Children of Elements von chaoticgirl (Buch I - Freundschaft) ================================================================================ Kapitel 8: Lagerfeuergeschichte ------------------------------- Jemand hüpfte einbeinig durch den Wald. „Auauau! Verflucht noch mal!!“, brüllte er. Er ließ sich fallen und hielt seinen Fuß, in dem ein Dorn steckte. Hinter ihm tauchte ein blauer Drache aus dem Dornengebüsch auf, durch das sich Fynn eben noch gekämpft hatte. „Alles in Ordnung?“, fragte Rorax zögernd. „Sieht’s für dich so aus?“, zischte der Junge wütend. Rorax zog den Kopf ein. „Fynn…“, begann er schüchtern, doch ein lautes Schnauben aus dem Dornengebüsch ließ ihn innehalten. Ein feuerroter Drache schritt beinahe schon majestätisch auf ihn zu. „Aber Nexel! Ich will doch nur…“ Wieder unterbrach ihn der Feuerdrache mit einem Schnauben. „Was?“, knurrte Fynn Rorax an. „Was hat er gesagt?!“ Als Rorax nicht antwortete verengten sich die Augen des Jungen zu Schlitzen. „Er… er hat gesagt, ich soll dich jetzt besser in Ruhe lassen“, sagte der Wasserdrache schnell, sobald er das bemerkt hatte. „Verdammt kluger Rat. Hör mal lieber auf ihn“, fauchte Fynn und wendete sich wieder dem Dorn in seinem Fuß zu. In jener Nacht vor knapp einer Woche waren sie sofort losgezogen. Fynn wollte noch nicht einmal den Morgen abwarten. Er hatte Angst, Xankirs Spur zu verlieren und ihn dann nie wieder zu finden. Nexel hatte sich bereit erklärt, die beiden zu begleiten. Zwei Drachen sind besser als einer, der zudem auch noch Angst vor Menschen hat. Die Drachen folgten dem Geruch des Fürsten. Sie behaupteten, er würde so scharf riechen, dass sie ihn nicht verlieren konnten. Rorax klärte Fynn darüber auf, dass sich Adlige gerne mit Parfüm und gut riechenden Salben einrieben, um sich noch mehr vom gemeinen Volk abzuheben. Allerdings wären diese Duftessenzen so stark, dass Tiere und vor allem Drachen diesen Geruch noch viele Tagesreisen entfernt schnuppern könnten. Dadurch hätten sie auch in der Nacht, als die Jäger im Wald lagerten Fynn genau beschreiben können, wo sie ungefähr waren. Fynn erkundigte sich bei Rorax, warum er den Fürsten dann nicht schon gerochen hätte, als er sie mit den Jägern verfolgte und sie auf dem Hügel am Waldrand überraschte. Rorax antwortete, dass die Jäger sicherlich darauf geachtet hätten, dass sie sich gegen die Windrichtung versteckten, so hätte der Wind den Geruch sogar noch von dem Lager der Freunde weggeweht. Sie hatten keine Chance gehabt, sie zu bemerken. Doch der Fürst hatte von so etwas wohl keine Ahnung, denn sie hatten, seit sie ihm hinterher flogen, nicht einmal seine Spur verloren. Doch die Verfolgung des Fürsten war nicht so einfach, obwohl sie ihn genau orten konnten, denn Fynn hatte starke Stimmungsschwankungen. In einem Moment war er voll Optimismus und Tatendrang, im nächsten war er depressiv und verzweifelt, Schuldgefühlte plagten ihn, dann wieder gab er Xankir die Schuld, wurde aggressiv und jähzornig, fühlte sich von seinem Freund verraten und im Stich gelassen, oder er war todunglücklich, glaubte, ihr Vorhaben sei zum Scheitern verurteilt und er würde Xankir niemals wieder sehen. Inzwischen hatte der Junge sich endlich den Dorn aus dem Fuß gezogen. Etwas Blut sickerte aus der kleinen Wunde. Neben ihm fiel sein Lederstiefel ins Gras. „Hier ist er. Er hatte sich in einer Wurzel verhakt, über die du wahrscheinlich gestolpert bist“, ertönte Rorax’ Stimme über ihm. „Was? Ich bin über eine Wurzel gestolpert? Das kann ich ja kaum glauben! Ich dachte doch tatsächlich, ich wäre von alleine gefallen“, antwortete Fynn gehässig und funkelte Rorax an. Dann besah er sich die Verletzung. Der blaue Drache senkte den Kopf und sagte mit sanfter Stimme: „Lass mich mal sehen.“ Fynn versuchte seinen Kopf weg zuschieben, doch der Drache schien es kaum zu bemerken und beschnupperte den Fuß des Jungen. Danach leckte er vorsichtig die Wunde ab. „Hey! Was machst du da?! Lass das!