Krankenbesuch von Elster (Akiha & Umeda) ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Das Klingeln des Telefons, ein Stöhnen, dann hob Umeda ab. „Was?“ Akihas Stimme klang nicht ganz so begeistert wie sonst. „Oh. Hallo erstmal. Bist du immer noch krank? Wie geht’s dir?“ Seine Stimme klang eigenartig entfernt und Umeda wusste nicht, ob es an der Leitung lag oder an seinen Ohren, durch die sich irgendwie alles wattig anhörte. „Beschissen. Wie gestern.“ Es war nicht übertrieben. Erkältungen waren eine Zumutung. Gestern hatte er nicht rauchen können, weil sein Hals sich anfühlte, als hätte er Stacheldraht geschluckt und er bei der kleinsten Reizung Hustenanfälle bekam, heute konnte er nicht durch die Nase atmen und sein Kopf fühlte sich an, als hätte er ihn gegen eine Wand geschlagen. „Es wird bestimmt bald wieder besser.“, versprach Akiha. „Hast du Fieber? Trinkst du auch viel Tee? Kamillentee ist gut bei Erkältung.“ „Nein. Ich meine, nein, ich habe kein Fieber und ja ich trinke Tee, aber sicher nicht Kamille.“ Umeda hasste Kamillentee. Er würde ihn vielleicht trinken, wenn er sonst sterben müsste und es keine andere Möglichkeit gäbe, sich zu retten, aber nur dann und nicht wegen eines gewöhnlichen Schnupfens. Es gab auch noch unzählige andere mehr oder weniger widerliche Erkältungstees, die er eher trinken würde, darunter diverse Mischungen von Minze, Thymian, Fenchel und Salbei. „Ah. Okay... und Inhalationen?“ Umeda rieb sich genervt über das Gesicht. Wie kam es, dass er jedes Mal wenn er krank wurde mehrmals dieselbe Unterhaltung mit Io, Rio und seiner Mutter führte und Akiha nun dieselben Fragen stellte? Wer war denn hier der Arzt? Glaubten die wirklich, er könne sich nicht selbst um so etwas pupsprofanes wie eine Erkältung kümmern? Die taten immer gleich so, als würde er an der Schwelle zum Grab stehen. Dabei hatte er nur Kopfschmerzen und wollte schlafen, aber nein, ständig rief irgendwer an, um ihn zu fragen, wie es ihm ging. Oder die dumme Katze weckte ihn, weil ihr langweilig war. Gott sei Dank hatte es sich seine Mutter abgewöhnt vorbeizukommen, wenn er krank war, was nicht zuletzt daran lag, dass er sie nicht mehr reinließ. „Hallo? Bist du noch dran?“, fragte Akiha. „Ja ja. Hör auf, mir irgendwelche Hausmittel zu empfehlen. Den Job meiner Mutter hat schon jemand, nämlich meine Mutter.“ „Soll ich nach der Arbeit vielleicht vorbeikommen?“ Um Gottes Willen. „Nein.“ „Aber du bist jetzt seit zwei Tagen ganz allein.“ Akiha klang geradezu unanständig besorgt. Umeda seufzte. Wie konnte man es jemandem wie Akiha klarmachen, dass es einfach Menschen gab, die es nicht störte, zwei Tage allein in ihrer Wohnung zu bleiben, zu schlafen, zu lesen und sich unsinnige Sendungen im Fernsehen anzuschauen und die – gerade wenn sie krank waren – kein gesteigertes Interesse an Gesellschaft hatten? Richtig. Gar nicht. Umeda wusste nicht, ob es an der ehrlichen Anteilnahme in Akihas Stimme lag oder daran, dass ihm nach zwei Tagen vielleicht doch langsam langweilig war, jedenfalls hörte er sich die Worte sagen, bevor er groß darüber nachgedacht hatte: „Na gut, dann komm meinetwegen vorbei. Aber nur für ein paar Stunden. Und wenn du auch krank wirst, ist das deine eigene Schuld.