The Black Widow Tale von Archimedes (Sparrington) ================================================================================ Kapitel 25: Fieber ------------------ Ein umfassendes Sorry an alle, die ewig auf das neue Kapitel warten mussten. Aber wie gesagt, mit der Erzählperspektive des lyr. Ichs gestaltet es sich höchst problematisch gleichzeitig eine Halluzination zu schreiben und die äußere Realität. Hab mir sozusagen selbst ins Knie damit geschossen... *sigh* Das Kapitel wird vermutlich noch die ein oder andere Überarbeitung erfahren, da ich immer noch nicht zufrieden bin, auch wenn es bereits die 12 Version ist. ^^;;; Nach halbjährigem Grübeln, Denken und ständigem Umstrukturieren hatte ich die Nase jetzt aber voll. Und jetzt nur noch eine kurze Einleitung: Das Schöne an Träumen, Wahnzuständen und Halluzinationen ist, dass man in ihnen Momente höchster geistiger Klarheit erreicht. Das weniger Schöne: am nächsten Morgen erinnert man sich nicht mehr daran: Kapitel 25 - Fieber „Feuer!“ Welch unscheinbares Wort das doch ist, so unbedeutend und alltäglich, dass es benutzt wird in allerlei Munde zu allerlei Gelegenheit. Wie dies eine Wort ein Schiff versenken -und einen einstigen Freund in Vergessenheit geraten- lassen kann, so mag es ebenso gut bloß der herrische Wunsch eines Vaters sein, einen an seinen Jungen gerichteten Befehl in die mit Pech versiegelte Holzpfeife Tabak zu stopfen und diesen mit dem gefahrlosen Glimmen eines Spans zu entzünden. Eine allabendliche Pflicht ist es, die all jene Söhne mit ehrfürchtigem Gehorsam Tag für Tag eifrig erfüllen, um danach im Stillen zu wünschen, dass der übermächtige Mann vor ihnen nur ein einziges Mal ihnen den Vorzug vor dem Bruder gäbe. Allerdings im Munde einer der runden und immer gutherzigen Köchinnen mag dies Wort ein erboster Schrei des Tadels sein, ausgestoßen in einer heißen Dunstwolke, weil der unbeholfene Küchenjunge den, für die kleinen Hände, zu großen Kupferkessel mit kochendem Wasser verschüttet und dabei das Herdfeuer zum Erlischen gebracht hat. Und wiederum ein anderes Mal ist es der stolze Ausruf enthusiastischer Freude eines Lausebengels, der mit seinem Freund zum ersten Mal trockene Hölzchen ohne Zuhilfenahme von Zündhölzern zum Brennen gebracht hat. Und denen es dabei einerlei ist, dass die kleinen Gesichter rußig geworden sind und denen es einerlei ist, dass sie große Schelte für ihr heimliches Tun von ihren Lehrern ernten werden... … und ´Feuer´ mag tatsächlich die einzige Beschreibung des liebeskranken Tors sein für die oft bewunderten Augen der geliebten Frau, die mit ihnen, den schönsten Augen, die er kennt, einen anderen anblickt… Wie Tinte mit einem Löschbims von Papier gebannt wird, so verbannte ich mit einem einzigen Wort den Namen des jungen Burschen aus meiner Erinnerung, mit dem ich das erste Mal trockene Hölzchen ohne Zündhölzer zum Brennen gebracht habe. Er, der er der einzige Makel einer beispiellosen Karriere gewesen ist. Und es reute mich nicht, denn es war das, was nötig war. Was bedeutete denn eine zum Scheitern verurteilte Freundschaft im Angesicht der bestehenden und funktionierenden Ordnung, die mir so viel mehr darbot als das dumme Gefühl menschlicher Brüderlichkeit?! Was war diese Freundschaft denn schon anderes als unser beider Bürde, für ihn wie für mich, im Angesicht des Privilegs Recht und Ordnung dienen zu dürfen und durch unsere Befehle Teilhaber an etwas Gutem und Großem zu sein?! Denn so wahr es ist, dass ein einzig ordnendes Wort wie Feuer wieder alles ins Klare bringt, so wahr ist dies: Befehle übertragen Verantwortung. Pflicht. Stolz. Würde und Ehre. Und den Willen all dies zu erhalten. Sie geben einem die erfreuliche Gewissheit auf der richtigen