Stadt der Engel von matvo (Schatten und Licht, Band 1) ================================================================================ Kapitel 10: Hinter der Fassade ------------------------------ „So, bist du jetzt zufrieden?“ Hitomi saß auf dem Bett in der Sternenkuppel und ließ ihre steifen Füße baumeln. Merle, die sie gerade abgesetzt hatte, stemmte ihre Hände in die Hüfte. „Was meinst du?“, fragte Hitomi gelangweilt. Sie wollte keinesfalls nochmal über das selbe Thema reden. Van konnte ihr gestohlen bleiben. „Du hast ihn ausgeschlossen! Dank dir hat er das letzte Bisschen seiner Seele aufgegeben.“, schrie Merle sie außer sich an. „Nicht meine Schuld.“, erwiderte Hitomi mürrisch. „Hast du mir eigentlich auch nur einen Moment zugehört?“, fragte das Katzenmädchen ungläubig. „Van hat während den letzten Jahren alles verloren. Sein Lachen, seine Freude, seine Hoffnung. Nur eure Liebe war ihm geblieben. Aber was machst du?“ „Ja, was mach ich denn?“, fragte ihre Freundin schnippisch. „An Stelle von Zuneigung und Sehnsucht überschüttest du seine Aura mit Wut und Anklagen. Es hat so wehgetan, dass er den Kontakt zu dir abgebrochen hat.“, verzweifelte Merle. „Wie kannst du das wissen? Er sperrt dich doch auch aus seinen Gedanken aus!“, konterte Hitomi zusehends genervt. „Ich habe Augen im Kopf! Vans Gestik und seine Mimik offenbaren alles über ihn.“, erklärte Merle aufgebracht. „Für mich sah er so wie immer aus.“ „Weil du ihn nicht kennst. Nicht so, wie ich. Und wenn du ihn kennen würdest, wüsstest du, wie sehr er dich liebt.“ „Warum war er denn nicht für mich da?“, begehrte Hitomi plötzlich auf. „Zweimal wurde ich in den letzten beiden Tagen verschleppt und nicht ein einziges Mal kam er um mich zu retten. Nur du warst da!“ „Er hat sich zurückgehalten, weil er mir vertraut.“, verteidigte Merle ihn mit ganzer Seele. „Er verlässt sich darauf, dass ich dich beschütze, so wie er es einst selbst getan hat. So konnte er ununterbrochen seinen Pflichten als König nachgehen.“ „Ich glaube eher, er hat mich weggeworfen wie ein Stück alter Kleidung. Ich bin ihm wohl nicht mehr fein genug.“, schnaubte Hitomi verächtlich. „Du benimmst dich wie ein Säugling.“, klagte das Mädchen sie an. „Nein, ich benehme mich wie eine erwachsenen Frau, deren Freund sie vergessen hat.“, konterte die Hitomi wütend. „In jeder freien Sekunde hat er an dich gedacht! Leider frisst sein Beruf fast seine gesamte Zeit auf.“, behauptete Merle steif. „Auf nichts hat er sich mehr gefreut, als auf den Tag, an dem er dich vom Mond abholen kann.“ „Ich glaube dir nicht!“, sagte Hitomi langsam und betonte dabei jedes Wort. Merle sah sie ratlos an! Dann stellte sich vor das große Fenster und breitete ihre Arme aus, als wolle sie die Kuppel umfassen. „Was denkst, ist das hier?“, fragte sie Hitomi. „Kannst du dich etwas klarer ausdrücken, Merle?“ „Dieser Raum, in dem du schläfst. Was denkst du über ihn.“ Die Frau vom Mond der Illusionen sah abschätzend sich um. „Das Wandgemälde ist ja ganz nett, aber er ist ziemlich spartanisch eingerichtet.“, wettete sie. Daraufhin tat Merle einen weiteren Schritt zurück und bückte sich. Ihre Finger gruben sich in kleine Löcher im Boden und hoben eine quadratische Bodenplatte heraus. Sie schob die Platte beiseite und löste noch zwei weitere Platten heraus. Hitomi erkannte eine elegante Wanne mit Ritzen an der Seite, die unter dem Boden eingelassen war. Dann ging Merle zur Wand, griff scheinbar zufällig hinein und schob zwei Türen auseinander. Im Schrank dahinter hingen ein dutzend Ballkleider mit zwei Paar passenden Schuhen unter jedem Kleid. Merle öffnete noch fünf andere solcher Türen, hinter denen vier weitere Schränke und ein Tisch mit Waschbecken und riesigem Spiegel versteckt waren. „Es ist nicht alles so wie es scheint. Wenn du wissen willst, was er empfindet, musst du tiefer blicken.