Die Prüfung von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Elfenwald – Die Prüfung Trübsinnig saß sie am See und ließ ein ums andere mal einen Stein über die Wasseroberfläche des Sees titschen. Alles war erstunken und erlogen gewesen und sie Närrin war darauf hereingefallen. Etwas in ihr hatte ja versucht sie vor der Lüge in den Worten der Alten zu warnen. Aber sie hatte die Stimme in ihrem Kopf ignoriert. Sie hatte es einfach glauben wollen, egal wie unrealistisch es klang. Und nun saß sie hier mit Wut und maßloser Enttäuschung im Herzen und ärgerte sich über ihre eigene Dummheit und Leichtgläubigkeit. Elfenwald?! Pah! So nannten die Alten ihres Dorfes diesen unwegsamen und düsteren Wald. Ein Wald voller Schrecken wie Nachtmahre, Schwarzalben und verzauberten Tieren ... und Elfen. Das erzählten die Alten bei jeder Gelegenheit. Warnend waren ihre Worte und doch so verlo-ckend. Kein Wunsch in ihr war je so groß gewesen, wie der, all die Wunder und Schrecken dieses magischen Waldes mit eigenen Augen zu sehen. Platsch, platsch, platsch ... der nächste Stein fand seinen Weg hüpfend über die Oberfläche des Sees und versank im klaren grün des Wassers. Nichts! Rein gar nichts hatte sie bisher von dem zu Gesicht bekommen. Mit einem wütenden Seufzen folgte ein heftig geschleuderter Stein dem anderen. Er berührte das Wasser so oft wie es kein Stein zuvor geschafft hatte und ... verschwand mitten im 13ten Sprung einfach kurz über der Wasseroberfläche ... Verdutzt blinzelte sie und rieb sich über die Augen. Wo war er? Der Stein hatte gerade einmal die Hälfte des Sees hinter sich gebracht, als er plötzlich verschwunden war. Auf einmal juckte sie es in den Gliedern diesem Rätsel auf die Schliche zu kommen. Sie nahm erneut einen Stein und warf ihn zielgenau zu der Stelle, wo der andere verschwun-den war. Auch dieser Stein schien sich einfach in Luft aufzulösen. Dieses mal jedoch gewahrte sie selt-same Wellen in der Luft und das Aufflackern eines Bildes. Es zeigte eine in strahlendes Licht getauchte Lichtung. Vollkommen von ihrer Neugier überwältigt und die Wut und Enttäuschung von vorhin ver-gessend, watete sie in den See hinein. Das Bild und die sonderbaren Wellenbewegungen in der Luft waren bereits verblasst. Aber sie hatte die Stelle fest im Blick und schwamm mit kräftigen Zügen dort hin. Doch sie kam nie dort an. Etwas packte sie mit solcher Kraft am rechten Fußgelenk und zerrte sie mit unerbittlicher Gewalt in die Tiefe. Ein Schrei wollte ihr über die Lippen kommen, doch sah sie nur einen silbrig schimmernden Vorhang aus Luftblasen, der an ihr vorbei und gen Wasseroberfläche strebte. Panisch wandte sie sich im Griff einer grüngeschuppten Hand. Trat und schlug um sich und vergeudete die ihr schon jetzt zu knappe Luft. Ihre Lungen schrieen bereits nach Sauerstoff. Ihr Mund wollte sich öffnen, um dem schmerz-vollen Ziehen in ihrer Brust nachzugeben. Sie versuchte das Jagdmesser an ihrem linken Stiefel zu zücken, als plötzlich zwei weitere geschuppte Hände aus dem grünleuchtenden Wasser ihre Arme umklammerten. Blubbernde Worte drangen an ihre Ohren, aber das Rauschen ihres eigenen Blutes ver-schluckte die Worte. Sie wandte den Kopf und blickte in ein fast menschliches Gesicht mit bernsteinfarbenen Au-gen. Ausdruckslos musterten sie sie. Eine Hand löste sich von ihren Armen und zwang ihre Kiefer auseinander. Sie spürte wie Wasser in ihren Mund eindrang. Mit letzter Kraft versuchte sie sich aus dem Griff der beiden Seemänner – denn um nichts anderes konnte es sich bei diesen Wesen handeln – zu befreien. Etwas Schleimiges fand den Weg in ihren Mund, was sie unweigerlich runterschlucken muss-te, um nicht daran zu ersticken. Ziemlich widersinnig, wenn die andere Alternative ertrinken war ... Weder das eine noch das andere trat ein. Sie gab dem brennenden Schmerz in ihren Lungen nach und öffnete den Mund, um vermeintlich nach Luft zu schnappen. Sie schloss die Augen im Glauben, dass dies der Augenblick sein würde, in dem sie vor die Götter trat, um die letzte Prüfung abzulegen. Ein schwaches