Contra todo el Mundo von Maci ((Gegen die ganze Welt)) ================================================================================ zerbrochene Familie ------------------- Der Tag mit Lena, war der schönste den ich jemals in meinem Leben verbracht habe. Ich hatte nie gedacht, dass es so schön wäre eine Freundin zu haben. Doch je näher wir meinem Haus kamen um so mulmiger wurde mir. Ich konnte mir nicht vorstellen wie Lena wohl auf das Haus, das zugegebener Maßen doch ziemlich groß war, reagieren würde. Die meisten Leute, die bis jetzt hier gewesen waren, hielten mich danach für eingebildet oder einen Snob, der mit seinem Reichtum prahlen musste. Für meine Eltern traf das vielleicht zu, aber mir wäre es eigentlich vollkommen egal gewesen, wo ich lebte, solange es nur warm und trocken war. Ich bemerkte wie Lena mich überrascht ansah, als sie begriff in was für einem Haus ich lebte, aber sagen tat sie nichts. Wir betraten das Haus schließlich durch die Eingangstür, zogen uns die Schuhe und Jacken aus und ging hoch in mein Zimmer. Lena bekam die ganze Zeit ihren Mund vor Staunen nicht mehr zu. Mir hingegen wurde das ganze von Minute zu Minute unangenehmer. In meinem Zimmer angekommen, ließ sie sich rückwärts auf mein Bett fallen und betrachtete den Baldachin. Ich stand währenddessen etwas verloren in der Mitte des Raumes und wusste nicht was ich tun sollte. Ich überlegte, dass ich vielleicht etwas sagen sollte, egal worum es dabei ging, als sie das Wort ergriff. „Sag mal. Wo sind eigentlich deine Eltern?“ Schlagartig verdüsterte sich mein Gesicht. Meine Eltern... das war so ein Thema für sich. „Ich weiß es um ehrlich zu sein nicht. Das letzte Mal, dass sie länger als einen Tag zu Hause waren, war vor einem halben Jahr. Seit dem sind sie glaube ich noch 2 oder 3 Mal für ein paar Stunden hier gewesen.“ Ich drehte mich von ihr weg und ging hinüber zu meinem Schreibtisch. „Oh! Was machen deine Eltern denn, dass sie so wenig zu hause sind?“ „Mein Vater arbeitet für einen Autohersteller und ist deswegen oft auf Geschäftsreisen. Meine Mutter begleitet ihn dabei.“ Ich nahm ein paar Stifte und legte sie in den für sie vorgesehenen Behälter. „Und wann siehst du deine Eltern dann mal?“ „Wenn ich Glück habe und sie auch einmal hier sind, wenn ich hier bin. Das letzte Mal war wie gesagt vor einem Halben Jahr. Dazwischen waren sie wohl noch 2 oder 3 Mal hier. Vermute ich zumindest. Es würde zumindest erklären, warum auf einmal ein Koffer in ihrem Schlafzimmer stand oder warum einmal die Tür zum Arbeitszimmer meines Vaters offen war.“ Ich nahm ein paar Papiere, die offen und unordentlich auf meinem Schreibtisch lagen und fing an sie zu ordnen. „Du vermutest es? Wollen dich deine Eltern denn nicht sehen? Schreiben sie dir denn nicht wenigstens eine Nachricht?“ „Nein, tun sie nicht. Ich vermute sie wollen mich nicht sehen, weil ich sie zu sehr an meine Zwillingsschwester und deren Unfalltod erinnere.“ Ich ordnete immer noch. „Zwillingsschwester? Du hast eine Zwillingsschwester?“ „Ich hatte. Elena ist vor ein paar Jahren gestorben.“ Ich wandte mich von den Papieren ab und sah aus dem Fenster. Elenas Tod schmerzte mich auch heute noch ungemein. Und so weit es ging, versuchte ich dieses Thema zu meiden. „Erzählst du mir etwas über sie, Helen? Du musst natürlich nicht. Ich kann mir vorstellen, dass dich das Ganze immer noch sehr mitnimmt. Man sagt ja immer, dass Zwilling auf eine besondere Weise mit einander verbunden wären.“ Ich sah Lena an. In ihren Augen konnte ich vielerlei Gefühle erkennen. Mitgefühl und Verständnis waren am stärksten vertreten, aber auch ein kleines Fünkchen Neugier, war zu erkennen. Ich betrachtete sie einen Moment nachdenklich. Lena hatte den ganzen Tag mit mir verbracht. Sie hatte mit zugehört, mich getröstet und das wichtigste von allem: Sie hatte mir ihr Vertrauen geschenkt. Ich nickte schließlich. „Ich werde dir von dem Tag erzählen an dem sie starb.