Illusion of Time/Gaia von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 4: 4 ------------ Das Haus, in dem Will lebte, gehörte erst seit wenigen Jahren der Familie. Dennoch war es immer Oma Lolas ganzer Stolz gewesen, weswegen sie es stets in bester Ordnung gehalten hatte. Um so geschockter war Will, als er nach der Reise hierher keine überglücklichen Großeltern, sondern ein völlig in Stücke gehauenes Wohnzimmer vorfand. Er sah sich ungläubig um, sah etwas und bückte sich, um es aufzuheben. Als Kara sich ihm mit langsamen Schritten näherte, erkannte sie das Foto seiner Eltern; vom Rahmen waren nur noch Splitter übrig. Sie legte ihm behutsam eine Hand auf die Schulter. “Will…” “Was ist hier passiert?”, fragte er leise. “Wo sind meine Großeltern?” “Vielleicht sind sie oben!”, erschrak Kara und lief los, um nachzusehen. Will konnte sich nicht rühren, sondern sah sich jedes zerbrochene Möbelstück einzeln an. Welcher Mistkerl - welcher verfluchte Bastard! - war hierfür verantwortlich? “Will!”, rief Kara von oben und riss Will aus seinen Gedanken. “Will, komm schnell!” Er eilte nach oben und sah, wie Kara entsetzt auf etwas an der Wand zeigte. Als Will es sich genauer besah, erkannte er das Zeichen des berüchtigtsten Kopfgeldjägers des ganzen Reiches. Das Zeichen des Mannes, um den sich mehr Mythen rankten als um das gesamte Königshaus; der als ’Das Böse’ schlechthin und für seine unvergleichliche Skrupellosigkeit bekannt war - das Zeichen des Schakals. “Will, sieh nur, sieh nur! Der Schakal! Der Schakal war hier!!”, schrie Kara hysterisch. Sie schien der Ohnmacht nahe, während Will dem Gekritzel nicht mehr als ein zorniges Knurren abgewinnen konnte. Der Schakal… Plötzlich fiel Kara etwas ein, was ihr offenbar noch mehr Angst machte. “Will…”, begann sie mit zittriger Stimme. “Erinnerst du dich, dass ich dir erzählt habe, meine Mutter hätte einen Kopfgeldjäger angeheuert?” Will riss den Kopf so schnell herum, dass er sich einen Muskel im Nacken zerrte. “Deine Mutter?“ fragte er, während er sich den schmerzenden Nacken rieb. Er hatte Mühe, seine Stimme ruhig zu halten. “Du meinst, deine Mutter hat meine Großeltern … entführen lassen?”, fragte er nach kurzem Zögern, denn er wollte nicht daran denken, was der Schakal sonst noch mit ihnen gemacht haben könnte. “Ich… ich…”, stammelte Kara. Eine durch das offene Fenster fliegende Rose ersparte es Kara, eine Antwort geben zu müssen. Will kannte sie. Sie machte vor den beiden Halt und verwandelte sich in das geheimnisvolle Mädchen aus Itory. “Habt keine Angst, ihr beiden.” “Du bist doch -”, setzte Will an, doch Kara unterbrach ihn. “Wer bist du?”, fragte sie, nun wieder in ihrem gewohnt gebieterischen Ton. Will fragte sich kurz, ob sie überhaupt bemerkt hatte, dass Lilly gerade einer Blume entwachsen war. “Ich bin Lilly, eine Freundin von Will. Hat er dir nicht von mir erzählt?” Bevor Kara die angriffslustige Antwort aussprechen konnte, die ihr auf der Zunge lag, ging Will dazwischen. “Lilly, weißt du, was geschehen ist?” “Keine Sorge, deine Großeltern sind beide in Sicherheit”, versicherte sie ihm. “Sie sind in meinem Dorf.” Will seufzte erleichtert, aber Kara, die scheinbar noch immer kein Vertrauen zu diesem sonderbaren Mädchen gefasst hatte, fragte: “Dein Dorf?” “Ja”, erwiderte Lilly gut gelaunt. “Itory.” “Itory?!”, keuchte