fingen an sich umzuziehen. Ich beobachtete sie verstohlen. Sie waren alle recht kräftig gebaut und sahen sehr viel stärker aus als ich. Wahrscheinlich waren sie es auch. Ich war nie besonders sportlich gewesen und gerade damals war ich ziemlich schmächtig. Ich kam mir dumm vor, wie ich nur da stand und ihnen zuguckte. Als sie fertig waren, schienen sie sich gleich viel wohler zu fühlen. Kaoru jetzt trug eine zerrissene Jeans und ein offenes, schwarzes Hemd, Die ein Bandshirt von X und eine ähnlich zugerichtete Hose und Kyo einen rotschwarz karierten Blazer voller Buttons und Aufnäher. Die nahm seine schwarze Jacke und reichte sie mir. „Zieh deine Jacke aus“, sagte er. „Und nimm die hier.“ Ich zögerte erst etwas, aber dann tat ich es. Zuerst dachte ich, dass ich mein Hemd falten müsste, aber dann stopfte ich es wie die anderen achtlos in meine Schultasche. Früher wäre mir so was nicht egal gewesen, aber heute schon. Ich zog die Jacke über. Die Ärmel waren viel zu lang und ich hatte das Gefühl, zweimal hinzupassen. „Wie angegossen“, kommentierte Die zufrieden im Hinausgehen. „Komm schon!“, Kaoru nahm meine Hand und zog mich hinter den anderen her. Ich ließ mich von Kaoru aus dem Haus ziehen und ging dann eine Weile neben ihm her, aber kurz darauf fand ich mich hinter ihm wieder. Gingen sie wirklich so viel schneller als ich? Oder war ich einfach nur unsicher? Mir fiel eine gewisse Distanz zwischen uns auf, die mich irgendwie ärgerte. Natürlich konnte ich nicht erwarten, innerhalb so kurzer Zeit gleich ihr neuer bester Kumpel zu werden, aber ich wäre gerne so unbeschwert wie sie gewesen. Sie alberten die ganze Zeit herum, stellten sich gegenseitig ein Bein oder lachten über Witze, die ich überhaupt nicht verstand. „Hey Leute“, sagte Kyo, als wir das Wohngebiet hinter uns gelassen hatten und wieder auf der Hauptstraße waren. „Würde mir ein Piercing stehen?“ „Kommt drauf an wo“, sagte Die lachend. Kyo stieß ihm mit dem Ellbogen in die Seite. „Bist ja nur neidisch, weil deiner so klein ist, dass ein Piercing niemals dran passen würde!“ „Na warte!“, schrie Die, schnappte sich Kyo und tat so, als wollte er ihn erwürgen. Kaoru lachte. „Wann willst du das machen lassen?“, fragte er. Kyo zuckte mit den Schultern und rieb sich den Hals. „In den Ferien“, meinte er. „Da sind meine Eltern nicht da und die würden mir das nie erlauben.“ Kaoru grinste. „Also ich bin dabei“, sagte er. „Aber die Ferien sind noch lange hin, bis dahin wirst du wohl so hässlich bleiben müssen, wie du bist.“ „Wäre ich so hässlich wie du, würde ich nur mit ner Plastiktüte auf dem Kopf rumlaufen!“, konterte Kyo lachend. Kaoru fasste sich an den Kopf, blieb stehen und schaute erschrocken in die Runde. „Oh scheiße, hab ich sie etwa vergessen?!“, rief er und hielt sich die Hände vors Gesicht. Ich hätte gerne auch was Lustiges gesagt, aber mir viel nichts ein und so hielt ich mich die ganze Zeit etwas im Hintergrund, wie das fünfte Rad am Wagen. Wir erreichten das Stadtzentrum, liefen ein Stück die Fußgängerzone hoch und bogen dann in eine schmale Seitenstraße ein. Hier waren nicht mehr so viele Menschen unterwegs, dafür gab es eine Menge Kneipen. Am Ende der Straße befand sich ein kleiner Laden in dessen Schaufenster hauptsächliche alte Zeitungen und Plakate mit Zigarettenwerbung standen. „Zu ihrer Linken: Die Goldgrube der Spirituosen und Tabakwaren“, kommentierte Die wie ein Reiseführer. „Hier fragen sie nicht nach dem Ausweis“, flüsterte Kaoru mir kichernd ins Ohr, ehe er mit Die den Laden betrat. Kyo und ich blieben draußen. „Was wollen sie denn?