Corruption of the Mind von cu123 ================================================================================ Kapitel 25: "Eine rationale Entscheidung konnte auch unter Zwang gefällt werden" -------------------------------------------------------------------------------- Corruption of the Mind (Teil 25) Titel: Corruption of the Mind Teil: 25/25 Autor: cu123 Email: mail-cu@freenet.de Fanfiction: Weiß Kreuz Kommentar: Ich kann kaum glauben, dass CotM hiermit beendet ist. Übrigens gibt es wieder einen ZEITSPRUNG von knapp einem Jahr ^^ Disclaimer: not my boys, no money make… Greetings: @Jemma: Ich musste den Kampf ja einbauen, bevor die Geschichte zu Ende ist, ne? Und meiner Meinung nach war letzte Woche der perfekte Zeitpunkt dafür. Das mit den Narben wird nicht weiter erklärt, aber ich fasse es dir gerne an dieser Stelle nochmal zusammen. Da Brad durch seine Vision weiß, dass der Instruktor aufgrund eines bestimmten Umstands ganz sicher nicht als Schüler so verletzt wurde (welcher Umstand das ist, wird in diesem Kapitel deutlich – und nein, es lag nicht daran, dass Herr Schneider als Schüler einen Instruktor hatte, denn den hatte er nicht ^.~), hat er sich zusammengereimt, dass es die Strafe für Herrn Schneiders Versagen als Field-Agent gewesen sein muss. Wie im letzten Kapitel gesagt wurde, ist ja dessen Team bei einem Einsatz umgekommen und nur Herr Schneider überlebte. Was die Strafe an sich angeht: eines der Triumviratsmitglieder hat eine Vorliebe für Peitschen (welches, wird erst in RftS verraten ^^°°°). @Razielle: Das kommt davon, wenn man versucht, seine Emotionen hinter einer Mauer zu verbergen. Früher oder später bricht eben doch etwas durch. Aber zugegebenermaßen ist Brads Schutzmechanismus dadurch nur noch stärker geworden. Was er auch nötig hat. An dem Sekretär merkst du zum einen, dass das Triumvirat den Fähigkeiten des derzeitigen Direktors nicht besonders traut. Zum anderen befindet er sich aufgrund einer bestimmten von den Ältesten verfolgten Politik in dieser Position. Auf die wird im Sequel kurz mal eingegangen. ^^ @tough: Ich mochte das letzte Kapitel so sehr, weil es für mich einen besonderen Fluss hatte. Und da ich weiß, was die Details bedeuten, habe ich persönlich ja keine Probleme damit, den Inhalt zu verstehen ^^# Herr Hoffmann ist wirklich ein Talentloser *nick* War nur ein Hinweis auf die Politik der Ältesten, auch wenn das in CotM absolut nicht rüberkommt, sondern erst in „Finding Home“. @Kralle: Lies einfach meine Antwort bei Jemma, dann weißt du, was es mit den Narben auf sich hat. ^^ Und Abschluss in dem Sinne, dass CotM mit diesem Kapitel vorbei ist. Du kannst aber gerne beginnend nächste Woche beim Sequel vorbeischauen ^___~ @F4-Phantom: Na dann ist ja alles cool *lach* Mit dem Direktor hast du natürlich voll ins Schwarze getroffen. ^^ Was sollte man auch anderes von mir erwarten, ne? Obwohl Herr Schneider schon überrascht war, das ist nämlich mehr, als er eigentlich erreichen wollte. Was natürlich nicht heißt, dass er die Chance ungenutzt verstreichen lassen wird, in Zukunft ein bissl was auf RK zu ändern. Teil 25 „Eine rationale Entscheidung konnte auch unter Zwang gefällt werden“ „Du hattest ja gesagt, dass wir uns in einem Jahr wiedersehen würden.