Liebe wie Gurkensushi von Memphis (YUAL mit BxB-Oneshots!) ================================================================================ Kapitel 35: I wanna taste the way you live ------------------------------------------ Es schneite. Nicht der hübsche Schnee, über den man sich freute, weil er die Stadt wie Puderzucker bedeckte und alles in eine Winter-Wunderlandschaft verzauberte. Nein, der häßliche, klebrige, matschige, der alles kalt und feucht machte. Der dreckig am Straßenrand lag und die Schuhe durchweichte. Nils war für einen Monat bei seinen Eltern. Weihnachten stand an und es waren die ersten Ferien im Studium. Entschuldigung, die erste vorlesungsfreie Zeit in seinem Studium. Die Zeit sollte ja dazu genutzt werden auf die Prüfungen zu lernen, und etwas was Nils nicht erwartet hätte, war, dass das wirklich Arbeit war. Studium war anders, für Nils auch irgendwie weniger anstrengender, weil es ihn mehr interessierte, als Schule. Aber Faulenzen durfte man nicht. Den Monat bei seinen Eltern hatte er sich nur deshalb gegönnt, weil er wusste, er konnte dort auch in Ruhe lernen. In seiner WG war ihm oft zu viel los. Nette Mitbewohner, klar, aber sie hatten gerne Gesellschaft und häufig Motivationsschwierigkeiten beim Lernen. Nicht die ideale Lernumgebung für die ersten Prüfungen. Nils war ehrlich nervös. Er konnte gar nicht einschätzen, wie schwer die Prüfungen sein würden und ob sein Lernpensum ausreichend war. Wahrscheinlich schon. Das und weil er vom Lernen etwas die Schnauze voll hatte, hatte er Kilian gefragt, ob sie sich in der Stadt treffen wollten. Kilian ist in der Stadt geblieben und studierte dort. Er hatte keine Lust gehabt, weg zu ziehen und das Informatikstudium dort war angeblich ganz okay. Nils gönnte ihm das, war Nils im Grunde aber egal, er hatte seinen Studienplatz an seiner Wunschuni gekriegt und studierte jetzt Psychologie. Nicht, um Leute psychologisch zu behandeln. Er wollte in die Forensische Psychologie, war nur nicht so einfach da reinzukommen, hatte er sich sagen lassen. Er mochte Herausforderungen. Sein Handy klingelte und riss ihn etwas aus den Gedanken. Er ging gerade den Prüfungsstoff für Biologische Psychologie I durch. “Hey, Nils. Ich komm etwas später. Du kannst schonmal ins Brettle vor. Annette kommt auch!”, auf den Punkt wie Kilian immer gerne war. “Kein Stress. Ich wollte eh noch nach einem Geschenk suchen.” Stimmte sogar. Er hatte nur noch keinen Schimmer, was es werden sollte. “Cool. Dann bis später!” Und Kilian hatte wieder aufgelegt. Nils schaute noch kurz das Display seins Handy unschlüssig an. Es war so alt, es war nicht einmal ein Farbdisplay. Er hatte den Verdacht, seine Eltern würden ihm zu Weihnachten ein neues schenken, sonst hätte er sich wahrscheinlich bald selbst eines besorgt. Nils wurde von hinten gegen das Schienbein getreten und hätte beinahe den Boden geküsst. Er wurde gerade noch rechtzeitig am Arm gepackt. Erschrocken sah er auf und direkt in Jules Gesicht, der ihn noch immer fest hielt. “Ich hoffe, das Geschenk ist für mich, Arschloch”, begrüßte er ihn mit einem breiten Grinsen. “Jules! Schön dich zu sehen!”, Nils lachte. Er meinte das ehrlich. Jules wirkte irgendwie verändert, etwas weniger wild. Er hatte auch keine blauen Flecken, zumindest keine, die Nils auf den ersten Blick entdeckt hätte. Man könnte fast meinen, er wäre gewöhnlich. Nils wusste es besser. “Deshalb hab ich auch seit Monaten nichts von dir gehört. Klar.” Jules ließ ihn los und verschränkte die Arme, einen trotzigen Ausdruck im Gesicht. “Aww, hast du mich vermisst?” Nils Grinsen wurde breiter. Als Reaktion verdrehte Jules die Augen. Seine Wangen waren dabei rot geworden. War aber vielleicht auch nur die Kälte. “Nee, hab schon jemand neues”, brummte er schließlich, rieb sich die Nase. In seinem Blick lag eine Herausforderung. “Hm. Tja … hast du Lust mit ins Brettle zu kommen? Kilian