Stadt der Engel von matvo (Schatten und Licht, Band 1) ================================================================================ Kapitel 19: Neue Konkurrenz --------------------------- Sophia traute ihren Augen nicht, als sie den Mond der Illusionen samt Firmament direkt über sich sah. Erst war sie verängstigt. Sie wusste nicht, wo sie war. Dann aber fiel ihr der weiche Untergrund und die helle Umgebung auf. Ein schneller Blick zur Seite bestätigte ihre Vermutung. Sie lag auf dem Bett in der Sternenkuppel, dem schönsten und teuersten Zimmer in ganz Farnelia. Oberflächlich gesehen war dieses Zimmer nur das Innere einer Kuppel, deren Wände bunt angemalt worden waren, doch der Schein trog, wie sie sich erinnerte. Ihr letzter Besuch lag zwar schon ein Jahr zurück. Ein Jahr, das nur so voll gestopft gewesen war mit Besuchen, Besichtigungen und diplomatischen Anlässen. Das meiste, was ihr an Besonderheiten eines jeden Landes gezeigt worden war, hatte Sophia schon längst vergessen, doch dieser Raum war ihr im Gedächtnis geblieben. Gerade weil er nicht protzte und sein Wert sich nur dem aufmerksamen Betrachter erschloss, bildete dieses Zimmer eine absolute Ausnahme unter den ganzen Besitztümern der Mächtigen von Gaia. Soweit sie wusste, ist die Sternenkuppel noch nie zuvor benutzt worden. Selbst der König selbst soll hier noch nie geschlafen haben, obwohl das Zimmer zu seinen Gemächern gehört. Warum also war sie in diesem Raum und nicht im Gästezimmer, wo sie sein sollte? Sophia brauchte einen Moment, ehe sich der Schleier in ihrem Kopf lichtete, dann erinnerte sie sich an den gestrigen Anschlag auf ihr Leben, den sie nur Dank des Einsatzes König Vans heil überstanden hatte. König Van… Eigentlich war sie diejenige gewesen, die auf eine Freundschaft mit ihm gedrängt hatte. Er hatte diesen Schritt zögernd begrüßt, doch jetzt war sie es, die Schwierigkeiten hatte in Van einen Freund an Stelle eines Königs zu sehen. Sophia, die sich nicht länger mit so frustrierenden Gedanken beschäftigen wollte, stand auf und sah sich genauer um. Die Vorhänge waren geöffnet. Seltsam, dachte sie, die Vorhänge werden sonst nur von Dienerinnen geöffnet, die ihr bei der Morgenwäsche behilflich sein sollten, doch sie konnte niemanden sehen. In Sophias Kopf machte es plötzlich Klick und ein kleines, aber nicht gerade unwichtiges Detail des Mordanschlages kam ihr in den Sinn. Sie sah an an sich herab und konnte dabei nicht den kleinsten Fetzen Stoff ausmachen. Überhaupt schien es ein bisschen kühl zu sein. Sie kreischte auf vor lauter Scham. Umso überraschter war sie, als Van von unten rief: „Ein Nachthemd liegt auf dem Bett.“ Panisch stürzte sie auf das Bett zu und griff nach dem Hemd. Nachdem sie es über ihren Körper gestreift hatte, stürmte sie wutentbrannt die Wendeltreppe hinunter in Vans Zimmer. Der saß seelenruhig an seinem Schreibtisch und sah Sophia verwundert an. „Ist etwas nicht in Ordnung?“ Statt zu antworten trat sie an Van heran und verpasste ihm eine kräftige Ohrfeige. „Wofür war das denn?“, wimmerte er. „Hast du die Vorhänge geöffnet?“ „Ja, wieso fra...“ Sophia antwortete mit einer weiteren Schelle. „Was ist los?“, fragte Van verzweifelt. „Du hast mich nackt gesehen, du Perverser! Mehrmals sogar!“, klagte sie ihn an. „Hab ich nicht.“, verteidigte sich Van. „Ach ja, was ist mit Gestern, als du ohne zu klopfen in mein Zimmer gestürmt bist, während ich aus der Wanne gestiegen bin. Und eben musste ich feststellen, dass ich die ganze Nacht unbekleidet im Bett gelegen habe.“ „Das eine Mal gebe ich zu, aber seitdem warst du entweder bedeckt oder ich hab die Augen geschlossen gehalten.