Kara. “Itory??” Lilly kümmerte sich nicht um Karas ungläubige Reaktion. “Kommst du, Will?” Will schreckte hoch, als sein Name fiel. “Ich - ja, klar.” “Halt mal!”, mischte Karas sich erneut ein. “Ich will auch mit!” “Nein!”, sagte Lilly bestimmt. “Das ist viel zu gefährlich für eine kleine Prinzessin.” “Mein Vater ist der König! Ich tue, was ich will!” “Hast du dein geliebtes Schloss eigentlich jemals verlassen?” “Nein, darum will ich mich euch ja auch anschließen!” “Weißt du überhaupt, was in der Welt vor sich geht? Will möchte bestimmt auch nicht, dass du mitkommst, oder, Will?” “Red doch keinen Blödsinn! Will ist mein Freund! Oder nicht, Will?” Beide Mädchen starrten den armen Jungen nun fordernd an. “Ich - ähm - doch, natürlich bist du das, aber -” “Na also!”, sagte Kara triumphierend. “Komm, Will, gib mir deine Hand!” “Meine Güte…”, grummelte Lilly, und zusammen machten sie sich auf den Weg zum unauffindbaren Dorf Itory. “Nein!” Der angsterfüllte Schrei hallte noch durch die Bäume, als Will schweißgebadet aus seinem Traum hochschreckte. Es dauerte eine Weile, bis er sich orientiert hatte. Richtig, er befand sich in diesem dichten Wald, für den sie sich entschieden hatten. Der Gedanke dabei war gewesen, dass sie hier sicher niemandem begegnen würden, der die Prinzessin womöglich noch erkannt hätte. Um das noch immer prasselnde Lagerfeuer herum, das ihnen Wärme spenden und wilde Tiere fernhalten sollte, lagen Kara, Lilly und er - die Mädchen schliefen tief und fest. Er hingegen konnte schon seit dem Tag ihrer Abreise nicht mehr richtig schlafen. Im Traum verfolgten ihn die Bilder der Soldaten, die Freedan so einfach gefällt hatte - das Blut, der leere Blick, das leise Ächzen aus der geöffneten Luftröhre des älteren… Noch nie zuvor hatte er solch schreckliche Dinge gesehen. Und doch hatte er das ungute Gefühl, dass dies erst der Anfang war; dass noch weit Grausameres auf ihn wartete… Karas leises Murmeln riss ihn aus seinen Gedanken. Offenbar war sie gerade damit beschäftigt, einen Haufen Gefangener zum Tode zu verurteilen. Er lächelte; dieses Mädchen hatte etwas ganz Besonderes an sich. Sie konnte so lieb sein, wenn sie wollte, und dann wieder war sie das typische verzogene Prinzesschen. Nun ja, laut Lilly würden sie in einigen Tagen in Itory ankommen und dann würden sich ihre Wege vielleicht ohnehin trennen. Er starrte ins lodernde Feuer. Vielleicht sollte er jetzt versuchen, noch ein wenig zu schlafen. Sie hatten noch einen langen Weg vor sich und die Nacht selbst würde wohl auch noch anstrengend genug werden… Nach vier Tagen kam die Gruppe zu einem großen Hügel, wo Lilly zu Wills großer Erleichterung: “Wir sind da!”, rief. Kara zeigte sich etwas skeptischer. “Wir sind wo? Ich seh hier weit und breit kein einziges Haus.” Lilly grinste spöttisch. “Natürlich nicht. Deine Augen sind so verweichlicht wie der Rest deines Körpers. Will hingegen - nein, lass mich ausreden! Will, sag mir, was du siehst. Na los!”, forderte sie amüsiert. “Ähm -” Will hatte keinen Schimmer, was sie meinte. “Ich - um ehrlich zu sein…” “Oh…” Lillys Lächeln erstarb. “Oh - na gut. Also - kein Problem. Ähm - okay, richtig. Nimm deine Flöte, Will, und spiel die Melodie.” Diesmal wusste Will sofort, welche Melodie gemeint war; trotzdem konnte er sich nicht vorstellen, wozu das gut