“, belehrte Merle ihre Freundin und fuhr fort: „Dieses Zimmer ist das teuerste in ganz Farnelia. Seine Architektur mit den verborgenen Möbeln und den runden Wandschränken ist in ganz Gaia einzigartig. Van selbst hat sich das Konzept überlegt und die besten Architekten und Handwerker mit der Planung und der Umsetzung betraut.“ „Und?“, fragte Hitomi scheinbar unbeeindruckt. „Ich will seine Aufmerksamkeit und nicht sein Geld.“ „Er hat ihn für dich machen lassen. Du solltest hier wohnen. Obwohl dieser Raum zu Vans Gemächer gehört, hat er nie hier geschlafen. Immer wenn er sich einsam gefühlt hat, zog er sich hierher zurück. Andere haben den Raum zwar besichtigt, doch keiner durfte auch nur irgendetwas benutzen. All seine Gefühle für dich stecken in diesem Zimmer.“ Hitomi war überwältigt. „Ich bin die erste?“ „Ganz genau! Er hat immer daran geglaubt, dass ihre eines Tages zusammen sein würdet. Aber diese Sicherheit hast du ihm genommen.“ „Die Wanne, das Bett und der Kosmetiktisch, alles wurde noch nie benutzt?“ „So ist es.“, bestätigte die Leibwächterin ein weiteres Mal. „Möchtest du ein Bad nehmen?“ „Aber wenn ich dort vor dem Fenster bade, sieht mich dann nicht jeder?“, fragte ihre Schutzbefohlene unsicher, die der Verlockung erlag. „Dieser Raum ist der höchste Punkt in ganz Farnelia. Von dem Rand der Schlucht aus könnte man dich natürlich mit Hilfe eines Feldstechers sehen, doch ich kann Späher aussenden, wenn du willst.“, erwidere Merle achselzuckend. „Damit die mich dann beobachten? Nein, danke!“, lehnte Hitomi ab und begann damit ihre Robe abzustreifen. Merle ging ihr zur Hand und holte aus einem der Schränke glitzernde Flaschen heraus. Währenddessen strömte heißes Wasser in die Wanne und füllte sie bis zum Anschlag. Vorsichtig entfernte Merle die Verbände an Hitomis Füßen und über ihrem Gesicht, dann legte sie die hilflose Frau vorsichtig in die Wanne. Diese stieß genussvoll einen langen Seufzer aus, als die heiße Wasseroberfläche an ihrer Haut entlang glitt und die entspannende Hitze sie bis auf ihren Kopf ganz und gar einhüllte. Der Duft von Kräutern stieg aus dem Bad empor. Langsam schlossen sich ihre Augen und sie gab sich ganz den Eindrücken ihrer Haut hin. In ihrem Innern regte sich ein Gefühl der Wärme, der Geborgenheit, wie sie es seit ihrer Ankunft auf Gaia vor ein paar Tagen nicht mehr gespürt hatte. Sanft schob sich ein Paar kleiner Hände unter ihrem Kopf und hoben ihn sanft an. Hitomi ließ es ohne Widerstand zu. Die Hände massierten daraufhin ein kühle Flüssigkeit in ihre Kopfhaut mit langsamen, kreisenden Bewegungen. Einen Moment lang stellte Hitomi sich vor, dass es Vans Hände wären, die ihre Haare wuschen, woraufhin es sacht, aber drängend in ihrem Unterleib kribbelte. Schlagartig riss sie ihre Augen auf, als ihr klar wurde, was sie spürte. Über ihr sah Merle sie neugierig und entschuldigend an. „Ist alles okay? Hab ich etwas falsch gemacht?“ „Nein, bitte mach weiter!