“ „Na klar, du bist mit geschlossen Augen in die Sternenkuppel gegangen, hast die Vorhänge aufgemacht und mir ein Nachthemd rausgesucht.“, erwiderte Sophia sarkastisch. „Du hast unter der Decke gelegen.“, versicherte Van. „Und was wäre, wenn nicht? Warum hast du keine Dienerin gerufen? Die hätte mich auch ankleiden können.“ „Weil ich dachte, nach dem Attentat von gestern würdest du eine Zeit lang allein sein wollen, bis…“ „Bis was?“ „Bis du darüber reden kannst. Über das, was geschehen ist, meine ich.“ „Wieso sollte ich das tun?“, erwiderte Sophia ungläubig. „Auf dich ist ein Mordanschlag verübt worden. So etwas muss doch Wunden hinterlassen.“, wunderte sich Van. „Das war jetzt schon mein fünfter, die Attentate, bei denen ich zu jung war um mich zu erinnern, nicht mitgezählt.“ „Du sagst das so, als wäre es selbstverständlich.“ „Dort, wo ich herkomme, ist es das auch. Politische Morde sind bei uns in Chuzario mehr oder weniger an der Tagesordnung.“ „Warum weiß ich nichts davon?“, fragte er sich. „Wir ziehen es vor unsere Streitigkeiten intern zu lösen.“, antwortete Sophia kalt. „Deswegen konntest gestern so gut einschlafen.“ „Ich bin nicht das kleine, scheue Mädchen, als das ich mich vorgestellt habe und ich habe es satt, den Gefahren in meinem Land so hilflos gegenüberzustehen.“ „Kann ich gut verstehen.“, gab Van zu. Ausgiebig betrachtete er sein Schwert, welches an der Wand hing. „Dann wirst du mich also trainieren?“, erkundigte sich Sophia erwartungsvoll. „Nein, ich kann mich nicht um dich kümmern. Farnelia lässt mir einfach keine Ruhe.“ „Verstehe.“, seufzte sie enttäuscht. „Ich geh mich dann mal umziehen. Es wäre schön, wenn mir jemand dabei behilflich sein könnte.“ „Warte, ich möchte dich noch jemanden vorstellen.“ „Im Nachthemd?“ „Könnte sein, dass du etwas Zeit sparst.“, sagte Van lächelnd und öffnete die Tür zu seinem Zimmer. Herein trat ein hoch gewachsener Mann mit angegrautem Haar. Zuerst verbeugte er sich förmlich vor Van dann vor Sophia. Die kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Obwohl der Mann viel älter war als der König, wirkte er so jung und kräftig wie Van selbst. „Sein Name ist Gesgan. Er ist dein Leibwächter und dein Lehrmeister, solange du hier bist.“, stellte der König ihn vor. „Es ist mir eine Ehre eure Bekanntschaft zumachen, Prinzessin.“, fügte der hinzu. „Ganz meinerseits.“, antwortete Sophia automatisch und fragte: „Mein Lehrmeister?“ Blitzschnell und ohne Vorwarnung zuckte plötzlich die rechte Hand von Gesgan vor. Ehe sie reagieren konnte, spürte sie den kalten Stahl eines Dolches an ihrem Hals. „Ihr müsst anscheinend noch sehr viel lernen, Prinzessin. Dennoch…es wäre mir eine Ehre euch im Schwertkampf zu unterrichten.“, teilte Gesgan ihr mit. Langsam und so, dass sie es sehen konnte, steckte er den Dolch wieder zurück in das Versteck an seiner Hüfte. Sophia, die sich wieder von ihrem Schock erholte, trat ohne es zu merken einen Schritt zurück. Davon scheinbar unberührt reichte Gesgan ihr ein Bündel Kleidung „Findet euch bitte in fünf Minuten in der Trainingshalle ein.“, wies er sie an. „In fünf Minuten?“, protestierte Sophia. „Die Zeit reicht nie und nimmer für ein Frühstück.“ „Im Ernstfall habt ihr nicht einmal eine Sekunde Vorbereitungszeit, wie euch bekannt sein dürfte, Prinzessin. Im Übrigen würden es die Diener sicherlich vorziehen, wenn ihr erst nach dem Training etwas esst. Erbrochenes aufzuwischen ist wahrlich nicht die angenehmste Tätigkeit am Hof. Vor dem Training solltet ihr wenn überhaupt nur leichte Kost zu euch nehmen.“ „Na großartig!“, stöhnte Sophia und nahm das Kleiderbündel entgegen. Erst jetzt fiel ihr die Wasserflasche auf, die darin versteckt war. „Bevor das Training anfängt, sollte diese Flasche leer sein.