Black Goddess von ChiaraAyumi ================================================================================ Kapitel 11: Flashback Part Three-Reunion -The silver necklace and the silver compass ------------------------------------------------------------------------------------ 11. Flashback Part Three-Reunion -The silver necklace and the silver compass (Rückblick Teil Drei-Wiedersehen- Die silberne Kette und der silberne Kompass) Obwohl ich Freunde hatte, die mir wichtiger waren als mein eigenes Leben, gab es doch noch etwas was ich vermisste. Meine Familie fehlte mir. Zwar hatte ich Benjamin und die Waisenkinder, doch es war für mich keine richtige Familie. Ich musste oft an sie denken. Ich fand es ungerecht, dass ich die einzige war, die überlebt hatte. Mein Großvater, meine Mutter, mein Vater und meine Brüder: alle waren sie umgekommen. Ich war manchmal stundenlang in der Grabkammer unserer Familie gewesen und hab dort gesessen. Geweint hab ich auch viel. Das schlimmste für mich war, dass ich mich nicht an das Grab meines Bruders Kai setzen konnte. Denn seinen Leichnam hatte ich nie gefunden. Ich wusste nicht, ob ich hoffen oder bangen sollte. Hatte er überlebt wie ich? Oder war er gefangengenommen und musste Folter und Schmerz ertragen? Dachte er auch so oft an mich wie ich an ihn? Ich konnte es kaum ertragen nicht zu wissen, was mit ihm war. Von allen meiner Brüder war er mir der Liebste gewesen. Vielleicht lag es daran, dass er nur ein Jahr älter war als ich? Wir haben dadurch viel Zeit miteinander verbracht, denn Freunde hatten wir kaum. Wir lebten schließlich in vollkommener Abgeschiedenheit. Deswegen war er für mich nicht nur mein Bruder gewesen, sondern auch mein bester Freund. Ich konnte mit ihm über alles reden. Er war immer für mich da. Wären wir keine Geschwister gewesen, dann hätte ich ihn geheiratet um mit ihm für immer zusammen zu sein. Doch auch wenn wir nicht heiraten konnten, so schworen wir uns doch für immer zusammen zu bleiben…. Ein silberhaariger Junge mit Namen Kai schoss in das Zimmer seiner Schwester Lucy Ann. „Ich hab Großvater überredet!! Er zeigt uns den Zauber!“ Total außer Atem strahlte er das schwarzhaarige Mädchen an, das auf dem Boden hockte. „Ehrlich?“ Aus ihrer überraschten Miene wurde ein breites Lächeln. Kai nickte. „Ja! Stell dir das vor! Wir werden uns immer wieder finden!“ Er lächelte seine geliebte Schwester an. Obwohl er erst vier war, wusste er genau, dass ihn nichts auf der Welt von seiner Schwester trennen konnte. Er hatte tagelang auf ihren Großvater eingeredet und endlich hatte er sich bereit geklärt den zwei einen der mächtigsten Zauber der Welt zu zeigen. Mit diesem Zauber war es möglich ein unzerstörbares Band zwischen zwei Personen herzustellen. Dank des Bandes wurde dem einen die Kraft verliehen den anderen immer wiederzufinden und der andere bekam die Kraft den anderen zu schützen. So wäre es damit fast unmöglich den einen zu töten, denn solange der andere ihn beschützt würde ihm nichts passieren. Es war ein sehr mächtiger Zauber so hatte es ihnen ihr Großvater erklärt. „Gehen wir zu ihm ja?“ Kai streckte seine Hand aus und Lucy Ann stand auf und griff nach seiner Hand. Gemeinsam gingen sie zum Tempel, den ihre Familie vor langer Zeit erbaut hatte. Er war der Göttin Urwen geweiht, die über Leben und Tod wachte. Im Tempel erwartete ihr Großvater Jacko sie bereits. Obwohl bereits hundert Jahre alt, wirkte er wie ein 40-Jähriger. Einzig die Falten in seinem Gesicht und seine Augen sprachen von seinem wahren Alter. „Kommt näher ihr beiden!