Von Liebe zerstört von Sitamun (Wir gehörten nie zusammen) ================================================================================ Kapitel 14: Einzug ------------------ Seit einer geschlagenen Stunde sind wir bereits hier in unserem neuen, wenn auch nur vorübergehenden Zuhause und Yoshiko kann nicht anders, als ständig durch das Haus zu rennen, sich Räume anzusehen, die sie bereits beim Rundgang zuvor schon betreten und aufs genauste untersucht hat. Es nervt mich nicht, zumindest versuche ich, ihr Verhalten mich nicht nerven zu lassen. Und das ist nicht unbedingt Zuckerschlecken. Innerlich seufze ich, wende mich meinem Bruder zu, der gerade durch das Wohnzimmer auf mich zugeht. „Und?“, frage ich ihn, nachdem er sich direkt neben mich gestellt hat, auf seinem Gesicht ein schwaches Lächeln. „Mal abgesehen von dem kleinen Poltergeist, der hier im Haus gefangen zu sein scheint, ist es eigentlich genau das Richtige“, antwortet er, dreht sich dabei um und grinst eine ihn gespielt empört anblickenden Yoshiko an. „Poltergeist also, ja? Und es ist eure eigene Schuld, dass dieser Poltergeist weiter rumspuken wird – es war immerhin euer Vorschlag. Außerdem hättet ihr mich ruhig vorwarnen können. Ihr meintet, das Haus wäre nicht sehr viel größer als deins in Frankreich, Kaoru!“ „Es ist auch nicht viel größer“, widerspreche ich ihr. „Zumindest ist die Quadratmeterzahl fast identisch.“ „Der einzige Unterschied sind die hohen Wände und die Tatsache, dass dieses Haus sich allein auf eine Etage beschränkt“, fügt Hikaru hinzu; sein Grinsen verblasst und er zuckt mit den Schultern. Mein Blick hängt für eine Weile auf seinem Gesicht. Das Licht, das durch die Fenster fällt, wirkt durch den kahlen Raum etwas gräulich, dennoch erkenne ich, dass er blass aussieht. So, als hätte er in den letzten Tagen nicht wirklich viel Schlaf bekommen und seine Mahlzeiten ebenfalls auf ein Minimum reduziert. Was ihn wohl beschäftigt hat? „Also, Jungs – darf der Poltergeist mal fragen, was ihr von dem Haus haltet?“ Yoshikos Frage holt mich aus meinen Gedanken zurück. Ich blinzle, versuche zu ignorieren, dass Hikaru die ganze Zeit über meinen Blick erwidert hat und blicke zu Yoshiko. „Ich teile deine Begeisterung, Yoshiko“ „Der erste von zweien auf meiner Seite“, meint sie, siegessicher grinsend. „Vielen Dank, Kaoru.“ Ich kann nicht anders als zu lachen, als sie diesen Namen ausspricht. Nein, nicht ganz … Ich habe nichts gesagt. „Und wie steht’s mit dir, Hikaru?“, fragt sie nun mich, immer noch das Grinsen im Gesicht, keinesfalls dadurch verunsichert, dass ich auf ihre Antwort hin lachte. Ein erneuter kurzer Blick zu Hikaru, doch er sieht nur ein wenig misstrauisch zu Yoshiko, garantiert zur Hälfte tief in seinen Gedanken versunken. Sie sagte doch, sie würde uns zwar nicht unterscheiden, aber mich dennoch erkennen können. Warum also lag sie trotzdem falsch? „Keine Einwände.“ Ihr Grinsen erreicht nun endlich auch ihre Augen, strahlend kommt sie auf mich und Hikaru zu und legt ihre Arme um unsere Schulter. „Dann würde ich sagen, die Sache ist beschlossen, oder?“ Morgen ist der sechste September – unser 25. Geburtstag. Und mit dem Tag, mit dem unser Versprechen von damals besiegelt wird, beginnt unser erster Tag in diesem neuen Haus. Jetzt ist erst später Nachmittag. Als ich vor fünf Minuten auf die Uhr blickte, war es halb sechs. Wir sind schon in unserem Haus, werden die Nacht hier verbringen, aber trotzdem ist der morgige Tag erst der erste Tag. Außerdem unser erster gemeinsamer Geburtstag seit langem und … Ich seufze. Das Haus ist bereits komplett eingerichtet worden, auch wenn wir drei, die neuen Bewohner, kaum einen Finger gerührt haben. Und nun sitze ich seit mehr als anderthalb Stunden in meinem persönlichen Arbeitszimmer und starre an die Wand. Eine Wand, die mit den ganzen Bildern von Hikaru, die ich während meiner Zeit in Frankreich gesammelt habe, tapeziert ist; ich habe sie noch um einige weitere ergänzt. Um alte Fotografien unseres ehemaligen Host Clubs, auf denen ich auch zu sehen bin, und neuere, die wir machten, als ich wieder zurückkehrte. Und um Bilder von mir und Hikaru zusammen mit Yoshiko – ein neuer Teil unseres Lebens. Ja, unseres. Hikaru ist eifersüchtig, das hat er sich schon lange eingestanden, aber er reagiert nicht so wie ich. Er stürzt sich nur in Arbeit, isst nichts mehr, versucht sich irgendwie abzulenken, doch er würde mich nicht verlassen wie ich es getan habe. Ich glaube, es ist mein Versprechen, das ihn von dieser Antwort abhält. Und während ich diese Bilder von mir, ihm und uns ansehe, dann wird mir immer deutlicher, dass ich das neueste Versprechen, das ich ihm gab, jenes, das