“ Flashback Es war eine stürmische Nacht. Der Himmel wurde von schweren, schwarzen Wolken verdeckt. Regen peitschte an mein Fenster und immer wieder erhellten Blitze die tief schwarze Nacht. Der Donner rollte so laut durch die Luft, wie ich ihn noch nie in meinem Leben gehört hatte. Ich lag wach in meinem Bett und wartete. Es kam mir wie eine kleine Ewigkeit vor, bis ich sie endlich hörte. Leise tapsige Schritte und ich wusste gleich würde die Tür aufgehen und Elena würde mit ihrem Kissen unterm Arm in der Tür stehen und fragen, ob sie bei mir schlafen könnte. Und wie immer würde ich ihr sagen, dass sie ihr eigenes Bett hätte und ihr nichts passieren würde. Dass sie keine Angst vor dem Gewitter haben müsste. Ich seufzte leise, als die Tür aufging und Elena wirklich in der Tür stand. Sie stellte ihre Frage und meine Antwort war wie immer dieselbe. Und leider fing sie auch dieses Mal wieder an zu weinen. Ich hasste es, wenn sie weinte. Ich wollte sie eigentlich auch nicht zum Weinen bringen, aber wir wurden bald 9 Jahre alt und ich fand es war an der Zeit, dass sie ihre Angst vor Gewittern überwand. Wie sollte das sonst werden, wenn wir älter wären. Es wäre doch reichlich seltsam, wenn sie mit 14 oder 15 Jahren immer bei Gewitter in meiner Tür stehen würde und bei mir schlafen wollte. „Bitte, Helen. Ich hab doch solche Angst vor Gewittern. Lass mich bitte hier schlafen.“ Sie schluchzte herzzereisend. Anfangs vertrat ich weiter meinen Standpunkt, dass sie zurück in ihr Zimmer gehen sollte, aber nachdem sie sich 5 Minuten später immer noch nicht beruhigt hatte und mich anflehte hier bleiben zu können, gab ich es auf. Das breite Grinsen, das darauf ihr Gesicht erhellte, war kaum zu übersehen. Schon wieder hatte sie es geschafft und mich weich geklopft. Resignierend rutschte ich weiter auf die Seite des Bettes und hielt die Decke hoch, damit sie besser zu mir schlüpfen konnte. Am nächsten Morgen wurde ich durch die Sonne, die durch mein Fenster schien, geweckt. Das Gewitter hatte sich in der Nacht noch verzogen. Elena hatte sich dicht an mich gekuschelt. Von meiner Position aus konnte ich nur ihre Haare sehen. Ich lächelte leicht und zog sie noch ein wenig näher an mich. Mein kleineres Ich gab darauf hin ein wohliges Seufzen von sich. Elena und ich waren, seit ich denken konnte, unzertrennlich. Wir waren unterschiedlich wie Tag und Nacht. Sie, die Aufgeweckte und leicht Hyperaktive, die kein Blatt vor den Mund nahm, und ich, die Stille und Zurückhaltende. Ich kann dir nicht sagen wieso, aber ich hatte immer das Gefühl, dass meine Eltern Elena mehr liebten als mich. Elena schien das auch zu bemerken und es schien eine Art Beschützerinstinkt in ihr zu wecken. Immer, wenn ich Ärger für etwas bekam an dem ich keine Schuld trug, schritt sie sofort ein. So auch an diesem Tag. Ich weiß nicht mehr, warum meine Eltern sauer auf mich waren, ich weiß nur noch das Elena irgendwann einschritt und die beiden anschrie, dass ich keine Schuld tragen würde und das sie mir Angst machen würden. Meine Eltern ließen daraufhin von mir ab und redeten auf Elena ein. Dass sie davon noch nichts verstehen würde und dass ich sehr wohl Schuld hätte und deswegen bestraft werden müsste. Mich ignorierten sie. Elena gab mir schließlich ihr Zeichen. Es bedeutete, ich sollte verschwinden, sie würde das schon regeln. Das tat sie tatsächlich immer und ich war ihr unglaublich dankbar dafür. Langsam machte es mir zwar nichts mehr aus, dass meine Eltern mich anscheinend nicht leiden konnten, aber es tat trotzdem weh von ihnen angeschrieen zu werden. Ich verschwand also für ein paar Stunden auf einen Spielplatz ein paar Straßen weiter. Ich vergaß die Zeit und erst als es dämmerte machte ich mich auf den Weg zurück. Auf der Hälfte des Weges traf ich Elena. Sie hatte sich Sorgen gemacht, weil ich normalerweise bereits nach 2 bis 3 Stunden nach einem Streit wieder nach Hause zurück kam. Aber an dem Tag waren wohl an die 7 Stunden vergangen. Als sie mich sah, strahlte sie übers ganze Gesicht und lief einfach drauf los. Mitten über die Straße. Ich habe noch versucht sie zu warnen, aber es war zu spät. Ein Auto erfasst sie und das nächste was ich sah, war wie sie in ihrem eigenen Blut bewusstlos auf der Straße lag. Ich lief zu ihr, rüttelte sie an der Schulter und rief immer wieder ihren Namen, flehte sie an, dass sie doch aufwachen möge. Aber sie blieb bewusstlos. Irgendjemand hatte wohl einen Krankenwagen gerufen, denn das nächste was ich weiß ist, dass mich ein Sanitäter von ihr