Die Horrorhochzeit von Konoha von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 3: ----------- Letztendlich eine lästige Veranstaltung. Gaara bedauerte es nicht, sie verlassen zu müssen. Er mochte Konoha nicht besonders. Er gehörte so oder so nicht zu den Personen, die Zuneigung zu Orten entwickelten. Die viel zu aufdringliche Masse an Farben schmerzte ihn fast in den Augen. Das viel zu fröhliche Lachen der Menschen, die morgen bereits vergessen haben würden, warum es einen Grund zum Lachen gegeben hatte. Vermutlich hatten sie das jetzt schon vergessen. Kankuro trat ungeduldig von einem Fuß auf den anderen. Er fühlte sich unwohl, empfand alles als zu laut und feuchtkalt. Die Kälte hatte sich seit seiner beinahe tödlichen Vergiftung in seinen Knochen festgesetzt. Gaara erwiderte seinen wartenden Blick nicht. Wo blieb Temari? Darüber hatte sein älterer Bruder sich vorhin gewundert, und die Frage stand nach wie vor im Raum. Gaara betrachtete nachdenklich die Sanduhr, die glänzend und unhörbar knisternd an dem Gurt quer über seine Brust hing. Ein Willkommensgeschenk der Hokage, weder einfallsreich noch enthusiastisch. Gaara war längst vertraut mit der Meinung, ein Teenager könne nicht ernsthaft das Amt des Kazekage übernehmen. Er teilte sie sogar. Sein frostiges Auftreten und seine akzentlose, gehobene Sprechweise konnte nicht davon ablenken, dass er jung war. Persönlichkeiten wie er lenkten andere mit dem Respekt, den sie einflößten, oder mit banaler Angst, von der Gaara wusste, wie viel sie in 'seinem' Land vorhanden war. Persönlichkeiten wie Naruto hatten die Gabe, andere wirklich zu erreichen und sich ihren innersten Gehorsam zu sichern. Sie konnten Vertrauen wecken und Kriege mit simplem Charisma gewinnen. Vorausgesetzt, man hatte sie nicht bereits besiegt. Gaara weigerte sich zu glauben, dass Naruto besiegt war. Wenn jemand seiner Vorstellung einer Führungsperson entsprach, war es Naruto. Selbstverständlich, Orochimaru aus Otogakure oder Pein aus Amegakure banden andere nicht weniger effektiv durch geteilte Interessen. Aber bloße Interessen würden nie erreichen, was Naruto mit der lächerlich simplen Absicht geschafft hatte, seine Freunde und sein Dorf zu retten. Nein, er war nicht besiegt. Aber er nahe daran, sich besiegen zu lassen. Schließlich war Gaara nicht rein aus repräsentativen Gründen hier. Es wurde überprüft, wie die Bevölkerung und die Bündnispartner die Verbindung aufnahmen. Eine Hochzeit, wie sie sonst im Hyuga-Clan üblich war, hätte wohl kaum so viel Aufmerksamkeit erregt, abgesehen davon, dass noch kein Mitglied der Zweigfamilie in die Stammfamilie eingeheiratet hatte. Gaara schloss daraus, dass die Feierlichkeit politische Veränderungen zur Folge haben würde. Möglicherweise suchte die Hokage tatsächlich Kandidaten für ihre Nachfolge, wie Gerüchte es behaupteten. Naruto würde sich gegen jeden durchsetzen, bis auf Neji Hyuga. Keine angenehme Ahnung, doch Gaara hatte Erfahrungen. Er erkannte, wenn jemand kapitulieren wollte. Aus reiner, kindlicher Solidarität erwog er, das Bündnis in diesem Fall zu brechen, mit der Begründung, ein einzelner Clan übernehme das Dorf. Er gestatte sich den Gedanken bewusst und schob ihn beiseite. Die Sanduhr lief ab. In drei Minuten würden sie gehen und es Temari überlassen, sie einzuholen. Seine Schwester war alles Andere als dumm, aber sie ignorierte stets den Zeitpunkt des geeigneten Rückzugs. Sie kannte ihn und seinen unerweichlichen Grundsatz, Suna ein