“ Ruhig begegnete er Herrn Hoffmanns suchenden Blick, wandte nicht ein, dass noch nicht ganz ein Jahr vergangen war. Das neue Schuljahr würde erst in einer Woche beginnen. „Haben Sie an meinen Worten gezweifelt?“ Er erhielt keine direkte Antwort darauf, nur ein flüchtiges Lächeln. „Du bist ungewöhnlich“, wurde ihm anschließend mitgeteilt. Sein Gesicht war nicht mehr als eine Maske. „Ich bin, was hier aus mir gemacht wurde. Und ist es nicht eine Voraussetzung, _ungewöhnlich_ zu sein, damit man überhaupt hierher kommt?“ Er hielt den Kopf ein bisschen schief, als wäre die Frage ernst gemeint. Herrn Hoffmann schien es die Sprache verschlagen zu haben, aber jemand hinter ihm lachte leise in sich hinein. Er drehte sich um und erblickte drei Personen, die er noch nie in seinem Leben gesehen hatte – außer in seinen Visionen. Das Triumvirat. Sie arbeiteten direkt für die Ältesten und seit er auf Rosenkreuz war, besuchten sie zum ersten Mal die Schule. Er erinnerte sich an den Aufruhr, den diese Ankündigung verursacht hatte und jetzt wusste er, dass diese drei es verdienten. Ihre Selbstsicherheit fundierte auf der Gewissheit, fast jedem gewöhnlichen Menschen überlegen zu sein und den meisten Talenten ebenfalls. Sein Blick blieb an dem Mann hängen, dessen Züge ihm viel zu vertraut waren und die es ihm damals erlaubt hatten, ein bisschen besser zu verstehen. „Herr Schneider“, grüßte er ihn, ohne zu zögern, ohne zu zweifeln. „Crawford, wie… schön, dich endlich kennenzulernen.“ Er nickte nur kurz, denn es wäre eine ausgesprochen große Dummheit, eine freche Antwort zu geben. Wie beispielsweise die, dass Herr Schneider nicht so lange hätte warten müssen. Aber ein Teil davon zeigte sich in den braunen Augen und es entlockte dem älteren Mann ein schmales Lächeln. Herr Hoffmann schob ihn zur Seite, so dass die Triumviratsmitglieder an ihnen vorbeigehen konnten. Sie nahmen ihre Plätze ein, besetzten die einzigen Stühle, die sich in diesem Raum befanden. Er beobachtete wachsam jede ihrer Bewegungen und das änderte sich auch nicht, als hinter ihm noch jemand hereinkam. Denn er wusste, wer es war und er fragte sich, ob der Andere gerade nervös war. Der Instruktor blieb neben ihm stehen, Amüsement streifte ihn und auch wenn es nicht gespielt war, konnte es sehr wohl etwas anderes überdecken. „Du weißt, worum es heute geht?“ Unvermittelt wurde er angesprochen, dieses Mal von dem anderen Mann. Grau-blaue Augen, sie wirkten so harmlos. Bevor er antworten konnte, machte Herr Schneider jedoch eine Handbewegung, die um etwas Geduld bat. „Vielleicht sollten wir uns zunächst einmal vorstellen. Meinen Namen scheinst du ja bereits zu kennen, Crawford. Und das sind Herr Franken und Frau Kernen.“ Er deutete eine Verbeugung in die Richtung der beiden an. Das war besser als nur stumm dazustehen. Herr Franken lehnte sich ein Stück vor. „Nun?“, wurde er an die noch nicht beantwortete Frage erinnert. „Sie wollen eine Entscheidung fällen.“ Er tastete sich langsam voran, weil er selbst jetzt eindeutig nervös war. Und doch war das nicht alles und er wünschte, er könnte es ihnen offen ins Gesicht sagen. Kurz schloss er die Augen, rief sich selbst zur Ordnung. Er sollte froh sein über ihren Test, denn vielleicht hätte Herr Schneider ihn sonst niemals ausgewählt. Und es würde besser werden, wenn der Instruktor erst einmal die Möglichkeit bekam, etwas zu ändern. Es könnte genug sein, es musste. „Ja“, erhielt er eine knappe Bestätigung. Seine Mundwinkel zuckten, kein Lächeln aber vielleicht etwas Verwandtes. „Sie hätten ihn getötet, wenn Sie seine Argumente nicht schon damals überzeugt hätten. Warum also haben Sie so lange gewartet?