sein sollte. Mittlerweile hatte er allerdings gelernt, Lilly einfach zu vertrauen. Also holte er seine gute alte Flöte hervor und begann zu spielen - obwohl er die genauen Noten nicht kannte, wussten seine Finger automatisch, was sie zu tun hatten. Der Wind verteilte die sanften Noten über den ganzen Hügel, bis sie sich zu manifestieren und Gebäude zu bilden schienen. Und kaum hatte er die letzte Note gen Himmel geschickt, stand er inmitten eines winzigen Dorfes. Staunend sahen Kara und Will sich um. Was Itory an Größe fehlte, machte es zweifellos an Schönheit wieder wett. Es herrschte eine erfrischende Briese, die einem die schönsten Dinge ins Ohr zu flüstern schien; die Gebäude waren mit den verschiedensten Blüten geschmückt und ein klarer Fluss plätscherte friedlich durch das Dorf. “Na, was sagt ihr?” Lilly machte keinen Hehl aus ihrem Stolz. Sie sah aus, als hätte sie Itory eigenhändig erbaut. Kara und Will sagten gar nichts. Der Anblick hatte ihnen längst die Sprache verschlagen. Ihr Schweigen enttäuschte Lilly offensichtlich. “Na schön, was soll´s. Kommt mit, ich zeige euch mein Haus.” “Das wurde auch Zeit!”, maulte Kara, die ihre Stimme wieder gefunden hatte. “Meine Füße tun vielleicht weh…” Lilly führte die beiden an Häusern vorbei, die wie winzige Holzhütten wirkten, aber auch an enormen Bauten, die Will - hätte er nicht gewusst, wo er war - für riesige Bäume gehalten hätte. Selbst im berüchtigten Dorf Itory gab es wohl so etwas wie eine Hierarchie. Zu seiner Enttäuschung machte Lilly vor einem der eher kleineren Hütten Halt, aus deren Garten er aber zwei ihm wohl bekannte Stimmen vernahm. Als er um die Ecke sprintete, sah er, dass er sich nicht getäuscht hatte - Oma Lola und ihr Irrgärten bauender Gatte saßen sorglos auf einer Bank und genossen den Wind, der mit ihrem spärlichen Haar spielte. “Oma! Opa!”, rief Will glücklich und rannte los, um beide zu umarmen. Sie rissen die Köpfe herum und öffneten erleichtert lächelnd die Arme. “Will! Den Göttern sei Dank, du lebst!” Oma Lola schien den Tränen nahe. “Oh, Schatz, du musst dir Sorgen gemacht haben.” “Und ob, Oma! Was ist passiert?” Sie holte tief Luft. “Nachdem du die ganze Nacht weg warst, haben wir angefangen, uns ernsthaft um dich zu sorgen. Also sind wir aufgebrochen, um dich zu suchen. Kaum hatten wir die Tür verschlossen, da kam dieser Schakal an und verwüstete das ganze Haus. Wie es aussieht, haben sie diesen Kristall-Ring gesucht. Dein Großvater und ich konnten unbemerkt fliehen, doch wir wussten nicht, wohin. Itory war die einzige Möglichkeit.” “Aber - wie seid ihr so schnell hierher gekommen?” Jeder Meter des tagelangen Fußmarsches war Will noch in guter Erinnerung. “Wir hatten das Glück, einem freundlichen Kutscher zu begegnen, der nur ein paar Kröten dafür verlangt hat, uns mitzunehmen”, antwortete Großvater für sie. Da fiel Will etwas ein. “Und ihr konntet das Dorf sehen? Und - woher wusstet ihr, wo es liegt?” “Das ist eine lange Geschichte -”, begann Oma Lola, doch Lilly unterbrach sie. “Für die wir jetzt keine Zeit haben. Entschuldige, Lola.” Die alte Frau lächelt verständnisvoll. “Ach, immer diese Jugend. Keine Geduld mehr. Na ja… Ich danke dir jedenfalls, dass du Will hergebracht und auf ihn Acht gegeben hast. Aber…” - und jetzt fiel ihr Blick zum ersten Mal auf Kara - “ich wusste