eigenständiges Land bleiben zu lassen. Das letzte, was er dazu brauchte, war ein fremdes, hochintelligentes Genie an der Seite einer seiner wichtigsten Vertrauten. "Sie kommt zu spät.", stellte Kankuro unumwunden fest und fügte auf die unausgesprochene Frage hinzu: "Das hat sie angedeutet." Gaara nickte. Der Abstand schmolz mit dem Sand in der oberen Hälfte. Die Art, wie Temari ihren wehenden Satinrock raffte, um ihre energischen, weit ausgreifenden Schritte zu ermöglichen, machte das deutlich. Nicht zu wissen, was sie tat, aber wann sie es tun würde, qualifizierte sie als Leibwächterin. In ihr Handeln setzte er genug Vertrauen, nicht in ihre Meinung des richtigen Zeitpunkts. Geeigneter Rückzug. Damit schien heute jeder zu ringen. "Baki und ich kommen nach." Baki war ein Zögerer, doch er würde nie zögern, Temaris getroffene Entscheidungen zu respektieren und nach ihnen zu handeln. Gaara wusste, wann sie Kankuro und ihn einholen würden. Mit welchen Konsequenzen er in Zukunft leben würde, darum machte er sich keine Sorgen. Es gab Wichtigeres als Konoha. "Tu nichts, was ich nicht auch tun würde." Eine kurze Andeutung rauer Zuneigung. Kankuro konnte die Frau in jeder noch so burschikosen Kunoichi sehen, und dennoch würde Temari für ihn immer mit einem Teamkamerad anstatt einer großen Schwester gleichgesetzt werden. Temari rieb sich mit dem Handrücken Rouge von der Wange und bedachte ihn mit einem langen Blick. Ihr Kinn war entschlossen vorgeschoben. "Du würdest es tun." Bunte Kaskaden von Feuerwerkskörpern explodierten mit ohrenbetäubendem Krachen am Himmel. Es schien, als würde farbenfrohes Licht sich in die Nacht fressen, um sie kurz darauf wieder auszuspucken, verqualmt und stinkend. Dennoch folgte auf jeden Knall ein bewunderndes Raunen, als wäre das flüchtige Vergnügen die Unannehmlichkeit wert. Kiba verfolgte das Schauspiel mit sichtlichem Missmut. Er würde noch tagelang den Geruch von Schwarzpulver an sich haften haben, was, wie Hana ihm unablässig predigte, nicht förderlich für den militärischen Spürsinn von Hunden war. Abgesehen davon, dass Akamaru Sicherheitsabstand von ihm halten würde. Shino und er waren aus reiner Solidarität hier. Und Ersterer hatte klargestellt, dass sie sich blicken ließen. Vielleicht hatte das einen tieferen Sinn, den er, wie Kiba selbstironisch bemerkte, nicht erfassen konnte, vielleicht hatte Shino Hinata auch einfach mehr gemocht, als er zugegeben hatte. Und jetzt war es Abend, und sie hatten nicht mal ein Wort gewechselt. In dieser Situation steckte so viel Komisches. Er hätte sich pausenlos darüber lustig machen können, wie ständig Frauen mit Kränzen und Schleiern und Kindern an den Händen um sie herumhuschten, dass es aussah wie ein Haufen aufgeschreckter Schneeflocken, dass Naruto Sakura beim Tanzen ständig auf die Füße getreten war und sein Lächeln mehr denn je einem Zähnefletschen glich, das selbst Akamaru erschreckt hätte. Wie sichtlich unwohl Shino sich fühlte, außer seiner Sonnenbrille keinen Schutz vor neugierigen Augen zu haben! Tenten hielt sich so gerade, als steckte ein Stock in ihrer Wirbelsäule, und ihre herzförmig geschminkten Lippen, rot wie Granatäpfel, passten so gar nicht in ihr Gesicht. Oh, und Inos seitlich geschlitzter Rock war hochgerutscht, als sie sich hingekniet hatte, um die Blumen aufzusammeln, und als jemand gepfiffen hatte, war sie aufgefahren und war in der Menschenmasse verschwunden, als hinge ihr Leben daran, den Wüstling zurechtzuweisen. So untypisch für die kokette, etwas leichtlebige Ino, und sie war mit ihren hohen Absätzen umgeknickt. Der Brautstrauß lag verteilt auf dem Boden und wurde mit Hingabe zertrampelt. 