“ Es brach aus ihm heraus, obwohl er sich hatte zurückhalten wollen, doch ein Jahr war viel Zeit, um die Bilder auseinander zu nehmen und alle Hinweise herauszuziehen, die ihm halfen, das Puzzle zusammenzusetzen, das die Person neben ihm für ihn von Anfang an gewesen war. Ein Team, das starb und der einzige Überlebende hätte das normalerweise nicht lange bleiben dürfen. Versagen wurde nicht geduldet, keinesfalls in solchen Ausmaßen. Aber vielleicht war der Auftrag ja trotzdem erfüllt worden und vielleicht war endlich ausgesprochen worden, was hier schon mancher gedacht hatte, ohne jemals ein Wort darüber zu verlieren. Dass die Ausbildung auf Rosenkreuz nicht perfekt war, teilweise weit davon entfernt. Und dieser bestimmte Überlebende hatte die größten Chancen von allen, überhaupt angehört zu werden. Sie mussten ihm geglaubt haben, das war die einzige Erklärung und das war auch der Grund, warum er das Triumvirat nicht verstand. Eine mentale Berührung, nicht vom Instruktor, denn das hätte sich nicht so rau angefühlt, es war Frau Kernen, die danach als Erste etwas sagte. „Du kennst sicher das Konzept vom ‚kleineren Übel’, nicht wahr, Crawford? Das jetzige System mag unvollkommen sein, aber es funktioniert. Niemand kann uns garantieren, dass eine Änderung auch eine Verbesserung bedeutet.“ „Und ich soll jetzt den Beweis dafür antreten, dass man beschützt werden und trotzdem am Ende für Sie arbeiten kann?“ „Gewissermaßen, ja.“ Herr Schneider lächelte ihn an. „Ich habe nie an Michaels Fähigkeiten gezweifelt, aber Eszett braucht niemanden, der verhätschelt wurde.“ Die Aussage bereitete ihm fast körperliche Übelkeit und er vergaß, wen er da vor sich hatte, als braune Augen sich mit Eis überzogen. „Ah, ich verstehe… Stattdessen lassen sie lieber zu, dass Ihnen ein paar großartige Talente verloren gehen, während Schläger, die kaum ihren Namen buchstabieren können, es bis zum Ende der Ausbildung schaffen. Um dann in den Field-Teams für Sie zu arbeiten. Ich bin sicher, sie leisten großartige Arbeit.“ Zynismus kurvte seine Lippen und er genoss das eintretende Schweigen, bis sein Verstand sich wieder klärte und ihm das Blut aus dem Gesicht wich. Eine Hand legte sich in seinen Nacken, drückte ihn kurz und dann lachte Frau Kernen auf, durchbrach die Stille. „Schneider hat offensichtlich auf dich abgefärbt. Wir werden sehen, ob es genug ist.“ Sie fügte diesen seltsamen Worten nichts mehr hinzu, stattdessen ergriff wieder Herr Franken das Wort. „Glaubst du an das, was wir tun?“ „Ich weiß, dass Herr Schneider es tut.“ Wie der Instruktor das schaffte, war ihm ab und zu immer noch ein Rätsel. „Und das reicht dir?“ „Er hat dafür gesorgt, dass es reicht.“ Inzwischen hatte er eingesehen, dass er niemals in sein altes Leben würde zurückkehren können, selbst wenn sie ihn freiließen. Rosenkreuz hatte neu definiert, was er war und wie sollte er dem entkommen? Die letzten Jahre ließen sich nicht ungeschehen machen, würden in ihm leben und er würde mit ihnen leben müssen. So gut er konnte. Und die beste Wahl lautete Eszett. Eine rationale Entscheidung konnte auch unter Zwang gefällt werden. „Beweise es uns.