nicht, dass du auch die Prinzessin mitbringen würdest.” Lilly schnaubte vielsagend. “Niemand hat sie gebeten, mitzukommen.” Kara starrte sie wütend an, wollte jedoch in Gegenwart von Wills Großeltern keinen Streit vom Zaun brechen. Oma Lola lachte. “Na na. Immerhin hat sie Will um Hilfe gebeten, oder nicht? So, und jetzt kommt ins Haus, ich mache euch etwas zu essen.” Die Kinder waren einverstanden, aber bevor Will sich den anderen anschließen konnte, hielt Großvater ihn fest. “Warte noch”, sagte er ernst. “Der Dorfälteste möchte dich sprechen. Er wartet schon seit Tagen regungslos auf der Blumenwiese da oben. - Ja, ich weiß, aber er ist kein gewöhnlicher Mensch. Geh zu ihm!” “Okay, wie du meinst.” Will wollte einfach nur etwas in den Magen bekommen. Wenn das bedeutete, dass er zuvor mit einem Spinner reden musste, der tagelang in Blumen hockte - was soll´s? Also begann der den steilen Aufstieg zum obersten Punkt des Hügels. Dort angekommen sah er - nichts. Nur Blumen. Überraschung! Er wollte schon umkehren, als er etwas hinter sich hörte. “Ich habe auf dich gewartet, Will.” Erschrocken wirbelte Will herum, doch niemand war zu sehen. Er schlug mit der Hand gegen den Kopf und stöhnte. “Nicht schon wieder so eine Stimme…!” “Hier bin ich!”, kam die Stimme zurück, diesmal leicht verärgert. “Hä? Wo denn?” Da stand plötzlich etwas auf, dass er für einen Haufen Blumen gehalten hatte. Der Greis, der ihm nun hustend gegenüberstand, war tatsächlich mit allerlei Blüten und Gras übersät. Das Zeug schien direkt auf ihm zu wachsen! “Du erinnerst mich an deinen Vater, mein Junge. Es kommt mir vor, als wäre er erst gestern in dieses Dorf gekommen.” “Mein Vater?” “In der Tat. Deine Mutter Shira war das einzige Kind deiner Großeltern Lola und Bill. Sie war wunderschön… Du hast ihre Augen. Dein Vater verliebte sich in sie und ging mit ihr fort. Weißt du, alle Angehörigen des Itory-Stammes verfügen über besondere spirituelle Käfte - deine Mutter aber war die Mächtigste, die dieser Stamm je hervorgebracht hat. Schon als Kind hat sie die Barriere geschaffen, die unser Dorf vor fremden Augen bewahrt. Doch dein Vater hat sie ohne Mühen passiert - auch er verfügte über außergewöhnliche Macht. Hat er dich geschickt?” “Er - ich glaube, er hat Kontakt mit mir aufgenommen. Er sagte irgendetwas von einem Kometen -” “Ah ja.” Der Mann nickte zufrieden. “Damit erfüllt sich die Prophezeiung deiner Mutter. Wirst du deinen Weg fortsetzen? Wirst du dein Schicksal erfüllen?” “Schicksal? Ich weiß ja nicht einmal - mein Vater meinte, ich soll zu den Inka-Ruinen -” “Gut. Will - als Beweis meines Vertrauens und der Freundschaft unseres Dorfes soll unsere goldene Inka-Statue nun dir gehören. Insgesamt gibt es zwei. Zusammen stellen sie den Schlüssel zum uralten Vermächtnis der Inkas dar. Hier hast du die erste -” Damit holte er aus dem Nichts eine goldene Statue hervor und überreichte sie Will. “Höre die Legende, die man sich hier erzählt: Platziere die Statue auf dem Larai-Riff unter den Ruinen. Genau dort, wo der Odem der Götter sie verschont. Der Wind im Tal wird dich zum legendären Goldschiff führen.” “Äh - was? ‘Odem der Götter’? Was soll das denn heißen? Und wieso jetzt ‘Goldschiff’, ich dachte, es ginge um diese sechs Statuen?” Der Alte ignorierte Wills Geplapper. “Man sagt, das Mondvolk ist im Besitz