“ Akiha Stimme überschlug sich vor Freude, als er sich wortreich verabschiedete und zusicherte, dass er ganz sicher vorbeikommen würde, sobald er könne, so gegen acht vermutlich, wenn es später würde, würde er natürlich sofort anrufen... Umeda legte auf. Er hatte wie immer eine seltsame Art von schlechtem Gewissen, wenn so eine Kleinigkeit Akiha so glücklich zu machen schien. Er kam sich dann irgendwie mies vor, vielleicht weil es ihm nicht so wichtig war, er wusste nicht genau, warum. Er mochte das an Akiha, diese bedingungslose Begeisterung für alles, was er tat, ob es nun seine Arbeit war oder das Herumgondeln in seinem albernen Auto oder eben ein Krankenbesuch bei Umeda. Gegen ihn war Umeda ein leidenschaftsloser Mensch, der das ganze Gewese nicht so wirklich verstand. Das war vermutlich gut so, denn auch wenn Akiha es niemanden sehen lassen wollte, konnten ihn Dinge völlig niederschmettern, die Umeda absolut kalt gelassen hätten. Zum Beispiel konnte er nicht wirklich gut mit Kritik umgehen. Er war fast eine Woche lang todunglücklich gewesen und hatte an seinem Talent gezweifelt, nur weil irgendein Medienfutzi etwas abfälliges über seine Photos geschrieben hatte, was er mit nerviger Geschäftigkeit überspielte und einem ausweichenden Lächeln, das wirklich niemanden täuschte. Umeda hatte ewig gebraucht, um herauszufinden, was mit ihm los war. Zwischendurch war er kurz davor gewesen, Akiha einfach umzubringen. Aber jetzt musste er sehen, dass er die Suppe auslöffelte, die er sich eingebrockt hatte und sich auf Akihas Besuch vorbereiten. Das heißt, er musste seine Wohnung herrichten, die unaufgeräumt, mit zusammengeknüllten Taschentüchern und diversem anderem Abfall übersäht, völlig überheizt und stickig war. Vermutlich roch es nach Schweiß und diesen Hustenbonbons und dem ganzen anderen Eukalyptus-Mentol-Mist, der überall drin war, Umeda konnte sich da nicht endgültig sicher sein, weil er etwa seit heute Mittag nichts mehr roch oder schmeckte. Außerdem musste er versuchen, sich selbst in eine etwas akzeptablere Form zu bringen. Er hatte die letzten zwei Tage nicht geduscht, sondern in genau diesen Boxershorts und genau diesem T-shirt entweder in seinem Bett oder auf seiner Couch gelegen. Ein Blick in den nächsten Spiegel zeigte ihm, dass man ihm das absolut ansah. Er sah sogar noch ein bisschen schlimmer aus als er sich fühlte. Es war nicht so, dass Umeda besonders eitel war oder Akiha beeindrucken wollte. Aber so unmöglich wie er jetzt aussah, würde er sich niemandem zeigen und so wie seine Wohnung jetzt aussah, würde er niemals jemanden hereinlassen. Es gab einfach ein gewisses Grundmaß an Würde, das er gern behalten hätte. Während er also Aspirin nahm und unter die Dusche stieg, überlegte er, warum es sich das eigentlich angetan hatte Akiha einzuladen. War das Liebe? Wenn er Pech hatte, würde Akiha für ihn kochen... ~*~ Als Umeda kurz vor acht auf die Uhr schaute, merkte er, dass er sich wirklich darauf freute, Akiha zu sehen. Er fühlte sich auch schon ein bisschen besser, seit er saubere Sachen trug und alle Zimmer gelüftet hatte. Die Katze huschte nervös hin und her. Mal saß sie mit zuckender Schwanzspitze auf dem Fensterbrett, mal strich sie hinter ihm auf der Sofalehne entlang, während er las. Oder zumindest versuchte zu lesen. Seine Augen hatten trotz der Brille Schwierigkeiten, sich auf den Text zu fokussieren und seine Aufmerksamkeitsspanne erreichte neue Tiefpunkte. Als es an der Tür klingelte, ging Umeda ein bisschen schneller aufmachen als unbedingt nötig gewesen wäre. Akiha stand mit einer Einkaufstüte davor und strahlte wie ein verdammter Flutlichtscheinwerfer. Manchmal fragte Umeda sich, wie er sich in jemanden verlieben konnte, der in so vieler Hinsicht das exakte Gegenteil von Kijima war. Aber wahrscheinlich bedeutete das nichts anderes, als dass sogar er aus seinen Fehlern lernte. Jedenfalls fand er sich nur Augenblicke später in Akihas warmer, fester Umarmung wieder. Akiha gab ihm einen flüchtigen Kuss auf den Mund, sah ihn an und runzelte die Stirn. „Du hast gesagt, du hast kein Fieber.