Hinter den Nebeln von Ionna (Der Schein trügt meistens...) ================================================================================ Kapitel 1: Hinterm Nebel ------------------------ Meine Schwester hatte mal wieder vergessen das Wasser aufzufüllen, und so musste ich welches aus dem Brunnen am Waldrand holen. Draußen war es kalt, feucht und nebelig. Ich hasste diese Jahreszeit. In meinen Wollumhang gewickelt zog ich die klemmende Haustür auf um festzustellen, dass es nicht nur feucht, sondern auch sehr, sehr nebelig war; ich konnte noch nicht einmal die Laternen sehen. So einen Nebel hatte ich noch nie gesehen, - geschweige denn gespürt, er trieb einem augenblicklich die Kälte bis ins Mark. Zitternd ging ich in die Richtung wovon ich überzeugt war, dass der Brunnen dort sein müsste. Der Raureif knirschte bei jedem Schritt unter meinen Füßen und mein Atem kam in Wolken hervor und verschmolz mit dem Nebel. Außer dem Knirschen und meinen eigenem Atem, der zitternd hervorkam, hörte ich, gedämpft durch den Nebel, noch die leisen Geräusche derer die durch den Laub kriechen, sich durch die Lüfte schwingen oder von Ast zu Ast hüpften... Unweigerlich stieg die alte, raue Stimme unseres Dorf-Barden in mir auf, wie er Geschichten über die Waldbewohner erzählte, das sich mir die Nackenhaare aufstellten. Die Lampe in meiner Hand half gar nichts und ließ den Nebel nur dichter erscheinen. Bei Nebel war ich noch nie im Wald gewesen... Ich konnte mein Herz pochen hören und merkte dass ich begann schneller zu gehen... Müsste ich nicht schon längst den Waldrand erreicht haben? Ich konnte mich nirgendwo orientieren, alles war weiß... Der Barde hatte mal erzählt, dass die See-Nymphen den Nebel verstärkten um sich einen Vorteil im Krieg zu verschaffen... Das hatte aber sicher nichts mit diesem Nebel zu tun, schließlich herrschte doch kein Krieg, oder? Er war aber wirklich unnatürlich dicht... Beinahe wäre ich gegen einen Baum gelaufen, den ich wirklich erst dann sah, als ich schon fast davor stand. Ich versuchte den Baum wieder zu erkennen um den Weg zum Brunnen zu finden... Für diesen einen Abend wären sie doch auch ohne Wasser ausgekommen, oder? Ich entschloss mich schräg rechts zu laufen. Ich kam nur sehr langsam voran, ich stolperte oft über Wurzeln, rannte fast gegen Bäume und tritt in Vertiefungen die ich nicht sah. Ich fand, dass ich dabei einen ungeheuren Lärm machte. Hoffentlich machte ich damit keine Fleischfresser auf mich aufmerksam? Langsam verlor ich das Gefühl in meinen Händen und Füßen, es blieb nur ein leichter stechender Schmerz der an eingeschlafene Gliedmaßen erinnerte... Ich müsste schon längst am Brunnen sein... Auf einmal hörte ich ein leises surren und sah wie ein schmaler Pfeil neben mir im Baum stecken blieb und leicht von der Wucht des Aufpralls wibbrierte. Das Herz blieb mir fast stehen und setzte dann zu einem Marathonpumpen an. Automatisch flog mein Blick in die Richtung woher der Pfeil gekommen sein müsste; natürlich starrte mir nur waberndes Weiß entgegen. Bevor ich reagieren konnte, erschien eine Gestallt, packte mich und zog mich in einem unglaublichen Tempo durch den Wald. Ich sah nur wie die Bäume an mir vorbeiflogen. Diese Gestalt konnte nicht menschlich sein... Nachdem sich mein Gehirn wieder einschaltete, sagte selbst das mir anfangs nur „Angst!“, aber es sagte mir auch, dass ich herausfinden sollte, wer da eigentlich meine Angst heraufbeschwor, schließlich war es nicht mehr der Nebel, der war jetzt nebensächlich. Wer, oder besser gesagt was zerrte mich da eigentlich in diesem irrwitzigen Tempo hakenschlagend durch den Wald? Meine Bemühungen ihn zu Gesicht zu bekommen scheiterten wegen der Geschwindigkeit und der ungünstigen Stellung wie er mich festhielt. Es musste aber irgendetwas sein, dass annähernd menschlich gebaut war; das ließ sich daraus schließen wie es mich festhielt. Das einzige was ich von ihm sehen konnte war ein Arm der mit einem schönen Lederschutz umhüllt war und seine länglich wirkende, schmale Hand die irgendwie bleich wirkte, was vielleicht an dem milchigen Nebel lag. Die Reise kam mir wie eine Ewigkeit vor. Überrascht bemerkte ich dass mir nicht mehr kalt war. Aber es musste doch immer noch genauso kalt sein wie zu vor, schließlich knirschte der Reif auch unter seinen Füßen... Ganz