Leuchten drang durch ihre geschlossenen Lider. Zögerlich öffnete sie die Au-gen. Verblüfft stellte sie fest, dass sie mit einem mal erstaunlich gut in dem trüben Wasser sehen konnte und was noch erstaunlicher war ... sie konnte atmen. Sie wandte sich um und blickte in das breit grinsende Gesicht des Seemannes, der ihr dieses schleimige Zeug in den Mund geschoben hatte. Er ließ sie los und bedeutete seinem Gefährten es ihm gleich zu tun. Völlig verblüfft über diese jähe Wendung galt ihr erster Gedanke nicht etwa der Flucht. Nein, sie wollte wissen, was das alles zu bedeuten hatte. Und so folgte sie dem Seemann, der vom Äußeren her nicht wesentlich älter sein konnte als sie selbst. Dieser deutete mit dem ausge-streckten linken Arm auf den Ursprung des Leuchtens. Ein gutes Stück von ihnen entfernt und tiefer als sie es dem kleinen See zugesprochen hätte, öffnete sich eine gut beleuchtete Höhle. Flink wie Fische schwammen die Seemänner auf die Grotte zu und sie hatte ihre liebe Müh ihnen zu folgen. Die beiden hatten sich bereits an den aus Stein gemeißelten Tisch gesetzt und erwarteten sie. Ohne zu zögern setzte sie sich zu ihnen. „Dir liegt eine Frage auf dem Herzen. Nun stelle sie ruhig.“ „Warum habt ihr mich her gebracht?“, fragte sie unumwunden. „Du sollst eine Prüfung ablegen.“ Verwirrt blinzelte sie den Älteren der beiden Seemänner an. „Eine Prüfung? Warum und wofür soll ich eine Prüfung ablegen?“ „Das erfährst du, sobald du sie bestanden hast?“, entgegnete der Alte ruhig. „Und wie kommst du darauf, dass ich sie ablegen werde, ohne zu wissen, wieso?“ „Weil du keine andere Wahl hast.“ Damit öffnete sich ein leuchtendes Portal in der Wand hinter ihr und sog sie auf. Plötzlich fand sie sich auf einer Lichtung. Sie war ihr irgendwie vertraut. Es war die Lichtung, die sie vorhin über dem See gesehen hatte. Und lagen dort nicht die beiden Steine, die sie durch dieses seltsame Fenster in der Wirklichkeit geworfen hatte? Eine Stimme erklang plötzlich in ihrem Kopf: „Töte das Tier, das dir als erstes begegnet und bringe uns, was nur dieses Tier hat.“ Sie sollte was tun?! Sie hatte noch nie ein Tier getötet! Etwas raschelte vor ihr und ein gehörntes Wesen trat zwischen den saftig grünen Zweigen hervor. Es war ein Einhorn. Ein Tier. Ein magisches Tier. „Das könnt ihr nicht von mir verlangen!“, schrie sie. Sie wandte sich zu dem Einhorn um. Obwohl sie aus Leibeskräften geschrieen hatte, stand es noch dort und blickte sie aus seinen weisen, sanften Augen an. „Weil du keine andere Wahl hast“, erklang die Stimme des alten Seemannes in ihrem Kopf. „Weil ich keine andere Wahl habe“, wiederholte sie. Sie trat auf das Einhorn zu, zückte ihr Jagdmesser ... und hielt inne. Gewiss meinte der See-mann das Horn dieses Wesens. „Es tut mir Leid, aber mir wurde aufgetragen, das erste Tier zu töten, dem ich begegne. Ich wünschte, es gäbe einen anderen Weg, ihnen dein Horn zu bringen, ohne dich töten zu müs-sen.“ „Du musst es nicht tun“, erwiderte das Einhorn und ein sanftes Lächeln erfüllte seine Augen. Sie war wie vor den Kopf geschlagen, sie hatte nicht gewusst, dass diese Wesen sprechen konnten. Sie konnte doch kein sprechendes Wesen töten. „Ich ... ich kann das nicht“, stammelte sie und ließ ihr Messer sinken. „Musst du mich wirklich töten, um mir das Horn zu nehmen?“, fragte das Fabelwesen. „Stirb ... stirbst du nicht, wenn ich es dir abschneide?“, stotterte sie und blickte beschämt zu Boden. „Nein, es wächst nach. Schneid es ruhig ab, es tut mir auch nicht weh.“ Und so schnitt sie dem freundlichen Einhorn, das Horn von der Stirn. Da erklang die Stimme des Seemannes erneut in ihrem Kopf. „Bringe mir die seltenste Blume dieses Waldes.“ „Die seltenste Blume dieses Waldes? Aber ich kenne diesen Wald nicht einmal“, stöhnte sie. „Alle Blumen hier sind selten, suche dir eine aus.