Children of Elements von chaoticgirl (Buch I - Freundschaft) ================================================================================ Kapitel 16: Janis Alleingang ---------------------------- Jemand schwebte durch den Wald. Sanft strich er mit einer Hand durch hohes, weiches Gras. Dann entfernte sich der Körper immer weiter vom Boden und flog durch die Bäume dem Himmel entgegen. Während Fynn noch fest schlief und dabei träumte, mit seinen Freunden der Sonne entgegen zu fliegen, war jemand anderes schon seit einiger Zeit unterwegs. Hin und wieder spreizte der kleine Grünling seine, im Vergleich zum Körper überdimensionalen Flügel, schwang sie, wobei er kurz vom Boden abhob, sofort wieder zurück plumpste und dabei vergnügt quietschte. Als Jani vom Clan aufgebrochen war, war ihre Laune gar nicht so gut gewesen. Sie hatte sich sogar sehr zusammenreißen müssen, um dem armen Rax, der am Eingang Wache gestanden war, nicht vor Wut in die Zehen zu beißen – wobei dieser das wahrscheinlich aufgrund seiner dicken Schuppen kaum gespürt hätte – doch dann hätte er sie sicherlich zurück zu ihrer Mutter gebracht und das wollte sie auf gar keinen Fall. So hatte sie sich an der dösenden Wache vorbei geschlichen und war abgehauen. Schuld an ihrer Wut war nur einer: Fynn! Seit Tagen war er schon wieder unterwegs! Wahrscheinlich hatte er irgendwo ein anders, süßeres Kijana gefunden, mit dem er gerade in diesem Augenblick spielte! Deshalb hatte sie sich auch dazu entschlossen, ihn zu suchen und zurück zu holen, wenn nötig auch mit Zahngewalt! Was konnte ein mickriger Mensch schon gegen eine große, starke Drachenkike ausrichten! Und sollten Rorax, Xankir oder Nexel versuchen, sie aufzuhalten, würden sie schon sehen, was sie davon haben! Längst schon war Jani klar geworden, dass die Drachen und ihr Mensch nicht ausgezogen waren, um irgendwelche Artgenossen vor bösen Menschen zu retten – wer sollte es auch wagen, einen großen, starken Drachen zu entführen? Alles Unsinn! - sondern, dass sie fortgingen, um mit anderen Kijana zu spielen! Aber das würde sie ihnen schon austreiben! Und wenn sie glaubten, sie könnten sie täuschen, indem sie Xankir da und den Kranken spielen ließen, dann unterschätzten sie ihre Intelligenz! Mit diesen düsteren Gedanken war sie aufgebrochen. Doch inzwischen hatte eine warme Frühlingsbrise und das schöne Grün der Umgebung ihre Wut eingeschläfert und sie freute sich schon sehr auf das bevorstehende Treffen mit ihren Freunden. Sie schnupperte schon den Fluss und tatsächlich, als sie den nächsten Baum umwandert hatte, stand sie am Ufer. Einen Augenblick lang blieb sie ratlos stehen. Hinüber konnte sie nicht. Sie konnte nicht weit genug fliegen und wegen der Strömung auch nicht hinüber schwimmen – abgesehen davon war das auch nicht gerade ihr Lieblingselement! Stromaufwärts ging es zum Wasserfall, dort war auch Sackgasse, also blieb ihr nur, stromabwärts zu gehen. Sicherlich war Fynn zu demselben Ergebnis gekommen, als er vor einer halben Ewigkeit losgegangen war, um „den weißen Drachen zu retten“ - wie er damals behauptet hatte. Und so wandte sie sich um und wanderte brav weiter den Fluss entlang, hier mal einen Schmetterling nachsehend, dort mal ein Stückchen saftigen, jungen Ast fressend. Nach einiger Zeit erreichte sie den Eingang zum Tal, den der Clan nach der Vertreibung des Fürsten und seiner Jäger verbarrikadiert hatten. Vor ihr türmte sich eine riesige verschmolzene Felswand auf. Die Kiuma des Clans hatten so viele Felsbrocken, wie möglich hierher, zur einzigen, für Menschen zugänglichen Öffnung zwischen den hoch aufragenden Bergen, die das Tal umschlossen, gebracht und alle Feuerdrachen hatten, mit vereinter Hitze die Brocken schmelzen lassen und zu einer harten Barriere geformt, die die Luftdrachen dann gekühlt und ausgehärtet hatten. Damit konnte kein Mensch jemals wieder ohne Hilfe eines Drachen in dieses Tal eindringen. Doch Jani störte dieses Hindernis überhaupt nicht. Sie lief zu einem kleinen grünen Gebüsch, dass an der geschmolzenen Wand wuchs, scharrte probeweise in der wichen Erde an der