der zweiten Statue. Lilly soll dich dorthin geleiten. Doch hüte dich!” Will - er hatte das kostbare Kleinod gerade in seinem Rucksack verstaut - wollte schon nachfragen, winkte dann aber ab und machte sich wortlos auf den Rückweg. ‘Spinner…’, dachte er. “Lilly! Lilly!” “Oh, Will, wo warst du denn?” Will wollte dem Mädchen gerade erzählen, was der merkwürdige Blumenreis gesagt hatte, doch der vollgeladene Teller auf dem Tisch zog binnen einer Sekunde seine volle Aufmerksamkeit auf sich. Noch bevor Lilly ihm einen “Guten Appetit” wünschen konnte, war die Hälfte des köstlichen Bratens bereits verschwunden. “Also,Will, was wolltest du denn?”, fragte sie freundlich, als er seine dritte Portion verdrückt hatte. “Wasch?” “Schluck erst mal.” “’Tschuldigung. Also…” Er erzählte Lilly von seiner Begegnung. “Das Mondvolk?”, fragte sie schließlich. “Jep.” Lilly dachte kurz nach. “Ja, ich habe schon von ihnen gehört. Es sollen Schattenwesen sein, die auf einer Bergspitze hier ganz in der Nähe hausen. Wollen wir gleich hingehen?” “Tja, ich schätze, das muss ich wohl, hm? Bringen wir es hinter uns.” Kara, die überraschenderweise die ganze Zeit über nur zugehört hatte, konnte jetzt nicht mehr still bleiben. “Dann lasst uns aufbrechen. Ich kann es kaum erwarten, dieses Mohnvolk zu sehen.” “Es heißt ‘Mondvolk’, Kara - und nein, du kommst nicht mit!”, sagte Lilly mit Nachdruck. “Das ist viel zu gefährlich. Du würdest Will nur im Weg stehen, also warte hier!” Diesmal fand Will den Mut, ebenfalls seine Meinung zu sagen. “Sie hat Recht, Kara. Es wäre wirklich besser, wenn du -” “Ihr seid so gemein! Das sage ich Lola!”, rief sie aufgebracht und stolzierte den Garten. “Jetzt ist sie beleidigt”, seufzte Will. “Die beste Medizin für so eine verwöhnte Göre”, erwiderte Lilly kühl. “Na dann - der Bergpfad wird schwer zu bewältigen sein, aber wenn wir unser Bestes geben…” Und das taten sie. Nur wenige Stunden später erreichten sie erschöpft aber erleichtert die Heimat des Mondvolks. “Wir sind am Ziel”, bemerkte Lilly. Kaum waren die Worte ausgesprochen, antwortete ein düsteres Flüstern: “Was ist euer Begehr?” “Wer spricht da?”, fragte Will - nicht halb so mutig wie er klang. “Leiber aus Luft… schwefeliger Duft…” “Wer - Was bist du?” “Ich bin der Führer des Schattenvolkes, das ihr als ‘Mondvolk’ bezeichnet.” Wie auf Kommando erschienen um die beiden herum mit einem Mal ein gutes Dutzend schemenhafter Gestalten. Einst mochten sie menschenähnlich ausgesehen haben, doch nun waren es in der Tat nur noch Schatten ihrer selbst - durchsichtige Wesen, leichter als Luft. Will schluckte schwer. “Ich - ich bin gekommen, um mehr über diesen Kometen zu erfahren. Was geschieht mit unserer Welt?” “Wo immer es Licht gibt, gibt es auch Dunkel - je heller das Licht, desto dunkler der Schatten. Wir wurden einst vom heiligen Licht geblendet, und nun verbringen wir unser tristes Leben in einer Welt gänzlich ohne Licht… Der Komet ist der Bringer der Zerstörung, dessen Licht alles verändert hat. Er ist das Überbleibsel eines längst vergangenes Krieges. Alle achthundert Jahre nähert sich der Komet unserer Welt. Diesmal geschieht es schon zum vierten Mal. Je mehr Licht du siehst, desto größer ist die Macht der Dunkelheit. Keiner weiß, welch Schrecken er diesmal gebähren wird…” “Gibt es keinen Weg, ihn aufzuhalten?”, fragte