ihn davon abhält zu gehen, noch heute einlösen muss. Denn morgen … In den letzten paar Minuten hing mein Blick auf einem Bild von Yoshiko, Hikaru und mir. Sie in unserer Mitte, während wir Brüder je einen Arm um ihre Schultern gelegt haben. Es wirkt irgendwie gestellt … zumindest, was Hikaru und mich betrifft. Ihr Lächeln, ihre sanfte Röte in ihrem Gesicht wirkt echt. Natürlich tut sie das. Immerhin liebt sie mich ja, auch wenn sie sich das bisher kein zweites Mal zu sagen getraut hat. Aber morgen … morgen Abend, wenn wir unser gemeinsames, kleines Abendbrot zu dritt beendet haben werden, wird sich mich bitten, mit in ihr Zimmer zu gehen; sie wird sagen, dass mir liebend gerne noch etwas persönlich geben würde. Seit den anderthalb Stunden – nein, mittlerweile sind es fast zwei Stunden –, die ich hier in meinem neuen Arbeitszimmer sitze und eigentlich auch mit Aufgaben genutzt habe, um die ich Vater gebeten habe, bis mein erstes Semester anfängt, habe ich nichts von den beiden gehört, dabei ist dieses Zimmer direkt neben den beiden Arbeitszimmern der anderen; genau genommen ist es zwischen ihnen. Eigentlich hätte ich zumindest Hikaru hören müssen, wie er das Zimmer betritt, es wieder verlässt, das Fenster öffnet oder schließt, wie er leise vor sich hin murmelt. Doch ich habe nichts dergleichen gehört. Ich stehe auf, gehe zu meinem Fenster. Der Garten um das Haus herum kommt nicht im Entferntesten an den um das Haupthaus der Hitachiins, aber dennoch ist er größer als jeder großzügig angelegter Garten. Dort, auf einer kleinen Bank, nicht einmal zehn Meter von meinem Fenster entfernt, sitzen Hikaru und Yoshiko. Kein Wunder, dass ich sie nicht in ihren Zimmern gehört habe. Langsam und darauf bedacht, keine Geräusche zu machen, öffne ich eine Seite des Fensters, und ziehe ebenso vorsichtig die Gardine davor, damit sie mich nicht sehen können, und stelle mich direkt dahinter. Trotz der Entfernung ist es nicht wirklich schwer, sie zu verstehen; sie machen sich gar keine Mühe, leise zu sein. Sie haben sich wohl noch keine Gedanken um die Beschaffenheit des Hauses gemacht. „Ich weiß, morgen ist euer Geburtstag und ich weiß auch, dass ihr den liebend gerne zusammen verbringen würdet, aber …“ Perfektes Timing … Und genau das Thema, über das ich mir die ganze Zeit den Kopf zerbrochen habe. Ist das jetzt nun einfach Glück oder doch eher Schicksal? „Aber?“ Hikarus Stimme klingt weder angespannt noch auf irgendeiner Weise enttäuscht, fast eher belustigt. Ich bin mir sicher, er hat genau damit gerechnet, dass Yoshiko ihn diese Frage stellen würde; vielleicht hat er sie auch direkt zu diesem Punkt in ihrem Gespräch geführt und sie war nichts ahnend auf sein kleines Wortspiel eingegangen und hatte sich führen lassen. „Ich … ich …“ „Du liebst Kaoru, ich weiß.“ Zu gerne hätte ich ihre Reaktion auf seine Antwort gesehen, zu gerne seinen Gesichtsaudruck als er diese Worte sagte, doch obwohl ich mir sicher bin, dass sie mich nicht sehen könnten, wage ich es nicht, hinter der dem dunklen Stoff des Vorhangs hervorzutreten. „Ja …“ „Und du würdest ihn morgen Abend gerne für dich allein haben, stimmts?“ „Ja …“ „Ich … ich wollte gerne deine Erlaubnis dafür haben. Immerhin wohnen wir ja nun in diesem Haus zusammen und werden das wohl auch noch eine Weile tun – ich wollt dich nicht verärgern.“ „Hättest du nicht. Ich hätte mir meinen Teil gedacht, das reicht schon. Aber danke, dass du fragst. Und natürlich hast du meine Erlaubnis … dafür. Viel Spaß.“ „Danke, Hikaru.“ Ich wende mich vom Fenster ab, schließe es wieder, unbeachtet von der Tatsache, dass die beiden noch dort sitzen und mich hören könnten; ich ziehe den Vorhang wieder auf und ich sehe, wie die beiden erschrocken zu dem Fenster blicken, das ich gerade schloss. Ich wusste es. Es war so klar. Aus den Augenwinkeln bemerke ich, wie Hikaru und Yoshiko aufspringen und sie sich langsam den Fenster nähern, so als würden sie jemand anders als mich in diesem Zimmer erwarten. Ich weiß, sie werden mich über das ausfragen wollen, was ich gehört habe; ich gehe zur Tür, schließe sie ab, setze mich wieder an meinem Schreibtisch und mache dort weiter, wo ich aufgehört habe. Nicht einmal zehn Minuten später blicke ich erneut auf. Jemand klopft, wartet einen Augenblick, versucht dann die Klinke herunterzudrücken und scheitert an der Tatsache, dass sie Tür sich nicht aufdrücken lässt. Die Klinke bleibt eine Weile unten, dann wird sie wieder losgelassen. „Kaoru – bist du da drin?“ Hikaru … „Was ist?“ „Warum schließt du dich ein?“ „Was ist?“ Kurzes Schweigen. „Wir reden heute Abend drüber, ja?“ „Ja.“ Heute Abend, wie gesagt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)