Wurzel und hatte im Nu die Stelle gefunden, an der sich die Erdhöhle befand, die ein Dachs gebuddelt hatte und die unter der Felswand bis auf die andere Seite führte. Durch Zufall hatte sie einmal bei einem ihrer Ausflüge den Dachs beobachtet, der gerade hindurch schlüpfte. In mühevoller Arbeit hatte sie den Gang etwas erweitert, sodass sie durch passte. Als sie den Kopf in das Loch steckte, merkte sie jedoch, dass sie schon wieder stark gewachsen war – sie blieb mit den Schultern stecken. Leise knurrend zog sie sich wieder zurück und begann mit den Pfoten den Eingang erneut zu erweitern. Nach einigen Minuten versuchte sie noch einmal, durch zu krabbeln, doch sie war einfach zu groß! Nun richtig wütend knurrend und fauchend lief sie vor dem Loch hin und her und Zornestränen rannen ihr die schuppigen Wangen hinunter. Wie sollte Sie jetzt zu Fynn kommen?! Er spielte doch mit einem anderen Kijana! „Na, na, wer wir denn gleich weinen, meine Kleine?“, ertönte eine leise Stimme hinter ihr. Jani wirbelte herum und erstarrte. Es war niemand zu sehen! Lachen erklang scheinbar aus dem Nichts. Erschrocken jaulte das kleine Kijana auf, als sie die braunen Augen entdeckte, die ihr AUS einem Baum heraus zublinzelten. „Du musst keine Angst haben. Ich werde dir helfen.“ „Wirklich?“, quiekte Jani und im Nu wich das Entsetzen, das sie eben noch empfunden hatte, erstaunter Freude. Der „Baum“ bewegte sich, seine Rinde brauch auf und eine große, mit Ästen bekronte Gestalt trat auf den kleinen Grünling zu. Vertrauensvoll hüpfte Jani auf Ardhi zu und umsprang seine Wurzelfüße. Dieser lachte leise knackend, hob einen Rindenarm und die Wurzeln des Gebüschs, das am Eingang des Ganges wuchs, wurden länger, kräftiger und begannen das Erdreich auseinander zu drücken, sodass Jani ohne Probleme hindurch schlüpfen konnte. Auf der anderen Seite drehte sie sich um und erwartete, den freundlichen Baumbewohner – für den sie ihn hielt – hinter sich aus der Erde hervor kriechen zu sehen, doch da war nichts. Etwas knackste und sie blickte zu der, von Drachen erschaffenen Barriere, über die Ardhi gerade gemütlich hinüber stieg. Seine Wurzeln gruben sich in den beinharten Stein, als wäre es lockere Erde und lösten sich bei jedem weiteren Schritt wieder, wobei sie kleine, ganz feine Risse hinterließen. Als er bei Jani angekommen war, fragte er: „Und, was machen wir jetzt?“ „Wir suchen weiter!“, rief sie vergnügt. „Und was suchen wir?“ „Nicht was“, kicherte der Grünling. „Wen! Wir suchen Fynn! Meinen Freund Fynn!“ „Fynn, den Menschen?“ „Ja, genau den! Kennst du ihn?“ „Ich habe ihn tatsächlich schon einmal getroffen. Hast ihn denn verloren?“ „Nein. Er hat mich verloren! Er ist vor laaaaaaanger Zeit los, um jemanden zu retten. Das hat er zumindest behauptet!“ „Behauptet? Glaubst du ihm etwa nicht?“ „Nein! Ich weiß, dass er etwas anderes vorhat. Er sucht ein anderes Kijana, mit dem er spielt und dem er tollte Geschichten erzählt!“, rief sie empört. „Ach so? Das ist aber nicht gerade nett, dass er sich anlügt“, meinte Ardhi ruhig. „Nein, ist es gar nicht! Und deswegen suche ich ihn und dann hole ich ihn zurück und dann darf er nur noch mit mir spielen!“ Daraufhin drehte sich Jani um, schluckte die Zornestränen hinunter und stapfte trotzig weiter. Leises Rascheln und Knacken sagte ihr, dass Ardhi ihr folgte, doch sie sah sich nicht nach ihm um. So wanderten die zwei eine Weile durch den Wald, bis Jani ihre Wut vergessen hatte und sich wieder mehr der Umgebung widmete. Plötzlich raschelte etwas im Gebüsch und zwei Eichhörnchen sprangen ihnen in den Weg, jagten um Jani herum und kletterten schnell an Ardhi herauf. Dann raschelte es ein weiteres Mal und ein drittes Eichhörnchen erschien, betrachtete den Drachen und die Gottheit einen Moment, hob dann schnuppernd die Nase, rannte auf Ardhi zu und quiekte triumphierend. Die beiden Eichhörnchen in Ardhis Astkrone antworteten übermütig und sprangen zu ihrem Freund herunter. Jani beobachtete das Treiben begeistert. „Spielt ihr Verstecken und Fangen? Darf ich mitspielen? Bitte, bitte!