'Shikamaru, du Idiot'... Das hatte sie gerufen. Wie seltsam, so ein Aufheben wegen einem unter Tausend Blumensträußen zu machen. Der Hyuga-Clan zog sich zurück wie eine Muschel in ihren Panzer. Die meisten würden bereits morgen wieder Missionen annehmen und ihren Geschäften nachgehen wie an jedem anderen Tag. Ob es Flitterwochen gab? Er hatte Hinata früher immer damit aufgezogen, dass sie sich eines Tages zu dritt qualitativ miese, verwackelte Hochzeitsfotos ansehen würden – Hinata in Baströckchen vor dem weißen Strand im Süden, Hinata im Cocktailkleid auf einer Fähre in Amegakure, Hinata im Yukata vor einem schönen, altehrwürdigen Onsen, Hinata mit ihrem Ehemann, lächelnd, Arm in Arm, strahlend wie bescheuert, rosige Färbung auf den Wangen und ein lebhaftes Glitzern in den hellen Augen... Er dachte all diese Gedanken voll trockener Anschauung. Konnte an der Bowle liegen, dass sein Humor austrocknete, das Zeug schmeckte nicht. Oder er unterlag einem absurden Gruppenzwang, wie alle anderen mit Grabesmienen herumzulaufen und zu wünschen, der elende Tag wäre endlich vorbei. Kiba wünschte nicht, dass er vorbei war. Aber wenn er ehrlich war, wünschte er sich, es hätte ihn nie gegeben. Wirklich, wo waren Orochimarus fabelhafte Überraschungsangriffe, wenn man sie brauchte? Naruto würde in den Hochzeitsschrein rennen, irgendwelche alten Damen aufschrecken, weil er sich umzog und sich in... in 'Hokage Reloaded' verwandelte, Konoha retten und als Bonus noch die Braut entführen. Seinetwegen sollte er sie auch nicht zurückgeben. Nicht mal der Kazekage fand die öde Feier interessant und war verschwunden. Verdammt, Kiba. Das war witzig. Also fang an, es witzig zu finden. Da ist Hinata, an Nejis Seite, wie sollte es anders sein. Na los, tu etwas, wink' wie ein Idiot, schrei einen obszönen Spruch durch die Menge, ruf Akamaru, damit er Pfotenabdrücke auf diese ganze Seide macht, die Hinata sowieso nicht steht... Tu irgendetwas. Du willst doch nicht, dass Shikamaru und Naruto an diesem Tag die einzigen Idioten sind. Ein Murphysches Gesetz lautet: Wenn etwas schief gehen kann, wird es das tun. Ein anderes lautet: Wenn etwas nicht schief gegangen ist, wird man in der Zukunft erkennen, dass es besser schief gegangen wäre. Es ging ja nur hinter den Kulissen schief, und Neji empfand keinerlei Groll. Herzensangelegenheiten gingen den Clan nichts an. Dass diese Hochzeit Chaos auslösen würde, war vorauszusehen gewesen, das hieß, man war gewarnt worden. Und auf eine Warnung folgte die Vorbereitung, das war eine unumstößliche Regel. Weiße Seidenbahnen als Zeichen kühler Berechnung. Es war nicht seine Schuld. Er sah nicht mehr viel von dem Zwischenfall, da die Distanz zu groß war und er unmöglich sein Byakugan anwenden konnte, ohne mit seinem Leben zu spielen. Ganz davon ab, dass es unerheblich war. Shikamarus Problem. Herzschlag war etwas Essenzielles. Es wurde so selten erkannt, wie wichtig er war. Das stetige Rauschen des Blutes in seinen Ohren, das gleichmäßige Dröhnen hatten ihn über den Tag begleitet, ihm die Worte anderer verhüllt. Zwischendurch waren Schemen aufgetaucht, das vor Stolz strahlende Gesicht seines Vaters oder die wenigen Momente seines Lebens, in denen er sich willkommen gefühlt hatte. Sie waren schnell in dem ruhigen Pulsieren