plötzlich bekam ich ein Gefühl, das ich als so etwas ähnliches wie Gänsehaut bezeichnen würde. Direkt danach änderte sich das Bild das ich sehen konnte; plötzlich war ein weiter, heller Raum um mich herum und ich sah ein schönes, hohes Tor durch das wir gegangen sein mussten. Es war wunderschön. Schmale, silberne Verzierungen zogen sich über das schmale, geöffnete Tor, das bis zur hohen Decke reichte. Mein Entführer ging inzwischen Schritttempo und blieb schließlich stehen. Wieder spürte ich dieses Gänsehautgefühl. Er ließ mich los, aber ich konnte mich nicht rühren... Er musste irgendeinen Zauber angewandt haben der mich unbeweglich macht, schoss es mir durch den Kopf. Kapitel 2: Solltest du das nicht wissen? ---------------------------------------- Bei dem Versuch mich zu bewegen stellte ich fest, dass mein Gesicht das Einzige war das ich noch bewegen konnte. Noch immer sah ich nur das riesige Tor, schlank hoch und anmutig. Der spiegelglatte Marmor , der aber nicht zu spiegeln schien, hatte keinerlei Unebenheiten oder Übergänge; die ganze Wand schien aus einem riesigen, schneeweißen Stück Marmor zu sein . Noch nie zuvor hatte ich so ein schönes und großes Bauwerk gesehen. Ehrlich gesagt hatte ich noch nie etwas größeres als das Rathaus in unserem Nachbardorf gesehen. Die Bauart erinnerte mich an die Schilderungen über elbische Baukunst. Ich konnte mir auch nicht vorstellen, dass Menschen zu so perfektionistischer hoher Baukunst fähig seien konnten. Das kaum wahrnehmbare Geräusch das mein Entführer machte, als er langsam und anmutig um mich herum ging, riss mich zu meiner derzeitigen Situation zurück. Er ist ein Elb! Er hatte fließend lange, weiße Haare, die ihm knapp bis unter die Achseln gingen. Alles an ihm war länglicher, Arme, Beine, Hände, Finger, Gesicht... Er hatte große, längliche, schräg nach oben spitz zulaufende Augen, die ihm dadurch ein katzenähnliches Aussehen verliehen. Seine Kleidung könnte man als nicht behindernde Kampfkleidung bezeichnen, über relativ normale Stoffkleider hatte er einen ledernen Wams, seine Unterarme waren mit festem Leder geschützt und die Schienenbeine wurden von den wildledernen Stiefeln und darauf angebrachte, aus hellem Silber gefertigte, Schienen geschützt. An seiner Seite baumelte ein elegantes hellsilbernes schmales Schwert, dessen Scheide mit filigranen silbernen Einlegearbeiten verziert war und auf seinem Rücken hing ein schmaler zierlich wirkender, straff gespannten Bogen und ein halbvoller Köcher. Alles in allem wirkte es aber dennoch elegant. Mit hinter dem Rücken verschränkten Armen blieb er vor mir stehen, beugte sich leicht nach vorne, dabei flossen seine Haare wie Wasser über seine Schultern, dann richtete er seinen himmelgrauen Blick direkt in den meinen. Es schien mir als würde er mich durchleuchten, jeden Winkel meiner Selbst zu durchschauen... dabei konnte ich meinen Blick nicht aus dem seinen befreien. Nach einer Ewigkeit, so schien es mir, richtete er sich wieder zu einer kerzengeraden Haltung auf. „Was hattest du dort im Wald zu suchen? Niemand geht bei Nebel in den Wald. Ich dachte das hätten wir euch Menschlingen beigebracht!“, seine Stimme enthielt eine zu erahnende Melodie, die man nicht beschreiben kann, hatte aber einen schneidenden Tonfall, der meine Nackenhaare abstehen ließ. Seine Züge gaben keinerlei Gedanken oder Gefühle preis, sie waren Regungslos. Ich wartete, - ich musste ja warten. Seine Augen ruhten auf mir ohne auch nur zu zwinkern. Plötzlich wurde mir bewusst dass ich antworten sollte. warum ich in den Wald gegangen war? Ich brauchte Wasser und wollte zum Brunnen, und dabei hab ich mich in dem Nebel verlaufen! Ziemlich dumme Ausrede, nur leider war sie war. Ja, man hatte uns Menschlingen zu Genüge klar gemacht, dass wir bei dichtem Nebel nicht in den Wald zu gehen haben und am besten in unseren Häusern bleiben; und das nicht nur wegen der Gefahr sich zu verlaufen. Jedes kleine Kind kennt die Geschichten über die magischen Kriege die in den Nebeln stattfinden... Und jedes weiß auch das es sich da am besten ganz raushält. Das ist einfach nichts für Menschen. Nur ich musste Mal wieder eine festverankerte Grundregel missachten. Dem Elb dürfte inzwischen klar geworden sein, dass er von mir keine Antwort mehr bekam, da er sich umdrehte und nachdenklich den Kopf auf die Hand stützte. Währenddessen sausten tausende von verschiedenen Ausgangsmöglichkeiten meiner Situation durch den Kopf, eine unangenehmer als die andere. Blitzartig drehte er sich um und schaute mir wieder so unangenehm in die Augen. „Dem Gesetz nach müsste ich dich töten.