Seite zu stehen und ersparen in ihrer Gnade sinnloses Geplänkel über sich verwischende Fronten, die nicht verwischt werden sollten. Sie ersparen einem die Last im Nachhinein erkennen zu müssen, dass Menschen auf verschiedenen Seiten nicht zusammen gehören und dass alles verzweifelte Aufbegehren und Schreien eines Einzelnen diese Tatsache nicht zu ändern vermag… Als das Schiff damals in der Tiefsee zusammen mit Francois versunken war, zerstört und vernichtet, und ich mit meiner neuen Erkenntnis zurückblieb, hatte ich verlernt, wie es ist, aufzuschreien. Und es wäre eine Lüge, sagte ich, dass ich diesen Offizier, - dieses bequeme Leben- , nicht selbst gewählt und gewollt habe… …und dann spüre ich plötzlich etwas an meinen Schultern; ein rüpelhaftes Rütteln, unverschämt und frech in seiner ganzen Art, und es lässt keinen Zweifel daran, dass es bleiben will, bis ich mich ihm nicht mehr zu widersetzen weiß. Heraus gerissen aus Stasis und Stillstand, leitet es mich in den Zweifel und straft mich für falsche Entscheidungen, verkehrt gegangene Wege und bitteren Verzicht. Unbehaglichkeit pflanzt dieses Rütteln in mich, ein in den gleichmütigen See geworfener Stein ist es. Von außen sieht das Wasser unverändert aus, doch auf dem Grund ruht der Brocken schwer. Es ist wie ein eindringender, mit Widerhaken besetzter Stachel einer wahreren Wahrheit, als der, an die ich gelernt habe zu glauben. Verzweifelt wehre ich mich dagegen, dass sie tiefer dringt und mich vergiftet, doch letzten Endes lässt sie mich aufschreien. „Wer wird denn gleich das ganze Haus zusammen schreien, aye?“ Sie sind leise, die Worte, die mich auffangen, nicht mehr als ein, mein Wimmern begleitendes, Wispern irgendwo im Äther: „Ich höre Euch doch, mein Freund“ Unter gequältem Greinen und keuchendem Röcheln, wie selbst Pestkranke es nicht Furcht erregender hervorbringen könnten, werfe ich den Kopf von Seite zu Seite und versuche die in mir widerhallende Stimme zurückzudrängen, bevor sie auf fruchtbaren Boden trifft. Und es dauert… Als ich mich schließlich von der erschütternden Vorstellung mein Leben verfehlt zu haben, befreit habe, öffne ich die Augen einen Spalt breit. Durch klebrige Krusten schwerer Lider blicke ich ins verschwommene Dunkel. Und es macht mir Angst, dieses schwarze Nichts, das sich vor mir auftut und sich nicht einer ordnenden Gewalt unterwerfen lässt. Fahrig rollen meine Augen in ihren Höhlen umher, suchend und beinah panisch, bis endlich, unweit von mir selbst entfernt, kleine erlösende Lichter aufglühen. Einer hypnotisierten Motte gleich, die nicht anders kann, als surrend um sie zu kreisen und nicht darum weiß, dass eine der Kerzen sie irgendwann verschlingen wird, - denn nicht mehr als der Schein von Kerzen ist es, der flackert und wiegt-, hafte ich mich an den winzigen Flämmchen fest. Unscheinbare Feuerchen sind es, dünne Halme, nach denen ich mit verzweifelter Gewohnheit die Hand ausstrecke. So groß ist das Bedürfnis nach dem Beständigen, dass ich mich versuchen lasse, die schemenhafte Kreatur in den Schatten außer Acht zu lassen, die sie in ihren Klauen hält. Wieder und wieder greife ich danach. Aber als steche eine silberne Gabel in ein waberndes Gebilde aus Aspik, so zappeln und zittern Arme und Beine, ein jedes geschwächtes Glied, das ich bewegen will, wann immer ich es versuche. Als wollten die kleinen Feuer mich fliehen, rinnen sie mir durch die Finger, immer und immer wieder. Und doch weiß ich, dass es dieses grässliche Geschöpf im Verborgenen ist, das sie mir entfremdet, weil es grinst und triezt und mir nehmen will, was ich kenne. „Shh… Commodore, nicht. Bleibt liegen. Ich mache die Kerzen ja schon aus“, wagt es gar zu sprechen und die Worte durchfahren mich siedendheiß, während das Ding in seiner Grausamkeit das einzige auslöscht, an das ich zu glauben gelernt habe. Wie ein Lavastrom sich seinen Weg durch Stein gefräßig furcht, durchdringen mich die Worte, langsam, stetig und unaufhaltsam. Und ich vergesse, wer ich bin, „Was zum Hen-?