untergegangen, genau wie die Gesichter. Es war ein schönes Zimmer. Viel heller und eleganter als sein altes im Distrikt des Nebenhauses. Wahrscheinlich würden die Zikaden hier in heißen Sommernächten keine solche Qual mehr sein... Und die defekte Regenrinne, er würde es endlich nicht mehr hören, wie das Wasser auf das glatte Teakholz seines Fensterbretts tropfte. Das hier war ein abgeschottetes Reich, in dem ihn niemand aus der Meditation reißen würde, nur weil irgendjemand – meist Lee oder Tenten – nach ihm fragte. Die Glockenblumen blühten schön in der Vase, obwohl sie keinen Puls mehr hatten. Er hatte Sehnsucht nach allem. Aber bloß für die Dauer eines Herzschlags. "Na, ist das nicht schön, schließlich hat hier mal jemand was aus Liebe getan." Mit einem freudlosen Lächeln ließ Sakura ihren Stift über die Linien tanzen. Augenzeugin, was für ein Job. Und wie lange hatte sie keine richtig entsetzten Gesichter mehr gesehen? Die Menschen vergaßen ja allzu schnell, dass sie in einem Militärdorf lebten. Aber letztlich war es egal, die Feier war eh größtenteils vorbei und Ino... Ino lebte noch. Tsunade mochte eine kluge Frau sein, allerdings hatte das nicht dazu geführt, dass sie die Lage ganz erfasst hatte. Nun gut, sie hatte anderes zu tun. Gaara zu kontaktieren zum Beispiel. Und versuchen, das Bündnis zu retten. Er war immer noch schneller als anderen, scharfsinniger, präziser. Wie ironisch, dass ausgerechnet Sasuke Ino gerettet hatte. Na, nicht gerettet, eher vor größerem Schaden bewahrt. Mit einem so großen Fächer kommt man in einer Menschenmenge nicht mal weit, erstrecht nicht mit einer Handvoll ausgebildeter Ninja um sich herum. Sakura setzte eine ordentliche Unterschrift unter ihre Beobachtung. "Bist du fertig?" Sasuke hob nicht den Kopf. Nein, war er nicht. Er verharrte stattdessen an einer der Leitfragen. Frage fünf des Formulars. 'Wie sind Sie auf den Vorfall aufmerksam geworden?' Den Punkt hatte Shizune hineingesetzt, um irgendetwas zu analysieren, das Sakura sich lieber vom Leib hielt. Sollte er den Punkt eben auslassen, wie die Jo-nin es ständig taten und sich nicht von einem kleinen Mädchen – der Großteil derjenigen, mit denen sie zu tun hatte, hätte ihr Vater sein können – sagen, wie sie ein Formular auszufüllen hatten. Dieses elende Formular war eh bloß ein kläglicher Versuch, wieder so etwas wie eine Polizei in Konoha einzuführen, nachdem dieses vom Uchiha-Clan geführte Monopol schmählich untergegangen war. Tja, sollte das ein Zeichen sein? Sie war zufällig in Inos Nähe gewesen, als diese seltsam verspätet zurückkehrte, nachdem sie erfolgreich zurechtgewiesen hatte, wer auch immer ihr nachgepfiffen hatte. Und sie musste ihr Urteil revidieren, keine drei Punkte für Ino. Fünf... Fünfeinhalb. 'Shikamaru, du Idiot'. Sakura hätte ganz gern gewusst, wo der Brautstrauß war. Nun ja, dachte sie mit staubtrockenem Humor, er würde in Zukunft wohl weniger abfällige Kommentare über melodramatische Frauen machen. "Lass das, gib es her." Sie wollte nach Hause, die Arbeit vergessen und schlafen. Vielleicht sollte sie Tsunade bitten, als Ärztin einem Team zugeteilt zu werden, möglicherweise sogar Anbu... Sie zog das Blatt weg, ohne zu viel auf seinen bohrenden Blick zu geben. Schneller als sie drückte Sasuke das Papier auf den Schreibtisch, verkeilte es unter seinem Unterarm. Wenn es riss, würde es an Sakura hängen bleiben, das abzuschreiben. Noch weniger Zeit zum Schlafen. "Gib es her.", wiederholte sie mit klarer, gereizter