Tokyo Girl von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 5: ----------- Todmüde schleppte Kaoru sich die Treppe hinauf. Er wollte nur noch schlafen und am liebsten nie wieder aufwachen. Der Gang war dunkel, er hatte sich nicht die Mühe gemacht das Licht einzuschalten. Auf einmal kam er sich irgendwie beobachtet vor. Ganz gewöhnliche Paranoia, redete er sich ein und schlurfte weiter. Doch plötzlich legte sich eine Hand auf seinen Mund und eine Stimme zischte nahe bei seinem Ohr: „Kein Wort!! Verstanden?!“ Erstarrt vor Schreck ließ sich Kaoru in eines der naheliegenden Zimmer ziehen. „Ah, ich wusste auf dich ist verlass, Tsukasa.“ Eine arrogante Stimme schallte ihnen entgegen. Kaoru bekam einen Stoß in den Rücken, so dass er vorwärts stolperte und auf die Knie fiel. „Ah schon in der perfekten Position. Ich wusste das du ein Glückstreffer warst, Kleiner.“ Ein leises Lachen von den umstehenden. Plötzlich legte sich ein Finger unter Kaorus Kinn und hob seinen Kopf an und ein herablassender Blick aus Hizumis Augen traf auf seinen. Dann packte er mit einem schnellen, schmerzhaften Ruck Kaos Haare und riss seinen Kopf nach hinten. „Sooo schön, die Haarfarbe. Seltsam, dass genau ich ein Faible für außergewöhnliche Haarfarben hab, nicht wahr? Wo, dich doch sonst keiner haben will. Erbärmlich.“ Kao verzog schmerzhaft das Gesicht, als Hizumi seine Haare wieder losließ. Er rieb sich den Kopf und versuchte sich wieder aufzurappeln. Allerdings wurde er daran unsanft durch einen Fußtritt gehindert. „Du bleibst wo du bist! Wir haben doch noch gar nicht angefangen! Weißt du Süßer, ich bin mir ziemlich sicher, dass ich dir noch viel beibringen kann.“ Er bleckte die Zähne. ................................................................................ Kaoru taumelte und stützte sich an der Wand ab. Leise öffnete er die Tür und tappte ins Bad. Seine Augen starrten ins Leere. Er umschlang seinen Oberkörper mit den Armen und rutschte mit dem Rücken an der Tür hinab. So saß er eine ganze Weile. Den Schmerz und die Taubheit ignorierend. Irgendwann als er seine Gehdanken nicht mehr ertragen konnte rappelte er sich auf und stützte sich aufs Waschbecken. Als er den Kopf hob um sich im Spiegel anzuschauen bemerkte er sein Zittern. Er suchte seinen Blick. Seine Augen glänzten klar. Passten überhaupt nicht in das Bild, in sein Gesicht. Er dreht das Wasser auf und beobachtete, wie es über seine Hand lief. Dann klatschte er sich etwas ins Gesicht und drehte sich ruckartig um. In seinem Bett verkroch er sich unter die Bettdecke und rollte sich ganz klein zusammen. ............................................................................... Am nächsten Morgen wurde Kaoru unsanft durch lautes Gepolter, gefolgt von einem scharfen Lufteinziehen und einem ängstlich geflüsterten „Tschuldigung!“, aus dem Schlaf gerissen. Kyo im Nebenbett brummelte irgendetwas vor sich hin, warf sich herum und packte sich das Kissen auf den Kopf. Das Zimmer war noch angenehm dunkel, es musste noch sehr früh sein. Jetzt vernahm Kaoru tapsende Schritte und hörte dann wie sich die Tür leise öffnete und wieder schloss. Mit einem Seufzen streckte er sich und wunderte sich warum ihm die Glieder so schmerzten. Und da fiel ihm alles wieder ein. In einem plötzlichem Kälteschauer zog er die Decke wieder enger um sich und presste die Hände aufs Gesicht. Warum lebe ich denn immer noch? Warum war man nicht so gnädig mich sterben zu lassen? Nach einer Weile vernahm er ein Strampeln aus dem Nachbarbett und dann Kyos verschlafene Stimme. „Zum Geier, wie viel Uhr isses?“ Kaoru dreht sich um und starrte ihn an. Sah schon sehr verwirrt aus der Kleine, mit in alle Richtungen abstehenden Haaren und verknautschtem Gesicht. Es war das erste Mal, dass er ein Wort direkt an ihn richtete. „Irgendwas um die 7 Uhr rum...