“, und stürze mich auf die Kreatur. Ich packe sie, wehre mich, trete, kratze und beiße, was immer ich auch von ihr zu fassen bekomme. „Jabbar, schwing endlich deinen Hintern durchs Fenster!“, jault sie auf, „´S sieht nicht so aus, als wollte der Commodore heute ein braver Mann sein!“ Ihre schroffen Krallen greifen nach mir, bereit mich zu verderben, Hände, deren Finger über die Jahrzehnte hinweg schwielig geworden sind. Nun bilden sie zerklüftete Gebirgsketten, massive Felsformationen, deren Gewicht sich mit Gewalt auf meine Brust und bereits gekrümmte Schultern legt, um zu ersticken, wer ich bin. Miefig beugt sich die Gestalt zu meinem Gesicht, ist mir so unerträglich nahe, dass ich den Hauch der Verdammnis über mir zu wähnen glaube. „Das ist beeindruckend unhilfreich!“, wispert mir ihre dunkle Stimme ins Ohr und in wildem Wahn schlage ich zu, „Oumpf!“ Mühsam werde ich es dir machen! Mit großem Vergnügen höre ich das Fallen dieses Dings und das harte Auftreffen auf den Boden des Abgrunds, aus dem es gekrochen kam. „Das ist noch weniger hilfreich als unhilfreich!“ Und mit größerer Zufriedenheit wittere ich, während mir schummrig wird, die Nuance von Metall, die Blut seine charakteristische Prägung verleiht. „Mit dir und ihm ist es zum Mäuse melken Kadeb!“ Es ist das letzte, das ich höre bevor ich, ausgezehrt und schwach vom Kampf, mit einem grimmigen Lächeln ins Dunkel falle. Woran ich glaube, ist unumstößlich... * * * „Lasst sie zu, Junge. Das Sonnenlicht wird Euch blenden, Euren Augen wehtun“, höre ich jemanden sagen. Der harte Akzent, der die tiefe Stimme des Mannes begleitet, ist mir keinesfalls fremd, ebenso wenig wie es die großen Hände sind, von denen der scharfe Geruch orientalischer Gewürze ausgeht und die sich schließend über meine Augen legen. Ich möchte gerne etwas erwidern auf die besorgten Worte, möchte sagen, dass es mir gut geht, doch gelingt mir nicht mehr als ein karges Gurgeln, das sich über eine pelzige Zunge quält. „Und sprecht nicht. Seid sparsam mit Eurer Kraft und lasst Al Faras das richten“ Al Faras. Oh ja… ich erinnere mich… „Die Tücher und die Kräuter, Kadeb, gib sie mir“, fordert der Muselmann, auf dass dem strengen Befehl gellende Schritte über noch weitaus gellendere Dielen folgen. Stein mahlt auf Stein, Wasser plätschert, der Geruch von Essig erfüllt die dicke Luft und dann wird mir an den Beinen kalt. Ich zwinge mich, hingegen dem Rat Al Faras´, die Augen zu öffnen. Entsetzlich kalt. Nur langsam formen sich die markanten Züge mit den vielen Narben, der lange, schon vor Zeiten ergraute Bart und der schwarze Turban, den er stets zu tragen pflegt, zum Gesicht des Arabers zusammen, zum Gesicht des Mannes, der sich meiner annimmt. „Ein Rätsel ist es mir, wie ihr Christen die Heilige erobern konntet, wenn ihr es nicht zustande bringt ein Fieber zu lindern“, spricht er erbost zu jemand anderem als mir. Ich beginne zu zittern, als mir die Wärme aus dem Körper gezogen wird. „Schildkröten mein Freund, mit dicken Panzern“ Schwerfällig rollen meine Augen zur Seite, als sich das Bett neben mir senkt, sich in die Weichheit der Linnen ein warmer Körper zu mir legt. Nun ja… wie es bei einer schlechten Angewohnheit, -nennen wir sie Tradition, - nun einmal der Fall ist, rümpfe ich die Nase, sobald ich Sparrows ansichtig werde. Die Welt meint es ausgesprochen gut mit mir… „Pah! Bewahr dir deinen Humor, während du ihm aufhilfst“ Vorsichtig werden meine Schultern