“, protestierte Fynn überrascht. „Die Wunde darf sich nicht entzünden. Ich mache sie sauber“, meinte Rorax und leckte unbeirrt weiter. Fynn senkte den Blick. „Entschuldigung. Ich war sehr gemein zu dir. Tut mir leid“, kam es dann kaum hörbar von ihm. Rorax unterbrach seine Säuberungsaktion und sah den Jungen an. Eine einzelne Träne rann ihm die Wange hinunter. Plötzlich schlang er seine Arme um die Schnauze des Drachen. „Ich weiß einfach nicht, was ich tun soll! Ich fühle mich so hilflos! Wer weiß, was der Fürst Xankir inzwischen schon angetan hat? Wer weiß, was in Xankirs Kopf vor sich geht? Er ist einfach mit ihm weggeflogen! Warum? Was habe ich ihm denn getan?! Ist er wütend auf mich? Habe ich ihn irgendwie enttäuscht? Beleidigt? Ich weiß es nicht, bitte sag es mir, Rorax!“, schluchzte er. „Nichts. Du hast ihm nichts getan. Es liegt an etwas anderem. Es liegt an dem Blut seines Vaters. Der Fürst hat es getrunken, deswegen vertraut Xankir ihm. Er MUSS ihm vertrauen. Er kann gar nicht anders. Drachenblut gibt dem Menschen eine gewisse Macht über uns. es ist eine Art Zauber. Aber dieser Zauber ist nicht stark. Xankir ist nicht willenlos. Er kann noch eigene Entscheidungen treffen. Ich bin überzeugt, wärst du in Xankirs Nähe gewesen, er wäre nicht von deiner Seite gewichen. Erinnerst du dich noch, als wir den Fürsten zum ersten Mal trafen? Er wollte Xankir befehlen, mit ihm zu gehen. Doch er ist es nicht. Weil du da warst, weil du ihn gebeten hast, nicht auf ihn zu hören. Wir werden Xankir zurückholen. DU wirst Xankir zurückholen! Er wird mit uns kommen. Versprochen!“ Nach dieser kleinen Ansprache verstummten Fynns Schluchzer und er wurde ruhiger. Er wischte sich über die Augen und lächelte das erste Mal seit langer Zeit. „Danke“, sagte er nur. Dann zog er seinen Stiefel wieder an und stand auf. Nexel hatte bis dahin abseits gestanden und die Szene beobachtet. Doch jetzt trat er zu ihnen und schnaubte. „Er sagt, dass es langsam dunkel wird und wir hier unser Lager aufschlagen sollten“, übersetzte Rorax. Fynn nickte und begann seinen Rucksack mit den Decken und der Nahrung auszupacken. Rorax sammelte Holz und Nexel entfachte mit seinem Flammenatem ein großes Lagerfeuer. „Es ist ganz praktisch, einen Feuerdrachen bei sich zu haben“, lachte Fynn. Rorax’ kleine Aufmunterung hatte ihn wieder aufgebaut. Fynn hatte noch ein paar Beeren, die er im Laufe dieser Woche, in der sie unterwegs waren, gesammelt hatte, Rorax trank Wasser aus einer nahe gelegenen Quelle und Nexel verspeiste ab und zu eine Flamme des Feuers. So saßen sie stumm eine Weile um das Feuer und lauschten den nachtaktiven Tieren, die langsam erwachten. Fynn durchbrach die Stille mit einem tiefen Seufzen. „Es gibt so viele böse Menschen und ich habe bis jetzt nur freundliche, gute Drachen kennen gelernt… gibt es überhaupt schlechte Drachen?“ Rorax senkte den Kopf während Nexel den Kopf zurückwarf, schnaubte und es schien, als würde er lachen. „Aber klar gibt es die“, antwortete Rorax dann. Er sah mit einem Mal ernst aus. „Als ich noch klein war, hat Rynd mir und den anderen Kijana von einem schrecklichen Krieg erzählt. Damals, vor dreißigtausend Jahren kämpfte jeder gegen jeden. Drachen gegen Menschen, Menschen gegen Menschen, Drachen gegen Drachen. Und daran Schuld war nur ein kleiner Streit zwischen zwei Freunden.“ Rorax schwieg und starrte nachdenklich in das Feuer. „Erzähl mir mehr“, bat Fynn aufgeregt. Auch Nexel sah ihn auffordernd an. „Na gut“, begann Rorax wieder. In dieser Zeit lebten Menschen und Drachen noch friedlich miteinander. Zwar gab es natürlich schon damals Menschen, die versuchten, den Drachen Schaden zuzufügen, oder sie als Diener zu halten, doch die Drachen wussten sich zu wehren. Die beiden Freunde, um die es geht hießen Karas und Lossar und waren gerade erst ein Jahrtausend Winter alt geworden. Lossar war ein Feuerdrache und er mochte Menschen nicht, während Karas ein Wasserdrache und mit vielen Menschen befreundet war. Die beiden verbrachten viel Zeit miteinander, doch wenn Lossar mal keine Zeit