Bergnebel von -Elenya- ================================================================================ Kapitel 15: Kontakt mit Menschen -------------------------------- Kontakt mit Menschen Es dauerte nicht lange, da hatte Lienna ihre Brüder im „Jaulenden Wolf“ entdeckt. Sie standen nebeneinander auf einer Art Bühne uns spielten schnelle Tanzmusik, zu der viele Zauberer ihre Beine bewegten. Als sie Lienna erblickten ruderte Ranor wie wild mit den Armen und Aoe rief: „Seht Leute, hier kommte unsere Sängerin!“ Eigentlich hatte Lienna ja vorgehabt Nârl zu befreien, aber sie hatte Lust zu singen und die Sache mit Elar zu vergessen. Also stürmte sie nach vorne und nahm sich eine Trommel. Ranor griff schnell nach einer einfachen Holzflöte und begann mit einer langsameren Melodie, die jedoch immer noch einen schnellen Rhythmus in sich trug. Lienna sang so gut sie konnte und versuchte sich auf nichts anderes zu konzentrieren, doch sie musste immer wieder an Elar denken. Was würde passieren, wenn Lyrux von dem was Elar getan hatte erfahren würde? Lienna wagte kaum daran zu denken. Aoe spielte wie wild sein Solo und Lienna sah Schweißperlen auf seiner Stirn blizten. Seine Finger wanderten schnell von einer Saite zur andern und sein Bogen berührte einige Male die niedrige Decke des Zwischenraumes, indem sie spielten. Liennas Pause war zu Ende und ihre Stimme erhob sich wieder laut über die Menge, die sich um die Drei versammelt hatte. Lauter Jubel brach aus, als sie fertig waren. Verschwizt und keuchend verbeugten sie sich, dann wandte Lienna sich zu ihren Brüdern um. „Ich möchte zu Nârl.“, sagte sie schlicht und Ranor legte seine Flöte auf die Trommel. Aoe packte sein Instrument beiseite und sagte: „Wenn du willst, dann gehen wir zu ihm.“ Lienna nickte entschlossen und Ranor bahnte ihnen einen Weg durch die jubelnde Menge. Jemand bot Aoe einen vollen Bierkrug an, auf den sich der junge Zauberer stürzen wollte, doch Lienna hielt ihn zurück. „Wollen wir nicht zu Nârl?“ Schuldbewusst senkte ihr Bruder den Kopf. „Natürlich.“, erwiderte er und im nächsten Augenblick standen sie im kalten Schneetreiben. Es war ein langer Weg zum Richter, und die Drei wickelten sich warm ein. Die Gefangenen wurden immer zum Richter gebracht, bis dieser ein endgültiges Wort über denjenigen gesprochen hatte. Dann wurde er meistens in den Kerker auf die Burg gebracht. Doch Nârl war glücklicherweise noch beim Richter, da bekam er wenigstens ein wenig mehr zu essen. Der Schnee knirschte laut unter Ranors schweren Schritten. Aoe gab fast keine Geräusche von sich, sein Gesicht war rosig und er hatte blaue Lippen. Liennas Finger fühlten sich an, als hätte sie sie in Eiswasser getaucht. Die nebleartigen Luftwölkchen aus ihren Mündern formten bizarre Gestalten in die kalte Luft. Es war schrecklich dunkel um sie herum – nur der Vollmond spendete ein wenig Licht, welches ihren Weg beleuchtete. In dieser eisigen Nacht schien alles erstarrt. Man hörte kaum einen Laut in den Straßen. Hin und wieder kam ihnen ein Zauberer entgegen, dick eingepackt in warme Wintersachen. Lienna vermutete, dass viele auf dem Weg zum Gasthaus waren, denn wohin sollte man sonst zu so später Stunde? Irgendwann durchbrach Aoe die kalte Stille. „Wo bist du eigentlich den ganzen Tag gewesen?“, fragte er und Lienna hörte die Neugierde aus seiner fröhlichen Stimme heraus, die sie schon oft aus trüben Gedanken zurück geholt hatte. „Ach...hier und dort.“, begann Lienna, unschlüssig ob sie ihren Brüdern über ihren Tag erzählen sollte. „Bei Lyrux.“ Aoe musste grinsen und stieß seiner Zwillingsschwester seinen Ellenbogen in die Seite. Der Stoß wurde von Liennas schwerem Mantel abgefangen. „Na, wie findest du denn den guten alten Lyrux?