“, sagte er ohne seine Stimme zu heben oder zu senken, „doch du wirst sowieso da draußen sterben. Aber sie es als Chance.“ Auf einmal stand er direkt vor mir, führte die Hand in einer langsamen Bewegung an meinem Gesicht vorbei und griff, die Finger am Anfang gespreizt, in die Luft als umschließe er etwas. Meine Gedanken würden wie von einem Fluss weggerissen und dann legte sich ein leichter Nebel um sie. Meine Blick wurde unscharf und alles verschwamm, ich blinzelte ein paar mal um wieder einen klaren Blick zu bekommen. Kapitel 3: Verzweiflung ----------------------- Ich stand auf einer kleinen Lichtung im Wald und konnte trüb, durch den Nebel, über mir den Mond erkennen. Um mich herum war weißliche Schwärze. War ich gerade nicht noch wo anders gewesen? War nicht irgendetwas passiert? Die Erinnerungen verschwammen immer mehr hinter einem Schleier bis sie schließlich ganz verschwunden waren. Verwirrt schüttelte ich den Kopf, da ich mich nun nicht mehr an das Passierte erinnern konnte und mich wunderte warum ich so auf einer Lichtung stehen geblieben war. Langsam kroch die Kälte in meine Kleidung, als wäre sie kurzzeitig vertrieben worden. Nur wodurch? Nachdem ich anhand des Mooses an einem Baum die Himmelsrichtung bestimmt hatte, stapfte ich los in der Hoffnung die ungefähr richtige Richtung eingeschlagen zu haben. Bibbernd und die Arme eng vor dem Körper verschränkt, stolperte ich in den dichteren Wald. Mir war klar, dass ich mich verlaufen hatte. Irgendwann hielt ich an und entschied mich dafür ein Feuerchen zu entzünden und suchte nach einem Unterschlupf, so wie es die Männer immer erzählten, wenn sie von der Jagd berichteten. Als ich endlich einen kleinen Felsvorsprung fand, unter dem ich mich verkroch, versuchte ich ein Feuer zu entzünden, schnell stellte ich fest, dass das bei Holz das mit Raureif überzogen ist, und ohne eine Zunderbüchse fast unmöglich war. Während meinen vergeblichen Versuchen entglitten mir meine Gedanken bis ich von Verzweiflung, Angst und Kälte durchgeschüttelt wurde und schließlich stille Tränen über meine Wangen rannen. Meine klammen Hände ließen das Holz fallen und ich rollte mich so eng wie ich konnte zusammen und weinte leise weiter. Ich erwartete schon den Kältetod als plötzlich ein Wolf ein paar Schritte entfernt an mir vorbei lief und witternd in die Luft schnupperte. Ich erschrak und starrte ihn mit weit aufgerissenen Augen an. Er drehte den Kopf in meine Richtung, zog die Lefzen hoch und fing an zu knurren. Langsam, und seiner Beute sicher, schlich er in meine Richtung und lies mich nicht aus den Augen. Meine Gedanken überschlugen sich und in dem Moment nahmen meine Instinkte die Oberhand über mein Handeln. Schnell sprang ich auf und ignorierte den Schmerz den mein Körper ob der schnellen Bewegung äußerte und suchte mit flatterndem Blick den Boden nach einer brauchbaren Waffe ab. Ich griff nach einem knochigen Stock der ungefähr halb so dick wie ein Arm war und hielt in wie ein Schwert vor mich. Der Wolf kam unbeeindruckt näher, kauerte sich schließlich kurz hin um für einen Sprung Kraft zu holen und stürzte dann mit weit aufgerissenen, sabbernden Maul auf mich zu. Ich holte aus, spürte plötzlich etwas wärmendes, kribbelndes das meinen ganzen Körper erfüllte und sich in meinem Schlagarm konzentrierte, und schlug mit einem Verzweiflungsschrei auf den Wolf ein. Das Gefühl das sich in meinem Arm konzentriert hatte, war im Schlagmoment auf den Wolf übergegangen der nun völlig Regungslos vor mir lag. Schweratmend ließ ich den Knüppel sinken und spürte wie das Gefühl langsam verebbte und ein leichter Schatten davon in mir zurück blieb. Ich starrte den Haufen grauen Fells an, ohne ihn wirklich als den noch eben so gefährlichen Wolf wahrzunehmen. Träge schaltete sich mein Verstand wieder ein und mit ihr überwältigte mich die Erschöpfung. Mir knickten die Beine weg und ich fiel auf den toten Wolf. Ich schmiegte mich an sein warmes Fell und fiel in einen traumlosen Schlaf. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)