hatte, ging Karas zu seinen menschlichen Freunden und das passte Lossar nicht. Er war der festen Überzeugung, dass man Menschen nicht trauen konnte, auch wenn er nicht dachte, dass alle Menschen von Grund auf schlecht waren. Karas lachte ihn deswegen immer aus. Eines Tages geschah es, dass Lossar zu den Menschen kam, um Karas abzuholen, sie wollten einen kleinen Rundflug machen. Er sah, dass Karas in der Nähe des Menschendorfes auf einer Wiese lag umringt von seinen Menschenfreunden. Lossar blieb einen Moment lang stehen und blickte zu den Spielenden hinüber. Dann bemerkte er einen Menschenjungen, der sich mit gezücktem Schwert von hinten an Karas anschlich. Niemand sonst bemerkte ihn. Lossar rannte los, holte tief Luft und gerade, als der Menschenjunge das Schwert auf Karas niedersausen lassen wollte, spuckte Lossar Feuer. Der Junge schrie auf und ließ sein Schwert fallen, seine Haare, seine Kleidung, alles brannte lichterloh. Karas war erschrocken aufgesprungen und hatte sich umgedreht, die anderen Menschen liefen schreiend in das Dorf. Als Karas den brennenden Jungen sah, brüllte er, stürzte sich auf ihn, packte ihn und schleuderte ihn in den Fluss, der nur ein paar Schritte entfernt floss. Lossar wollte ihn aufhalten, doch Karas sprang hinterher und sein Freund sah, wie der Wasserdrache den verbrannten Körper des Menschen auf der anderen Seite des Flusses wieder herauszog. Die anderen Menschenkinder hatten inzwischen das ganze Dorf informiert und alle Männer kamen angerannt um zu sehen, was passiert war, während die Frauen ihre Kinder zusammenholten und in den Häusern versteckten. Die Männer stürzten sich auf den verbrannten Körper und drängten Karas zur Seite. Ängstlich blieb der Drache in der Nähe, hoffte, der Junge würde überleben, doch Lossar, immer noch auf der anderen Seite des Flusses wartend, starrte die Menschen finster an. Plötzlich heulte einer der Männer auf, er hatte erkannt, dass es sein Sohn war, der dort in Lebensgefahr schwebte. Er stieß die Anderen weg, nahm sein Kind in den Arm, fühlte den Puls und lauschte dem Atem. Doch der Junge war bereits tot. Karas versuchte die Menschenmenge zu beruhigen, doch keiner der Männer hatte jemals Drachenblut getrunken und so konnten sie ihn nicht verstehen. Sie dachten, Drachen wären Tiere, zwar intelligenter, aber doch nur Tiere und so zückten die Männer ihre Schwerter, Speere, Pfeile und Bogen, um die blutrünstigen Bestien zu verjagen. Karas wollte nicht wegfliegen. Ständig drehte er den Kopf um zu sehen, ob die Männer nicht doch aufhörten, sie mit ihren Waffen zu bedrohen, aber die Ersten spannten schon die Bogen und so musste er Lossar folgen, der froh war, endlich fort zu kommen. Sie landeten am Fuße der Hügel, in denen ihre Höhlen lagen. Dort stellte Karas Lossar zur Rede. Er schrie ihn an, warum er das getan hätte, warum er ein wehrloses Menschenkind getötet hätte. Er fragte, ob er verrückt geworden wäre. Lossar blieb ruhig. Er erzählte, dass der Junge Karas angreifen wollte. Doch sein Freund antwortete, er hätte diesen Jungen gekannt und er hätte immer versucht, sich an ihn heranzuschleichen um ihn zu erschrecken. Lossar berichtete, dass er ein Schwert gehabt hätte. Karas war immer noch außer sich vor Entsetzen. Ein Holzschwert mit dem man niemanden verletzen könne, hätte der Junge stets bei sich, brüllte er. Lossar beharrte darauf, dass er ein echtes Schwert gehabt hätte. Karas wollte und konnte das nicht glauben. Inzwischen waren einige andere Drachen aus den Höhlen in den Hügeln gekommen, um zu sehen, wer und warum so einen Lärm machte. Als sie erfuhren, was passiert war, bildeten sich sofort zwei Gruppen. Jene Drachen, die den Menschen gegenüber schon immer misstrauisch gewesen waren stellten sich zu Lossar, die anderen Drachen vertrauten den Menschen und glaubten nicht, dass ein Mensch und schon gar nicht ein Kind versuchen würde, einen Drachen zu töten und warfen Lossar vor, er habe die Menschen schon immer beneidet, weil Karas gerne mit ihnen spielte und er hätte