“, forderte er sie auf. Lucy Ann ließ Kais Hand los und lief zum Großvater. „Na meine Kleine wie geht es dir heute?“ Mit einem strahlenden Lächeln antwortete Lucy Ann: „Mir geht’s es wunderbar. Ich bin so froh, dass du uns den Zauber zeigst.“ „Ich werde ihn euch nicht nur zeigen. Ich werde ihn für euch anwenden. Ich werde das Band für euch schmieden!“ Kai kam näher. „Ich hab die Sachen, die du brauchst.“ Lucy Ann machte große Augen. „Großvater das ist so lieb von dir!“ Er nickte nur. Kai gab ihm inzwischen eine Kette und ein Kompass. Beides war aus reinem Silber. Die Kette war herzförmig und Lucy Ann hätte sie am liebsten in die Hand genommen, doch indem Moment bemerkte sie, dass der Kompass keine Himmelsrichtungen anzeigte. Die Nadel drehte sich wie verrückt. „So nun passt gut auf ja? Dieses Band wird etwas besonderes sein, denn ich spüre eure Zuneigung zueinander. Es wird ein sehr starkes Band sein.“ Lucy Ann strahlte wieder, während Kai nur sanft lächelte. Jacko begann zu singen. Es war die alten Sprache der Sunnivah, die die beiden so verzauberte, dass sie den eigentlichen Zauber kaum mitbekamen. Am Ende konnte keiner sagen wie lange der Zauber dauerte. Es waren mindestens der halbe Tag vergangen, denn als sie den Tempel verließen ging die Sonne gerade unter. Als der Zauber beendet war sah Jacko Kai und Lucy Ann an. „Kai mit dem Kompass wirst du nun Lucy Ann überall wiederfinden.“ Er übergab den Kompass Kai, der ihn sich sogleich um den Hals hing. „Und dir Lucy Ann gebe ich die Kette. Mögest du damit Kais und dein Leben schützen.“ Er lächelte die beiden an und Lucy Ann nahm die Kette entgegen, die sie sich ebenfalls um den Hals hing. Zusammen mit ihrem Großvater verließen sie den Tempel. Das Band war geschmiedet worden… Wir waren begeistert gewesen von diesem Band. Wie oft hab ich mich versteckt um zu sehen, ob Kai mich wirklich wieder finden würde. Wir waren glücklich, doch dann brach der Krieg aus. Die Armee der schwarzen Männer überrannte uns. Ich überlebte, doch alle anderen starben. Ich hab gewusst, dass durch das Band Kai auch nicht gestorben sein konnte, aber ich wusste nicht wo er war. Seinen Kompass fand ich in der Wüste. Als ich ihn fand, musste ich weinen, denn ich hatte Angst, dass das Band reißen würde. Dennoch gab ich die Hoffnung nicht auf ihn wiederzusehen. Ich verfluchte die Tatsache, dass ich nicht den Kompass bekommen hatte. Dann hätte ich ihn vielleicht wiedergefunden, doch so konnte ich nur hoffen, dass er zurückkam. Doch all die Jahre tauchte er nicht auf. Ich gab Stück für Stück die Hoffnung auf und am Ende glaubte ich ihn nie wiederzusehen. Ich sprach manchmal mit Darkness darüber, doch ich fand keinen Trost. Mein Leben schien mir an manchen Tagen sinnlos, doch zum Glück hatte ich Freunde, die –auch wenn sie den Grund nicht kannten- mich immer wieder aufbauten. Nach unserer Weltreise entschied mich das alte Versprechen einzulösen, das ich meiner Mutter gegeben hatte. Ich ging an die Dragon School und auch Jack, Mary Kate und Kaede entschieden sich dafür zur Schule zu gehen. Doch weil wir so verschieden waren, ging jeder an