“, fragte ich naiv. Kyo lachte. „Das wirst du gleich sehen“, sagte er. „Hier kriegst du alles was du willst. Wenn du also irgendwas brauchst…“ Ich schüttelte den Kopf. Anscheinend hatten sie schon einiges an Erfahrung von Alkohol betraf, ich hingegen hatte noch nie was getrunken. Ich fühlte mich leicht unwohl. Nach etwa 5 Minuten kamen die Beiden wieder raus. Kaoru reichte Kyo, der als einziger eine Tasche dabei hatte, eine Packung Zigaretten und eine Flasche Sake. „Stecks ein“, sagte er und fuhr an mich gewandt fort: „Das war nur die erste Station!“ Ich hielt mich weiterhin etwas hinter den anderen und fragte mich, was wohl als Nächstes kommen würde. Ganz wohl fühlte ich mich immer noch nicht. Ich ahnte, dass ich mich an das Territorium, in dem ich mich momentan bewegte, erst noch gewöhnen musste. Als wir wieder in der Fußgängerzone waren, fragte Die mich, was ich für Musik hörte. „Meistens X“, sagte ich. „Gut so!“, sagte Die zufrieden. Irgendwie war ich erleichtert. „X ist unsere Lieblingsband. Hast du sie schon mal live gesehen?“ „Leider nicht“, sagte ich. Kyo grinste. „Wenn sie das nächste Mal nach Tokyo kommen, schleichen wir uns in den Backstagebereich“, sagte er und stieß Kaoru an. „Oder?“ „Klar.“ Er klang überzeugt. „Wir werden Yoshiki fesseln und knebeln und ihn zwingen, uns unter Vertrag zu nehmen!“ Ich prustete los. Die Vorstellung, dass Kaoru sich vor Yoshiki aufbaute und ihn zwang ihm einen Plattenvertrag zu verschaffen, war genial. Wir redeten noch ein bisschen weiter über Musik, dann blieb Kaoru plötzlich stehen. „Nächster Halt: Satorus Piercing- und Tattoostudio, Haarfarbe und Second-Hand-Paradies!“ Er legte Kyo einen Arm um die Schulter. „Hier wird Kyo sich in den Ferien löchern lassen.“ „Satoru ist’n Bekannter von uns“, erklärte Die. „Er hat uns die Tattoos verpasst.“ Ich drehte mich zu ihm. „Tattoos?“ „Klar“, grinste Die, dann zog er sein T-Shirt zur Seite, sodass ich seine Schulter sah. Ein schwarzes Zeichen prangte auf seiner Haut. „Wir haben uns alle unsere Namen stechen lassen“, erklärte er. Ich nickte, sagte aber weiter nichts dazu. Die zog sein T-Shirt wieder zurück und musterte mich. „Du kannst wählen: Was willst du?“ Ich verstand nicht. „Wie, was will ich?“ „Tattoo oder Piercing“, erklärte er. Ich wich erschrocken einen Schritt zurück. „Gar nichts!“ „Sicher? Du könntest es sogar gratis kriegen.“ „Ist schon gut“, mischte sich Kaoru ein. „Du musst nicht.“ Er wandte sich an Die. „Hab ich dich vielleicht gleich am Anfang gezwungen, dir das Teil da verpassen zu lassen?“, zischte er. Die nickte ernst. „Haach, Die ist ein Spinner“, sagte Kaoru ausweichend. Ich zuckte nur mit den Schultern. Ich hatte keine Lust mir Löcher in den Körper machen zu lassen oder mich in ein wandelndes Gemälde zu verwandeln, obwohl ich zugeben musste, dass so ein einzelnes Zeichen mir zum Beispiel am Handgelenk ganz gut gefallen würde. Aber jetzt, so spontan, auf keinen Fall. Wir ließen das Piercingstudio also links liegen und betraten den Second-Hand-Laden. Dann verbrachten wit die ganze nächste Stunde damit, in alten Klamotten und Schallplatten herumzuwühlen. Mir war nie bewusst geworden, was man hier finden konnte: Uralte Alben von lauter alten Bands, richtig coole Klamotten und lauter Krempel, den niemand wirklich brauchte, den aber trotzdem jeder kaufte, weil er glaubte, er könnte ihn vielleicht doch brauchen. Ich wäre nie auf die Idee gekommen, mir etwas in einem Second-Hand-Shop zu kaufen, aber es war, wie Kaoru sagte, wirklich ein Paradies. Das meiste sah kaum getragen aus und die Preise waren angenehm niedrig. Als wir den Laden verließen, erklärte Kyo, dass sie hier 90% ihrer Klamotten her hatten. Ich beschloss, dass es durchaus sinnvoll sein könnte, mir diesen Geheimtipp zu merken. „Wir haben nicht mehr viel Zeit“, sagte Kaoru. „Und das Beste haben wir noch vor uns. Hast du ein U-Bahn-Ticket?