den Jungen aus Rache getötet und um Karas’ Verbindung zu den Menschen zu zerstören. Es entbrannte eine heftige Diskussion, die erst von Karas unterbrochen wurde. Er bat alle um Ruhe und verkündete, er würde seinem Freund glauben, dass er das Holzschwert mit einem echten Schwert verwechselt hätte. Lossar widersprach entschieden. Er sei sich sicher, dass es ein echtes Schwert gewesen wäre, und der Junge Karas verletzen, wenn nicht sogar töten wollte, verkündete er. Doch er glaube nicht, dass alle Menschen bösartig wären, es täte ihm Leid, dass Karas nun nicht mehr mit seinen menschlichen Freunden spielen könne. Die anderen Drachen jedoch, achteten nicht auf die beiden. Sie schrien sich an, die einen wollten das Menschendorf angreifen und vernichten, die anderen warfen ihnen blinde Wut und Hass auf die Menschen vor. Die Zee-Drachen des Clans tauchten auf und geboten den Streitenden Ruhe. Sie befahlen ihnen, in die Höhlen zurückzukehren und abzuwarten, zu welchem Ergebnis sie, die Ältesten kommen würden, nachdem sie den Vorfall besprochen hatten. Allerdings wurde ihnen die Entscheidung abgenommen. Noch in der Nacht schlossen sich die Drachen, die sich auf Lossars Seite gestellt hatten zusammen, griffen das Dorf an, zerstörten es und töteten zahlreiche Menschen, darunter auch viele Kinder. Die Überlebenden flohen in alle Himmelsrichtungen und berichteten von den blutrünstigen Bestien, die ihr ganzes Dorf dem Erdboden gleich gemacht und die Bewohner niedergemetzelt hatten. So begann der Große Krieg. Menschenfürsten rückten mit ihren Rittern an, um die Drachen zu bekämpfen. Die musste sich nun verteidigen, ob sie wollten oder nicht. Andere Drachen-Clans kamen ihnen zu Hilfe, mehr Menschen rückten an. Doch die Drachen, die an das Gute in den Menschen glaubten verbündeten sich und versuchten ihre Artgenossen davon abzuhalten, noch mehr Blut zu vergießen. Auch unter den Menschen gab es Leute, die ihre Mitmenschen davon abbringen wollten, einen schrecklichen Fehler zu begehen, darunter am Anfang auch die Kinder, mit denen Karas früher immer gespielt hatte. So kämpften Menschen gegen Drachen, Drachen gegen Drachen und Menschen gegen Menschen. Karas und Lossar hatten während des ganzen Krieges versucht, Frieden zu stiften. Doch sie starben, noch bevor er endete. Karas starb durch Menschenhand, Lossar wurde von Drachen getötet. Sie starben am gleichen Tag. Der Große Krieg dauerte ein halbes Jahrhundert lang. Seitdem vermeiden die Drachen den Kontakt zu den Menschen und es wurde nie mehr so wie es mal war. Der Krieg endete damit, dass die Drachen zu hohe Verluste hatten, denn im Gegensatz zu den Menschen konnten Kiken nur ein Kijana in einem Jahrhundert gebären. So mussten die Drachen schließlich fliehen. Deshalb jagen heute auch die Menschen die Drachen, die sich verstecken müssen und nicht anders herum. „Ihr seht also, es gibt sehr wohl auch Drachen, die den Menschen Böses wollen und nicht nur schlechte Menschen“, beendete Rorax seine Geschichte. Dann legte sich Schweigen über die drei, in der alle ins Feuer starrten und ihren Gedanken nachhingen. „War es denn nun ein Holzschwert, oder nicht?“, fragte Fynn leise. „Das“, antwortete Rorax noch leiser, kaum hörbar, „hat niemand jemals herausgefunden.“ Nexel fauchte und sah den Wasserdrachen ungläubig an. „Ja, da hast du Recht. Vielleicht wäre dieser Krieg niemals nötig gewesen. Aber so werden wir niemals herausfinden, ob nun Lossars Wahrnehmen oder Karas’ Vertrauen zu dem Jungen stimmte. Und es ist auch zu spät, um darüber nachzudenken, die Antwort könnte die Geschichte nicht verändern. Doch noch heute beschäftigt diese Frage Viele.“ Damit legte sich Rorax zur Seite und schloss die Augen. Fynn und Nexel sahen sich einen Augenblick lang an und folgten dann seinem Beispiel. Die Geschichte hatte Fynn von seinen eigenen Sorgen abgelenkt. Während Fynn langsam in den Schlaf hinüber glitt, dachte er: ‚Das war eine traurige Lagerfeuergeschichte.’ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)