eine andere Schule. Obwohl erst 12 Jahre bestand ich den Test für die Aufnahmeprüfung der Oberstufe. Da ich etwas aufgeschlossener geworden war, fand ich auch dort schnell Freunde. Roxana, Malinda, Samantha, Fuji und Yu waren zwar nicht mit meinen besten Freunden gleichzusetzen, aber sie waren doch gute Freunde für mich. Doch ich will euch nicht mit meinem Schulleben langweilen. Nein ich möchte euch von einer Klassenfahrt nach Hokkaido erzählen, die drei Jahre später stattfand. Dort begegnete ich meinem Bruder wieder…. „Lucy Ann möchtest du am Fenster sitzen?“ Roxana Calyx sah ihre schwarzhaarige Freundin an. Die Klasse 3-2 wartete auf den Bus, der sie nach Hokkaido fahren sollte. „Ist mir egal.“ Lucy Ann saß auf ihrem schwarzen Koffer und lächelte Roxana an. „Okay, dann setz du dich ans Fenster. Ich sitze lieber auf der Gangseite.“ Lucy Ann nickte. „Sind wir zu spät dran?“ Samantha Torie und Malinda Schmidt tauchten hinter Lucy Ann und Roxana mit ihren Koffern auf. „Nein seid ihr nicht!“ „Doch sind sie!“ Seki Fukuro, der wie Lucy Ann Klassensprecher war sah die zwei ernst an. „Stimmt doch gar nicht!“ Samantha deutete auf ihre Uhr. „Auf dem Zettel stand wir fahren um 9 Uhr los. Es ist aber erst 8.57 Uhr! Also sind wir rechtzeitig, Herr Klassensprecher!“ Malinda sah auf ihre Schuhspitzen, denn sie war verliebt in Seki und mochte es nicht negativ bei ihm aufzufallen. Seki hatte schon nach ein paar Sekunden genug von Samanthas Protest und ging daher zurück zu den Frau Mizuha, ihre Klassenlehrerin und Herr Newton, der sich um seine Klasse 3-1 kümmerte, die ebenfalls nach Hokkaido fuhr. In dieser Klasse befanden sich Prisca Bartali, die Lucy Anns ewige Rivalin war und Kochi Naosu, der Junge in den Prisca verliebt war, der jedoch sein Herz an Lucy Ann verschenkt hatte, die ihn wiederum die kalte Schulter zeigte. Es war also eine traurige Liebesgeschichte. Der Bus kam und die beiden Klassen stiegen ein. Lucy Ann setzte sich ans Fenster und blickte hinaus auf das Gebäude der Dragon School. Ein Hauch von Traurigkeit machte sich in ihr breit ohne das sie den Grund kannte. Sie merkte wie sie gemustert wurde und drehte sich zur Reihe hinter ihr um. Dort saß Yu Inori, der ebenfalls in ihre Klasse ging. Er lächelte und sie lächelt zurück bevor sie sich wieder umdrehte um weiter aus dem Fenster zu schauen. Die ganze Fahrt lang schaute sie hinaus und erst kurz vor dem Ende der Fahrt drehte sie sich um zu Roxana, die neben ihr eingeschlafen war um eben diese zu wecken. „Roxana? Wir sind gleich da! Komm schon wach auf!“ Roxana öffnete langsam die Augen und gähnte herzhaft. „Ich bin ja schon wach.“ Lucy Ann lächelte freundlich und wand sich wieder zum Fenster, denn nach 6 Stunden Fahrt bogen sie in die Einfahrt der Jugendherberge ein. Mitten im Grünen lag diese Jugendherberge. Bis zur nächsten Stadt waren es mehrere Kilometer. Sie lagen also nahezu abgeschnitten in einem kleinen Tal. Außer ihnen schienen mehrere Klasse anwesend zu sein, denn auf dem Sportplatz, den man schon sah, spielte eine Gruppe Jungs Fussball. Doch schon verschwand der Sportplatz wieder aus ihrem Blickfeld und sie fuhren vor die Jugendherberge, wo der Bus hielt. Alle sprangen freudig auf und verließen den Bus. Endlich waren sie angekommen. Nach einer kurzen Rede des Herbergsvaters und die Besichtigung der Zimmer stand Lucy Ann draußen vor der Jugendherberge. Da sie für den Rest des Tages Freizeit hatten, wollte Lucy Ann einen kleinen Ausflug machen. Die Gegend musste sie erstmal unter die Lupe nehmen. Als sie gerade losgehen wollte, kamen Yu und Kochi zu ihr. „Hey! Lust auf ne Runde Fussball?