“ Ich bejahte und wir gingen weiter in Richtung Bahnhof. Ich fragte nicht, wo wir hin wollten, aber es würde schon nichts illegales sein. Hoffte ich jedenfalls. Ich muss sagen, dass ich wirklich sehr darauf bedacht war, mir keine Probleme einzuhandeln und hatte schon als wir die Sake gekauft hatten ein etwas schlechtes Gewissen gehabt. Andererseits fand ich es auch spannend. Wir fuhren fünf Stationen mit der U-Bahn, dann stiegen wir aus. „Tokyos Innenstadt“, sagte Kaoru, als sei es ein Heiligtum. „Mindestens einmal in seinem Leben sollte jeder hier gewesen sein. Diese Stadt ist eine Inspirationsquelle. Los!“ Er und Die rannten wieder voraus und die Rolltreppe hoch. „Komm, sonst verlieren wir sie“, sagte Kyo und wir rannten hinterher. Draußen waren schrecklich viele Menschen und wir kamen nur langsam voran. Wir liefen eine lange Straße hoch und bogen schließlich in eine schmale Seitenstraße neben einem kleinen, verdunkelten Lokal ein. Sie endete in einem Innenhof. Er war von Garagen gesäumt und eine Menge Gerümpel stand herum. Die Gebäude, die den Hof umgaben, sahen nicht gerade sehr einladend aus. Von vorne mochten sie hübsch aussehen, aber um die Hinterseiten kümmerte sich niemand. Es waren Häuser mit zwei Gesichtern, auf den ersten Blick sehr hübsch und einladend, aber beim zweiten Blick zeigte sich wie verkommen sie eigentlich waren. Vielleicht war es so auch mit den Menschen, die darin lebten. An vielen Stellen der Mauern bröckelte der Putz ab und auf manchen der kleinen Balkone saßen junge bis mittelalte Frauen oder Männer mit Drei-Tage-Bart und Bierflasche in der Hand, die die meiste Zeit des Tages nichts anderes zu sehen bekamen als die vergammelten Hinterseiten der anderen Häuser. Kaoru fischte einen Schlüssel aus seiner Jackentasche und schloss eine Tür des Gebäudes auf, auf dessen Vorderseite sich das Lokal befinden musste. Er winkte uns ihm zu folgen. Ich schloss die Tür hinter mir und stieg hinter den anderen eine schmale, feuchte Treppe hinab. Was wollten wir hier? Schnaps brennen? Haschplantagen besichtigen? Ich war etwas nervös. „Der Besitzer von dem Schuppen hat irgendwann mal zugestimmt, dass wir den Raum benutzen“, erklärte Die, während Kaoru am Schloss der nächsten Tür herumwerkelte. Die Glühbirne, die lose an der Decke baumelte, war längst durchgebrannt und es war stockfinster in dem engen Kellergang. „Wir müssen nicht viel dafür tun, nur wenn wir mal weggehen, dann kommen wir halt hier hin und manchmal jobbt einer von uns als Aushilfsbarkeeper.“ Kaoru hatte es derweil geschafft, die Tür zu öffnen. Beinahe ehrfürchtig betrat er den Raum und knipste das Licht an. „Darf ich vorstellen?“, sagte er. „Unsere heiligen Hallen der Musik.“ Ich betrat hinter Kyo den Raum und schaute mich um. Was ich sah, verschlug mir die Sprache: Es war ein Proberaum. An der Wand standen die Einzelteile eines Schlagzeugs, daneben Verstärker in verschiedenen Größen. Neben der Tür lehnte eine Akustikgitarre mit einer gesprungenen Saite, eine zweite Akustik sowie eine schwarze E-Gitarre standen in ihren Ständern in einer Ecke. An den Wänden waren verschiedene Poster aufgehängt und in der Mitte des Raums stand ein Mikrofon. Über den Boden liefen mehrere Kabel und in einer Ecke stand ein altes, halb zerfallenes Regal, in dem drei dicke Ordner vor sich hin staubten. „Na, was sagst du?“, fragte Kyo. „Wahnsinn“, sagte ich. „Probt ihr hier immer?“ Alle nickten. „Heute haben wir unsere Instrumente nicht dabei. Wir wollten dir nur mal den Raum zeigen.