“ Es klang wie ein Urteil. ****** Der Kaffee war fast durchgelaufen und der Kuchen stand bereits auf dem Tisch. Ihre Augen streiften kurz das Arrangement, aber natürlich hatte sie nichts vergessen. Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht, als es in diesem Moment klopfte, James konnte gar nicht anders als pünktlich zu sein. Für keine Sekunde kam ihr der Gedanke, dass ihr Mann einen Schlüssel hatte und dass das Klopfen viel zu zurückhaltend war, um von Stephen zu kommen. Das Lächeln gewann an Ausdruckskraft, als sie die Tür öffnete. „Hat es euch im Schwimmbad-“ Der Satz wurde nie beendet. „Dürfen wir hereinkommen?“ Es war der ältere der beiden Männer, der die Frage stellte. Der andere – war kein Mann, noch nicht ganz. Sie hielt die Tür nicht länger auf, sondern hielt sich daran fest. Finger blutleer, so fest war ihr Griff. Es musste ein Zufall gewesen sein, Licht und Schatten, die sich zu vertrauten Zügen zusammenfanden, aber dann neigte der Schwarzhaarige den Kopf und die letzten Zweifel verschwanden. Das hier war James von alten Fotos. Es war- „Brad?“ Braune Augen musterten sie distanziert und die Distanz stammte nicht von der Brille, die einen unmittelbaren Blickkontakt verhinderte. Oh und ja, da war Wiedererkennen, bloß war es gedämpft, als würde sich Brad keine Emotion erlauben. Es gab kein Halten mehr, es war so lange her und sie hatte gedacht er wäre tot und das hier konnte nicht _wahr_ sein, aber als sie einen wackligen Schritt vorwärts tat und Brad, ihren kleinen Jungen, der gar nicht mehr klein war, umarmte, war da ein fester Körper, kein Geist. Sie hatte zu weinen begonnen, barg ihr Gesicht an Brads Schulter und als nächstes schüttelte sie beinahe ein Lachen, denn er war größer als sie und das war einfach unglaublich. Es schien eine halbe Ewigkeit zu dauern, aber dann legten sich zwei vorsichtige Arme um sie, erwiderten die Umarmung ungeschickt. Sie drückte ihn stärker an sich, wünschte, ihn nie wieder loslassen zu müssen, doch sie erinnerte sich daran, dass Brad einen Begleiter hatte und sie wollte wissen, was geschehen war. Also löste sie sich von ihm, hielt jedoch seine Hand fest, als würde er sonst wieder verschwinden und zog ihn mit hinein. „Dein Vater müsste auch gleich nach Hause kommen. Und Stephen, er...“ Sie weinte immer noch, wischte sich hilflos die Tränen aus dem Gesicht. Die Haustür wurde geschlossen und sie hatte ihn schon wieder vergessen, den anderen Mann. Erst als sie alle drei im Wohnzimmer standen, schaffte sie es, ihre Fassung zurückzugewinnen und das war das erste Mal, dass sie den eisblauen Augen begegnete. Etwas in ihr schrie auf, wollte sich am liebsten verstecken, aber das war albern. Sie war einfach nur aufgewühlt und wer sollte ihr das übel nehmen. Endlich gelang es ihr, Brads Hand loszulassen und ihr Lächeln zitterte nur ein kleines bisschen, als sie ihn von oben bis unten musterte, sich vergewisserte, dass er wirklich hier vor ihr stand. „Setzen Sie sich doch“, riss sie sich von seinem Anblick los, aber gleich darauf waren ihre Augen zurück auf Brad. „Du auch, ich werde noch mehr Geschirr holen.