“ Kochi spielte mit dem Fussball und grinste. Yus Blick zeigte, dass er Kochi hasste. Denn wie Kochi empfand er mehr für Lucy Ann auch wenn er es nicht zugeben wollte. „Kommst du auch mit Yu?“ Gegen eine Runde Fussball hatte sie nichts einzuwenden. Yu nickte. Die drei gingen los zum Sportplatz. Dort angekommen stellte sie fest, dass dort immer noch die Gruppe Jungs Fussball spielte. „Hey! Lust gegen uns zu spielen?!“ Kochi trat aufs Feld. Die Gruppe unterbrach ihr Spiel und sah Kochi fragend an. Kochi sagte dasselbe noch einmal auf Englisch und diesmal verstanden sie ihn. Wie sich herausstellte kamen sie aus Russland und sprachen nur ein paar Brocken Japanisch. Sie nahmen die Herausforderung an, aber sie lachte sie aus, weil ihre Seite zu dritt war und da sie zudem ein Mädchen dabei hatten. „Denen wird das Grinsen schon vergehen nicht wahr?“ Kochi sah Lucy Ann grinsend an. „Yu gehst du ins Tor oder soll ich?“ „Willst du ihnen den ein Vorteil geben oder nicht?“ Yu sah Kochi an. „Ich bin heute großzügig. Ich geh ins Tor. Sie werden sich schon an Lucy Ann die Zähne ausbeißen.“ Kochi stellte sich ins Tor und Yu und Lucy Ann gingen nach vorne, um den Anstoß auszuführen. Yu schob den Ball Lucy Ann zu und das Spiel begann. Während Yu nach hinten ging um notfalls das Tor zu verteidigen, preschte Lucy Ann los. Überrascht von ihrer Schnelligkeit waren die Jungs erstmal überrumpelt. Der Torwart hatte nun seine ganze Aufmerksamkeit auf das Mädchen gerichtet, denn sie kam immer schneller dem Tor näher. Sie hatte schon die Hälfte der Jungs ausgespielt und war kurz vor dem Tor, als einer der Jungen es schaffte sich den Ball zu ergattern. Doch sein Sieg hielt nicht lange, denn im nächsten Moment hatte sie sich den Ball zurückgeholt und lief mit dem Ball die letzten Meter zum Tor. Der Torwart trug eine Cappy, wodurch sie sein Gesicht nicht sehen konnte. Sie wusste nicht wie er reagieren würde oder in welche Ecke er springen würde. Nach dem sie den letzten Verteidiger ausgetribbelt hatte, war zwischen ihr und dem Tor nur noch der Torwart. Sie vertrautet auf ihre gute Schusstechnik und schoss den Ball direkt am Torwart vorbei. Der Ball streifte die Wange des Torwartes und ließ die Cappy hinunterwehen. Seine silbernen Haare weht sanft in der Brise, die aufgekommen war. Lucy Ann blieb wie erstarrt stehen und sah den Jungen an. Nein das konnte nicht sein oder doch? War das Kai, der vor ihr stand und sie mit fragender Miene musterte? Das konnte einfach nicht sein…. Lucy Ann brauchte einen Moment um sich wiederzufassen. Sie drehte sich um und lief zurück auf ihre Seite des Feldes. Obwohl sie äußerlich ruhig wirkte, herrschte in ihrem Inneren das totale Chaos. Dieser Junge sah fast genauso aus wie ihr Bruder nur eben 12 Jahre älter. Aber wenn er es war, warum erkannte er sie nicht? Hatte er sein Gedächtnis verloren? Konnte das der Grund sein, warum er nicht zurück kam? All diese Frage schossen ihr durch den Kopf. Sie schoss noch zehn weitere Tore bevor sie gemeinsam mit Yu, Kochi und den russischen Jungs zurück zur Jugendherberge gingen. Lucy Ann musterte den silberhaarigen Jungen die ganze Zeit über. Sie lauschte dem Gespräch der Russen, denn Russisch konnte sie. Sie war selbst einmal in Russland gewesen. Sie horchte auf, als der Name Kai fiel und es war ausgerechnet der Name des silberhaarigen Jungens. Lucy Anns Herz machte ein Satz. „Lucy Ann kommst du?