Will, obwohl er fürchtete, die Antwort bereits zu kennen. “Es gibt keinen! Ihr Menschen seid zu schwach, ihm zu trotzen. Akzeptiert euer Schicksal!” “Das reicht jetzt!”, rief Will wütend. Er war nicht der Typ, der solch ein Schicksal einfach so hinnahm. “Ich wurde zu euch geschickt, um die zweite goldene Inka-Statue zu holen -” Der Geist schien nicht zuzuhören. “Zu lange schon sind wir Zeugen von Zerstörung… Auch den Untergang des Inka-Reiches erlebten wir mit. Die Statue liegt in der Höhle dort hinten. Wenn du willst, gehört sie dir.” “Na also. Danke schön” Will hatte es sehr eilig, hier wegzukommen. Er bedeutete Lilly, auf ihn zu warten und betrat die Höhle, von dem der Führer gesprochen hatte. Das Erste, was er sah, verschlug ihm schon den Atem. Auf einem Podest in der Mitte der Höhle ruhte die zweite Statue, doch zwischen ihm und dem Kleinod krabbelten etwa zehn wurmartige Ungeheuer herum, die nicht nur seine Größe, sondern auch rassiermesserscharfe Zähne besaßen. “Ach du -”, flüsterte er, doch der Angriff des Monsters, das ihm am nächsten war, zwang ihn zu einem gewagten Hechsprung. “Diese Kreaturen wurden vom Licht des Kometen berührt”, erklärte ein anderer Schatten plötzlich, der ihm wohl gefolgt war. “Es hat sie zu willenlosen Bestien gemacht, die nichts als Hass und Zerstörungswut empfinden können. Beweise, dass du würdig bist, und erlöse sie von ihrem grauenvollen Dasein.” Gerade als Will fragen wollte, wie zur Hölle er etwas gegen diese Dinger ausricten sollte, kam ihm ein Gedanke. Es war Zeit für seinen stummen Begleiter. Er richtete seine Stimme nach innen. Okay, Kumpel. Du bist dran. Du tötest doch so gerne, als los! Wieder erleuchtete das seltsame Licht die Umgebung und zeigte, dass Freedan einwilligte. Und schon war der Dunkle Ritter in Bewegung und teilte mit seinem Schwert mächtig aus. Mit jedem Schritt schickte er eine der Kreaturen zur Hölle - und so stand er wenige Sekunden später in einem Mischmasch aus Gehirnmasse, Innereien und Blut. Unglücklicherweise scherte Freedan sich nicht um Wills Magen, sondern wechselte einfach wieder die Gestalt und überließ es seinem Meister, durch diese Schweinerei zu waten und die Statue zu holen. Als Will wieder ans Tageslicht trat, erwartete Lilly ihn schon ungeduldig. “Und?”, drängte sie. Will grinste zur Antwort und zeigte ihr den zweiten Teil des “Schlüssels”. “Oh Will! Du bist phantastisch! Okay, lass uns sofort aufbrechen. Na zu den Inka-Ruinen!”, fügte sie hinzu, als er verblüfft dreinsah. “Jetzt? Kann ich mich nicht mal ausruhen?” “Keine Zeit für so was. Komm schon!” Will seufzte resigniert. “Gut, gut.” Er sah sich kurz um, als ihm etwas auffiel. “Wo sind eigentlich diese Schattendinger hin?” “Die sind ganz plötzlich verschwunden, als du in der Höhle warst”, entgegnete sie. “Ich schwöre, ich habe nur einen Moment nicht aufgepasst…” “Ist ja auch egal. Wir haben, was wir wollten. - Ich höre meinen Vater rufen.” Er schaute weg, um ihren plötzlich besorgten Blick nicht begegnen zu müssen. “Ich möchte nicht gegen Dämonen oder Kometen kämpfen … aber um meinen Vater zu finden würde ich alles tun.” Lilly nickty noch einmal mitfühlend. “Ich verstehe. Dann lass uns aufbrechen.” “Ja! Also - wo sind diese Ruinen?” Lilly grinste nur. “Das Larai-Riff!” Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)