“ Ihr Weg in die Küche glich einer Flucht, obwohl sie Brad gar nicht allein lassen wollte, aber sie brauchte eine Atempause, bevor sie völlig überwältigt wurde. Schwer stützte sie sich auf der Arbeitsfläche ab, vertrieb das aufsteigende Schwindelgefühl. Es war alles in Ordnung. So in Ordnung, wie seit drei Jahren nicht mehr. Sie drehte den Wasserhahn auf, kühlte sich das Gesicht und beseitigte die Spuren der Tränen. Noch ein paar tiefe Atemzüge und sie fühlte sich bereit ins Wohnzimmer zurückzukehren, ohne dass sie in Ohnmacht zu fallen drohte oder sich einfach an Brad festklammern würde. Der letzte Gedanke sorgte dafür, dass sie über sich selbst lächelte und dann war die Ruhe nicht mehr so sehr erzwungen, sondern echt. Sie holte Teller aus dem Schrank, zwei Tassen und Kuchengabeln, ging ohne das Lächeln zu verlieren ins Wohnzimmer und erweiterte den Tisch um die Gedecke. Der Mann hatte sich gesetzt, jedoch nicht an den Tisch, sondern auf die Couch und Brad stand bei ihm, als würde er dort Schutz suchen. Es tat ein klein wenig weh, aber sie ignorierte das Gefühl und dann hörte sie auch schon, wie die Haustür aufgeschlossen wurde. Stephens Lachen drang bis zu ihnen vor, gefolgt von lauten Schritten, weil der Junge es mal wieder nicht geschafft hatte, seine Schuhe auszuziehen. „Mama!“, wurde laut nach ihr gerufen. „Stell dir vor, Papa hat-“ Das war der Punkt, an dem es auch Stephen die Sprache verschlug. Er war direkt an der Tür zum Wohnzimmer zu einem abrupten Stopp gekommen und starrte ihre beiden Gäste an. Nein, nicht Gäste. Brad war viel mehr als das. James folgte um einiges gemächlicher, wuschelte ihrem Sohn durch die Haare, bevor die braunen Augen den Raum effizient absuchten, auf Brad und dem anderen Mann zur Ruhe kamen. Natürlich war James nicht überrascht, wie hätte er auch die Schuhe übersehen können, die im Flur standen. „Wir haben Besuch?“ Stephens Augen hatten sich schneller an den Helligkeitsunterschied gewöhnt und Fassungslosigkeit zeichnete das junge Gesicht, als Brad angestarrt wurde. „Ist das Brad?“ Sie spürte, wie ihr neue Tränen drohten, aber die sich versteifende Gestalt im Türrahmen lenkte sie davon ab. James schien nicht glauben zu können, dass Brad wieder da war und sie konnte das verstehen. Es hatte mehr als ein Jahr gedauert, ehe ihr Mann die Suche aufgegeben hatte und noch ein Jahr mehr, ehe er den Verlust akzeptierte. Stephen war schon weiter, tat einen vorsichtigen Schritt vorwärts und sie sagte nicht, dass Sandaletten nichts im Wohnzimmer zu suchen hatten. Ihr Blick wanderte zwischen ihren beiden Söhnen hin und her, als könnte sie nicht genug davon bekommen und vielleicht war es auch so. So entging ihr nicht, dass Brad, statt seinem Bruder entgegenzugehen, zurückzuweichen versuchte. Nur dass dort kein Platz mehr war, bloß die Couch. Er setzte sich unfreiwillig, schien froh darüber, den anderen Mann dort vorzufinden und die Art, wie sich Brad beinahe gegen ihn lehnte, ließ sie innerlich vor Kälte erstarren. Das war unmöglich, so jemand hätte ihnen Brad niemals zurückgebracht, sie musste sich das nur einbilden. Aber als sie zu James hinüber sah, hatte sich dessen Blick verhärtet und der gleiche Verdacht stand auf sein Gesicht geschrieben. „Crawford.