und Annette kommen auch. Dann lad ich dich auf einen Kaffee oder so ein. So als Entschädigung.” Noch immer wirkte Nils amüsiert, als hätte ihn die Nachricht völlig kalt gelassen, dass Jules einen neuen Freund - oder was auch immer - hatte. Hat es irgendwie auch. Es wäre dumm gewesen, anzunehmen, dass Jules auf ihn warten würde, vor allem weil sie wirklich keinen Kontakt gehalten haben. Im ersten Monat kam es noch ein paar SMS, aber ehrlich, dass hatte weder Nils noch Jules Spaß gemacht. Und für Nils war es in Ordnung. “Kilian, der alte Lutscher … Mit dem hast du noch Kontakt?” Jules schob seine Hände in die Hosentaschen und machte sich auf den Weg in Richtung des Cafés. Seine Art ja zu sagen. Nils verstand das. “Er hat sich mal bei mir gemeldet und wollte wissen, ob ich in den Semesterferien hier bin. War aber auch schon alles.” Er folgte dem Jüngeren mit einem zufriedenem Gefühl. Zwischen ihnen passte immer noch alles. “Du bist nicht sehr gut im Kontakt halten, oder?”, fragte Jules, während Nils zu ihm aufschloss. “Nein, kann man nicht gerade behaupten. Du auch nicht, oder?” Brachte ja nichts, das Offensichtliche zu leugnen. “Nope.” Jules lächelte bei der Antwort. Er wirkte wirklich ruhiger. Sein neuer Freund schien ihm gut zu tun. “Wie ist dein Neuer so?” Nils war nicht eifersüchtig, nur neugierig. “Oh, Johnny? Ganz okay. Hat mir sein Longboard geliehen, aber im Winter ist das nicht so geil und auf Snowboarden hab ich keinen Bock.” Jules klang nicht unbedingt verliebt, aber wenn Nils ehrlich war, konnte er sich das bei Jules auch nicht vorstellen. “Johnny ist aber nicht der Kumpel von Kilian, oder?”, hakte Nils nach. Er wusste das Kilian in einer Longboarder-Gruppe war und er dachte, es gab dort jemand der Johann oder so ähnlich hieß. “Doch, doch. Ist derselbe. Kilian hat uns vorgestellt. Also eigentlich dem Longboarden, er fand, ich bräuchte was neues, nachdem du weg bist und so.” “Hat offensichtlich geklappt.” “Jub.” Jules sah kurz zu dem Anderen, grinste. Nils konnte nur mit einem Lächeln erwidern. Erst jetzt fiel ihm auf, dass er Jules vielleicht doch etwas vermisst hatte. Während des Studiums war ihm das nicht aufgefallen, in diesem Leben hatte es Jules nie gegeben, also hatte er dort auch nicht fehlen können. Aber im Moment konnte er ein kleines Loch spüren, dass Jules Abwesenheit eventuell verursacht haben könnte. “Ich wusste gar nicht, dass du mit Kilian soviel zu tun hast.” Nils hielt Jules die schwere Holztür zu dem Café auf. Ihnen schlug warme Luft und der Geruch nach Kaffee und heißer Schokolade entgegen. Fühlte sich alles sehr weihnachtlich an, fand Nils. “Ach, Annette und ich haben ein paar gemeinsame Fächer. Sie hat deshalb beschlossen, dass wir jetzt Freunde sind … da kommt man um Kilian nicht drum herum.” Jules schälte sich aus seinem Mantel und stopfte seine Mütze in den Ärmel. Seine Locken standen wild in alle Richtungen ab, aber Nils könnte schwören, Jules Haare waren länger geworden. “Und was hält Kilian von der Sache mit dir und Johnny?” Vielleicht war die Johnny-Angelegenheit doch nicht nur Neugierde. Jules lachte. “Er weiß nichts davon. Er würde total die Krise kriegen, wenn ich schon wieder einen Freund von ihm - ich zitiere - schwul gemacht hätte.” Jetzt lachte Nils auch. Das konnte er sich gut vorstellen. Nichts gegen Kilian, aber Jules … Art brachte ihn auf jeden Fall ab und an aus der Ruhe. “Außerdem ist das mit mir und Johnny nicht so ernst”, fügte Jules unnötigerweise hinzu, dabei behielt er Nils genau im Auge. “Etwas anderes hätte mich bei dir auch überrascht. Da hinten ist noch ein Tisch frei.” Nils hatte mittlerweile seinen Mantel auch aufgehängt und ging jetzt recht zielstrebig auf den Tisch zu. Er wusste, auf was Jules wartete. Aber ganz ehrlich, Nils hatte momentan nicht den Kopf für irgendeine Art von zwischenmenschlichen Beziehungen, die über Kaffeetrinken hinaus