“, fordert Hitomi sie auf und richtete ihren Blick wieder nach innen. Sofort erschien ihr wieder das Bild von Van, so wie er früher war mit heller Hose und roten Hemd. Er kniete über ihr und erforschte ihren Körper mit Händen und Augen. Ihre Angst vor den Schmetterlingen verflog schnell. Mit voller Hingabe ließ Hitomi sich auf das aufregende Kribbeln ein und begann die Bewegungen von Merles Händen nahtlos in ihre Fantasie mit Van einzuarbeiten. Das Katzenmädchen ließ von ihren Haaren ab und nahm die Seife für Haut zur Hand. In Hitomi Gedanken entledigte sich Van dabei seiner Hose und seines Hemdes. Er trug keine Unterwäsche. Nur mit Mühe hielt Hitomi einen regelmäßigen Atemrhythmus aufrecht, während sie über seine Größe spekulierte. Währenddessen richtete Merle sie auf und seifte mit einem angenehm rauen Stofftuch ihren Oberkörper ein. Neugierig und mit der Hoffnung auf eine ähnlich erbaulichen Entwicklung bei sich selbst, erkundete das Mädchen die Kurven der jungen Frau in der Wanne. Dann hob sie eines von Hitomis Beine an, was der Vorstellungskraft ihrer Freundin neuen Schub gab. Vans Fingerspitzen kamen der heiligen Spalte in ihrem Schritt bedenklich nahe. Aber er zog sie stets zurück. Sein Augenpaar zeigte neckische Schadensfreude. Zuletzt spülte er gründlich ihren Kopf ab. Dabei massierte er sanft ihren Nacken und ließ sie mit der Begierde in seinem Blick wissen, was als passieren wird, sobald sie aus der Wanne steigen würde. Hitomis Anspannung drohte sich zu entladen, doch er ließ von ihr ab, ehe ihr Feuerwerk entzündet war. Erst als Merle zu den Handtüchern griff und Hitomi damit Gelegenheit gab sich zu fassen, fiel ihr ein, was das Mädchen ihr über die Aura der Seele erzählt hatte. Diese konnte ihr breites Grinsen nicht mehr zurückhalten und gab Hitomi so zu verstehen, dass sie wirklich alles mitbekommen hatte. Deren Gesicht lief vor Scham förmlich über. Sie wollte nichts lieber als für immer im Boden zu versinken. Merle ließ das Wasser ab, als ob nichts geschehen wäre, und legte Hitomi auf ein Handtuch neben der Wanne. Sie wollte gerade damit anfangen sie abzutrocknen, als diese ablehnend ihre Hände hob. „Das mache ich lieber selbst.“, verkündete sie schüchtern. Das Katzenmädchen zuckte mit der Schulter und gab ihr das Handtuch. Hitomi war bisher ihre einzige Freundin. War Leidenschaft etwas, dass man nicht mit Freundinnen teilte? Wie so oft in den letzten Jahren, fehlte Merle ihre Mutter. Sie hatte so viele Fragen. Nachdem Hitomi sich abgetrocknet hatte, reichte Merle ihr ein königsblaues, mit aufwendigen Stickereien verziertes Nachthemd und trug sie ins Bett. „Ich hole jemanden, der sich deine Füße noch einmal ansehen wird.“, informierte sie die noch immer verklemmte Frau und ging die Wendeltreppe hinunter. Hitomi ließ sich zurück in das Bett fallen und seufzte. Sie kannte ihr Verlangen nach körperliche Nähe zur Genüge, hatte aber nie erwartet, dass es so heftig und noch dazu in wenig privaten Rahmen ausbrechen würde. Noch dazu war es passiert, kurz nachdem sie sich vom Mann ihrer Träume los gesagt hatte. Wieder einmal wusste Hitomi nicht wohin mit sich selbst. Sollte sie nun weiterhin wütend auf Van sein oder ihm vergeben? Eigentlich, dachte sie, war es unverzeihlich, dass Van sie seit drei Jahren nur benutzt und sie dabei der Einsamkeit preisgegeben hatte. Aber warum konnte sie ihn dafür plötzlich nicht mehr hassen? War ihr dämlicher Fortpflanzungstrieb für ihre Herzensgüte verantwortlich oder doch dieses Zimmer, das er angeblich nur für sie in Auftrag gegeben hatte. Sollte sie ihm sein Egoismus der letzten Jahre wirklich verzeihen? Was dann? Hitomi wusste, selbst wenn sie es so wollte, so würde doch ganz Farnelia zwischen ihr und Van stehen. Konnten sie dagegen ankommen? Würde ihre Liebe das aushalten. Die verwirrte Frau konnte sich diese Fragen bei bestem Willen nicht beantworten. Also fasste sie einen neuen Beschluss. Sie schwor sich noch mal bei Null anzufangen. Es läge nun, so sagte sie sich, bei Van, was aus ihrer Beziehung werden würde. Hitomis Gedanken brachen ab, als sie ihre Leibwächterin die Treppe hinaufkommen sah. Als sie das Mädchen erkannte, welches Merle im Schlepptau hatte, machte sich Panik auf ihrem Gesicht breit. „Oh nein, nicht sie. Hol jemand anders, Merle!