von dem Piraten umfasst und aufgerichtet, eine Bewegung, die mich die Augen vor Schmerz verdrehen lässt. Mein Kopf rollt dabei haltlos in den Nacken, und benommen hänge ich in seinen Armen, verkrampft und unbeweglich wie ein alter Mann mit Gicht. Danach bemerke ich mit wachsendem Entsetzen, dass mein linker Arm taub geworden ist, schlimmer als es je zuvor war, dass ich sogar außerstande bin ihn zu bewegen. Mit einem Stöhnen sehe ich zu Sparrow auf, als dieser sich hinter mich setzt, mich an seine Brust bettet und meinen Kopf an seine Schulter lehnt. „Uns nennt ihr Barbaren! Ihn zur Ader zu lassen, ihn zu schröpfen mit diesem... diesem Ding!" Begleitet von einem tiefen feindseligen Knurren findet sich der bedauernswerte Schröpfschnepper zerschellt auf dem Boden wieder. "Bei Fieber! Wissen eure Gelehrten, eure dummen Bader und Heiler denn gar nichts? Haben sie in den vergangenen Jahrhunderten nicht dazu gelernt? Ach, was frage ich denn!“, ereifert sich der der dunkle Hüne weiter, der zu einer Holzkanne greift, einen recht großen Dolch aus seinem Gürtel zieht und die Spitze hinein taucht, „Wenn ihn das Fieber nicht umbringt, dann die Pfuscherei dieser Stümper!“ „Ah, ah, ah Jabbar, du solltest wissen, dass schwierige Gedanken über etwas Blödes, das nicht eintritt, blöde Gedanken über Schwierigkeiten, die nicht eintreten, sind“, antwortet Sparrow mit einem Lächeln, während unsere Blicke einander begegnen und er es nicht lassen kann, mich dabei in die Wange zu kneifen. Ich bin hochgradig entzückt… „also treten Schwierigkeiten immer nur durch gedanklich Blödes auf. Denk dran“ Während er spricht, verweilt sein Blick unentwegt auf mir und es hat den Anschein, dass seine Aufforderung nicht primär dem Araber gilt. Höchst bemerkenswert… Ein wenig will ich lächeln, denn es ist absurd und auf skurrile Weise erfreulich zugleich, dass Sparrow von mir erwartet, nicht zu wagen an die Möglichkeit des Sterbens auch nur zu denken. „Kadeb, ich werde aus einem Elefanten keine Mücke machen, nur weil du nicht haben willst oder kannst, dass Commodore Norrington in solch einen Zustand geraten ist. Schon wieder. Und glaube, wenn ich sage: Zumeist stirbt es sich recht schnell“ „A-HA! Aber wäre er denn überhaupt ein Commodore, wenn ein winziger Pieks in die Brust vor fast einem Jahr und ein kleiner Schnupfen ihn heute umhauen? Und es heißt: ´aus einer Mücke keinen Elefanten machen´!“ „´Winziger Pieks´? Sieh ihn dir an!“ „Mit Verlaub, habe ihn gesehen mein Freund: Winziger als winzig, der Pieks, vor fast einem Jahr... klitze-winzig-klein“ Al Faras seufzt auf, „Ein bemerkenswerter Frohsinn, den du da hast“, bevor er beginnt sich an meinem Hemd zu schaffen zu machen, "aber du hast Recht, es ist nicht dein ´Pieks´, der mir den Kopf zerbricht" Bereits bei der ersten Berührung fahre ich zusammen und schließe die Augen. Langsam, Streifen für Streifen, schält mich der Schneider behutsam aus dem Leinen, so behutsam es ihm eben möglich ist. Unter jedem weiteren Spann Stoff, der abgetragen wird, stöhne ich auf, krampfe und zittere. Als er nach einer endlos dauernden Weile fertig ist, ich bereits ahne, was er vorhat, ist es schließlich eine altbewährte Methode Wundbrand zu verhindern, geht er hinüber zum brennenden Kamin und bringt den vorpräparierten Dolch in die Flammen. Sofort entzündet sich der Alkohol in einer bläulichen Gloriole. Im Feuer gedreht und gewendet, bis sie leuchtendrot glüht, wird die im Normalfall tödliche Waffe heute zur Heilung verwendet. "Es ist der Verlust seines Lebenssaftes und die Hitze in seinem Körper, die nicht fort gehen will. Sie werden es ihm schwer machen das jetzt Kommende auszuhalten", warnt er, bevor er zum Bett zurückkehrt. „Lass ihn nicht los, Kadeb. Tust du´s, brenne ich vielleicht zu tief…“ „Aye. Mund auf Norrington!