Stimme. Sie mochte den Ausdruck seiner Augen nicht. Natürlich wurde sie rot, sie war empört und beschämt zugleich, und die Süffisanz, mit der er diese Situation ausnutzte, machte sie wütend. So wie früher Naruto reizte nun ausgerechnet Sasuke sie dazu, ihn anzuschreien. Und ebenso natürlich schrie sie nicht, um sich selbst zu erniedrigen und ihn zu amüsieren, außerdem würde sie ja eh keiner hören. Um diese Zeit war hier niemand mehr. "Ich bin nicht fertig.", sagte er beinahe sanft. Sakura zog wieder an dem Bogen. "Völlig egal, ich hab nicht ewig Zeit, also sei ein braver Junge und lass los." Es gelang nicht, ihn zu mokieren, und die Riemen ihrer Sandaletten scheuerten unangenehm an ihren Fesseln. Dieses kaum sichtbare Lächeln war da und erweckte in ihr den Wunsch nach einem hysterischen Wutausbruch. Niemand war gestorben, und aus Erfahrung wusste sie, dass die altehrwürdigen Clans von Juristik nichts hielten, Inoichi Yamanaka demnach keine rechtlichen Schritte einleiten würde, um den Angriff auf seine Tochter zu rächen. Wozu brauchte sie den verdammten Beobachtungsbogen?! Vielleicht redete ihre innere Stimme, die ihr trotz ihrer geistigen Reife treu geblieben war, ihr auch nur ein, dass sie den blöden Wisch brauchte, schließlich stammte er von Sasuke. Sakura zog mit einem heftigen Ruck, das Reißen des Papiers besänftigte ihren Zorn etwas. Sie musste nach Hause, nicht auszudenken, wie sähe es denn aus, wenn sie morgen nicht zum Krankenhaus ginge, um ihre Freundin zu besuchen...? Es war ein Ritual, von dem sie nicht lassen konnte. Ino hatte bereits begonnen, sich einen Spaß daraus zu machen und einen Schnittblumenkatalog zusammenzustellen, wer welche Blumen bekam. Nun, Inos Spalte war noch leer. Sakurs hasste und liebte diese Rolle gleichermaßen, war es doch der einfachste Weg, sich an einen kleinen Teil ihrer unbeschwerten Kindheit zu klammern. Keine kitschigen Fotos, keine viel zu kleinen Kleidchen, keine alten Tagebücher, sondern Krankenhausbesuche mit verschiedenen Sorten von Schnittblumen. Es war krank. Cosmea oder Wasserdost? Sasuke interessierte das gerissene Blatt nicht. Er schrieb ungerührt auf das untere Ende des Bogens, zerknittert, wie er war. Sakura warf den Rest auf den Boden. Sollte Shizune sich damit beschäftigen. "Und jetzt raus." Sakura stemmte die Hände in die Hüften. Ihre Augen funkelten wütend. Sasuke sah auf, das feine Lächeln wurde deutlicher. "Hier." Er reichte ihr den Fetzen. Punkt fünf war ausgefüllt, welch Triumph. Sakuras Arm schnellte vor, beschrieb einen Halbkreis, traf seine Wange aber nicht, ganz knapp. Stattdessen wies er zur Tür. "Raus. Sofort." Mit einem ebenfalls kaum wahrnehmbaren Schulterzucken stand er auf, durchquerte den Raum und überschritt die Schwelle, die Tür leise und sorgfältig hinter sich schließend. Als wäre gar nichts gewesen. Wie sind Sie auf den Vorfall aufmerksam geworden? Was ist, wenn du nicht bist, wo ich bin? Was ist, wenn ich nicht bin, wo du bist? Sakura Haruno Sakuras Magen rebellierte, und sie war froh, dass sie nicht festlegen konnte, warum. Sie war verwirrt und zornig und das, was dabei herauskam, wenn man beides zugleich war. Sie atmete tief ein und aus, dann öffnete sie das Fenster und kletterte heraus. Die Nachtluft war angenehm kühl und aufgeladen mit den zahllosen Düften der Hochzeit und dem durchdringenden Gestank von verbranntem Schwarzpulver. Sie löschte das Licht und streifte ihre Sandaletten ab, nahm sie in eine Hand. Und setzte