“ Kaoru ging langsam an der Wand entlang und strich mit der Hand über das Schlagzeug. „Dass wir dich hierhin mitgenommen haben, ist kein Zufall“, sagte er. „Ich will, dass du uns morgen mal zeigst, was du drauf hast. Und zwar hier. Also vergiss dein Instrument nicht.“ Das war zu viel für mich. „Ihr wollt, dass ich bei euch mitspiele?“, fragte ich fassungslos. Kaoru lachte. „Weißt du wie schwer es ist, einen Bassisten zu finden? Wir brauchen jemanden, der nicht nur ein Jahr oder so spielt, sondern jemanden, der gut ist. Nein, jemanden der besser ist.“ Ich nickte nur. „Kannst du das?“, fragte Kaoru. „Ich… denke schon“, sagte ich leise. „Nicht denken“, verbesserte mich Kaoru sofort. „Wissen. Also. Kannst du das?“ „Ja.“ Kaoru schien zufrieden. „Eine kleine Probe können wir morgen schon machen“, sagte er. „Damit wir sehen, ob sich weitere Proben überhaupt lohnen. Aber richtig zusammen Musik machen können wir erst, wenn Shinya wieder gesund ist.“ „Wer ist Shinya?“, fragte ich. „Unser Drummer“, sagte Kyo. „Er ist der Beste, er könnte es mit Yoshiki aufnehmen.“ Na toll, dachte ich. Wahrscheinlich noch so einer, der aussieht, als könnte er einen Elefanten hochheben und es wahrscheinlich auch kann. Ich musste ja jetzt neben Kaoru und Die schon sehr klein und kindlich wirken, nur Kyo war genauso groß wie ich, vielleicht sogar ein paar Zentimeter kleiner, aber er war weniger zierlich und hatte markantere Gesichtszüge. Und jetzt auch noch jemand der vom Drummen wahrscheinlich Arme wie Baumstämme hatte. „Noch was. Wenn wir beschließen, dich als Bassist dazu zunehmen“, sagte Kaoru plötzlich ernst, „dann musst du die Band über alles andere stellen. Klar?“ Ich nickte vorsichtig. „Das war nicht sehr überzeugend. Kannst du dir vorstellen, wirklich immer für uns Zeit zu haben? Alles andere absagen zu können, es sei denn, es ist wirklich wichtig?“ Die boxte mich leicht in die Rippen. „Los, sei überzeugend! Wenn du es willst, dann sag es auch!“ „Ich wäre bereit dazu“, sagte ich mit fester Stimme. Kaoru holte tief Luft. „Ich hoffe, du meinst es ernst“, sagte er. Wir blieben nicht mehr lange. Mit der U-Bahn fuhren wir nach Shibuya zurück und holten bei Kyo unsere Sachen ab. „Und, hat’s dir gefallen?“, fragte Kaoru mit seinem typischen Grinsen. Ich nickte. „Bye“, sagte er und hob die Hand. „Bis morgen“, sagte ich, dann drehte ich mich um und ging nach Hause. Zu Hause angekommen, hielt meine Mutter mir vor, ich sei doch sonst so zuverlässig und ich könnte mich doch nicht den ganzen Tag herum treiben. „Wo warst du denn?“, fragte sie. „Mit Freunden weg“, antwortete ich nur knapp. Ihre Miene hellte sich ein bisschen auf. „Wie schön“, sagte sie. „Vielleicht stellst du sie uns ja bald mal vor!“ „Vielleicht“, erwiderte ich und ging in mein Zimmer. Wahrscheinlich würde sie einen hysterischen Anfall erleiden, sobald sie nur Kaorus Haare oder, noch schlimmer, Dies Tattoo sah. Bevor ich ins Bett ging, überlegte ich, was ich mit meiner Uniform anstellen könnte, damit sie sich von den anderen unterschied. Dann nahm ich die Schere und schnitt an den Beinen der Hose jeweils einen schmalen Streifen ab. Mit der Spitze der Schere zog ich ein paar Fäden heraus. Dann faltete ich die Hose so, dass meine Mutter es nicht sehen konnte. ~*~*~*~*~*~*~ Sinnfreies Kommentar des Autors Die folgenden Teile sind (bis auf den letzten) unüberarbeitet... Das hole ich noch nach (jaja Ryu, glaubst auch nur du!), aber ich will jetzt endlich den Rest hochladen, den ich schon vor Monaten geschrieben habe XD Ich hoffe es gefällt euch ^^ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)