Mondscheinkinder von MangaEngel ================================================================================ Kapitel 15: Wenn Blinde sehen ----------------------------- Es war schon ein seltsames Gefühl, zu sehen, wie Masa, Kai und ich sich veränderten...Aber ich glaube, wenn man eine neue Person näher kennen lernt, ist das normal, man muss sich schließlich an diese anpassen. Aber ich sehe es positiv. Kai fängt an, freundlicher zu werden und mehr von sich zu erzählen, ausserdem trägt er diese Maske nicht mehr so besessen. Und Masa... Normalerweise ist er immer ruhig, nett, aber auch ein wenig....kühl.... Aber es fällt mir in letzter Zeit immer stärker auf, dass er pulsiver und auch emotionaler wird, auch, wenn er mir gegenüber manchmal etwas fies ist, aber das ist nicht schlimm, ich weiß, dass er es nicht böse meint. Ausserdem glaube ich, dass es gut ist, wie Kai und Masa zueinander stehen, denn sowas wie einen besten Freund braucht man einfach. Aber ich habe auch ein wenig Angst davor, dass sie sich so gut verstehen...denn...Masas -vielleicht letzte-Operation steht vor der Tür. Nicht nur, weil beide sich dadurch verlieren würden, nein... Ich habe Angst. Sehr große Angst. Denn sowas wie weiche Haut kann man mit den Augen nicht sehen... „Wie geht es dir?“ Masa saß mit Augenverband im Bett, er soll immer ein paar Stunden warten, ehe er seine Augen benutzte, um eine Überreizung zu vermeiden. Kais Gesicht war eine Mischung aus besorgt und ängstlich, wobei er wohl weniger Gründe für die Angst hatte als ich. Ich selbst versuchte, nur das Gute zu sehen, mir nur zu wünschen, dass dieser Chip das war, was ihm helfen konnte. Ausnahmsweise war Licht in seinem Zimmer an, wir hatten eine Stehlampe mitgebracht, diese jedoch für nicht zu grelles Licht abgedeckt. Schließlich nahm er den Verband ab, ließ die Augen aber noch geschlossen. Er atmete tief durch, bisher hatte er durch den Chip nur grobe Umrisse und starke Änderungen der Lichtverhältnisse erkennen können, doch Probanten in Regensburg hatten angeblich gut sehen können, wenn auch nur in schwarz-weiß und stark verschwommen. Langsam öffnete er die Augen und sah uns, die wir ihm gegenüber saßen, an. Und er sah uns wirklich an. Ich merkte sofort, wie er mich anvisierte und mich von oben bis unten mit ernster Miene musterte. Mir war nicht ganz klar, was ich mir unter „stark verschwommen“ vorstellen sollte, inwiefern er Dinge sehen konnte und wie detailreich. Nachdem er mich eingehend angesehen hatte, wanderte sein Blick zu Kai, der sich sichtlich unwohl fühlte, allerdings wohl, genau wie bei mir, nur wegen seinem Komplex bezüglich seinem Gesicht. Abschließend sah er auf seine Beine, seine Arme, er musterte seinen Bauch und seine Hände. Er wirkte auf mich, als wäre er eines der Aliens in einem Film, welches sich in einen Menschen verwandelt hatte und seinen neuen Körper verwundert erforschte. Ich konnte an seinem Blick nicht sagen, was er dachte, allerdings zuckten seine Augenbrauen manchmal, was sie taten, wenn er etwas nicht verstand und mir zumindest sagte, dass er sehen konnte...und zwar für einen Blinden verhältnismäßig sehr, sehr gut. Schließlich bewegte er seine Finger, sah schweigend seinen Fingern zu, wie diese sich bewegten und ihm gehorchten. Dann sah er wieder mich an, streckte seine Hand aus und berührte mein Gesicht. Er fuhr über dieses, während er immer wieder die Augen schloss und sie wieder öffnete, Gefühl und Sehen anscheinend verbinden wollte oder aber versuchte, dass bisherige Bild so zu korrigieren. Dann sah er zu Kai, wollte die Prozedur anscheinend auch bei ihm vollziehen, doch dieser zuckte sofort verängstigt zurück und Masas Arm stoppte. Er legte den Kopf etwas schief, sah Kai aber eindringlich an und ich konnte förmlich sehen, wie Kai immer kleiner wurde. Wieder bewegte Masa seinen Arm auf Kai zu und wieder zuckte dieser zurück, doch diesmal erreichte Masas Hand sein Gesicht und fast wie auf Kommando gab Kai nach. Es war mehr als offensichtlich, dass Kai sehr empfindlich auf Berührungen reagierte und vor allem Masas Berührungen zeigten eine unglaubliche Wirkung auf ihn. Sein Körper war immer noch angespannt, doch er saß zumindest nicht mehr starr da. Er schloss die Augen und schien zu hoffen, dass Masa schnell fertig war. Doch diesmal nahm sich Masa Zeit, viel Zeit. Mir war nicht ganz klar, ob er das tat, weil er besonders vorsichtig sein wollte oder ob ich es mit Masas allgemein starkem Interesse an Kai erklären sollte. Jedenfalls ließ er schließlich auch von Kai ab und sah nun uns beide an. Nur vorsichtig öffnete Kai die Augen, erwiderte jedoch den Blick. „Es ist...sehr seltsam...zu sehen.“ sagte Masa schließlich und er war weder begeistert, noch wirklich enttäuscht. Er legte wieder den Kopf schief, etwas, dass er sich in der Klinik angewöhnt hatte, wenn er über etwas für ihn wichtiges nachdachte. „Farben...Licht...“ murmelte er vor sich hin, ehe er erst mich, dann Kai wieder genau ansah und dann nacheinander über unsere zerstörten Hautstücke fuhr. Er bewegte danach seine Finger nachfühlend, sah aber weiter auf jene berührten Stellen. Neben mir atmete Kai kurz schwerlich, es war anscheinend sehr anstrengend für ihn, diese Prozedur durchzustehen, doch Masa hörte es sofort und musterte diesen, welcher auch zeitgleich erschrocken zusammenzuckte. Doch ehe Kai irgendetwas tun konnte, umarmte Masa ihn und streichelte ihm über das Haar. Kai verkrampfte sich zuerst, doch das er nicht Masas Augen sah, beruhigte ihn sichtlich. Über Kais Schulter sah Masa zu mir, ich hielt diesem stand und nach einem kurzen Blicktausch lächelte Masa und mir fiel trotz des trüben Lichts plötzlich auf, dass Masa wässrige Augen hatte und sich - vermutlich wegen Kai - zusammenriss, nicht zu weinen. Sofort musste auch ich lächeln, auch, wenn der Chip in ein paar Tagen wieder entfernt werden würde, um ihn weiter auf Farbe und Details zu optimieren, war er für Masa bereits ein großer Erfolg und bei dem Anblick seines glücklichen Lächelns, seiner angestrengten Zurückhaltung, um sich vor Kai und mir nicht zu blamieren, wusste ich, dass dieser Chip es wert war, dass sich Menschen dafür mehrmals die Augen verletzen ließen und ihre Sehfähigkeit wieder und wieder aufs Spiel setzten. Dieser Chip war es wert, geschaffen zu werden. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)