“ Von Sparrow wird mir rüde etwas zwischen die Zähne geschoben, ein Stück Holz oder etwas vergleichbares… ich weiß es nicht. Dann umfasst er mich mit einem Arm, hart und unnachgiebig, seine freie Hand legt sich mir auf die Stirn und presst meinen Kopf fest gegen seine Schulter. „…du weißt, dann wird es keinen zweiten Versuch geben, Captain Jack Sparrow“ „´Aye´ habe ich gesagt! Ich werde ihn halten“ Der große Mann nickt. In blankem Horror starre ich ihn an, wie er auf mich zukommt, sich über mich beugt mit dem Schlachtermesser in der Hand, das mein Herz schlagen lässt, als müsse es jeden Moment unter seiner eigenen Schnelle zerspringen. Ich habe nichts von ihm zu befürchten, der Verstand weiß das, aber das dumme Herz nicht. Ich zucke, rüttle an den Fesseln, an dem unbarmherzigen Griff des Piraten hinter mir, in dem ich mich befinde. Die Schraubstöcke der Zimmersleute könnten nicht kräftiger zupacken… Leise flüstert Sparrow mir beruhigende Worte ins Ohr, dummes Zeug und kleine Witzeleien, immerzu, aber als die glühende Spitze meine Haut durchbricht, beiße ich auf den Gegenstand in meinem Mund, gleich dem gefangenen Pferd auf die Trense. Die Hände in die Laken gekrallt, schreie ich. Weine, fluche, bete, ich flehe jeden an, der mich erhören könnte. Ich weiß, dass mir Tränen heiß die Wangen entlang strömen, und er hält mich hier, um dem entgegenzutreten, was ich mir selbst eingebrockt habe: Peinigendes Feuer, innere Fäulnis, zu Staub verfallendes Fleisch, unsagbarer Schmerz. Oh Allvater! So muss die Hölle sein. Ich ertrage es nicht länger… * * * Ich weiß nicht mehr, ob ich träume oder wache. „Yo ho, yo ho, Piraten haben´s gut.“ Erinnerung. Traum. Wirklichkeit. Der Übergang ist fließend. Alles ist eins. „Wir sacken kräftig Schätze ein, trinkt aus Piraten yo ho“ Und zwischendrin stehe ich, stehe an Bord der Dauntless, früh im Morgengrauen, im Zwielicht, wo der Tag noch kaum von der Nacht geschieden worden ist. Wüste Nebel und der Hauch des Wirrwarrs liegen zu dieser Stunde über den Wassern, hier am Anfang aller Dinge. „Betrügen und legen jeden herein, trinkt aus Piraten yo ho" Ich folge der Melodie, ich kenne sie, erinnere mich an sie, träume vielleicht gerade von ihr, ja, vielleicht ist sie sogar wirklich… oder ich werde betrogen von ihr, einer Sinnestäuschung, einer schönen Einbildung… Ich erinnere mich daran, dass Master Gibbs dieses Lied gefürchtet hatte wie einen Fluch, der sich über ein Schiff legt, kaum wurde die Melodie gesungen, wie eine dunkle Prophezeiung, kaum wurden die Worte gesprochen. „Ein jeder von uns ist ein schmutziger Dieb,…" Heute würde ich ihm zustimmen... Ich folge dem Gesang über die klammen Bretter, Schritt für Schritt durch den Nebel und hinaus ins Freie, wie einst Theseus dem Garn der Ariadne aus dem Labyrinth des Minotaurus folgte. Sie führt mich hinauf zum Heck, dem höchsten Punkt des Schiffes, das gleich einem hellen Plateau über einem dunklen Wald liegt. Ich erinnere mich, dass ich diesen Weg schon einmal gegangen bin, damals während der Überfahrt von England nach Port Royal, ich erinnere mich daran, dass ich zum Heck hinauf gegangen war, zu dem jungen Mädchen in seinem einfachen, beigen Kleid, dem Kinde Governor Swanns, das das dreizehnte Lebensjahr noch nicht erreicht hatte. Ein Kind, das nichts von der Welt wusste, sie nicht verstand und stattdessen seinen romantischen Vorstellungen von der Piraterie nachhing. Ein Kind das in seiner naiven Unschuld dieses Lied sang. „…trinkt aus Piraten yo ho.