“ „Argh, zum Kotzen!“ Kyo stöhnte und fuhr sich durch die Haare. Anschließend schlurfte er ins Bad. Kaoru wusste, dass heute sein freier Tag war und er verspürte nicht die geringste Lust aufzustehen. Ruki hatte ihm seinen alten Discman geliehen. Er schob sich die Stöpsel in die Ohren und schloss die Augen. Er bemerkte nicht, dass sich die Tür noch einmal leise öffnete und Kai den Kopf herein steckte. Erst als Kyo ihn anfuhr schreckte er auf. Puh, hatte der Kleine schlechte Laune. Aber er war ja auch seines so raren Schlafes beraubt worden... Kai schrumpfte unter seinen harten Worte regelrecht zusammen und als Kyo fertig war flüsterte er kleinlaut: „Es tut mir leid...“ „Schön für dich!“, schnaubte Kyo und schlug die Tür hinter sich zu. Kai biss sich auf die Unterlippe und ließ sich mit hängendem Kopf auf seiner Bettkante nieder. Kaoru nahm nun die Ohrstöpsel endgültig aus dem Ohr und setzte sich auf. „Morgen Kao...“ Kai lächelte ihn müde an. „Wollte nur noch was holen.. Hab einen Termin, soll ich dir was aus der Stadt mitbringen?“ „Hm, nee danke...“ „Okay, also dann bis nachher.“ Er schenkte ihm noch ein Lächeln, doch der Violetthaarige sah, dass es sobald er den Kopf wegdrehte erstarb. ............................................................................... Es vergingen zwei Tage in denen Kaoru sich langsam wieder begann zu fassen, bis ihm Karyu auf dem Flur auflauerte... ............................................................................... So gingen die Tage ins Land. Des öfteren schleppte Kaoru kurz vor dem Morgengrauen seinen zerschundenen Körper ins Bad und versuchte mit einer eiskalten Dusche die Schmerzen und seine Gedanken zu betäuben. Mit der Zeit stumpfte sein Blick ab, er zog sich von den anderen mehr und mehr zurück und ging mit einer Maske aus Gleichgültigkeit durch den Tag. Keiner beachtete ihn. Kai fraß an seinen eigenen Problemen und in der Hauptsaison (höhö, gibt’s sowas?) sahen sowieso alle etwas fertig aus. Manchmal wenn seine Gedanken ihn mal wieder zu erdrücken drohten, machte er oft lange Spaziergänge am Fluss entlang oder durch nahegelege Parkanlagen. Nur in Begleitung seiner Gedanken. Ich kann nicht mehr... ich kann das alles nicht mehr... warum muss es immer etwas negatives geben? Warum kann nicht ein einziges Mal etwas einfach sein? Aber ich muss durchhalten... Stark sein.. Ich werde stark sein! Für dich Vater! Dein Sohn ist kein Schwächling! Ich werde es dir beweisen. Alles ist irgendwann vorbei, ich hab es bis hierhin geschafft ich werd es auch weiter schaffen.. Ich zeige dir Vater, dass ich deine missbilligenden Blicke nicht verdient hatte! Aber es ist so schwer... Eines Nachts stolperte er nur noch durch die Gänge. Hizumi ließ sich jedesmal etwas neues einfallen. Ihm schmerzte jede einzelne Faser seines Körpers und er hatte das Gefühl als stünde er in Flammen. Er quälte sich ca. eine Stunde lang im Bett herum bis er schließlich leise aufstand und runter in den leeren Barbereich tappte, um sich noch irgendetwas zu trinken zu besorgen. Lange Zeit saß er im Dunkeln, nur mit einem Teelicht und einem Glas in der Hand, an der Theke und brütete vor sich hin. Plötzlich hörte er leise schlurfende Schritte auf der Treppe und kurz darauf öffnete sich die Tür hinter ihm. Er drehte sich um, konnte aber nur schattenhafte Umrisse erkennen bis die leise Stimme Toshiyas erklang. „Na sowas, ich hätte niemanden hier erwartet.“ Er setzte sich neben ihn. „Kannst du auch nicht schlafen?“ „Hm.“ „Ich komm dann oft hierher, trink einen Schluck und kann dann seltsamerweise immer sofort einschlafen.“ Kaoru schwieg. „Hast du dich mittlerweile etwas eingelebt?“ „Hm..“ „Und, gefällt‘s dir?“ „Hm..“ „Ach komm schon, erzählen macht müde. Was hast du gemacht bevor du hierher kamst?“ „Hast du schonmal was von der berühmten Niikura-Corporation gehört?