gingen. “Oh, hi.” Jules stand vor Nils Haustür. Nils hatte nicht mit Besuch gerechnet. Seine Eltern waren beide noch beim Arbeiten, und er hatte sich gerade einen Kaffee gemacht, um weiterzulernen. Das mit dem Kaffeetrinken hatte er, ehrlich gesagt, erst im Studium angefangen und er wusste noch nicht so recht, was er davon hielt. Er machte sich ungern von etwas abhängig, selbst wenn es nur Koffein war. “Hi! Ich dachte, weil morgen Heilig Abend ist, komme ich, und hol mir mein Geschenk ab”, erklärte Jules seine Anwesenheit. Er hatte wieder die graue Mütze auf, unter der seine Locken hervor schauten. Seine Wangen waren wieder von der Kälte gerötet. Nils vermisste ein wenig die blauen Flecken. Aber nur ein wenig, Jules sah wirklich besser aus. “Ich bin eigentlich gerade am Lernen.” Nils hob seine Kaffeetasse in die Höhe, um das Gesagte noch zu unterstreichen. Sie dampfte vorwurfsvoll. Offensichtlich war es zu kalt, um zwischen Tür und Angel zu reden. “Hm. Soll ich später nochmal kommen?” Jules sah dabei desinteressiert in den Garten. Er würde später nicht nochmal kommen. “Ich glaube nicht, dass du das willst. Meine Eltern sind nachher wieder da.” Der Kaffee dampfte noch immer in Nils Hand. “Du hast gar kein Geschenk für mich, oder?”, fragte Jules schließlich. “Hast du denn eines für mich? Ich mein, außer Sex.” Nils zog seine Augenbraue hoch, musterte Jules. Dieser hatte seine Hände noch immer in den Manteltaschen, hatte aber seinen Blick jetzt auf Nils gerichtet. Es wirkte etwas trotzig. Auch noch, als er ihm etwas hinhielt, das in Zeitungspapier eingewickelt wurde. “Oh. Cool. Danke.” Nils nahm es etwas verdattert entgegen. Das war jetzt etwas unangenehm. Er hätte nicht damit gerechnet, dass Jules wirklich ein echtes Geschenk für ihn hatte. Er hatte angenommen, Jules wäre für Sex vorbei gekommen. “Willst du reinkommen?” “Wird auch mal Zeit, Alter.” Jules ging an dem Anderen vorbei. Nils schloss die Tür und beobachtete wie Jules sich langsam aus seiner Winterklamotten entledigte. Seine Schuhe landeten wie immer unordentlich in der Ecke und die Geste wirkte so, als wären nicht Monate vergangen, seit Jules das letzte Mal hier gewesen war. Zielstrebig ging dieser gerade in die Küche. Das war widerum etwas ungewöhnlich. Normal verschwand er am liebsten immer gleich nach oben. “Hast du Hunger?”, fragte Nils vorsichtig. Jules ging durch die Küche, öffnete Schränke, schloss sie wieder und blieb schließlich vor der Kaffeemaschine stehen. “Mach mir dasselbe, was du hast. Dann gehen wir hoch.” Er hatte dabei die Arme verschränkt, und es klang mehr wie ein Befehl, als alles andere. “Jules, ich hoffe, du verstehst das nicht falsch. Aber wir werden nicht miteinander schlafen, wenn du einen Freund hast.” Nils wollte das unbedingt klar stellen. Jules verdrehte die Augen. “Ich hab gesagt, dass ist nicht so ernst”, murmelte er, etwas lauter fuhr er fort. “Krieg ich nicht mal einen Kaffee von dir? Ich weiß nicht, wie die Maschine funktioniert.” “Kein Hektik. Kriegst meinen, ich mach mir einen neuen.” Nils schob Jules von der Maschine weg, holte eine Tasse aus dem Schrank über der Maschine und frische Milch aus dem Kühlschrank. Während er alles für den Kaffee vorbereitete, spürte er die ganze Zeit Jules Blicke auf sich. Nils würde lügen, wenn er sagen würde, dass er keinen Bock auf Jules hatte. Aber ehrlich, er hatte schon seine moralische Ansprüche. Es herrschte Schweigen, während der Kaffee in die Tasse floß. Nils schaute dabei auf sein Geschenk. Er hatte es auf die Theke neben die Maschine gelegt. Es war nicht sehr groß und nicht liebevoll eingepackt. Aber es war ein Geschenk. “Ich hab ehrlich gesagt nichts für dich. Ich dachte nicht … das wir uns was schenken.” Eigentlich hatte Nils generell nicht angenommen, Jules so schnell nach dem Kaffeetrinken im Brettle wiederzusehen. Es war lustig gewesen, aber sie sind sehr unverbindlich