“, riet ihr Van. „Was? So viel kann ich nicht auf einmal trinken.“, wandte Sophia ein. „Wenn du lieber wegen Wassermangel ohnmächtig werden willst, soll mir es recht sein. Dann kann ich dich noch einmal ins Bett bringen.“, konterte er. Sophia starrte ihn mit großen Augen an, öffnete schließlich die Flasche und leerte sie in einem Zug aus. „Schade, dass da keine Alkohol drin war. Dann würdest auf jeden Fall umkippen.“, sagte Van mit gespielten Bedauern. „Wenn das Alkohol gewesen wäre, würde ich wahrscheinlich freiwillig ohnmächtig werden.“, kicherte Sophia. „Noch vier Minuten.“, unterbrach Gesgan die beiden. Sophia lief so schnell sie konnte zur Treppe. Dort wandte sie sich um und lächelte Van unsicher an. „Es war übrigens nicht nur meine Erfahrung, die mich hat schnell einschlafen lassen.“, merkte sie an und rannte ohne auf eine Antwort zu warten die Stufen hinauf. „Ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee ist, Majestät.“, sagte Gesgan. Van zuckte nur mit den Schultern und lehnte sich an seinen Schreibtisch. „Warum nicht? Dank dem Training ist sie immer in der Nähe und geht nicht allein auf Erkundungsreise. Wir müssen sie irgendwie beschäftigen, wenn sie keine Dummheiten machen soll.“ „Ich weiß nicht, ob ich einem weiteren Mädchen die Unschuld rauben will. Ob ich das überhaupt kann. “, zweifelte der Krieger. „Was sie wollen, steht nicht zur Debatte.“, stutzte ihn Van zurecht. „Einzig und allein Sophias Wille zählt in dieser Sache. Außerdem, unschuldig ist eigentlich niemand. Gerade sie nicht. Sie hat schon sehr viel Leid gesehen.“ „Das heißt aber nicht, dass sie dafür auch verantwortlich ist.“ „Stimmt, aber ich wüsste trotzdem gerne, ob sie etwas getan hat um den Kämpfen in ihrem Land ein Ende zu bereiten.“ „Sie ist doch erst vierzehn!“, gab der Kriger zu bedenken. „Was sie nicht davon abhalten sollte ihren Mund aufzumachen. In meinem Stand gibt es keine Jugend. Entweder man ist erwachsen und hat dementsprechend Möglichkeiten, Pflichten und Verantwortung, oder man ist ein Kind und hat von allem keine Ahnung. Ein Kind ist sie mit Sicherheit nicht mehr.“, konterte Van. Gesgan nahm dies kommentarlos hin und starrte nachdenklich zur Treppe, wo die Prinzessin eben noch gestanden hatte. „Majestät, mit eurer Erlaubnis würde ich mich gerne zurückziehen.“, bat er. „Erlaubnis erteilt.“, sagte Van schlicht. Gesgan verneigte sich und verließ das Zimmer. Van indes setzte sich und schaute auf die Stadt. Er teilte durchaus Gesgans Bedenken, was der jedoch nicht wissen durfte. Ein König hatte sich nun einmal sicher in seinen Entscheidungen zu sein. Er starrte weiterhin zum Fenster hinaus, bis er ein leises Tippeln aus dem anderen Ende des Zimmers hörte. Neugierig drehte er seinen Kopf in Richtung Treppe. Sophia grinste über beide Ohren. Selbstsicher präsentierte sie ihren schwarzen Kampfanzug, bestehend aus einer langen Hose mit Stoffgürtel und einem ärmellosen Hemd. Ihr Haar war zu einem schlichten Zopf zusammengebunden. „Du siehst gut aus.“, lobte Van schelmisch. „Man könnte glatt meinen, du wärst gefährlich.“ „Ja, ja, schwing du nur deine Reden. Mal sehen, ob dein Mund noch so groß ist, wenn ich dich beim Turnier besiegt habe.“, erwiderte Sophia. „Pah, träum weiter!“, schnaubte Van. „Natürlich, was sollte ich sonst auch tun?“, sagte sie total ernst. Der König war übertölpelt und beschloss das Gespräch abzubrechen „Wolltest du nicht wohin?“ „Leider weiß ich nicht, wo die Trainingshalle ist.“, antwortete Sophia ihm verlegen. „Ich bring dich hin.“, bot Van ihr an. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)