Nadezhdas Entscheidung von warin ================================================================================ Kapitel 4: In der Arena ----------------------- Im Dunkel der Zelle komme ich langsam zur Besinnung. Nach und nach baut sich das Adrenalin in meinen Adern ab und der Schmerz kehrt in meinen Körper zurück. Meine Wunden beginnen zu brennen, ich hatte sie ganz verdrängt. Erschöpft breite ich mich im Staub auf dem Boden des Verlieses aus und starre zur Decke. Ein seltsames Gefühl überkommt mich, als wäre das Mädchen noch bei mir. Noch immer spüre ich sie, noch immer rieche ich sie, als wäre sie weiterhin auf meinen Rücken gefesselt. Ich taste mit den Händen nach meinem Hals, doch ihre sanften Arme sind nicht mehr dort, ich taste nach meinem Rücken, doch ihr warmer Körper ist verschwunden. Dennoch spüre ich sie ganz in meiner Nähe. Halluziniere ich? Ich sehe meine Mutter, wie sie lacht und davon erzählt, dass auch ich mich eines Tages in ein Mädchen verlieben würde. Dass sie mein Herz erobern und mir den Kopf verdrehen würde. Für mich war das immer Weibergeschwätz. Wir Jungs wollten kämpfen, Helden sein, an Mädchen zu denken erschien uns albern. Doch nun? Sollte es das sein? Sollte ich mich verliebt haben? Nein, undenkbar. Ich falle in einen tiefen, traumlosen Schlaf. Plötzlich weckt mich ein furchterregendes Grollen. Es scheint direkt durch den Boden der Zelle zu dringen. Ein Drache! Ein Drachentöter spürt seinen Feind, selbst durch meterdickes Gestein. Das Junge lebt also noch. Vermutlich verdanke ich diesem glücklichen Umstand mein Leben. Das Grollen des Drachens begleitet mich fortan. Stunde für Stunde, Tag für Tag. Wie viele? Ich weiß es nicht. Im Dunkel der Zelle ist mir jegliches Gefühl für die Zeit abhanden gekommen. Mir bleibt nur zu zählen, wie oft der Wärter lustlos mit dem Fuß einen Blechnapf mit ekelig stinkenden, gelben Schleim in meine Zelle stößt. Die ersten drei male konnte ich noch wiederstehen, doch inzwischen würge ich das Zeug in mich hinein, als würde ich nichts Besseres kennen. Es ist wohl bereits der siebte Napf, über den ich mich mit Heißhunger her mache, als das Rasseln von Schlüsseln im Schloss meiner Zellentür mich hochschreckt. „Steh auf und zieh dich an!“ Anziehen, der ist gut. Stiefel und Rüstung haben sie mir weggenommen. Eilig schlüpfe ich in mein Gewand, dann zerren mich zwei kräftige Soldaten auch schon an den Armen nach draußen. Barfuss treiben sie mich durch die finsteren Gänge der Festung. Ich bin zu geschwächt, um noch irgendeinen Widerstand leisten zu können. Durch eine Tür schubsen sie mich in ein gleißendes Licht. Eine künstliche Sonne! Ich habe Geschichten davon gehört, doch würde ich sie nicht mit eigenen Augen sehen, ich würde es nicht glauben. Strahlendweiß hängt sie an straff gespannten Seilen über mir. Langsam gewöhne ich mich an die Helligkeit. Im Halbdunkel um die künstliche Sonne herum erkenne ich Tribünen, die aufsteigenden Ränge dicht an dicht besetzt mit schwatzenden, glupschäugigen Unterweltlern. Eine Arena. So sieht also meine Strafe aus. Sie wollen sich noch an mir belustigen, bevor sie mich umbringen. Über einem riesigen, zweiflügeligen Holztor prangt eine Loge, in welcher der König mit seinem Hofstaat Platz genommen hat. Aber wo ist Prinzessin Nadezhda? Ich kann sie nirgends entdecken. Hoffentlich ist es ihr gut ergangen. Der König erhebt sich und der Pöbel verstummt. „Wohlan, tapferer Drachentöter...“ Er spricht die Worte mit soviel Ironie, dass ein grunzendes Lachen durch die Menge wogt. „ihr erhaltet Gelegenheit, Euch zu bewähren. Tötet ihr unseren Drachen, so werden wir uns euch anschließen...“, das Grunzen schwillt zu einem lauten Brüllen an und selbst der König hält sich den Bauch vor Lachen, als hätte er einen guten Witz gemacht. Ohne Schwert und Rüstung gegen einen Drachen zu kämpfen - wohlwahr ein aussichtsloses Unterfangen. „tötet der Drache euch, so ist eure Schuld gesühnt. Wohlan, möge der bessere gewinnen.“ Der König klatscht in die Hände und einige Bedienstete stürmen herbei, um die mächtigen Flügel des Tores zu öffnen. Flugs bringen sie sich hinter den Absperrungen der Arena in Sicherheit. Beängstigendes Grollen erklingt aus den Tiefen der Toröffnung. Dann, mit einem Satz stürzt es aus der Dunkelheit auf mich zu: Das Drachenjunge! Blau schillert sein massiger Körper im Licht der künstlichen Sonne. Haushoch ragt sein mit grünen Schuppen bedeckter Hals vor mir auf. Seine riesigen, krallenbewehrten Schwingen, den Flügeln einer überdimensionalen Fledermaus gleich, schlagen auf und ab und wirbeln Staub in mein Gesicht. Mein Herz schlägt mir bis zum Hals. Langsam bewege ich mich rückwärts, blicke nach links, blicke nach rechts, doch es gibt keinen Ausweg, ich bin dem Drachenjungen ausgeliefert. Sicher wird es seine Mutter rächen wollen. Blitzschnell rast sein Kopf auf mich nieder, das zahnbewehrte Maul weit geöffnet. Ich springe zur Seite, hetze in seinen Rücken. Die Schnelligkeit ist mein Vorteil. Doch was soll ich tun? Hilflos blicke ich auf seinen mit scharfen Wirbelzacken gepanzerten Rücken. Ich habe nichts, aber auch gar nichts, mit dem ich ihm Schaden zufügen könnte. Wie eine Peitsche schlägt sein Schwanz um sich, bemüht, mich mit dem Dorn an seiner Spitze zu erwischen. Ich brauche all meine Schnelligkeit, all meine Konzentration, um den präzisen Schlägen auszuweichen. Behäbig dreht sich der Drache, schlägt mit seinen gewaltigen Schwingen und erhebt sich ein stückweit über den Boden. Gierig streckt er seine messerscharfen Krallen nach mir aus. Ein Raunen geht durch das Publikum. Was soll ich tun? Es hat keinen Sinn. Ich schließe die Augen, breite meine Arme aus und lasse mich auf die Knie fallen. Ich ergebe mich meinem Schicksal. Nun töte mich schon, worauf wartest du noch? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)