“ Kochi sah sie fragend an und riss sie aus ihren Gedanken. „Ja ich komm.“ Sie folgte Yu und Kochi hinein in ihren Teil des Hauses. Den anderen Teil –so erfuhr Lucy Ann- bewohnten die Jungenklasse aus Russland. Die ganze Woche lang behielt Lucy Ann Kai in den Augen. Die anderen Mädchen hatte sich schnell in irgendeinen der Russen verliebt und flirteten mit ihnen auf Englisch. Nur Lucy Ann blieb dem Geschehen fern. Sie saß irgendwo und betrachtete den silbern Kompass, den sie seit 12 Jahren mit sich rum trug. Die Nadel drehte sich schnell im Kreis, denn nur dem wahren Besitzer des Kompass konnte sie den Weg zu ihr deuten. Sie hätte einfach Kai den Kompass geben können, um die Wahrheit herauszufinden. Doch etwas hinderte sie daran. Sie blieb lieber vorsichtig. Vielleicht merkte sie nicht durch ihre Nachdenklichkeit nicht, dass Kai sie jeden Tag beobachtete. Er war den Mädchen ferngeblieben, denn er hasste das weibliche Geschlecht. Doch dann fiel ihm das schwarzhaarige Mädchen auf, die sich ebenfalls nicht für das andere Geschlecht zu interessieren schien. Irgendetwas faszinierte ihn an ihr. Er ertappte sich selbst dabei, dass er ständig in ihrer Nähe war und immer zu ihr schaute. Die leichte Traurigkeit, die sie umgab erinnerte ihn an sich selbst. Was Kai ebenfalls aufgefallen war, waren die zwei Jungen, die um das schwarzhaarige Mädchen warben. Doch sie ließ es kalt. Jetzt kam ein Mädchen zu ihr und rief sie mit ihrem Namen. Diesmal hörte er genau hin und verstand endlich ihren Namen. Lucy Ann hieß sie also. Sie stand auf und folgte dem Mädchen, doch etwas fiel ihr aus der Tasche. Sie merkte es nicht und ging weiter. Neugierig ging Kai zu dem Platz wo Lucy Ann gerade noch gesessen hatte. Dort lag ein kleiner silberner Kompass. Er hob ihn auf und beschloss ihn ihr am Abend zurückzugeben. An diesem Abend hatten sich die beiden Klassen aus der Dragon School und die russische Klasse überlegt einen gemeinsamen Gruselabend zu veranstalten. Es war zudem ihr letzter gemeinsamer Abend, da alle drei Klasse am nächsten Tag wieder abreisten. Die Vorbereitungen waren bereits den ganzen Tag gelaufen und jetzt, wo es langsam dunkel wurde, trafen sich die Klassen draußen und machten ein großes Lagerfeuer. Lucy Ann fand die Idee mit dem Gruselabend zwar toll und war auch beim Lagerfeuer, aber eigentlich nur um ihren Freundinnen und Verehrern ein Gefallen zu tun. „Lucy Ann was ist mit dir los?“, fragte Malinda sie. Das ruhige Mädchen machte sich schon seit Tagen Sorgen um ihre Freundin. Irgendetwas stimmte nicht mit ihr und das seit sie vom Fußballspiel wiedergekommen war. Was war dort nur geschehen? „Es ist nichts, Malinda. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen.“ Malinda hatte das Gefühl, dass Lucy Ann ihre Gedanken gelesen hatte. Doch auch wenn sie versuchte die Tatsache, das sie sehr traurig war, runterzuspielen, so kannte Malinda sie doch gut genug um zu wissen, dass es etwas mit dem silberhaarigen Jungen namens Kai zu tun hatte. Selbst die russische Jungs sprachen über Lucy Ann und Kai, denn jedem war aufgefallen, dass etwas unsichtbares zwischen den beiden war. Doch was es war konnte niemand sagen. Malinda wollte Lucy Ann aber nicht weiter fragen und wand sich wieder dem Lagerfeuer zu. Lucy Ann suchte schon die ganze Zeit Kai, doch er war nirgendwo zu sehen. Lucy Ann wand daher ihre Aufmerksamkeit Yu zu, was jedoch von Kochi unterbunden wurde und wie immer zu einem Gespräch zu dritt wurde. Prisca mischte sich nach gewisser Zeit ebenfalls ein und so wurde es zu einem Streitgespräch. Daher merkte Lucy Ann gar nicht, wie Kai sich näherte. Er war wie aus dem Nichts bei seinen Freunden aufgetaucht und hatte von dort aus erst Lucy Ann nur beobachtete, dann begann er immer näher zu kommen. Als er fast direkt neben den vier war, setzte er sich hin und griff in seine Tasche, wo er den Kompass ertastete. Als er ihn berührte, stieg ein seltsam warmes Gefühl in ihn auf. Er kannte dieses Gefühl, doch er wusste nicht woher. Er schloss die Augen und genoss das warme Gefühl. Auf einmal tanzten ihm Bilder im Kopf herum, die er nicht zuordnen konnte. Da waren Personen, die ihm so vertraut vorkamen und die er doch nicht erkannte. Sie riefen ihn, doch er verstand nicht, was sie ihm zuriefen und dann war da plötzlich ein kleines schwarzhaariges Mädchen, was ihn mit großen Augen ansah. Er griff sich an den Kopf, da ihm schwindelig wurde und er öffnete die Augen. Was war mit ihm los? Er blinzelte und nahm die Umgebung nur verschwommen war. Beim zweiten Mal klappte es und er erkannte, dass Lucy Ann verschwunden war. Wo war sie hin? Er nahm den Kompass heraus und die Nadel zeigte auf den Wald, der sich hinter der Jugendherberge ausbreitete. Ohne zu begreifen was er eigentlich gerade tat, sprang er auf und lief in den Wald hinein. Kai folgte immer zu der Kompassnadel und schnell sah er Lucy Anns Rücken, die es sehr eilig zu haben schien. Wohin sie wollte, wusste er nicht. Da er sie gefunden hatte, steckte er den Kompass wieder ein. Im Gegensatz zu Lucy Ann, die sich flink durch das Gestrüpp bewegte, war er viel langsamer. Ständig verhedderte er sich und ein Mal verlor er Lucy Ann beinahe aus den Augen. Er hatte das Gefühl, dass sie mit Absicht so schnell ging. Als wollte sie, dass er umdrehte und ging. Doch er gab nicht auf. Er wollte zu ihr und ihr den Kompass wiedergeben, koste was es wolle. Außerdem war er kein Weichei. Und mit diesem Willen schaffte er es Lucy Ann einzuholen. „Hey warte!“, rief er ihr auf Japanisch zu als er nur noch ein Meter hinter ihr war. Wie von der Tarantel gestochen, drehte sie sich um und starrte Kai an. „Du kannst Japanisch?“ Sie schien wirklich bemerkt zu haben, dass er ihr gefolgt war, denn sie schien kein Stück überrascht zu sein. Doch das er ihre Sprache sprach überraschte sie. „Ja ich kann Japanisch sprechen.“ Sie lächelte auf eine seltsame Art. „Und kannst du auch noch andere Sprachen?“ Ihre Frage war die Neugierde anzuhören. „Nur Russisch, Englisch, Japanisch, Deutsch, Französisch und Italienisch.“ Aus irgendeinem Grund wurde ihr Lächeln noch geheimnisvoller. „Du bist also ein Sprachgenie!“ Er nickte. „Wo willst du hin?“, fragte Kai. „Ich will mir den Wald anschauen. Er ist so faszinierend. Es ist als könnte er sprechen.