zum Sprung an. Sie würde heute Nacht nicht schlafen, das wusste sie bereits. Sie würde sich nicht herumwälzen, sondern bei aufgerissenem Fenster den Himmel anschweigen und hin und her überlegen. Es könnte als Entschuldigung gemeint gewesen sein. Sie könnte endlich von zu Hause wegziehen, wie sie es schon so lange wollte, weil die harmonische Normalität ihres Elternhauses sie quälte. Eine hübsche kleine Wohnung mit Topfpflanzen, einem überschaubaren Garten und einem Haustier... nein, das würde nicht klappen, wenn die Missionen sie einnahmen. Sie sprang über die Lichter der Hochzeit hinweg, den Blick unbestimmt in die Ferne gerichtet. Cosmea oder Wasserdost? Oder etwas ganz Neues... Ino war diejenige, die den Katalog komplettieren würde. Danach konnte sie es abschließen, die ewigen Krankenhausbesuche, die nicht mehr recht zu passen schienen, wie ein Kleidungsstück, aus dem man herausgewachsen ist, doch nicht richtig weiß, wo es genau zu klein geworden ist. Vielleicht konnte sie dann endlich ganz erwachsen werden. Es war nicht einfach gewesen, aus dem Kimono herauszukommen. Das war es nie, aber ein Hochzeitskimono war noch mal anders. Man sollte beinahe froh sein, ihn nur ein Mal im Leben tragen zu müssen. Ihre Kopfhaut schmerzte von der straff gezogenen, kunstvollen Frisur, und sie war erleichtert, sowohl Reispuder als auch Blütenstaub völlig abgewaschen zu haben. Zurück blieb ein blasses, erschöpftes Gesicht, dessen pupillenlose Augen mit leiser Ungeduld im Spiegel beobachteten, wie die letzten ihrer 'Begleiterinnen' würdevoll das Zimmer verließen und sich mit federnden Schritten entfernten. Befreit von Seide und Brokat, Puder, Schmuck und Blumen, kam es Hinata dennoch so vor, als drückte etwas auf ihre Brust und schnürte sie zu. Sie stand auf und betrat den exquisit ausgestatteten Raum, der das eheliche Schlafgemach war. Ein Kohlebecken in der Ecke verbreitete Wärme, obwohl es warm genug war, und es roch nach Räucherstäbchen. Genauso, wie die Hyugas für gewöhnlich kein großes Aufheben um eine Hochzeit machten, so ließen sie auch romantisch motivierte Traditionen wie die bedeutungsvolle Hochzeitsnacht oder die ausschweifenden Flitterwochen aus. Niemand sprach richtig darüber. Schweigen war Ablehnung. "Was tust du da?" Neji lehnte sie aus dem Fenster, den Kopf nach oben verrenkt. Als Hinata ihn ansprach, zog er sich ins Innere des Anwesens zurück. Es schien, als hätte er etwas gesucht, dass nicht da war. Als würde er auf einen Sommerschauer hoffen. Mit einem scharfen Knallen wurde der Fensterladen geschlossen und ein Riegel davor geschoben, dasselbe passierte beim anderen Fenster des Schlafzimmers. Jetzt strahlte nur noch das Kohlebecken Licht aus. Es war dämmrig. Es gab sicher mehr als tausend Sätze, die man in dieser Situation hätte sagen können. Sie dachte an eine zertrampelte Kamelie, die in den Rinnstein geweht wurde. "Schicksal." Nejis Stimme war leise, nicht mehr als ein Raunen. Welch ironischer Titel für das Possenspiel des heutigen Tages, dessen Hauptdarsteller sich immer noch nicht durchschauen ließen. Und es auch nie tun würden. "Vielleicht." Hinata blickte zu Boden, kurz, und sah auf, schnell, lächelte andeutungsweise. Sie war so sicher, dass er ihr Gesicht nicht erkennen konnte und dass er es nicht wollte. "Aber ich glaube... das ist wirklich Leben – wir leben...!" Leben pulsierte durch ihre Adern und war dabei so quälend still. "Ja." So still. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)