“, sagte vorwurfsvoll. Umeda grummelte nur genervt und drehte sich weg und hustete. „Hab ich ja auch nicht. Und hast du schon mal was von Kontaktinfektion gehört? Todsicherer Weg sich anzustecken.“ Akiha zuckte nur unbekümmert mit den Schultern. „Oh wow, du siehst wirklich schlimm aus“, sagte er dann unvermittelt und mit völlig deplatzierter Bewunderung. „Danke auch.“ Akiha grinste. „Ach was, ich liebe dich trotzdem. Aber du fühlst dich warm an. Du solltest dich hinlegen.“ Umedas bissiger Kommentar, dass er liegen würde, wenn Akiha nicht da wäre, wurde von diesem im Keim erstickt, indem er Umeda geschäftig ins Wohnzimmer schob und aufs Sofa setzte. „So. Du ruhst dich aus und ich mach dir was zu essen, ja? Ich hab tonnenweise Obst für Obstsalat eingekauft. Und keine Angst, ich mach nur ganz wenig Zucker ran. Und wenn du sonst irgendwas willst, dann brauchst du es nur zu sagen.“ ‚Es sei denn, ich will Ruhe und Frieden.’ Umeda seufzte und beobachtete Akiha, der anfing, in der Küche zu werkeln. Umeda war sehr froh, dass er offene Küche mit Theke hatte und so sehen konnte, was Akiha da tat, andernfalls hätte er es nicht ausgehalten, bei dem Lärm zuzuhören und nicht einzugreifen. Es klang bestialisch. Akiha nahm die Schüssel nicht aus dem Schrank, er riss sie halb zwischen den anderen heraus, er knallte die Schranktüren zu, während er nach irgendwas suchte und begann schließlich, dass Obst nicht zu schneiden, sondern voller Enthusiasmus zu zerhacken. Wenn Umeda ihn nicht früher schon mal in der Küche erlebt hätte und wusste, dass das normal war, hätte ihn das sicher verstört. Und vielleicht kam es ihm jetzt auch nur so extrem laut vor, weil es die letzten zwei Tage so still gewesen war. Anscheinend war es Akiha auch noch nicht laut genug, denn er machte das Radio an, rauschte eine Weile zwischen den Sendern hin und her, blieb bei der erstbesten Musik hängen und sang ein bisschen mit. Die Katze jagte seinen Füßen hinterher, strich ihm um die Beine und versuchte auf die Tische zu springen. Umeda merkte trotzdem wie er langsam wegdöste. Es war echt nichts mit ihm anzufangen, er nervte sich ja selbst, wenn er krank war. Er wachte auf, als Akiha mit einer riesigen Schüssel Obstsalat ankam und sich neben ihm auf das Sofa setzte. Sie aßen schweigend. Der Salat schmeckte süß und sauer und sonst nicht nach viel. Essen machte keinen Spaß, wenn man nichts schmeckte, eigentlich war es schade drum. „Und? Schmeckt toll, oder?“, fragte Akiha begeistert. „Sehr gut.“ Umeda bekam ein Lächeln zustande und Akiha strahlte ihn an. Nach den Essen redeten sie über dies und das, oder besser Akiha redete und Umeda hatte Mühe, ihm zu folgen, weil er ständig wegnickte. Von einem Moment auf den anderen (oder vielleicht hatte er auch nur geschlafen) flimmerte der Fernseher leise und Umeda lag bis zum Hals unter seiner Bettdecke begraben auf dem Sofa, mit seinem Kopf auf Akihas Schoß. Er blinzelte und schaute sich um, aber er hatte seine Brille nicht mehr auf und alle Umrisse blieben verschwommen. „Wie spät ist es?“ „Halb elf. Soll ich langsam gehen?“ Akiha bewegte sich unter ihm etwas und fing an, ihm mit einer Hand die Haare aus dem Gesicht zu streichen. Es war beruhigend. Es erinnerte ihn daran, dass er als Kind gern krank gewesen war, weil seine Mutter sich immer frei genommen und sich um ihn gekümmert hatte. Umeda schloss die Augen. „Bleib noch ein bisschen hier.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)