“ Diese drehte sich verwundert zu Siri um und fragte laut: „Wieso? Stimmt was nicht?“ „Dieses Mädchen hasst mich. Sie gibt mir die Schuld an den Tod ihres Vaters. Die wird mich umbringen!“, fürchtete Hitomi. Daraufhin schob das Katzenmädchen Siri die Treppe hinunter. Wieder unten im Zimmer von Van angekommen stellte Merle ihre Untergebene zur Rede. „Was hast du mit ihr angestellt, während ich mit meinem Guymelef weg war?“, fragte sie aufgebracht. Siri trat einen Schritt zurück und starrte auf den Boden. „Es kann sein, dass ich bei der Untersuchung etwas grob war.“, gab sie zögernd zu. „Warum?“ „Nun, ihr wisst doch, was man sich auf den Straßen erzählt...“ „Glaubst du den Gerüchten etwa?“, fragte Merle baff. „Es ist schwer, es nicht zu tun.“, antwortete Siri leise. Merle mahnte sich selbst zur Ruhe und überlegte was sie jetzt tun sollte. Es gab nicht viele medizinischen Kräfte, auf die sie sich voll und ganz verlassen konnte. Nur eine von denen konnte einigermaßen kämpfen. Unglücklicherweise stand diese Sanitäterin direkt vor ihr. „Du weißt, worum es bei diesem Auftrag geht? König Van vertraut uns die Person an, die ihm am meisten bedeutet. Ist dieses Vertrauen gerechtfertigt?“, fragte Merle streng. Siri sah zu ihr auf. „Natürlich ist es das. Ich würde niemals meiner Rache den Vortritt gegenüber meiner Pflicht lassen. Das wisst ihr!“ „Soll heißen, du willst Rache. Und du hast deinem Verlangen schon einmal nachgegeben. Ist das richtig?“ „Nein...Ja, aber es wird nicht noch einmal vorkommen. Ich schwöre.“, versicherte Siri eilig. „Beweise es!“, forderte Merle sie auf. „Wie?“, fragte das Mädchen eifrig. „Lass dir was einfallen.“, erwiderte ihr Vorgesetzte schlicht und sah sie herausfordernd an. Siri dachte angestrengt nach, dann kam ihr die rettende Idee. Sie zog ihr Schwert aus der Scheide und rannte die Treppe hinauf. Neugierig und ein klein bisschen besorgt folgte Merle ihr. Oben angekommen trat Siri an Hitomis Bett heran. Ehe diese wusste, was los war, hielt die Sanitäterin ihr die Spitze ihrer Klinge an den Hals. Ihr sonst so freundliches und ruhiges Gesicht zeigte eiskalte Entschlossenheit. Merles Hand fuhr schlagartig in das Magazin ihrer Wurfdolche an ihrem Gürtel und verharrte dort, Hitomi hingegen rührte sich kein Stück. Ihr Blick wanderte zwischen Siri und dem Schwert. „Was ist?“, fragte sie. Die Ruhe in ihrer Stimme überraschte sogar sie selbst. „Tötest du mich jetzt? Willst du Rache für deinen Vater?“ Siri erwiderte Hitomis Blicke ohne erkennbare Regung. Die Luft um sie herum schien vor Spannung zu knistern, doch das Klinge bewegte sich keinen Millimeter. Sekunden verstrichen, langsam und qualvoll. Dann senkte Siri ihr Schwert und steckte es zurück in die Scheide. Merle zog erleichtert ihre Hand von den Messern zurück. Siris Haltung wurde steif und respektvoll. „Vertraut ihr mir jetzt, Fräulein?“ Hitomi überlegte einen Moment, schlug dann die Decke über ihren Beinen zurück. „Aber nur, wenn du mich duzt. In Ordnung?“ Siri nickte nur und kniete sich dann vor Hitomi hin um ihre Füße in Augenschein zunehmen. „Ihr habt euch wahrscheinlich viel zu erzählen.“, verabschiedete sich Merle. „Ich mach mal 'ne Pause.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)