“ „Wer nicht...“, seufzte Toshiya. „Das war mein Vater.“ er drehte leicht den Kopf um Toshiyas überraschten, und dann bestürzten Blick zu sehen. Dann fuhr er leise fort. „Wie ganz Tokyo weiß, hatte er einen Schlaganfall, den er nicht überlebt hat. Meine Mutter hat mich rausgeschmissen. Hab seitdem mehr oder weniger auf der Straße gewohnt und mich mit Aushilfsjobs über Wasser gehalten. Dann hab ich Die getroffen, der mich hierher gelotst hat. Ende.“ „Hui, das hätte ich jetzt irgendwie... nicht erwartet...“ Pause. Warum unterhält er sich mit mir?! „Und du...?“ Toshiya seufzte leise. „Ob man‘s mir ansieht oder nicht, ich bin eins von den berühmten Straßenkindern.“ Ein leichtes Lächeln stahl sich auf sein Gesicht. „Die ersten 11 Jahre meines Lebens hab ich auf der Straße verbracht. Dann hat mich ein fahrender Händler aufgesammelt, der dann allerdings sein Leben in einem Lagerhausbrand gelassen hat. Ich war glücklicherweise gerade draußen. Naja so bin ich zurück auf die Straße, bis mich allabendlich ein netter Herr“, er verzog das Gesicht, „besucht hat und mich anschließend sogar seinen Freunden vorgestellt hat. Als ich dann so weit war, mir das Leben nehmen zu wollen, ist Miyavi über mich gestolpert. Schau nicht so, ich leb ja noch... Naja und seit dem bin ich hier, das ist jetzt 5 Jahre her.“ Kaoru starrte ihn mit großen Augen an. Der Blauhaarige lachte leicht. „Jaa, es ist immer wieder interessant was andere Leute so über ihre Vergangenheit erzählen. Der einzige hier, der es bis jetzt geschafft hat sich auszuschweigen, ist Uruha. Und naja, ich... also ich binde das auch nicht jedem auf die Nase.. Hey...“, meinte er plötzlich, fasste Kaorus Kinn und schob es ins Licht. „Ist der immer noch von mir?“ Der Violetthaarige schaute ihn leicht verwirrt an bis er Toshiyas Finger leicht über seinen Wangenknochen streichen spürte, was einen flüchtigen, stechenden Schmerz auslöste. „Oh... nein..“ Er wandte den Kopf ab. „Das ist.. nichts...“ Toshiya fasste abermals nach seinem Kinn und zwang ihn, ihm in die Augen zu schauen. Kao hielt seinem Blick nur kurz stand, bis er seine Hand wegdrückte und sich wieder seinem Getränk zuwandte. Toshiya schwieg, betrachtete noch eine Weile das Flackern der Kerze, bis er langsam seinen Stuhl zurückschob und aufstand. „Ich denke ich sollte wieder schlafen gehen. Ich hoffe du hast meine Salbe noch...“ Auch nachdem Toshiya schon eine ganze Weile die Tür hinter sich zugezogen hatte, hallte dieser Satz noch in seinem Kopf. Ich werd hier langsam aus niemandem mehr schlau... Hätte ich es ihm erzählen sollen? Nein. Ich kenne ihn doch überhaupt nicht. Außerdem, ich muss damit alleine fertig werden. Das geht niemanden etwas an. ............................................................................... Schlecht gelaunt stand er neben Kai an eine Mauer gelehnt. „Mensch Kao jetzt zieh nich so ein Gesicht, so will dich keiner!“ „Ich will auch keinen. Wer mich haben will, soll mich nehmen wie ich bin...“ Kais Gesichtsausdruck verdüsterte sich, er verschränkte die Arme und lehnte sich mit einem ganz ähnlichen Ausdruck der schlechten Laune ebenfalls an die Mauer. Jetzt hatte er ihn auch noch verstimmt. Kaoru seufzte und drehte sich zu ihm um. „Hey... es tut mir Leid. Nicht mein Tag heute, okay? Aber kein Grund für dich auch eine Schnute zu ziehen.“ Er stupste ihn auf die Nasenspitze. Kai schaute auf und schluckte. „Und wenn heute auch nicht mein Tag ist?“ Kaoru strich ihm sanft über die Wange. „Dann tun wir uns jetzt zusammen und sind gemeinsam stark, einverstanden?“ Kai lächelte schwach. „Einverstanden.“ Und dann stellte er sich auf die Zehenspitzen und hauchte dem Violetthaarigen einen Kuss auf die Lippen, gefolgt von einem Zwinkern. „Damit die Aufmerksamkeit wieder auf unserer Seite ist.