“ Jetzt steht kein Kind mehr hier oben, kein aristokratisches Mädchen, das behütet werden muss. Ein ungebändigtes und freies Geschöpf sehe ich vor mir, mit unfrisiertem, offenen Haar, das sich unbeugsam im Wind bewegt und die geraden, aufrechten Schultern umschmeichelt, deren stolze Haltung so viel Anmut und Würde zeigen. Ich gehe hinauf, will noch einmal in die Augen sehen, die nie mit der Intensität zurückschauen werden, wie ich es mir wünsche, …mit der sie immer schon einen anderen angesehen haben. „Doch trotzdem hat unser Jamie uns lieb, trinkt aus Piraten yo ho." Ich berühre den geraden Rücken. Noch einmal will ich egoistisch sein… "Hmhm... Commodore? Darf ich fragen, was Ihr da tut?!", …und in dem unachtsamen Moment, in dem Ihr Euch umwendet, werde ich zum Dieb und stehle einen weiteren Kuss, der nicht für mich bestimmt ist. Unsere Schicksale waren immer verflochten, doch waren sie niemals eins… Es ist ein unschuldiger Kuss ohne respektloses Verlangen, doch wie beim ersten Mal erstarrt Ihr unter der vorsichtigen Berührung vor Überraschung, Unglauben und unbändigem Schrecken. Ich spüre Euren Widerwillen, Eure entschiedenen Hände, die sich auf meine Arme legen und mich kraftvoll auf Abstand halten, aber keinen ernsthaften Versuch unternehmen sich loszureißen. Ich spüre Euren stockenden Atem, wie er von rauen, zitternden Lippen kommt und wie der warme Odem versucht ein klares Wort der Ablehnung zu formen. Aber es gelingen Euch lediglich unverständlich gestammelte Laute. Eure aufgerissenen Augen blicken mich an und erscheinen mir heute um so vieles dunkler, als das letzte Mal, ja fast schwarz sind sie und so viel tiefer. Sie sind nicht wütend oder gar zornig, vielmehr erschrocken und erstaunt, zweifelsfrei fragend und, oh, so sehr verwirrt. Ihr wisst, ich würde Euch niemals festhalten, Euch niemals zu etwas zwingen! Und ich weiß, dass Ihr das in meinen Augen lesen können müsst, die heimliche Liebe, die mich all die Jahre erfüllt hat und die bereit ist zu verzichten und Euch wieder und wieder gehen zu lassen. Ich weiß, dass Ihr es seht; weil Ihr mich nicht wegstoßt, obwohl Ihr könntet, weil Ihr, nachdem der letzte Funken des Zweifels verflogen ist, stattdessen plötzlich zu lächeln beginnt. Weil ihr weiterlächelt, als ihr langsam unsere Verbindung nach dieser quälenden Süße löst, mich anseht und an meinen Lippen leise singt: "Yo ho, yo ho, Piraten haben´s gut, eh?“ Wir sehen einander an und Euer Blick wird zu einem warmen, dunklen Glühen. Mit einem zufriedenen Seufzen, als wäre ein Hungernder nach langer Zeit endlich gespeist worden, schließt Ihr Eure Lider, zieht mich kompromisslos zu Euch um mich festzuhalten und die Zärtlichkeit zu erwidern. Aber nicht vorsichtig und bedacht, nein, leidenschaftlich und rau, wild, voller Gier - fast grob will ich es nennen- und mit einer Hingabe, die ich nicht erwartet habe und die beinah seelisch schmerzt. Zu schwach, um mich diesem Überfall zu erwehren, ergebe ich mich und schon bald darauf liegen wir einander in den Armen und ich lasse mich von Euch treiben, wie ein Schiff von wiegenden Wellen. Und spätestens jetzt, da ich begreife, dass Ihr Euch mir zugewandt habt, Eurer Liebe zu William untreu geworden seid, weiß ich endlich, dass ich träumen muss, vielleicht in einem scheußlichen Fieber halluziniere und dass Ihr nicht die Wirklichkeit seid. Denn, nie hat eine wahrhaft treue Frau jemals so geküsst, nie hat eine wahrhaft treue Frau jemals so betrogen, und nie hat es einen ehrbaren Mann jemals weniger gestört. „Ihr wart ein schöner Traum…“, wispere ich heiser in die Stille hinein, als Ihr nach paradiesisch langer Zeit von mir ablasst, Eure Lippen purpurrot geküsst sind und die Erschöpfung beginnt mich hinüber in den Schlaf zu schiffen, „…Elisabeth“ * * * Große Preisfrage: Hat jemand den logischen Fehler gefunden? Ô_o Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)