“ Mit diesen Worten verschwand das Ein-horn geräuschlos im Wald. Sie blickte sich suchend um. „Alle Blumen hier sind selten“, hatte das Einhorn gesagt. Aber es widerstrebte ihr, eine seltene Pflanze zu pflücken. Gab es denn keine andere Möglichkeit? Sie überlegte kurz und hielt Ausschau, besah sich jede Blume, die sie fand und schüttelte an-schließend vorsichtig an einer schwer von Samen beladenen Blume. Einige Samenkörner fie-len in ihre ausgestreckte Hand. Sie sollte ihm eine seltene Pflanze bringen, er hatte nicht gesagt in welchem Stadium ihrer Entwicklung sie sein sollte. So konnte sie die Mutterpflanze unberührt lassen und der Natur hatte sie nicht mehr genommen als ein halbes Dutzend Samenkörner. Ihr triumphierendes Lächeln erlosch jedoch schon sehr bald, als sie ihren nächsten Auftrag vernahm. „Suche ein Dorf auf. Dort wirst du zwei Familien vorfinden, die schon seit langer Zeit im Streit leben. Schlichte diesen Streit und kehre dann an diese Stelle zurück.“ Die Stimme ver-stummte. Sie sollte einen schon lange anhaltenden Streit zweier Familien schlichten? Sie, die doch je-dem Streit irgendwie aus dem Weg ging? Bisher waren ihr die Aufgaben noch recht einfach erschienen. Sie hatte sie zwar nicht so wortgetreu ausgeführt, wie befohlen, aber die Ergebnisse waren die Gleichen, nur besser in die tat umgesetzt. Zumindest war das ihre Auffassung. Sie lief los, ohne wirklich darauf zu achten, wohin ihr Weg sie führte. Nicht lange hatte sie dem Weg folgen müssen, als eine Abzweigung kam und sie bereits die ersten Stimmen von Menschen vernahm. Nun, Menschen waren es nicht gerade, denn sie hat-ten alle spitze Ohren und weißblondes Haar und auch ihre Stimmen, waren schöner und vor allem melodischer als die der Menschen. Jetzt wusste sie, wo sie war. Dies war der Elfenwald und vor ihr lag ein Elfendorf. Ihr Wunsch hatte sich erfüllt. Nur leider hatte der einen schlech-ten Beigeschmack. Hier sollte sie einen Streit schlichten. Einen Streit, deren Hintergründe sie nicht kannte. Ihre Schritte wurden langsamer je näher sie dem Dorf kam. Schließlich blieb sie ganz stehen. Ein kleiner Elfenjunge kam auf sie zu gerannt. Lachend nahm er sie bei der Hand und führte sie hinter sich her zur Dorfmitte. Und wie erwartet, traf sie dort auf zwei Parteien oder vielmehr Familien, die sich stritten. Doch als der Junge sie herbeiführte, verstummte die versammelte Menge. „Das ist sie! Das ist sie!“, rief der Elfenjunge und schob sie weiter vor. „Sie wird uns helfen“, verkündete er strahlend und blickte zu ihr auf. Ein lautes Murmeln machte sich breit. Unbehaglich trat sie von einem Fuß auf den anderen. „Ich weiß nicht, ob ich euch helfen kann. Ich kenne die Hintergründe dieses Streites nicht, daher würde ich es als vermessen ansehen, euch irgendwelche Ratschläge erteilen zu wollen. Und es würde sicherlich eine Weile dauern, bis ihr mir alles erklärt habt. Wobei da natürlich die Frage besteht, ob ihr dies einer außenstehenden Fremden überhaupt erzählen wollt.“ „Weise gesprochen, Menschenkind. Voreilige Schlüsse haben uns erst soweit gebracht. Viel-leicht sehen das nun einige hier ein. Vielleicht bedurfte es erst deiner Worte, um die Gemüter wach zu rütteln. Geh nun. Deine weisen Worte möchten an anderer Stelle mehr Früchte tra-gen.“ Ein hoch gewachsener Elf nickte ihr dankend zu. Mit dem Gefühl, die Prüfung nun nicht mehr erfüllen zu können, ging sie zurück zur Lichtung und wartete auf das Urteil. Was mochte sich hinter den Worten des Seemannes verborgen haben: „Weil du keine andere Wahl hast.“ Musste sie jetzt sterben? „Nein, deine Zeit vor die Götter zu treten ist noch nicht gekommen. Denn deine Prüfung hast du bestanden. Du hast bewiesen, dass du von Moral für das Leben beseelt bist, mit der Natur im Einklang stehst und trotz deiner Jugend eine Weisheit besitzt, die viele eures Volkes noch nicht einmal im Alter besitzen. Nämlich ein vorschnelles Urteil zu fällen, ohne sich wirklich mit der Sache auseinander gesetzt zu haben. Du wirst die neue Stellvertreterin deines Volkes am Hofe der Elfenherrscher. Denn du hast dich als würdig erwiesen.“ Alicia, Stellvertreterin am Hofe der Elfen im Elfenwald. Das klang doch nicht schlecht. Nun würde sie den Elfenwald mit all ihren Wundern sehen können. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)