“, fragte sie und als die drei Tierchen daraufhin los liefen sie jagte ihnen nach. Fröhlich spielte Jani eine Weile unter Ardhis Obhut. Sie war eine Meisterin des Versteckens, jedes grüne Blatt, jeder moosbewachsene Stein war für sie, dank ihrer Gabe ein ideales Versteck und so überfiel sie die drei kleinen Eichhörnchen oft, um ihnen dann von neuem nachzujagen. Diese hatten keinerlei Angst vor dem Drachen und flohen daher auch nicht auf die Bäume, wo Jani ihnen nicht folgen konnte. Gerade verschwand Jani mal wieder hinter einer dicken Baumwurzel, da plumpste sie direkt vor die Füße eines großen Mannes. Er ragte hoch über ihr hinauf und sah sich suchend um. Schlank und sehnig war er, seine muskulösen Unterarme und Handgelenke wurden von dicken Lederarmbändern verdeckt, sein Lederhemd war mit Metallplatten verstärkt und seine Stiefel gingen hoch, bis zu den Knien, wo sie ebenfalls die Gelenke mit Metallplatten schützten. Jedoch achtete Jani weder auf seine Kleidung, noch auf sein Gesicht, das von zwei schwarzen, kalten Augen, einem schmalen Mund und kurzen, schwarzen Haaren beherrscht wurde, sondern die zwei großen, silbern glänzenden Dinger, die wie ein Kreuz auf seinem Rücken befestigt waren und nach oben in zwei Holzgriffen endeten und das seltsame hölzerne Ding, dass er in der Hand hielt und auf dem ein schmales Stöckchen, mit silberner Spitze zwischen Rahmen und einem Band befestigt war, zogen ihre Aufmerksamkeit auf sich. Ardhi erschien neben ihr und legte eine Hand an die borkigen Lippen, um sie ruhig zu halten, drückte sie sanft mit einer beblätternden Hand an sich und gespannt beobachteten die beiden den komischen Menschen. Die Erdhörnchen waren verschwunden. Jani wunderte sich – der Mensch musste blind sein, denn er sah sich zwar um, konnte den kleinen Drachen und die Erdgottheit aber offensichtlich nicht sehen! Dass Ardhi für den Menschen nur als Baum zu erkennen war und sie aufgrund ihrer Gabe, sich vor grünem oder erdig-braunem Hintergrund nahezu unsichtbar zu machen, für ihn gar nicht zu sehen war, begriff sie nicht. Der Mann stand nun also direkt vor ihnen und sah sich misstrauisch um und suchend um. Er hatte sie anscheinend gehört – Jani war nicht gerade leise durchs Gebüsch geplumpst – und ihm schien auch etwas plötzlich seltsam verändert zu sein – aber wer bemerkt in einem Wald schon, wenn auf einmal ein Baum mehr als eben neben ihm stand – doch er schien nicht wirklich greifen zu können, was jetzt anders war. Er begann damit – das hölzerne Ding mit dem Stock in der Hand – das Gebüsch zu durchsuchen und Jani versteckte erschrocken die Schnauze zwischen den Pfoten, als er auch auf Ardhi zutrat, hinter seinen Stamm sah und seine Astkrone misstrauisch beäugte, doch dann knurrte er etwas und entfernte sich, mit erschreckend lautlosem Schritt. Ardhi hielt Jani noch lange, nachdem er weg war fest, erst, als er sicher war, dass der Mensch verschwunden war, ließ er sie knackend aufatmend los. „Was war das Komisches in seiner Hand? Wie heißt das Ding auf seinem Rücken, das so schön geglänzt hat? Wozu braucht er das? Meinst du, er hat uns gesucht, wie bei Verstecken und Fangen?“, ließ Jani ihrer Neugier freien Lauf. „Das in seiner Hand nennen die Menschen 'Armbrust' und die silbernen Dinger sind 'Schwerter' Er braucht das, um zu jagen.“ „Jagen?“ Janis Augen wurden ganz groß. „Was jagt er denn?“ „Keine Tiere, fürchte ich“, murmelte Ardhi in seinen Blätterbart. Leicht beunruhigt sah die Gottheit dem Jäger nach, der natürlich längst nicht mehr zu sehen war. Jani dachte gerade darüber nach, ob dieser Mensch ein Freund von Fynn war, da fiel ihr wieder ein, weshalb sie eigentlich unterwegs war. Die knorrige Gottheit sah milde überrascht auf, als Jani wütend aufsprang und dem Jäger hinterher hopste, laut rufend: „Hey, komm zurück! Ich will zu Fynn, sofort!!“ Ardhi seufzte und hob das zornige Kijana hoch. „Komm, es ist besser, ich bringe dich nach Hause zurück. Hier ist es nicht mehr sicher.“ Und so endete Janis Alleingang – den Göttern sei Dank – glücklich, was Jani allerdings etwas anders sah. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)