“ Verzückt drehte sie sich um die eigene Achse. Obwohl ihre Worte freundlich gesprochen waren, lief Kai auf einmal ein kalter Schauer über den Rücken. Der Wald war ihm überhaupt nicht mehr geheuer. Er hatte eher das Gefühl, als würde eine finstere Macht vom Wald ausgehen. Lucy Ann schien davon nichts zu bemerken, denn sie hatte sich hingekniet um eine wunderschöne Blume zu betrachten. Kai kannte den Namen der Blume nicht, doch sie kam ihm vertraut vor. Und wieder wurde ihm schwindelig und wieder tauchte diese Personen in seinem Kopf auf, die ihm so bekannt vorkamen, aber die er noch nie in seinem Leben gesehen hatte. Und wieder war die letzte Person das kleine Mädchen, die ihn mit großen Augen ansah und weinte. Er spürte das Verlangen sie zu umarmen, doch dann wurde er wieder zurück in die Wirklichkeit katapultiert. Er spürte das nasse Gras unter sich und blickte in das besorgte Gesicht von Lucy Ann, als er die Augen aufschlug. „Alles in Ordnung?“ Er richtete sich auf und nickte langsam. „Du bist urplötzlich umgekippt. Ist wirklich alles in Ordnung?“ Er nickte wieder und sie schien beruhigt zu sein. Sie bot ihm ihre Hand, um ihm aufzuhelfen. Dankend nahm er die Hand und ließ sich aufhelfen. Aus irgendeinem Grund war ihn nicht mehr schwindelig und so ging er ein paar Schritte. Dann hatte er das Gefühl auf einmal allein zu sein und als er sich umdrehte, stellte er fest, dass Lucy Ann schon wieder verschwunden war. Er griff in seine Tasche und zog den Kompass hervor. Die Nadel deutete ihm ein weiteres Mal den Weg zu Lucy Ann. Kai konnte Lucy Ann erst am Rand einer Klippe wieder einholen. Sie war einfach zu schnell für ihn. „Lucy Ann jetzt warte doch mal!“ Wieder drehte sie auf dem Absatz um und diesmal war sie wirklich überrascht ihn zu sehen. Eigentlich hatte sie gedacht, dass sie ihn abgehängt hatte. „Lass mich in Ruhe!“, rief sie ihm zu. Zwischen ihr und ihm waren noch gut zwanzig Meter Abstand. Lucy Ann wich zurück als er einen Schritt näher kam. „Ich will nur mit dir reden!“ Lucy Ann ignorierte seine Rufe und ging weiter. Kai steckte den Kompass ein und kam näher an den Abgrund ran, an dem Lucy Ann stand. Sie wollte doch nicht etwa darunter springen oder? Obwohl er innerlich total aufgewühlt war, sagte ihm sein Herz das nichts passieren würde. Dennoch ging er noch näher an sie ran. „Lucy Ann! Was hast du vor?!“ „Was geht dich das an? Du kennst mich nicht einmal! Es kann dir doch egal sein, was ich vorhabe!“ Sie stand zu nah am Abgrund. „Vielleicht kenn ich dich nicht noch nicht lange, aber….“ Er musste kurz Luft holen, bevor er weitersprach. „Aber ich hab das Gefühl, als würde wir uns schon ewig kennen. Als wäre da ein unsichtbares Band zwischen uns!“ Überraschung und Verblüffung glomm in ihren Augen auf. Lucy Ann machte einen Schritt nach vorne auf ihn zu. „Das Gefühl hab ich auch…“ Sie sagte es so leise, dass er es kaum verstand, doch sein Herz hörte es genau. „Dann komm her und geh weg vom Abgrund.“ Kai war erst zufrieden, wenn mehrere Meter zwischen Lucy Ann und dem Abgrund waren. Doch sie kam keinen Schritt näher. Stille breitete sich stattdessen aus. In diesem kurzem Augenblick durchschossen Kai eine Menge Fragen. Warum sorgt er sich nur um diese Fremde? Wer war sie? War sie das kleine Mädchen, das seit er den Kompass hatte, immer wieder auftauchte? Die beiden sahen sich ähnlich. Das war klar. Kannte er sie von früher? Doch auf keine diese Fragen fand er in diesem Moment eine Antwort. „Lucy Ann was ist?