Mondscheinkinder von MangaEngel ================================================================================ Kapitel 27: Kein Licht und doch die Wahrheit sehn ------------------------------------------------- Es war, wie ich es mir gedacht hatte. Mitten in der Nacht hörte ich das Brummen eines Motors und später sah Kai auch einen dunkelblauen Wagen die Einfahrt runterfahren. Und als Kai dann auf einmal rief, dass er wirklich Mary sah, spürte ich einen kurzen Stich in der Brust bei dem Gedanken, wie kaltblütig die Direktorin mittlerweile geworden war. Doch wir akzeptierten es, Kai und ich hatten schon genügend Pläne, wie wir sie wiedersehen konnten. Immerhin gab es noch den Besuchertag und Mary selbst hatte schließlich gesagt, dass die Wahrscheinlichkeit einer weiteren Berichtigungsoperation sehr wahrscheinlich war. Und dennoch winkten wir ihr zumindest zum Abschied zu, doch wir waren beide überzeugt, sie wiederzusehen, es war kein Abschied wie „Lebe wohl“. Dennoch waren es nur noch wir zwei und ein paar der Patienten sprachen uns oft genug an, ob alles mit uns in Ordnung wäre und ob wir krank wären. Vor allem war die Direktorin sehr wütend, dass Kai in mein Zimmer gezogen war und nicht andersrum. Sie meinte immer, dass es Millionen gekostet hätte, um die ganze dritte Etage für ihn sicher zu gestalten und das es absolut undankbar wäre, jetzt in den ungeschützten vierten Stock zu ziehen. Kai schwieg allerdings immer und selbst, wenn sie Wachen aufstellten oder seine Türe verschlossen, mussten sie immer wieder nachgeben, da Kai immer demonstrativ versuchte, die Folie abzukratzen bzw ein Fenster zu öffnen und das wollten alle immer vermeiden. Selbst, als sie ihn dann spontan in ein fensterloses Zimmer sperrten, bekam er seinen Willen, indem er Essen und Wasser verweigerte und dadurch für zwei Tage in der Krankenstation lag. Er war fast so hartnäckig wie Ghandi, wenn es darum ging, seinen Willen szu bekommen. Die Direktorin wurde sich wieder und wieder bewusst, dass er sie in der Hand hatte, denn ihr war wichtig, dass er am Leben blieb, er war schließlich die Quelle ihrer neugewonnen Bekanntheit und auch die Ursache von vielen Spendengelder. Letztendlich bekam Kai seinen Willen, man akzeptierte, dass er bei mir wohnte, schließlich war mein Zimmer von jedem Licht abgeschnitten und somit ungefährlich, auch, wenn die restliche Etage es nicht war. Allerdings hatte die T-Rex lange nicht aufgegeben, sie schob meine Augen-OP vor und wollte uns so wohl anscheinend mit Gewalt wieder trennen. Denn letztendlich konnte sie jeden in der Klinik auf die Straße setzen, wenn diese wirkten, als wollten sie die Dienste nicht nutzen, die die Klinik anbot. So hatte sie vermutlich auch Mary problemlos schnell weggeschafft und dasselbe versuchte sie nun bei mir. Ironischerweise stand allerdings eine Stunde nach meiner OP ein weiterer Versuch für Kai an. Und ich konnte mir schon denken, dass sie hoffte, mich sofort wegzuschaffen, sobald der Chip drin war. Denn ich hatte in der Zeitung gelesen, dass der Chip in Regensburg bei den Probanten erfolgreich eingesetzt geworden war. Und diesmal gab es Farben und Details, viele schafften den Test, der anscheinend zum Bestimmen von Sehproblemen vorgesehen war und man arbeitete nur noch daran, den Chip dahin zu perfektionieren, dass die Probanten damit perfekte Sicht hatten. Kai war das auch klar geworden, früher war er da immer ein wenig langsam, doch mittlerweile wusste auch er von der kalten Berechenheit, mit der die Direktorin vorging. Insofern sahen wir beide mit Furcht den OPs entgegen, doch auch mit Hoffnung. Ich kam vermutlich raus nach der OP. Und Kai...sollte dieser Versuch erfolgreich sein, würde er auch gehen können. In den Zoo, am Tag, wo wir uns dann die Tiere ansehn würden. Unausweichlich, wie das Schicksal meistens war, kam dann auch schon der Tag. Und Kai weinte. Er hatte extra gebeten, bei mir im Bett schlafen zu dürfen und er hatte mich auch immer wieder leise gefragt, ob der jetzt für ihn anstehende Versuch wohl erfolgreich sein würde. Es war mehr als offensichtlich, dass Kai absolut nicht alleine in der Klinik bleiben wollte und dass ihm das mehr Angst machte als der Test selbst, machte mir fast schon Gewissensbisse, dass ich mich je mit ihm angefreundet hatte. Ich hatte ihn die ganze Nacht im Arm gehalten und hatte mehrmals gehört, wie er im Schlaf meinen und Marys Namen sagte. Und als der Wecker klingelte, hatte er sich geweigert, aufzustehen und meinte, wir könnten den Tag doch einfach durchschlafen, die Ärzte würden alles dann verschieben. Es tat mir unglaublich weh, zu hören, wie er den ganzen Tag über immer tief Luft holen musste, um seinen Drang, zu weinen oder zu schreien, zu unterdrücken. Und öfters hörte ich ihn die Uhrzeit murmeln, als wenn er ununterbrochen nur auf die Uhr starren würde und darauf hoffte, dass die Zeit stehen blieb. Doch sie blieb nicht stehen. Gegen Nachmittag kam ein Arzt, der mich abholen wollte. Natürlich war es immer noch in meinem Zimmer pechschwarz wie eh und je, insofern blieb der Arzt auch draußen und wartete darauf, dass ich raus kam. In dem Moment hatte Kai sich an mich geklammert und kurz geweigert, mich gehen zu lassen. Aber er gab auf, als der Arzt drohte, die OP abzubrechen und mich rauszuschmeißen. Ich verabschiedete mich bei ihm und ging. Die OP war mir ziemlich egal, doch ich betete zum ersten Mal, dass etwas schief ging. Und wenn es ewige Blindheit für mich bedeuten sollte, wenn ich wenigstens nur für ein wenig länger in der Klinik bleiben könnte, nur ein wenig länger Kai Gesellschaft leisten könnte, so würde mir das reichen. Denn ich könnte es mir nicht verzeihen, sollten Mary und ich der letzte Grund sein, weshalb er den Gedanken an Selbstmord nie hatte. Wenn er sich umbringen sollte, noch bevor ich diese Klinik verließ. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)