“ Sanfte Belustigung ummantelte die Aufforderung, die nicht ausgesprochen wurde. Crawford? Wieso… Sie kam nicht dazu, weiter darüber nachzudenken, Brad sah den Anderen an und ein stummer Austausch schien zwischen ihnen zu erfolgen, an dessen Ende ein kleines, selbstironisches Lächeln um den Mund ihres Sohnes spielte. Ihr wurde noch kälter und sie konnte sich nicht einmal den Grund dafür erklären. Stephen war schon wieder zum Halt gekommen, aber James stand auf einmal an ihrer Seite. „Wer sind Sie?“ „Wollen Sie nicht Ihren Sohn willkommen heißen?“ Der Mann klang liebenswürdig, doch die eisblauen Augen verrieten, dass das nicht echt war und er ließ sich nicht von James beeindrucken, dessen angespannte Gestalt sein regelmäßiges Training verriet. Ah… sie war so sehr gewöhnt, es bei ihrem Mann zu sehen, dass es ihr jetzt erst auffiel. Wie sich Brad und dieser blonde Mann hielten, aufrecht und kontrolliert, das war ganz ähnlich und das dürfte nicht so sein, denn Brad war viel zu jung dafür. Und ihre Kleidung, sie wirkte wie Uniformen. War es Brad in dieser Jacke nicht viel zu warm? „Was soll das?“, beschwerte sich Brad, aber der Rippenstoß wurde abgefangen, bevor er den Anderen treffen konnte. „Wenn Sie es mir bloß schwerer machen wollen, sollten Sie besser draußen warten. Schließlich geht es nicht nur um meine Zukunft.“ „Willst du mir drohen?“ „So wenig Vertrauen in Ihre Lektionen?“ Die beiden schienen ihre Anwesenheit völlig vergessen zu haben, funkelten sich an, ohne dass echte Wut dahinter steckte. Als wäre es ein Geplänkel, das sie häufiger durchspielten. Was danach geschah, lief zu schnell ab, als dass sie es richtig verfolgen konnte. Der Mann lachte auf, packte Brad an dessen T-Shirt und küsste ihn. Statt sich zu wehren kapitulierte Brad fast augenblicklich, weil – ihr wurde schlecht – er es gar nicht anders gewohnt war und dann war James auch schon bei ihnen, wollte ihren Jungen wegreißen, aber Brad stand bereits und schlug ihn nieder. „Es ist keine gute Idee, wenn ihr Herrn Schneider zu nahe kommt. Es würde euch nur verletzen.“ Aus irgendeinem Grund ließ das den Blondhaarigen lächeln. Ihr Mann brauchte nicht lange, um wieder auf die Beine zu kommen, schüttelte sich wie ein nasser Hund, aber er hielt jetzt Abstand. „Du solltest es besser beenden“, meinte dieser Herr Schneider, nun überraschend ernst und Brad lächelte wieder, nur dass das hier traurig ausfiel. Er setzte sich danach, streckte eine Hand aus. „Stephen, komm doch her.“ Stephen schien zu zögern, ging dann aber weiter auf seinen Bruder zu. Sie wollte ihn aufhalten, aber auf einmal konnte sie sich nicht mehr rühren und James schien es nicht anders zu gehen. „Brad?“ „Ja, ich bin es.“ Die Hand wurde ergriffen und Brad zog seinen Bruder zu sich heran, nur dass da in der anderen Hand plötzlich ein Messer war und nahezu sanft wurde die Klinge Stephen zwischen zwei Rippen hindurch ins Herz geschoben. Brads Miene war dabei völlig emotionslos, die Distanz war zurück und jetzt wusste sie, wofür er sie brauchte, auch wenn das Verstehen ihren Verstand zerbrach. Nichts hielt sie mehr, aber da war kein Gedanke mehr, der zu einer Bewegung hätte führen können. Aus leeren Augen sah sie zu, wie James sich erinnerte, wie man sich bewegte, doch Brad war vorbereitet und brauchte kein Messer, um seinen Vater zu besiegen. Es sollte unmöglich sein, doch es war fast, als würde er jeden Angriff vorausahnen und nicht einmal eine halbe Minute später standen nur noch sie beide aufrecht. Brad