verblieben. “Alter, ich hab es dir extra gesagt.” Jules hatte wieder seinen Schmollmund gezogen. Nils war sich nicht sicher, ob er sich dieser Mimik überhaupt bewusst war. Es ließ ihn aber immer unglaublich jung aussehen. “Ich dachte, es wäre ein Scherz!” Nils hatte das wirklich gedacht. Jules wurde bei dem Satz rot. Sein Gegenüber konnte das nicht ganz einordnen. War ihm die ganze Sache peinlich, oder wurde er gerade wütend? Bei Jules konnte man sich da nicht sicher sein. “Ich besorge dir bis Silvester was? Was anderes kann ich dir nicht anbieten, sorry.” Das war schon mehr, als das was Kilian bekam. Der kriegte nämlich gar kein Geschenk. Nils gab zwei Stück Würfel in den Kaffee und rührte ihn um, nickte dann Richtung Treppen. Er wollte die Unterhaltung nicht in der Küche weiterführen. Am Ende kamen seine Eltern früher nach Hause und würden Jules Laune noch mehr verschlechtern. Jules mochte Eltern echt nicht sonderlich. “Was machst du denn an Silvester?”, fragte Jules während er sich aufs Bett fallen ließ. Den halbleeren Kaffee hatte er auf das Nachtkästchen gestellt. War auch einer der wenigen Plätze in dem Zimmer, der nicht mit Büchern und Zetteln voll gestellt war. Sah ein bisschen aus, wie damals zur Abizeit. “Ich hab noch nichts vor. Meine Eltern fahren zu Freunden, aber keine Ahnung. Da will ich eigentlich mit.” Nils zuckte mit den Schultern, setzte sich auf den Schreibtischstuhl. Er probierte den Kaffee und versuchte den Stapel Lernmaterial auf dem Schreibtisch zu ignorieren. “Weißt du, ich kann Johnny anrufen und sagen, dass sich das mit ihm erledigt hat.” Jules schaute an die Decke, als er das sagte. Nils konnte nur seufzen. “Ich find dich auch ganz okay, wenn wir keinen Sex haben. Wir könnten einfach so … Zeit verbringen?”, schlug Nils vor. Er war hier nur ein paar Wochen und dann wieder weg. Nils wollte nicht, dass Jules sich deshalb das Leben unnötig schwer macht. Jules fing anzulachen. Nils kratzte sich an der Nase. Für einen Moment hielt Jules mit dem Lachen inne, sah dann aber wieder in Nils Richtung und setzte das schallende Gelächter fort. “Der ist gut, Alter. Der ist wirklich gut!”, japste er zwischen durch, zeigte dabei auf Nils. Dieser räusperte sich unbehaglich. Es war kein Witz gewesen und er wusste nicht, ob die Reaktion ihn nicht etwas kränkte. Langsam beruhigte sich Jules wieder, hatte aber Lachtränen in den Augen. “Nils, ehrlich. Sei mal realistisch … du interessierst dich einen Scheißdreck für mich, außer wenn es ums Vögeln geht. Du hast mir ja nicht mal ein Geschenk gekauft.” Jules stützte sich auf seine Ellenbogen, damit er Nils ins Gesicht sehen konnte. “Ich dachte mir, wir können es trotzdem mal versuchen. So als Freunde, ab und zu Kontakt halten. Wahrscheinlich kriege ich ein neues Handy. Ich würde dir sogar meine neue Nummer geben.” Nils lehnte sich in seinem Stuhl zurück, trank nochmal von seinem Kaffee. Er meinte das ehrlich. Wollte er Jules länger in seinem Leben, dann würde es nicht über Sex funktionieren, weil das dann aus ihrer Sache eine Art Beziehung machen würde und das war einfach nicht so ihr Ding. “Du meinst das echt ernst, oder?” Jules war nun komplett ernst. Erstaunen lag in seiner Stimme. Nils nickte. Ein sanftes Lächeln schlich sich auf Jules Gesicht. Ein sehr ungewohnter Ausdruck, bei dem es Nils mulmig wurde. “Klar, warum nicht. Ich glaub zwar nicht, dass es funktioniert, aber hey … ich will mal nicht so sein.” Das Lächeln wich einem selbstgefälligen Grinsen. Jules hatte das Gefühl, endlich mal gegen Nils Oberwasser zu bekommen. Das war … selten. “Zu gütig von dir …” Nils verzog seine Lippen zu einem sarkastischen Lächeln. Immerhin wusste er, dass Jules es wert war. So fürs erste. Weil Jules nachwievor das Interessanteste war, was ihm begegnet war. Auch jetzt noch im Studium und das wollte was heißen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)