“ Kaorus Lächeln fiel etwas schief aus, doch Kai schien das nicht zu bemerken. Er hatte seinen Blick auf die andere Straßenseite gewandt. Etwas rechts von ihnen lehnte Toshiya an der Wand. „Das ist so gemein...“, meinte er nach einer Weile. „Wie macht der das nur, immer so geil auszusehen.“ Sein Blick wurde sehnsuchtsvoll. Kaoru musste schlucken. „Naja, also mal unter uns, ich finde dich gar nicht so unattraktiv.“ Er grinste und Kai boxte ihn in die Seite. „Okay, ich muss zugeben, es gibt da schon ein paar Mängel einzuräumen. Zum Beispiel deine Besessenheit Leute so lange zu bequatschen, bis sie das dringende Verlangen verspüren dich zu fesseln und zu knebeln und solange zu foltern bis du schwörst ein lebenslanges Schweigegelübde abzulegen. Oder hm... was haben wir da denn noch? Ach ja, du schnarchst.“ Lachend machte er einen Sprung zu Seite um Kais Angriff auszuweichen. „Is ja gut! Es war nicht so gemeint!“ Mittlerweile musste auch Kai lachen. „Du bist so bescheuert!“ Nach Atem ringend lehnten sie sich wieder an die Wand und nach kurzem Schweigen meinte Kaoru: „Aber es stimmt wirklich.“ „Was?“ „Dass du schnarchst.“ „Hey!“ Kai holte aus um ihn erneut zu schlagen, hielt dann jedoch in der Bewegung inne. Kao schaute auf. An ihnen vorbei stapfte ein großer bulliger Mann und hinter ihm her stolzierte, ihnen einen herablassenden Blick zuwerfend, Toshiya. Kaoru stockte der Atem. Und nach einem erneuten missbilligenden Blick fühlte er sich mit einem Mal albern und dumm. Er senkte den Kopf. „Whoa schau dir das an!“, meinte Kai während er ihm hinterher sah. „Dieser Gang und diese Haltung, und man das Outfit! Und er ist immer so kühl und hat es so drauf einfach mit den Menschen zu spielen und... wer an den rankommt, der is echt zu bewundern..“ Er seufzte. „Naja...“ Kaoru schwieg. Er hat’s so drauf mit den Menschen zu spielen... Was ist das nur für eine Persönlichkeit? Ich blick überhaupt nicht mehr durch... Seine Gedankengänge wurden von Kai unterbrochen, der ihm auf die Schulter tippte und hinter sich deutete. „Ich bin dann mal weg.“ „Okay, viel Spaß.“ Kai schnitt eine Grimasse und verschwand in der Dunkelheit. Kaoru lehnte weiterhin an der Wand und hing seinen Gedanken nach. Plötzlich traten zwei dunkle Gestalten auf ihn zu. Kaoru zuckte zusammen und drückte sich unmerklich enger an die kalte Mauer. Doch es waren nur Aoi und Reita. „Hey Kao, du stehst hier so alleine, da dachte wir, wir kommen dich mal besuchen.“ Reita grinste. „Hm, ach ja und noch was. Du kommst morgen natürlich mit zum Kegeln, ne?“ Er lehnt sich neben ihn an die Wand. „Was für Kegeln?“ „Wir gehen morgen kegeln. Haben wir vorhin beschlossen, mein Schatzi und ich, und wir dachten wir nehmen dich einfach mit. Damit du hier mal rauskommst.“ Kaoru massierte sich die Schläfe. „Hm... geht das nicht nächstes Mal oder so..? „Nein! Morgen! Keine Widerrede!“ Reitas Zähne blitzten im schwachen Licht der Straßenlaterne. „Aber-“ Aoi legte ihm sanft eine Hand auf den Mund und er vernahm seine angenehme Stimme nah an seinen Ohr: „Hey... gib einfach mal nach Kleiner, es wird dir gut tun...“ Dann nahm er Reita bei der Hand, der ihm zuzwinkerte und zog ihn mit sich in die Dunkelheit. Kaoru seufzte und fuhr sich durch die Haare. Er hatte alles andere als Lust etwas zu unternehmen. Er hatte sich damit abgefunden das Leben eingepackt zu leben, nur mit dumpfen Gefühlen, was sollte er da Spaß haben? Was war Spaß? Einfach weiterleben, einfach immer weiterleben. Das alles kann nicht auf immer so sein... Irgendwann wird sich etwas ändern, irgendwann MUSS sich etwas ändern, und solange würde er ausharren. Solche und weitere Gedanken gingen ihm durch den Kopf. Doch ein winziger Teil in ihm glühte. Sie waren nett zu ihm gewesen. Einfach so. Sie hatten ihm gezeigt, dass er nicht ganz alleine war. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)