sah sie an, seine Lippen zuckten kurz, doch es wurden keine Worte geformt. Und sie selbst konnte auch nichts mehr sagen. Sie schloss die Augen, weil das am einfachsten war und wartete ab. Denn Brad war offensichtlich mit einer Aufgabe hierher gekommen und dieser junge Mann, der nicht mehr ihr Sohn war, würde sie beenden. Sie hatte keine Angst, dazu war nicht mehr genug von ihr am Leben und dann erlosch auch noch das Wenige. Epilog Er wusste nicht genau, ob er Albträume erwartet hatte, aber sie suchten ihn nicht heim. Sie waren schon vorher da gewesen und überwunden worden. Als der Test tatsächlich heran war, hatte alles wie ein eingeübtes Theaterstück gewirkt, nicht wie die Realität. Und so hatte er die letzte Nacht ausgesprochen gut geschlafen. Sie waren gestern nach Rosenkreuz zurückgekehrt, am späten Abend und er war auf sein Zimmer geschickt worden, wo danach nur noch ein Bett leer blieb. Und nun startete das neue Schuljahr, die Neuen waren schon da und anders als er selbst würden sie von Anfang an eine gute Chance haben, auch den Abschluss ihrer Ausbildung zu erleben. Wenn er seine Entscheidung in Menschenleben abwägen würde, hatte er wenig genug dafür bezahlt, aber letztendlich wusste er, dass es nur Egoismus gewesen war, der ihn so hatte wählen lassen. Es hätte genau eine Möglichkeit gegeben, seine Familie zu retten – und zwar sich selbst umzubringen, bevor sie ihn wiedergesehen hätten. Etwas, was ihm absolut unmöglich war. Beim Frühstück sah er Herrn Schneider nicht, aber er musste sowieso nicht fragen, wie dessen Gespräch mit dem Triumvirat ausgegangen war. Denn sein Talent hatte es ihm schon längst verraten und da war noch die Tatsache, dass sich an das Essen kein Unterricht anschloss, sondern im Speisesaal umgeräumt wurde, bis ordentliche Stuhlreihen ihn füllten. Sie waren bald darauf mit Schülern besetzt, auch den Neulingen, die sich wenn schon nicht durch ihre Kleidung, so doch durch die verschreckten Gesichter verrieten. Eine vertraute Präsenz näherte sich ihm, er stand noch beim Eingang und sah einfach zu, niemand hatte es gewagt, ihn hineinzuscheuchen. Langsam drehte er sich um und der ehemalige Instruktor lächelte ihn zufrieden an. „Ich wusste doch, dass ich dich nicht ohne Grund markiert habe.“ „Sie meinen abgesehen davon, dass ich eine der wenigen Personen bin, mit der Sie ohne Probleme ins Bett steigen können?“ Die schnippische Antwort kam ihm ganz einfach über die Lippen. Denn obwohl sich der Status des Anderen geändert hatte, war Herr Schneider noch ganz der Alte und würde es nicht begrüßen, wenn er plötzlich vor ihm kriechen würde. Er erntete wie erwartet ein Lachen und dann einen Kuss, bevor der Direktor an ihm vorbei den Saal betrat. Ebenfalls lächelnd folgte er ihm. Es war das erste Mal, dass Rosenkreuz so eine Ansprache erleben würde. Er lehnte sich entspannt zurück. ~Ende~ CotM ist hiermit abgeschlossen und ich könnte diesen Crawford sehr gut so stehen lassen. Aber ich wollte nicht, dass Rosenkreuz wirklich gewinnt, weswegen ich ein Sequel geschrieben habe, das ab nächste Woche immer sonntags veröffentlicht wird. Würde mich freuen, wenn ihr euch dort wieder einfindet. ^^ Falls noch Fragen offen sind, einfach stellen. Ich hoffe, ich habe nichts übersehen. cya, cu ^-^ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)