wegzog, mich einer Frau übergab und ihr sagte, sie solle sich um mich kümmern. Sie untersuchten Elena, legten sie schließlich auf eine Trage und fuhren mit dem Krankenwagen und ihr weg. Mich fuhr die Frau, die sich in der Zeit um mich gekümmert hatte ins Krankenhaus. Meine Eltern trafen eine viertel Stunde später als ich im Krankenhaus ein und das erste, was meine Mutter tat, als sie bei mir war, war mir eine kräftige Ohrfeige zu geben. Dann fing sie an mich anzuschreien und mich für Elenas Unfall verantwortlich zu machen. Ich kann heute noch ihre Worte hören: „Du dreckiges Balg! Deinetwegen ist meine Tochter tot! Wegen dir ist meine einzige Hoffnung gestorben!“ Kein tröstendes Wort entkam ihren Lippen. Ich sah sie die ganze Zeit über nur stumm an. Weinen konnte ich nicht mehr. Ich hatte bereits alle meine Tränen am Unfallort und im Auto vergossen. Selbst bei Elenas Beerdigung weinte ich nicht und stachelte die Wut meiner Mutter damit noch mehr an. Sie packte mich am Arm, schleifte mich nach vorne zu Elenas Sarg und sagte ich solle sie ansehen. Ich solle sie gut ansehen und bereuen. Bereuen und niemals vergessen, dass dies meine Schuld sei. Flashback Ende Ich hatte während meiner Erzählung auf einen imaginären Punkt gestarrt und war in eine Art Trance gefallen. Das war mein Selbstschutzmechanismus in diesem Fall. Immer, wenn ich an Elena dachte, versetzte ich mich in diese Art Trance, die es mir ermöglichte alle meine Gefühle vorübergehend abzustellen, die Umgebung um mich herum aber weiter wahr zu nehmen. Das war nötig, denn die Trauer über ihren Tod war auch heute noch so schmerzhaft, dass es mir schier den Atem raubte, wenn ich an sie dachte ohne vorher diesen Schutz zu aktivieren. Ich fuhr mir mit einer Hand über mein Gesicht und zog sie fast sofort überrascht zurück. Fassungslos sah ich meine nasse Handfläche an. Ich weinte. Ich hatte ewig nicht mehr geweint. Um genau zu sein seid Elenas Tod. Schnell wollte ich mir mit meinen Händen die verräterischen Spuren wegwischen und hoffte, dass Lena sie noch nicht bemerkt hatte. Ich konnte doch nicht einfach vor Lena in Tränen ausbrechen. Doch noch bevor meine Hände mein Gesicht erreichten, spürte ich eine andere Hand, welche die Tränen wegwischte. Verwirrte und auch ein bisschen ängstlich sah ich zu Lena. Sie war mir so nahe und im ersten Moment dachte ich, sie würde mich küssen. Aber sie lächelte einfach nur ein bezauberndes Lächeln und zog sich wieder von mir zurück. „Hast du eine Ahnung warum deine Mutter so kalt zu dir ist?“, fragte sie mich schließlich um die unangenehme Stille, die seit meiner Erzählung zwischen uns herrschte, zu durchbrechen. „Nein. Ich habe keine Ahnung. Sie war schon so zu mir seit ich denken kann. Aber obwohl ich es nicht anders gewohnt bin, tut es doch immer wieder weh.“ Wir verfielen wieder in Schweigen. „Es tut mir leid übrigens, wenn ich dir eben zu nahe gekommen bin, Helen.“ „Hm... Oh, nein, ist schon okay. Bist mir nicht zu nahe gekommen.“, nuschelte ich, dann schwiegen wir wieder. „Wollen wir vielleicht was essen? Ich könnte jetzt gut was vertragen.“ Sie nickte. „Ich denke, dass ist eine gute Idee.“ Auf dem Weg in die Küche fragte ich sie:“ Gibt es etwas, dass du nicht isst oder das du nicht essen darfst?“ „Solange es gut schmeckt, esse ich alles.“ Sie grinste. „In Ordnung. Dann würde ich vorschlagen, du deckst den Tisch und guckst danach einfach ein bisschen fern. Ich werde uns etwas in der Zeit kochen.“ „Soll ich die nicht lieber ein bisschen helfen?“ „Nein, ist schon okay. Aber danke für das Angebot“ Ich lächelte sie beruhigend an. Während ich das Essen zubereitete und auch später beim Essen, hatte ich immer wieder das Gefühl von Lena beobachtet zu werden. Aber jedes Mal, wenn ich zu ihr hinüber sah, war sie in ihr Essen vertieft. Ich habe mehrmals versucht die Stille zu durchbrechen, aber jedes Mal, wenn ich etwas sagen wollte, kam kein Laut aus meinem Mund. So ging das wohl eine viertel Stunde bis Lena auf einmal und völlig ohne Grund in schallendes Lachen ausbrach. Ich weiß nicht, was sie dazu brachte, aber es brach das Eis zwischen uns, das sich nach meiner Erzählung wieder langsam zwischen uns aufgebaut hatte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)