“, wollte er wissen und grinste ununterbrochen weiter. Lienna fühlte sich peinlich berührt. Lyrux war sehr nett, aber so wie er in letzter Zeit Elar...Elar! Elar war ja auch noch da. Der nette und gutaussehende Elar, den Lienna gerettet hatte. Er war kein typischer Prinz, nein er hatte etwas an sich, was Lienna mochte. Obwohl sie ihn erst seit ein paar Tagen kannte. Nun, sie mochte ihn nun einmal. Aber Lyrux war für sie auch ein richtig guter Freund. Er hatte seine Kindheit mit ihr verbracht, er hatte ihr geholfen, wenn sie traurig war. Er hatte sie in den Arm genommen, wenn sie Angst gehabt hatte. Und er hatte sie beschütz, als sie allein im Wald übernachtete hatten. Was konnte Elar dagegensetzen? Einen gemeinen Kuss, den Lienna nicht gewollt hatte? Doch da meldete sich ein neuer Gedanke in ihrem Kopf und dieser hallte laut durch ihn hindurch. Ein schöner Gedanke, doch Lienna hielt noch Abstand zu ihm. Es war ein schöner Kuss., schallte es durch sie hindurch. Ein schöner Kuss. Lienna atmete tief ein und aus, dann klammerte sie sich an diesen Gedanken, dieses Gefühl, das sie dabei durchströmte. Es war ein wunderschöner Kuss. „Lienna?“, holte Aoe sie aus ihren Gedanken zurück. „Was ist nun mit Lyrux?“ Lienna schaute ihren Bruder lange an, dann sprach sie leise: „Er ist ein guter Freund.“ „Ein guter Freund, was soll das heißen? Drück dich etwas genauer aus!“, drängte Aoe, doch Ranor legte eine Hand auf seines Bruders Schulter, die ihn zum Schweigen brachte. „Lass sie. Wenn es das ist was sie empfindet, dann müssen wir es dabei belassen.“, sagte er und Lienna dankte ihm still dafür. Möglich, dass sie auch noch die Sache mit Elar ausgeplappert hätte, wenn Aoe weiter gefragt hätte. Ein schöner Kuss. Ranor schien jedoch noch nicht fertig zu sein, denn er schaute Lienna seltsam an. Es schien ihr, als wüsste er Dinge, die Lienna niemand anderem erzählt hatte. Er hob den Kopf in die Höhe und betrachtete die Sterne am Himmelszelt. Dann fragte er: „Hattest du in letzter Zeit Kontakt mit Menschen?“ Lienna erstarrte. Woher sollte Ranor das wissen? „Kontakt...mit...Menschen?“, stammelte sie und Ranors scharfe Augen blitzten wieder zu ihr. „Ja, ich meine ob du in letzter Zeit mit einem Menschen zusammen warst?“, fragte er noch einmal. Dann fügte er mit einem Lächeln hinzu: „Kein Angst, ich bin nicht wie Enan. Ich möchte es nur wissen.“ Lienna räusperte sich, dann fragte sie zurück: „Warum glaubst du, dass ich mit einem Menschen in Kontakt stehe?“ Ranor lachte laut und große weiße Wolken flogen aus seinem Mund in die kalte Nacht. „Ach, das ist doch ganz leicht. Seit der Nacht am Lagerfeuer, verhieltst du dich anders. Du wolltest länger bleiben, als bräuchtest du lange, um das Feuer zu löschen. Am nächsten Morgen wolltest du sofort wieder weg und kamst erst heute abend wieder. Die Menschen suchten jemanden, der sich wohl im Wald verlaufen haben sollte. Der Wirt hatte ihn in seinem Schankhaus gesehen mit einem Mädchen zusammen. Er erinnerte sich nicht mehr wer sie war, weil er schon so betrunken war, aber ich kann mir denken, wer das gewesen sein könnte!“, erklärte er und Lienna bewunderte Ranor für seine Auffassungsgabe. Einen Moment überlegte sie, ob sie lügen sollte, aber irgendwann wäre die Sache mit Elar sowieso rausgekommen. Sie seufzte und dann begann sie zu erzählen. Bis zum Schluss nannte sie nicht Elars Namen. Als sie schon vor dem alten Haus des Richters standen, beendete Lienna ihre Erzählung. „Und dieser Junge ist Prinz Elar Tranûr Eyin.“ Sie lächelte ihre verblüfften Brüder an und schritt feierlich die Treppe zur Eingangstür hinauf. Es war ein schöner Kuss, flüsterte eine Stimme tief in ihr. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)