“, fragte er die Schwarzhaarige, die sich keinen Zentimeter bewegt hatte. Sie zögerte und kam dann einen Schritt näher. Das nächste geschah in nur wenigen Sekunden. Sie rutschte aus und fiel in den Abgrund. Er hatte keine Ahnung, wie er es schaffte, aber er war schnell genug da, um ihre Hand zu erwischen. Und so hing er halb im Abgrund und hielt sie an einer Hand fest. „Lass bloss nicht los. Verstanden?!“ Kai wand seine ganze Kraft auf, um sie hochziehen, was ihm auch gelang, da sie sehr leicht war. Endlich saßen die beiden auf dem Boden. „Danke!“ Lucy Ann sah ihn lächelnd an. Ihr Gesicht war seinem so nah und er hörte sein Herz laut schlagen. „Und keine Sorge. Ich hatte nie vor zu springen.“ „Warum bist du dann zurückgewichen?“ „Ich… ich…“ Ihr fiel kein Grund ein. „Ich weiß nicht.“ Kai wühlte in seiner Tasche und holte den Kompass hervor. „Der gehört dir.“ Ihr Blick fiel auf den Kompass, dessen Nadel genau auf sie gerichtet war. Lucy Ann hatte ihre Antwort bekommen. „Danke!“ Sie nahm den Kompass wieder an sich. Noch war nicht die Zeit gekommen, dass er wieder zurück zu seinem wahren Besitzer kehrte. Erst musste Kai sich an alles wieder erinnern. „Gehen wir zurück zur Jugendherberge?“, fragte Lucy Ann lächelnd. Er nickte und die beiden standen auf. Schweigend gingen sie zurück zu den anderen. Jeder hing seinen Gedanken nach. Am nächsten Tag würden sich ihre Wege wieder trennen. Kurz bevor sie das Lagefeuer erreichten, fragte Kai leise: „Werden wir uns wiedersehen?“ Lucy Ann drehte sich zu ihm um. „Das werden wir. Ganz sicher.“ Sie trat auf ihn zu und küsste ihn auf die Wange. „Mein Herz sagt mir wir werden uns sogar sehr bald wiedersehen.“ In ihren grünen Augen schimmerte Gewissheit und damit verschwand sie. Kai blieb allein und verwirrt zurück. Aber zwei Dingen war er sich absolut sicher. Erstens hatte sie völlig Recht mit ihren Worten. Das sagte ihm sein Herz. Und zweitens wusste er, dass er sich in sie verliebt hatte. Der Wind rauschte durch die Blätter und flüsterte leise von einem baldigen Wiedersehen. Ich erlangte in dieser Nacht die Gewissheit über den Verbleib meines Bruders. Ich gab ihm vielleicht nicht den Kompass wieder, aber ich wusste, dass er bei unserem nächsten Wiedersehen wieder an Kai gehen würde. Schließlich gehörte der Kompass ihm. Aus diesem Grund hat er wohl auch Kais langverschollenen Erinnerung wieder aufgerüttelt. Ich wusste, dass er sich nicht an alles erinnern würde, denn ohne den Kompass war das erheblich schwerer für ihn. Doch ich hielt es für das beste, wenn er erst einmal in sein altes Leben zurückkehrte. Natürlich hatte ich einiges in ihn aufgewühlt, aber er sollte nicht sofort zurück an meine Seite kommen. Dafür war noch genug Zeit. Es tat mir im Herzen weh, als ich am nächsten Tag wegfuhr ohne mich von ihm zu verabschieden. Mein Herz war ebenfalls aufgewühlt und doch müsste ich mich gedulden. Der Wind hatte mir bereits ein baldiges Wiedersehen versprochen. Hätte ich damals doch nur geahnt, dass unser nächstes Treffen von vielen Schatten begleitet wurde und nicht so glücklich war, wie ich mir erhofft hatte? Aber eines will ich euch verraten: Mein Bruder ist zurück an meiner Seite und uns wird nichts noch einmal trennen….. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)